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Der gerade Draht, relativistisch betrachtet - Seite 2
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ML



Anmeldungsdatum: 17.04.2013
Beiträge: 3405

Beitrag ML Verfasst am: 12. Feb 2022 00:06    Titel: Re: Der gerade Draht, relativistisch betrachtet Antworten mit Zitat

Hallo,

Teil II der Betrachtung soll plausibel machen, wie es dazu kommen kann, dass der Leiter aus Sicht der Ladung eine von null verschiedene Ladungsdichte aufweist.

Modellbetrachtung: Ein elektrisch neutraler, stromdurchflossener Leiter ruhe im Laborsystem. Wir betrachten einen Leiterabschnitt.

Frage: Weshalb hat dieser Leiterabschnitt aus dem Laborsystem heraus betrachtet eine von null verschiedene Ladungsdichte, sobald man den Strom einschaltet?

Dieser Sachverhalt wird im beigefügten Minkowski-Diagramm veranschaulicht:

Zahlen von 1-9: nummerierte Elektronen
ungestrichenes System: Laborsystem
gestrichenes System: Ruhesystem des Elektrons 7

Der Leiter ruht im Laborsystem, während die Elektronen aus Sicht des Laborsystems nach links fließen.

- Aus Sicht des Laborsystems sind im Leiter zur Zeit t=0 die Elektronen mit den Nummern 1-7 (insgesamt 7 Stück) enthalten.

- Aus Sicht des Ruhesystems von Elektron 7 sind zur Zeit t'=0 nur die Elektronen mit den Nummern 3-7 (insgesamt 5 Stück) enthalten.

Die unterschiedliche Anzahl an gleichzeitig im Leiter enthaltenen Elektronen scheint also an der Relativität der Gleichzeitigkeit zu liegen. (Diese Frage wäre nicht das erste Paradoxon, was sich bei Beachtung der Relativität der Gleichzeitigkeit in Wohlgefallen auflöst.)


Viele Grüße
Michael



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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 12. Feb 2022 06:36    Titel: Re: Der gerade Draht, relativistisch betrachtet Antworten mit Zitat

ML hat Folgendes geschrieben:

Die unterschiedliche Anzahl an gleichzeitig im Leiter enthaltenen Elektronen scheint also an der Relativität der Gleichzeitigkeit zu liegen. (Diese Frage wäre nicht das erste Paradoxon, was sich bei Beachtung der Relativität der Gleichzeitigkeit in Wohlgefallen auflöst.)


Wenn ich das richtig verstehe, entspricht das im wesentlichen meinem Argument oben. Aber wieso behauptest du die Ladung des Leiters hätte sich nicht erhöht? Wenn ich über ein beliebiges endliches Volumen auf t'=const. integriere, ergibt das eben nicht mehr null (bzw. nicht mehr dasselbe wie auf t=const. auf einem gleichgroßen V).

In meinem Folgebeitrag versuche ich noch zu erklären, wieso unter physikalischen Randbedingungen die Gesamtladung trotzdem invariant ist und was das ganze mit der lokalen Ladungserhaltung zu tun hat. Allerdings funktioniert das eben nicht mit einem unendlich langen geraden Draht, sondern nur mit räumlich begrenzten Ladungsverteilungen. Hier noch ein paar erläuternde Bemerkungen darüber was die Rechnung meiner Meinung nach zeigt.
ML



Anmeldungsdatum: 17.04.2013
Beiträge: 3405

Beitrag ML Verfasst am: 13. Feb 2022 12:59    Titel: Re: Der gerade Draht, relativistisch betrachtet Antworten mit Zitat

Hallo,

index_razor hat Folgendes geschrieben:
ML hat Folgendes geschrieben:

Die unterschiedliche Anzahl an gleichzeitig im Leiter enthaltenen Elektronen scheint also an der Relativität der Gleichzeitigkeit zu liegen. (Diese Frage wäre nicht das erste Paradoxon, was sich bei Beachtung der Relativität der Gleichzeitigkeit in Wohlgefallen auflöst.)


Wenn ich das richtig verstehe, entspricht das im wesentlichen meinem Argument oben. Aber wieso behauptest du die Ladung des Leiters hätte sich nicht erhöht?

Die Ladungen bleiben ja im Leiter drin. Da sich Anzahl der Ladungsträger nicht ändert und die Ladung pro Ladungsträger auch nicht (Ladung ist lorenztzinvariant), muss die Gesamtladung gleich bleiben. Fließbach gibt als experimentellen Beweis dafür, dass die Ladung sich mit Geschwindigkeit nicht ändert, die Neutralität des Wasserstoffatoms an.


Zitat:

Wenn ich über ein beliebiges endliches Volumen auf t'=const. integriere, ergibt das eben nicht mehr null (bzw. nicht mehr dasselbe wie auf t=const. auf einem gleichgroßen V).

Ich versuche mal ein Minkowski-Diagramm mit einem kompletten Stromkreis.
Modellhalber betrachten wir hier 28 Elektronen, die sich (von oben betrachtet) im Gegenuhrzeigersinn bewegen.


Wir schauen auf die Situation aus dem ungestrichenen Laborsystem und zählen die Ladungen zum Zeitpunkt t=0, d. h. wir schauen auf die rote Anordnung:

vorne: 7 Stück (1-7)
rechts: 7 Stück (8-14)
hinten: 7 Stück (15-21)
links: 7 Stück (22-28.)


Jetzt das gleiche aus dem Bezugssystem, in dem Ladung 1 ruht (gestrichenes System), und zwar für den Zeitpunkt t'=0.

vorne: 6 Stück (rote 1- blaue 6)
rechts: 7 Stück (blaue 7 - blaue 13)
hinten: 8 Stück (blaue 14- rote 21)
links: 7 Stück (rote 22 - rote 28.)

Die Gesamtladung bleibt demnach konstant, sie verteilt sich aber aufgrund der Relativität der Gleichzeitigkeit auf andere Orte des Gesamtleiters.


Viele Grüße
Michael



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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 13. Feb 2022 15:02    Titel: Re: Der gerade Draht, relativistisch betrachtet Antworten mit Zitat

ML hat Folgendes geschrieben:

Die Ladungen bleiben ja im Leiter drin. Da sich Anzahl der Ladungsträger nicht ändert und die Ladung pro Ladungsträger auch nicht (Ladung ist lorenztzinvariant), muss die Gesamtladung gleich bleiben.


Ich denke es gibt keine lorentzinvariante Definition der Ladung eines unendlichen geraden stromführenden Drahts. Lorentzinvarinte Ladungen gibt es nur für 1) rein konvektive Ströme oder 2) endliche Ladungs- und Stromdichteverteilungen. Und im Fall 2) ist auch nur die Gesamtladung lorentzinvariant. Das ist zumindest genau die Schlußfolgerung, zu der ich weiter oben gekommen bin.

Zitat:

Ich versuche mal ein Minkowski-Diagramm mit einem kompletten Stromkreis.

[...]

Die Gesamtladung bleibt demnach konstant, sie verteilt sich aber aufgrund der Relativität der Gleichzeitigkeit auf andere Orte des Gesamtleiters.


Genau, das ist bei einer endlichen Ladungsverteilung der Fall. Für eine solche ist die Gesamtladung unabhängig vom Beobachter als direkte Konsequenz aus der lokalen Ladungserhaltung. Dafür habe ich oben ein allgemeines Argument skizziert.

Aber genau dieses Argument trifft auf einen unendlich ausgedehnten geraden Draht eben nicht zu. Dort ändert sich an jedem Ort die Ladungsdichte gleichermaßen. Wenn er in seinem Ruhesystem neutral ist, besitzt jedes Leiterstück für einen relativ dazu bewegten Beobachter eine nichtverschwindende Ladung (und die Gesamtladung ist unendlich). Das schreibst du ja selbst und führst es auf die Relativität der Gleichzeitigkeit zurück. Das ist auch der Grund, aber er ändert nicht viel an der Tatsache, daß es keine sinnvolle lorentzinvariante Definition der Ladung gibt.

Grund für das Problem sind aber lediglich die unphysikalischen Randbedingungen. Deswegen spielt es denke ich keine große Rolle (so wenig wie z.B. die unendliche Energie von ebenen Wellen).
ML



Anmeldungsdatum: 17.04.2013
Beiträge: 3405

Beitrag ML Verfasst am: 13. Feb 2022 18:11    Titel: Re: Der gerade Draht, relativistisch betrachtet Antworten mit Zitat

Hallo,

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Ich denke es gibt keine lorentzinvariante Definition der Ladung eines unendlichen geraden stromführenden Drahts. Lorentzinvarinte Ladungen gibt es nur für 1) rein konvektive Ströme oder 2) endliche Ladungs- und Stromdichteverteilungen. Und im Fall 2) ist auch nur die Gesamtladung lorentzinvariant. Das ist zumindest genau die Schlußfolgerung, zu der ich weiter oben gekommen bin.

Zustimmung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass diese Ladung in praktisch allen Bezugssystemen unendlich sein müsste und in dem System, das den Elektronen mit ihrer halben Driftgeschwindigkeit "hinterherläuft", gleich null.
Ich werde mal in den nächsten Tagen versuchen, das ganze formelmäßig hinzuschreiben.. Das Minkowski-Diagramm gibt einen guten Hinweis, was passiert -- mal sehen, ob die formelmäßige Notation noch etwas grundlegend Anderes ergibt.

Zitat:

Zitat:

Ich versuche mal ein Minkowski-Diagramm mit einem kompletten Stromkreis.
[...]
Die Gesamtladung bleibt demnach konstant, sie verteilt sich aber aufgrund der Relativität der Gleichzeitigkeit auf andere Orte des Gesamtleiters.

Genau, das ist bei einer endlichen Ladungsverteilung der Fall. Für eine solche ist die Gesamtladung unabhängig vom Beobachter als direkte Konsequenz aus der lokalen Ladungserhaltung. Dafür habe ich oben ein allgemeines Argument skizziert.

Ja, ich erinnere mich (ich hab's mir gerade nochmal durchgelesen). Das war der Punkt, der mich hat verzweifeln lassen. Die Theorie sagt etwas schwammig "Ladungserhaltung", aber wenn man selbst nachrechnet, geht es nicht auf.

Zitat:

Grund für das Problem sind aber lediglich die unphysikalischen Randbedingungen. Deswegen spielt es denke ich keine große Rolle (so wenig wie z.B. die unendliche Energie von ebenen Wellen).

Ja, und wie andere pathologische Annahmen. Beim unendlich langen Leiter haben wir ja beispielsweise auch keinen geschlossenen Stromkreis.


Viele Grüße
Michael
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