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Der gerade Draht, relativistisch betrachtet
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SR5
Gast





Beitrag SR5 Verfasst am: 18. Jun 2020 18:04    Titel: Der gerade Draht, relativistisch betrachtet Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Meine Frage bezieht sich auf das gleichnamige Kapitel in "Gerthsen Physik".
Die Argumentation dort lautet: "Im Laborsystem ist ein stromführender Draht ungeladen (gleichdichte Ionen und Elektronen). In dem System, das sich mit den Elektronen mitbewegt [...] liegen die Elektronen weniger dicht als die Ionen [...], also ist der Draht in diesem System positiv geladen."
Was ist an der folgenden Sichtweise falsch:
"Im Laborsystem bewegen sich die Elektronen. Also wird das Elektronenpaket längenkontrahiert, mithin liegen die Elektronen dichter als die Ionen, also ist der Draht in diesem System negativ geladen."
Die absurde Konsequenz wäre natürlich, dass es keinen ungeladenen stromdurchflossenen Draht geben kann.
Trotzdem ist mir nicht klar, wie die Asymmetrie in der Betrachtungsweise zustande kommt: In einem Bezugssystem wird mit der Längenkontraktion argumentiert, in dem anderen nicht.




Meine Ideen:
Sorry, aber ich habe keine rechte Idee...
ML



Anmeldungsdatum: 17.04.2013
Beiträge: 3398

Beitrag ML Verfasst am: 18. Jun 2020 18:16    Titel: Re: Der gerade Draht, relativistisch betrachtet Antworten mit Zitat

Hallo,

SR5 hat Folgendes geschrieben:

Meine Frage bezieht sich auf das gleichnamige Kapitel in "Gerthsen Physik".
Die Argumentation dort lautet: "Im Laborsystem ist ein stromführender Draht ungeladen (gleichdichte Ionen und Elektronen).

Eine Ladungsdichte von null ergibt sich in dem System, das sich bezogen auf das Laborsystem mit der halben Driftgeschwindigkeit der Elektronen bewegt.

Zitat:

Die absurde Konsequenz wäre natürlich, dass es keinen ungeladenen stromdurchflossenen Draht geben kann.

siehe oben

Zitat:

Trotzdem ist mir nicht klar, wie die Asymmetrie in der Betrachtungsweise zustande kommt: In einem Bezugssystem wird mit der Längenkontraktion argumentiert, in dem anderen nicht.

Stellen wir uns eine externe positive Ladung vor, die sich in einer gewissen Entfernung vom Leiter mit der Geschwindigkeit in Richtung der Elektronen bewegt, die aber bloß viel größer ist als die Driftgeschwindigkeit der Elektronen. (Die Driftgeschwindigkeit der Elektronen ist sehr klein: typischerweise mm/s oder µs/s).

Aus Sicht der Ladung werden die Elektronen etwas lorentzkontrahiert und die positiven Rumpfladungen stärker lorentzkontrahiert. Die Ladungsdichte des Leiters ist also positiv, so dass die Ladung abgestoßen wird.

So ergibt sich das auch aus dem Laborsystem mit .


Viele Grüße
Michael
SR5
Gast





Beitrag SR5 Verfasst am: 18. Jun 2020 21:41    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Michael,
vielen Dank für deine schnelle Antwort!

Zitat:
Eine Ladungsdichte von null ergibt sich in dem System, das sich bezogen auf das Laborsystem mit der halben Driftgeschwindigkeit der Elektronen bewegt.


Dies finde ich einleuchtend. Allerdings wäre die Aussage im Gerthsen "Im Laborsystem ist ein stromführender Draht ungeladen" dann ja falsch!

Die Sichtweise aus einem System, das sich schneller als die Elektronen bewegt, kann ich ebenfalls nachvollziehen.
Allerdings löst dies nicht mein Problem mit dem Laborsystem.
Angenommen eine positive Ladung q ruht relativ zum Draht. Wenn im Laborsystem dann tatsächlich die bewegten Elektronen lorentzkontrahiert werden und deshalb der Draht aus Sicht von q negativ geladen erscheint, käme es doch zu einer anziehenden Kraft auf q ?!

Schöne Grüße
Stefan
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Jun 2020 07:10    Titel: Antworten mit Zitat

Ich denke, es lohnt sich, dazu die Theorie zu betrachten.

1) Die Viererstromdichte



ist ein Vierervektor. Daher lautet die Lorentztransformation



d.h.



2) Für das Volumenelement gilt



Dies folgt aus der Lorentztransformation von





3) Für die Ladung in einem Bereich B gilt letztlich



D.h. die Ladung Q[B] ist ein Lorentzskalar.

4) Betrachtet man die Ladungsdichten von Atomrümpfen und Elektronen getrennt, also





so folgt sofort



EDIT:

zu 3)

Mit dem Bereich B ist dabei eine invariante Aussage gemeint. D.h. also z.B. nicht „in einem 5 cm langen Stück Draht“ - was eben gerade nicht invariant bzgl. Lorentztransformation ist - sondern z.B. „in dem Stück Draht zwischen den beiden Anschlussklemmen“.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
ML



Anmeldungsdatum: 17.04.2013
Beiträge: 3398

Beitrag ML Verfasst am: 19. Jun 2020 21:10    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

Zitat:

Dies finde ich einleuchtend. Allerdings wäre die Aussage im Gerthsen "Im Laborsystem ist ein stromführender Draht ungeladen" dann ja falsch!

Schau auch nochmal auf das, was TomS zum Thema ungeladen schreibt. Wir haben Deine Frage nämlich beide etwas anders verstanden:

- TomS schreibt darüber, dass sich die Ladung des Drahtes durch Wechsel des Bezugssystems nicht ändert und leitet das her. Das ist im besten Wortsinne das, was man unter "ungeladen" verstehen sollte.

- Ich hatte deine Frage so verstanden, dass Du auf die Ladungsdichte (Ladung pro Länge) abzielst. Diese verändert sich durch einen Wechsel des Bezugssystems.

Fazit: Ein langer, geradliniger, ungeladener, stromdurchflossener Leiter mit homogener Ladungsdichte (hoffentlich habe ich an die wesentlichen Eventualitäten gedacht) kann existieren. Bei einen Wechsel des Bezugssystems bleibt er ungeladen, aber seine Ladungsdichte ändert sich im Allgemeinen. In einem System, in dem die Geschwindigkeit der Rumpfatome entgegengesetzt gleich ist wie die Driftgeshchwindigkeit der Elektronen, ist die Ladungsdichte des Drahtes gleich null.


Zitat:

Angenommen eine positive Ladung q ruht relativ zum Draht. Wenn im Laborsystem dann tatsächlich die bewegten Elektronen lorentzkontrahiert werden und deshalb der Draht aus Sicht von q negativ geladen erscheint, käme es doch zu einer anziehenden Kraft auf q ?!

Meines Erachtens ja, aber eine sehr kleine Kraft, die messtechnisch kaum nachweisbar ist.


Viele Grüße
Michael
SR5
Gast





Beitrag SR5 Verfasst am: 19. Jun 2020 21:26    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Michael, hallo TomS,

danke für eure Antworten!
@TomS:
Kann man den Knackpunkt auch verstehen ohne sich durch die harte Theorie der Vierervektoren, etc. zu kämpfen?

@Michael:
Wenn der vermeintliche Widerspruch nur durch die kleinen Driftgeschwindigkeiten zustande käme, dann würde doch die Argumentation im Bezugssystem der Elektronen nicht funktionieren, oder? Dort ist die nur durch die Lorentzkontraktion entstehende elektrostatische Kraft ja immerhin genau so groß wie die Lorentzkraft im Laborsystem, also keinesfalls vernachlässigbar klein.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Jun 2020 23:20    Titel: Antworten mit Zitat

SR5 hat Folgendes geschrieben:
@TomS:
Kann man den Knackpunkt auch verstehen ohne sich durch die harte Theorie der Vierervektoren, etc. zu kämpfen?

Was genau ist denn für dich der Knackpunkt?

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ML



Anmeldungsdatum: 17.04.2013
Beiträge: 3398

Beitrag ML Verfasst am: 19. Jun 2020 23:37    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

SR5 hat Folgendes geschrieben:

Dort ist die nur durch die Lorentzkontraktion entstehende elektrostatische Kraft ja immerhin genau so groß wie die Lorentzkraft im Laborsystem, also keinesfalls vernachlässigbar klein.

Nein, je schneller Du die äußere Ladung bewegst, umso größer ist die Kraft auf sie. Das kennst Du doch aus der Formel für die Lorentzkraft F=qvB.

Praktisch das gleiche Ergebnis erhältst Du, wenn Du Dir die Frage stellst: "Welche Ladungsdichte sieht eine vorbeieilende Ladung q am Ort des Drahtes?" (Die Einschränkung praktisch bezieht sich darauf, dass Du eine dreikomponentige Kräft ansetzt, aber besser mit Vierervektoren rechnen würdest. Das ist aber bei Expeirmenten mit v<<c kein relevanter Aspekt.)

Letztlich wollen wir dabei ja wissen, wie groß die Differenz der Lorentzfaktoren für folgende Geschwindigkeiten ist, jeweils betrachtet aus dem Ruhesystem der externen Ladung q:
1)
2)

Da der Lorentzfaktor mit der Geschwindigkeit stark ansteigt, ist diese Differenz der Lorentzfaktoren stark davon abhängig, wie groß der Absolutwert der Geschwindigkeiten ist. Es geht nicht nur um deren Differenz:
https://de.wikipedia.org/wiki/Lorentzfaktor#/media/Datei:Lorentzfaktor.svg

Schau in dem Graphen mal nach rechts. Dann siehst Du: Bei einer klitzekleinen Differenz der Geschwindigkeiten unterscheiden sich die Lorentzfaktoren massiv!

Sprich: Wenn ich mich mit einer Geschwindigkeit entlang der Leitung bewege, die im Bereich der Driftgeschwindigkeit der Elektronen ist, sehe ich kaum Unterschiede in den Ladungsdichten von Rumpfatomen und Elektronen. Wenn ich mich jedoch schneller bewege, dann sehe ich größere Unterschiede in den Ladungsdichten.


Viele Grüße
Michael
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 20. Jun 2020 08:40    Titel: Antworten mit Zitat

Meine obige Argumentation ist unvollständig, denn ich habe beim Übergang von der Viererstromdichte j zur Ladungsdichte rho implizit vorausgesetzt, dass kein Strom fließt. Das ist im vorliegenden Fall natürlich nicht zutreffend.

Für die Atomrümpfe bzw. Elektronen gilt im Ruhesystem der Atomrümpfe





Für die Lorentztransformation gilt



Offensichtlich erhält die Ladungsdichte rho durch die Transformation einen Beitrag einer nicht-verschwindenden Stromdichte.

Das verkompliziert die Diskussion des Integrals für Q[B], ändert jedoch nichts daran, dass Q ein Skalar und damit



eine invariante Aussage ist.

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De Selby
Gast





Beitrag De Selby Verfasst am: 20. Jun 2020 20:22    Titel: Antworten mit Zitat

ML hat Folgendes geschrieben:

Fazit: Ein langer, geradliniger, ungeladener, stromdurchflossener Leiter mit homogener Ladungsdichte (hoffentlich habe ich an die wesentlichen Eventualitäten gedacht) kann existieren. Bei einen Wechsel des Bezugssystems bleibt er ungeladen, aber seine Ladungsdichte ändert sich im Allgemeinen.

Das kann doch offensichtlich nicht stimmen. Ein Körper mit einer homogenen positiven Ladungsdichte hat natürlich eine positive Gesamtladung.
De Selby
Gast





Beitrag De Selby Verfasst am: 20. Jun 2020 20:37    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Offensichtlich erhält die Ladungsdichte rho durch die Transformation einen Beitrag einer nicht-verschwindenden Stromdichte.

Das verkompliziert die Diskussion des Integrals für Q[B], ändert jedoch nichts daran, dass Q ein Skalar und damit



eine invariante Aussage ist.


Doch, es ändert etwas. Deshalb haben zwar bewegte Elektronen die selbe Ladung wie ruhende, ein bewegter stromführender Leiter aber eine andere, als ein ruhender.

Die eigentlich interessante Frage ist also, warum die Ladung in einem ruhenden stromführenden Leiter verschwindet, und warum die Begründung dann für bewegte Leiter nicht mehr funktioniert.
ML



Anmeldungsdatum: 17.04.2013
Beiträge: 3398

Beitrag ML Verfasst am: 20. Jun 2020 22:58    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

De Selby hat Folgendes geschrieben:
ML hat Folgendes geschrieben:

Fazit: Ein langer, geradliniger, ungeladener, stromdurchflossener Leiter mit homogener Ladungsdichte (hoffentlich habe ich an die wesentlichen Eventualitäten gedacht) kann existieren. Bei einen Wechsel des Bezugssystems bleibt er ungeladen, aber seine Ladungsdichte ändert sich im Allgemeinen.

Das kann doch offensichtlich nicht stimmen. Ein Körper mit einer homogenen positiven Ladungsdichte hat natürlich eine positive Gesamtladung.

sind Deiner Meinung nach beide Teile des Körpers (i. Linie aus Elektronen; ii. Linie aus Rumpfatomen) aus dem System der Ladung q betrachtet gleich lang?

Viele Grüße
Michael
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 20. Jun 2020 23:43    Titel: Antworten mit Zitat

De Selby hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:

Offensichtlich erhält die Ladungsdichte rho durch die Transformation einen Beitrag einer nicht-verschwindenden Stromdichte.

Das verkompliziert die Diskussion des Integrals für Q[B], ändert jedoch nichts daran, dass Q ein Skalar und damit



eine invariante Aussage ist.


Doch, es ändert etwas. Deshalb haben zwar bewegte Elektronen die selbe Ladung wie ruhende, ein bewegter stromführender Leiter aber eine andere, als ein ruhender.

Es wäre nett, wenn du das irgendwie berechnen könntest, nicht nur behaupten. Ob es dann funktioniert oder nicht, man könnte etwas daraus lernen.

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De Selby
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Beitrag De Selby Verfasst am: 21. Jun 2020 11:11    Titel: Antworten mit Zitat

ML hat Folgendes geschrieben:

sind Deiner Meinung nach beide Teile des Körpers (i. Linie aus Elektronen; ii. Linie aus Rumpfatomen) aus dem System der Ladung q betrachtet gleich lang?

Ja, eben homogene Ladungsdichte.
Wenn Dir ein unendlich langer Draht verdächtig vorkommt, betrachte einen kurzen Teile eines langen Drahtes. Das ist auch ein Körper.
De Selby
Gast





Beitrag De Selby Verfasst am: 21. Jun 2020 11:44    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Es wäre nett, wenn du das irgendwie berechnen könntest, nicht nur behaupten.

Ne, sorry, ich werde das hier nicht vorrechnen. Leider finde ich auf die Schnelle auch keine Referenz.

Man muss jedenfalls beachten, dass die Ladung in verschiedenen Bezugssystemen über verschiedene Bereiche berechnet wird (nämlich jeweils über eine Untermenge einer Gleichzeitigkeitshyperebene).
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 21. Jun 2020 12:10    Titel: Antworten mit Zitat

De Selby hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:

Es wäre nett, wenn du das irgendwie berechnen könntest, nicht nur behaupten.

Ne, sorry, ich werde das hier nicht vorrechnen. Leider finde ich auf die Schnelle auch keine Referenz.

Schade, ich dachte, du würdest was Konkretes beitragen

De Selby hat Folgendes geschrieben:
Man muss jedenfalls beachten, dass die Ladung in verschiedenen Bezugssystemen über verschiedene Bereiche berechnet wird (nämlich jeweils über eine Untermenge einer Gleichzeitigkeitshyperebene).

Das könnte tatsächlich interessant sein, allerdings sehe ich den Bezug zu unserer Fragestellung nicht unmittelbar.

Zunächst mal ist



sicher eine lorentzinvariante Größe, und damit auch



für jeweils identisches B.

Eine andere Gleichzeitigkeitshyperebene würde einen anderen Integrationsbereich bedeuten.

Dann wäre die gesamte Verwirrung auf unsaubere Definitionen zurückzuführen.

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De Selby
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Beitrag De Selby Verfasst am: 21. Jun 2020 14:19    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Zunächst mal ist

sicher eine lorentzinvariante Größe,

Ganz sicher nicht, denn, wie Du schon herausgefunden hattest, ist die transformierte Ladungsdichte von der Stromdichte abhängig, die in diesem Ausdruck aber gar nicht auftaucht.
Zitat:

Eine andere Gleichzeitigkeitshyperebene würde einen anderen Integrationsbereich bedeuten.

Genau.
Zitat:

Dann wäre die gesamte Verwirrung auf unsaubere Definitionen zurückzuführen.

Wie meinst Du das?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 21. Jun 2020 16:47    Titel: Antworten mit Zitat

De Selby hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:

Zunächst mal ist

sicher eine lorentzinvariante Größe,

Ganz sicher nicht, denn, wie Du schon herausgefunden hattest, ist die transformierte Ladungsdichte von der Stromdichte abhängig, die in diesem Ausdruck aber gar nicht auftaucht.

Wie schon gesagt, ich hatte dies für verschwindende Stromdichte angegeben. Eine manifest invariante Definition lautet



für eine feste 3-dim. Hyperfläche Sigma.

De Selby hat Folgendes geschrieben:

Zitat:

Eine andere Gleichzeitigkeitshyperebene würde einen anderen Integrationsbereich bedeuten.

Genau.
Zitat:

Dann wäre die gesamte Verwirrung auf unsaubere Definitionen zurückzuführen.

Wie meinst Du das?

Genau so.

In dem von mir angegeben Integral ist der Integrand ein Skalar, die Hyperfläche Sigma fest, bei dir offenbar nicht.


EDIT:


Sei eine in einem endlichen Raumgebiet enthaltene Ladungsverteilung gegeben; dann definiert jedes einen Lorentz-Skalar .

Seien gegeben, so dass der Bereich, der die Ladungsverteilung auf enthält, im Vorwärtslichtkegel des entsprechenden Bereiches auf enthalten ist. Dann ist die Gleichung



für (ansonsten beliebige) doch gleichbedeutend damit, dass erhalten ist.

D.h. die Lorentztransformation wirkt für festes als Koodinatentransformation trivial auf den Integranden. Eine Änderung der Hyperfläche entspricht dagegen keiner Lorentztransformation.

In dieser Form ist das auch auf die allgemeine Relativitätstheorie erweiterbar.


Bsp. Wasserstoffatom: ohne die Viererstromdichten exakt angeben zu können, wissen wir experimentell, dass



Und natürlich ist



D.h. für die Ladung des ruhenden Protons sowie des bewegten Elektrons gilt doch



Das Wasserstoffatom erscheint nicht geladen, nur weil sich das Elektron bewegt.


EDIT 2:

In einer Quantenfeldtheorie kann man dies formal recht elegant schreiben und für einfache Fälle explizit nachprüfen: man konstruiert die Generatoren der Poincarealgebra



Die Ladung Q ist genau dann ein Lorentz-Skalar, wenn



d.h. wenn Invarianz unter Rotationen und Boosts vorliegt.

Die Ladung Q ist genau dann eine Erhaltungsgröße, wenn


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De Selby
Gast





Beitrag De Selby Verfasst am: 21. Jun 2020 20:15    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Wie schon gesagt, ich hatte dies für verschwindende Stromdichte angegeben.

Wir interessieren uns hier doch gerade für den Fall einer nicht verschwindenen Stromdichte. Genauer: einer raumartigen Viererstromdichte.
Zitat:

Eine manifest invariante Definition lautet

für eine feste 3-dim. Hyperfläche Sigma.

Wenn Sigma der Schnitt der Weltröhre eines Körpers mit der Hyperebene t=0 ist, dann ist Dein Integral die Ladung des Köpers zum Zeitpunkt t=0 in diesem Bezugssystem. Wenn Du die Ladung des Körpers in einem anderen Bezugssystem zum Zeitpunkt t'=0 berechnen willst, musst Du den Schnitt der Weltröhre mit der Hyperebene t'=0 als Integrationsgebiet wählen.
Dass dabei etwas anderes herauskommen kann, sollte klar sein.

Für den Rest Deines Beitrags sehe ich den Bezug zum Problem nicht.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 21. Jun 2020 23:31    Titel: Antworten mit Zitat

Jetzt mal andere rum:

De Selby hat Folgendes geschrieben:
Doch, es ändert etwas. Deshalb haben zwar bewegte Elektronen die selbe Ladung wie ruhende, ein bewegter stromführender Leiter aber eine andere, als ein ruhender.

Eine quantitative Argumentation wäre hilfreich; bisher ist das doch etwas hand-waving.

De Selby hat Folgendes geschrieben:
Die eigentlich interessante Frage ist also, warum die Ladung in einem ruhenden stromführenden Leiter verschwindet, und warum die Begründung dann für bewegte Leiter nicht mehr funktioniert.

Ja. Wenn du eine Begründung hast, dann führe sie hier gerne an, das wäre hilfreich.

De Selby hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Es wäre nett, wenn du das irgendwie berechnen könntest, nicht nur behaupten.

Ne, sorry, ich werde das hier nicht vorrechnen. Leider finde ich auf die Schnelle auch keine Referenz.

Schade.

De Selby hat Folgendes geschrieben:
Man muss jedenfalls beachten, dass die Ladung in verschiedenen Bezugssystemen über verschiedene Bereiche berechnet wird (nämlich jeweils über eine Untermenge einer Gleichzeitigkeitshyperebene).

Wenn du eine andere Definition kennst, dann darfst du sie hier jederzeit benennen, das wäre hilfreich. Insbs. sollte dann auch klar werden, ob und warum diese Definition - im Widerspruch zur Literatur - auf eine elektrische Ladung führt, die kein Lorentz-Skalar ist.

Solange du das nicht tust, können wir uns jede weiter Definition schenken.

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De Selby
Gast





Beitrag De Selby Verfasst am: 22. Jun 2020 19:59    Titel: Antworten mit Zitat

Ich bin ewtas ratlos, warum Du nicht auf meinen vorigen Beitrag eingehst. Wieso schreibe ich überhaupt etwas?

Letzter Versuch: Die Ladung einer Kondensatorplatte ist einen zeitabhängige Größe. Sie kann daher nicht unabhängig vom Bezugssystem sein, allein schon, weil die Zeitkoordinate vom Bezugssystem abhängt.

TomS hat Folgendes geschrieben:

Wenn du eine andere Definition kennst, dann darfst du sie hier jederzeit benennen, das wäre hilfreich. Insbs. sollte dann auch klar werden, ob und warum diese Definition - im Widerspruch zur Literatur - auf eine elektrische Ladung führt, die kein Lorentz-Skalar ist.

Weil in der Literatur, auf die Du Dich vermutlich beziehst, kein Leitungsstrom berücksichtigt wird. Der Grund dafür, dass sich die Ladung eines nicht leitenden Körpers beim Beschleunigen nicht ändert, hat wesentlich mit der Kontinuitätsgleichung für die Ladung zu tun. Siehe z.B Rohrlich, Classical Charged Particles (1. Auflage), Abschnitt AI-5. (Über Leitungsstrom wirst Du da natürlich nichts finden).

Das ein bewegter stromführender Leiter geladen ist, ist aber allgemein bekannt. Insbesondere die Erklärung der Lorentzkraft wie im Gehrtsen, oder in der Wikipedia: Spezielle_Relativitätstheorie#Lorentzkraft
gehört zur physikalischen Folklore.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 22. Jun 2020 20:39    Titel: Antworten mit Zitat

Daß die Ladung über ein fixes, endliches Volumen V im allgemeinen vom Bezugssystem abhängt, ist, denke ich, leicht zu zeigen. Die Viererladungsdichte hat im Laborsystem die Darstellung*)



Für ein bewegtes System müssen wir dies nun über integrieren (Gleichzeitigkeit bzgl. )

Über dieser Hyperfläche ist aber



Das bedeutet die Ladung im mitbewegten System ist



Im allgemeinen ist also , wenn



Diese Situation kann natürlich auftreten, wenn V ein endlicher Bereich ist, wie z.B. ein Volumen um eine einzige Kondensatorplatte. Falls V der gesamte Raum ist, ist das nicht mehr so offensichtlich, sofern die Ladungsverteilungen räumlich beschränkt sind. Ich vermute mal, dann sind die Gesamtladungen gleich, aber ein wasserdichtes Argument fällt mir dafür gerade auch nicht ein.



________
*) Abkürzungen: und
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 22. Jun 2020 21:25    Titel: Antworten mit Zitat

De Selby hat Folgendes geschrieben:

TomS hat Folgendes geschrieben:

Wenn du eine andere Definition kennst, dann darfst du sie hier jederzeit benennen, das wäre hilfreich. Insbs. sollte dann auch klar werden, ob und warum diese Definition - im Widerspruch zur Literatur - auf eine elektrische Ladung führt, die kein Lorentz-Skalar ist.

Weil in der Literatur, auf die Du Dich vermutlich beziehst, kein Leitungsstrom berücksichtigt wird. Der Grund dafür, dass sich die Ladung eines nicht leitenden Körpers beim Beschleunigen nicht ändert, hat wesentlich mit der Kontinuitätsgleichung für die Ladung zu tun.


Das kann doch nicht der Grund für den Unterschied sein. Oder gilt die Kontinuitätsgleichung etwa nicht in Leitern?

Die Invarianz der Ladung eines starren Körpers folgt doch sofort aus dem ursprünglichen Argument von TomS, da ja überall in seinem Ruhesystem.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Jun 2020 23:25    Titel: Antworten mit Zitat

m.M.n. steht die Lösung schon da:

1) Meine Definition von skalaren Ladungen lautet



für jeweils festes Sigma.

Eine Lorentztransformation induziert dann lediglich eine Koordinatentransformation auf Sigma, ändert Sigma jedoch nicht.

2) Die bezugsystemabhängigen Ladungen folgen, wenn je Beobachter ein eigenes Sigma als jeweilige Gleichzeitigkeitshyperfläche dieses Beobachters definiert wird. D.h. eine Lorentztransformation ändert Sigma.

Ok.

Ich habe mit (2) jedoch ein Problem, weil ich dazu keine vernünftige formale Herleitung kenne, gemäß der Q nicht nur bezugsystemabhängig ist, sondern ein präzise definiertes Transformationsverhalten hat.

Dann habe ich ein Problem, dass alle Argumente in die Richtung (2) irgendwie hand-waving sind und die Lorentzkraft dann letztlich doch immer mittels Ladungs- und Stromdichten sowie Feldern hergeleitet wird.

Dass vermeintlich „allgemein bekannt ist, dass ein bewegter stromführender Leiter geladen ist“ und dass „die Erklärung der Lorentzkraft wie im Gehrtsen zur physikalischen Folklore“ gehört, ist mir bekannt; Folklore ist aber nun nicht gerade ein Qualitätsmerkmal und trifft auch auf allen möglichen anderen Kram zu, der sich bei näherem Hinschauen als sinnfrei herausstellt.

Aus https://de.m.wikipedia.org/wiki/Spezielle_Relativit%C3%A4tstheorie

„Im Bezugssystem, das mit der negativen Ladung mitbewegt wird, wirkt dieselbe Kraft, muss aber ganz anders erklärt werden. Eine Lorentzkraft kann es nicht sein, denn die Geschwindigkeit der Probeladung ist ja Null. Es bewegt sich aber das positiv geladene Grundmaterial des Drahtes und erscheint nun durch die Lorentzkontraktion verkürzt. Es erhält dadurch eine vergrößerte Ladungsdichte, während die im Draht befindlichen Elektronen in diesem Bezugssystem ruhen und daher dieselbe Ladungsdichte haben wie in der Ausgangssituation. Die gesamte Ladungsdichte im Draht zeigt also einen Überschuss an positiver Ladung. Er übt auf die ruhende negative Probeladung eine elektrostatische Kraft aus, die sie radial zum Draht hinzieht. Dies ist die Beschreibung im mitbewegten Bezugssystem. Beide Beschreibungen führen zu gleichen Voraussagen über die Kraft, die auf die Probeladung wirkt.“

Das meine ich: hat das schon mal irgendjemand berechnet, und zwar nicht mit Ladungsdichte - da gibt es nämlich keinen Dissenz - sondern mittels eines Ladungsbegriff a la (2) ? Und führt dann beides wirklich zu „gleichen Voraussagen über die Kraft, die auf die Probeladung wirkt“? Ich meine damit quantitative Voraussagen, nicht Folklore.

Ich würde mich freuen, wenn jemand zeigen könnte, welches Transformationsvehalten Q bei einem Wechsel von Sigma - definiert als Gleichzeitigkeitshyperfläche - hat, und ich würde mich freuen, wenn mir jemand zeigen könnte, wie die Lorentzkraft aus diesem Ladungsbegriff folgt. Ich denke, index_razor ist schon in die Richtung unterwegs.

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Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 23. Jun 2020 06:59    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
m.M.n. steht die Lösung schon da:

1) Meine Definition von skalaren Ladungen lautet



für jeweils festes Sigma.


Für welches Sigma? Die Behauptung ist nur, daß deine Definition von Sigma abhängt, . Dieses "Problem" -- sofern es eins ist -- löst du nicht dadurch, daß du ein "festes" Sigma wählst ohne zu definieren welches.

Deine Definition ergibt nur in bestimmten Situationen Sinn, in denen man ein 3er Volumen auszeichnen kann, z.B. wenn alle beteiligten Ladungsströme konvektiv sind. In diesem Fall gibt es ein invariantes , so daß die Viererstromdichte die Form



hat, mit einem Vierergeschwindigkeitsfeld . Dann definiert man die "Ladung im Volumen V" natürlicherweise als Ruheladung eines lokal mitbewegten Beobachters. Im Falle eines Leitungsstroms funktioniert das nicht. Denn dort haben wir in jedem Bezugssystem bewegte und unbewegte Ladungen. Auf diesen Unterschied hat vermutlich De Selby in seinem vorigen Beitrag angespielt. Er hat allerdings m.E. nichts mit der Kontinuitätsgleichung zu tun, sondern damit ob die Darstellung (K) möglich ist.

Zitat:

Ich habe mit (2) jedoch ein Problem, weil ich dazu keine vernünftige formale Herleitung kenne, gemäß der Q nicht nur bezugsystemabhängig ist, sondern ein präzise definiertes Transformationsverhalten hat.

Dann habe ich ein Problem, dass alle Argumente in die Richtung (2) irgendwie hand-waving sind und die Lorentzkraft dann letztlich doch immer mittels Ladungs- und Stromdichten sowie Feldern hergeleitet wird.


Was ist daran "hand-waving"?

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich würde mich freuen, wenn jemand zeigen könnte, welches Transformationsvehalten Q bei einem Wechsel von Sigma - definiert als Gleichzeitigkeitshyperfläche - hat, und ich würde mich freuen, wenn mir jemand zeigen könnte, wie die Lorentzkraft aus diesem Ladungsbegriff folgt. Ich denke, index_razor ist schon in die Richtung unterwegs.


Ich würde die Diskussion auch immer auf der Betrachtung der Dichten aufbauen. Da es sich bei der Viererladungsdichte um eine Pseudo-3-Form handelt, komme ich aber auch nicht daran vorbei, daß ihr Integral von dem gewählten 3er Volumen in der Raumzeit und damit vom Beobachter abhängt. Ich sehe auch keine Möglichkeit daraus ein allgemeines Transformationsgesetz für Q abzuleiten. Aber ich verstehe auch nicht, warum du eines benötigst. Beim elektrischen Fluß haben wir doch dieselbe Situation in einer Dimension weniger:



hängt von der gewählten Fläche A ab. Es gibt aber kein allgemeines Gesetz, nach dem sich transformiert, wenn man A ändert. Um diese Änderung explizit anzugeben, mußt du doch D kennen.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 23. Jun 2020 08:42    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Diese Situation kann natürlich auftreten, wenn V ein endlicher Bereich ist, wie z.B. ein Volumen um eine einzige Kondensatorplatte. Falls V der gesamte Raum ist, ist das nicht mehr so offensichtlich, sofern die Ladungsverteilungen räumlich beschränkt sind. Ich vermute mal, dann sind die Gesamtladungen gleich, aber ein wasserdichtes Argument fällt mir dafür gerade auch nicht ein.


Wenn die Ladungsverteilungen wirklich endlich sind, dann folgt, denke ich, die Invarianz



über Volumina, die alle Ladungen einschließen. Hierbei sind jeweils durch die Bedingungen auf genügend großen endlichen Raumbereichen definiert. Man kann nun eines dieser Volumina entlang irgendeiner Zeitrichtung verschieben, sagen wir , so daß es 1) immer noch das gesamte System zur späteren Zeit t=c enthält und 2) kein gemeinsames Ereignis mehr mit besitzt. (Hier geht ein, daß die Ladungsverteilungen endlich sind.) Dann kann man (hoffentlich) durch hinzufügen einer Mantelfläche M als zwei Randflächen eines Vierervolumens auffassen: . Aus den Voraussetzungen folgt, daß die Viererladungsdichte auf M verschwindet.

Mit der lokalen Ladungserhaltung ergibt sich somit

TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 23. Jun 2020 08:59    Titel: Antworten mit Zitat

Das Ganze bleibt hand-waving, solange wir auf dem Niveau des Wikipedia-Artikels diskutieren. Dank deiner kommen wir jetzt weiter.


Danke für dein Beispiel mit dem elektrischen Fluss, das macht die Sache sehr klar. Wir sprechen von zwei verschiedenen Vorgehensweisen.





Im ersten Fall betrachtest du eine physikalisch ausgezeichnete Fläche A. Wenn du den elektrischen Fluss durch diese feste Fläche A für unterschiedliche Beobachter berechnest, dann benötigst du eine Lorentztransformation und erhältst



Du änderst jedoch diese Fläche A nicht, da sie z.B. im Labor fest vorgegeben ist.

Eine Lorentztransformation lässt A invariant, führt jedoch auf A neue Koordinaten ein.

Wenn du im zweiten Fall Sigma als Gleichzeitigkeitshyperfläche eines bestimmten Beobachters wählst, dann änderst du das Sigma unter Lorentztransformation zwischen verschiedenen Beobachtern, d.h.



Da jedoch



ein Skalar ist, hängt die Änderung von



gerade nicht am Integanden sondern an der Fläche selbst.

Jetzt sollten ihr erst mal festhalten, dass dies zwei völlig unterschiedliche Vorgehensweisen sind.

Mein Ansatz war nun, die Integrale



als skalare Ladungen aufzufassen. Das ist trivial, wenn man wie in deinem Beispiel des elektrischen Flusses die Hyperfläche unter Lorentztransformation festhält, d.h.



Dies definiert für jede Fläche Sigma einen eigenen Lorentzskalar. Es beweist natürlich noch nicht, dass



eine Lorentztransformation ist und dass ein definiertes Transformationsverhalten vorliegt.

Meiner Erinnerung nach zeigt Weinberg, dass dies tatsächlich der Fall ist, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass zusätzlich die Kontinuitätsgleichung erfüllt ist.

Wenn dies zutrifft, dann ist eine Aussage „ein stromführender Draht trägt aus Sicht eines mit dem Elektronenstrom mitbewegten Beobachters eine nicht verschwindende elektrische Ladung“ irreführend bis falsch.

Ich habe nie eine Rechnung gesehen, aus der dies folgen würde. Wenn es gelten würde, dann wäre jede Rechnung aus der Magnetostatik mit einer stromführenden, ungeladenen Leiterschleife falsch, denn das elektrische Feld dieser Ladung wird nie berücksichtigt. Bei einer Leiterschleife kann es natürlich auch kein Ruhesystem geben, in dem der Strom identisch verschwindet.

Wie du sagst
Zitat:
Ich würde die Diskussion auch immer auf der Betrachtung der Dichten aufbauen. Da es sich bei der Viererladungsdichte um eine Pseudo-3-Form handelt, komme ich aber auch nicht daran vorbei, daß ihr Integral von dem gewählten 3er Volumen in der Raumzeit und damit vom Beobachter abhängt. Ich sehe auch keine Möglichkeit daraus ein allgemeines Transformationsgesetz für Q abzuleiten. Aber ich verstehe auch nicht, warum du eine benötigst.

Zu ersterem volle Zustimmung. Zum letzten Satz verstehst du evtl. besser, was mein Problem ist.

Insgesamt bleibe ich dabei: was De Selby als „Folklore“ bezeichnet ist genau das - Folklore - solange wir das nicht präzisieren.

Über dein (K) muss ich nochmal nachdenken.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 26. Jun 2020 06:38, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag TomS Verfasst am: 23. Jun 2020 10:31    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wenn die Ladungsverteilungen wirklich endlich sind, dann folgt, denke ich, die Invarianz



über Volumina, die alle Ladungen einschließen. Hierbei sind jeweils durch die Bedingungen auf genügend großen endlichen Raumbereichen definiert. Man kann nun eines dieser Volumina entlang irgendeiner Zeitrichtung verschieben, sagen wir , so daß es 1) immer noch das gesamte System zur späteren Zeit t=c enthält und 2) kein gemeinsames Ereignis mehr mit besitzt. (Hier geht ein, daß die Ladungsverteilungen endlich sind.) Dann kann man (hoffentlich) durch hinzufügen einer Mantelfläche M als zwei Randflächen eines Vierervolumens auffassen: . Aus den Voraussetzungen folgt, daß die Viererladungsdichte auf M verschwindet.

Mit der lokalen Ladungserhaltung ergibt sich somit


Danke für den Ansatz.

Ich habe in Erinnerung, dass das praktisch nur unter Verwendung der Kontinuitätsgleichung funktioniert. Siehe dazu meine Idee:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Sei eine in einem endlichen Raumgebiet enthaltene Ladungsverteilung gegeben; dann definiert jedes einen Lorentz-Skalar .

Seien gegeben, so dass der Bereich, der die Ladungsverteilung auf enthält, im Vorwärtslichtkegel des entsprechenden Bereiches auf enthalten ist. Dann ist die Gleichung



für (ansonsten beliebige) doch gleichbedeutend damit, dass erhalten ist.

D.h. die Lorentztransformation wirkt für festes als Koodinatentransformation trivial auf den Integranden. Eine Änderung der Hyperfläche entspricht dagegen keiner Lorentztransformation.


Soweit ich mich an Weinberg erinnern kann, vermischt er den Beweis, dass Q ein Skalar ist, damit, dass Q erhalten ist. Wie ich auch schon geschrieben habe

TomS hat Folgendes geschrieben:
Man konstruiert die Generatoren der Poincarealgebra



Die Ladung Q ist genau dann ein Lorentz-Skalar, wenn



d.h. wenn Invarianz unter Rotationen und Boosts vorliegt.

Die Ladung Q ist genau dann eine Erhaltungsgröße, wenn



sind das jedoch zwei verschiedene Aussagen (was nicht zwingend bedeutet, dass man sie technisch unabhängig beweisen kann).

Beweis aus Weinberg Gravitation



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Beitrag TomS Verfasst am: 23. Jun 2020 10:55    Titel: Antworten mit Zitat

Ich würde wie folgt starten:









+ Kontinuitätsgleichung, Gauß-Theorem


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Zuletzt bearbeitet von TomS am 23. Jun 2020 19:51, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag index_razor Verfasst am: 23. Jun 2020 12:15    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zitat:

Mit der lokalen Ladungserhaltung ergibt sich somit


Danke für den Ansatz.

Ich habe in Erinnerung, dass das praktisch nur unter Verwendung der Kontinuitätsgleichung funktioniert.


Genau, die Kontinuitätsgleichung hat bei mir die Form mit dem früher definierten . Im allgemeinen folgt daraus die Invarianz



sofern Randfläche eines 4er-Volumens ist oder zumindest der einzige Bereich des Randes ist, auf dem nicht verschwindet. So folgert man ja normalerweise auch Erhaltung der Ladung des Gesamtsystems .

Ich denke mein Argument zeigt auch, daß die Gesamtladung eines endlichen Systems lorentzinvariant ist. Das schließt auch die Gesamtladung aller real existierenden Leiter mit ein.

Zitat:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Sei eine in einem endlichen Raumgebiet enthaltene Ladungsverteilung gegeben; dann definiert jedes einen Lorentz-Skalar .

Seien gegeben, so dass der Bereich, der die Ladungsverteilung auf enthält, im Vorwärtslichtkegel des entsprechenden Bereiches auf enthalten ist. Dann ist die Gleichung



für (ansonsten beliebige) doch gleichbedeutend damit, dass erhalten ist.

D.h. die Lorentztransformation wirkt für festes als Koodinatentransformation trivial auf den Integranden. Eine Änderung der Hyperfläche entspricht dagegen keiner Lorentztransformation.


Soweit ich mich an Weinberg erinnern kann, vermischt er den Beweis, dass Q ein Skalar ist, damit, dass Q erhalten ist. Wie ich auch schon geschrieben habe


Das hängt auch beides eng zusammen. Es geht in beiden Fällen um die Integration der Viererladungsdichte über einen dreidimensionalen Rand.

Dieses Integral verschwindet, wenn die Ladung lokal erhalten ist wegen des Satzes von Stokes. Wenn der Rand zwei Gleichzeitigkeitshyperflächen desselben Beobachters zu verschiedenen Zeiten enthält, die allein zum Integral beitragen, dann drückt das Verschwinden die Ladungserhaltung aus.

Wenn der Rand aus aus den Hyperflächen verschiedener Beobachter besteht, dann drückt dies aus, das beide Beobachter dieselbe Gesamtladung des Systems messen, m.a.W. die Lorentzinvarianz der Gesamtladung. Diese Konstruktion habe ich oben versucht.

Zitat:

Beweis aus Weinberg Gravitation


Ich glaube mein Argument oben läuft auf einen Spezialfall davon hinaus.
De Selby
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Beitrag De Selby Verfasst am: 23. Jun 2020 19:33    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Dann kann man (hoffentlich) durch hinzufügen einer Mantelfläche M als zwei Randflächen eines Vierervolumens auffassen: . Aus den Voraussetzungen folgt, daß die Viererladungsdichte auf M verschwindet.

Mit der lokalen Ladungserhaltung ergibt sich somit



Zitat:

Wenn der Rand aus aus den Hyperflächen verschiedener Beobachter besteht, dann drückt dies aus, das beide Beobachter dieselbe Gesamtladung des Systems messen, m.a.W. die Lorentzinvarianz der Gesamtladung. Diese Konstruktion habe ich oben versucht.

Du hast, glaube ich, alle wichtigen Punkte zusammengetragen, nur ist der Unterschied zwischen Leitern und Isolatoren eventuell noch nicht ganz klar geworden. Deshalb noch folgende Bemerkung:

Bei einem Isolator ist der Strom konvektiv. Die Viererstromdichte auf der Mantelfläche liegt deshalb an jedem Punkt in der Tangentialebene der Fläche.
Der Strom durch die Fläche ist daher überall 0. (Man denke an ein geladenes Gummiband, dessen Länge zeitabhängig ist: Die Ladungen an den Enden des Bandes bewegen sich genau so schnell wie die Enden selbst.)
Bei einem Leitungsstrom fließt dagegen Ladung über die Ränder des Körpers. Natürlich kann es sein, dass auf einer Seite genau so viel hereinfließt, wie auf der gegenüberliegenden Seite wieder heraus fließt. Dann ist die Ladung immer noch zeitlich konstant.
Nimmt man dagegen Hyperflächen verschiedener Beobachter, die gegeneinander getiltet sind, so canceln sich die Ströme durch die Mantelfläche nicht mehr und die Beobachter sehen verschiedene Ladungen.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 23. Jun 2020 20:52    Titel: Antworten mit Zitat

De Selby hat Folgendes geschrieben:
Nimmt man dagegen Hyperflächen verschiedener Beobachter, die gegeneinander getiltet sind, so canceln sich die Ströme durch die Mantelfläche nicht mehr und die Beobachter sehen verschiedene Ladungen.

Ich sehe erstens nicht, dass index_razor das übersehen hätte, und ich glaube zweitens nicht, dass Weinberg und alle anderen sich hier irren; aber du müsstest das halt mal vorrechnen ;-)

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Beitrag TomS Verfasst am: 23. Jun 2020 21:44    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Soweit ich mich an Weinberg erinnern kann, vermischt er den Beweis, dass Q ein Skalar ist, damit, dass Q erhalten ist. Wie ich auch schon geschrieben habe

Das hängt auch beides eng zusammen. Es geht in beiden Fällen um die Integration der Viererladungsdichte über einen dreidimensionalen Rand.

Dieses Integral verschwindet, wenn die Ladung lokal erhalten ist wegen des Satzes von Stokes. Wenn der Rand zwei Gleichzeitigkeitshyperflächen desselben Beobachters zu verschiedenen Zeiten enthält, die allein zum Integral beitragen, dann drückt das Verschwinden die Ladungserhaltung aus.

Wenn der Rand aus aus den Hyperflächen verschiedener Beobachter besteht, dann drückt dies aus, das beide Beobachter dieselbe Gesamtladung des Systems messen, m.a.W. die Lorentzinvarianz der Gesamtladung.

Danke.

Das wird mittels deines Beweises schon klar, aber ich bin trotzdem noch nicht recht glücklich.

Nimm an, du hättest einen nicht-erhaltenen Strom, beispielsweise den axialen Strom im Kontext PCAC oder den Flavor-Strom im Kontext des Standardmodells.

Zunächst sei der Strom erhalten, z.B. im Rahmen der klassischen Feldtheorie bzw. der QCD. Mit den o.g. Argumenten folgen dann sowohl der skalare Charakter der Ladung als auch deren Erhaltung.

Nun gehen wir zur Quantenfeldtheorie über bzw. nehmen die elektroschwache Wechselwirkung mit hinzu. Damit sind die Ströme aufgrund der axialen Anomalie bzw. der flavor-changing Currents nicht mehr erhalten.

Bedeutet dies, dass zugleich der skalare Charakter der nicht-erhaltenen Ladung verloren geht?

Ich habe mir das nie wirklich klar gemacht, aber ich dachte immer, dass die Ladungen weiterhin Skalare sind. Im o.g. Beweis (index_razor, Weinberg, meine Skizze) scheint es jedoch so zu sein, dass zusammen mit der Stromerhaltung auch der Beweis des skalaren Charakters verloren geht. Ich hätte erwartet, dass man das trennen kann, d.h. dass zwar die Ladung nicht erhalten ist, jedoch weiterhin ihren skalaren Charakter behält. Der oben skizzierte Beweis geht nicht durch, d.h. es folgt bzgl. des skalaren Charakter nichts, also weder, dass er vorliegt, noch, dass er nicht vorliegt.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 24. Jun 2020 17:40    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Nimm an, du hättest einen nicht-erhaltenen Strom, beispielsweise den axialen Strom im Kontext PCAC oder den Flavor-Strom im Kontext des Standardmodells.

Zunächst sei der Strom erhalten, z.B. im Rahmen der klassischen Feldtheorie bzw. der QCD. Mit den o.g. Argumenten folgen dann sowohl der skalare Charakter der Ladung als auch deren Erhaltung.

Nun gehen wir zur Quantenfeldtheorie über bzw. nehmen die elektroschwache Wechselwirkung mit hinzu. Damit sind die Ströme aufgrund der axialen Anomalie bzw. der flavor-changing Currents nicht mehr erhalten.

Bedeutet dies, dass zugleich der skalare Charakter der nicht-erhaltenen Ladung verloren geht?


Ja, ich denke im allgemeinen schon. Zunächst mal wird die Frage "Messen zwei Beobachter dieselbe nichterhaltene Ladung" auch schwer zu definieren. Zu welchen Zeiten vergleichen wir Q(t) mit Q(t')? Damit dieser Vergleich für Nichterhaltungsgrößen sinnvoll ist, müssen beide Beobachter Q "gleichzeitig" messen. Ansonsten können wir nicht unterscheiden ob die fehlende "Invarianz" oder die normale zeitliche Änderung von Q für Diskrepanzen verantwortlich ist. Die Frage ist also messen wir gleichzeitig für B oder B'? Bei Erhaltungsgrößen spielt all das ja keine Rolle. (Ich habe ja oben auch benutzt Q(t=0) = Q(t=c).)

Nehmen wir an beide Beobachter treffen sich und synchronisieren ihre Uhren. Wenn überhaupt irgendwann Q(t')=Q(t), dann also sicher bei t=t'=0. Aber das ist bei nicht erhaltenen Größen natürlich nicht unbedingt so.

Gegenbeispiele findet man leicht, z.B. die Dichte



ist offensichtlich nicht lokal erhalten. Auf t=0 verschwindet überall und damit

.

Aber auf t'=0 gilt



und damit

De Selby
Gast





Beitrag De Selby Verfasst am: 24. Jun 2020 19:04    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
De Selby hat Folgendes geschrieben:
Nimmt man dagegen Hyperflächen verschiedener Beobachter, die gegeneinander getiltet sind, so canceln sich die Ströme durch die Mantelfläche nicht mehr und die Beobachter sehen verschiedene Ladungen.

Ich sehe erstens nicht, dass index_razor das übersehen hätte, und ich glaube zweitens nicht, dass Weinberg und alle anderen sich hier irren; aber du müsstest das halt mal vorrechnen ;-)

Wieder so ein rätselhafter Beitrag von Dir.
Dass index_razor was übersehen hätte? Dass die Beobachter verschiedene Ladungen sehen?
Wer sind alle anderen?
Habe ich behauptet, dass Weinberg sich irrt?
Glaubst Du, dass das Resultat von Weinberg im Widerspruch zu meinen Behauptungen steht?
Dann hast Du immer noch nichts von dem verstanden, was ich geschrieben habe, oder Du hast nicht verstanden, was Weinberg schreibt, oder beides.
Vielleicht glaubst Du, dass sich die Ladung einer Kondensatorplatte nicht ändern kann, weil Weinberg zeigt, dass
Tanzen
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 24. Jun 2020 20:18    Titel: Antworten mit Zitat

De Selby hat Folgendes geschrieben:

Nimmt man dagegen Hyperflächen verschiedener Beobachter, die gegeneinander getiltet sind, so canceln sich die Ströme durch die Mantelfläche nicht mehr und die Beobachter sehen verschiedene Ladungen.


Unter meinen Voraussetzungen gibt es, denke ich, nichts zu canceln, da ja . Auf ähnlichen Voraussetzungen basiert ja auch der Beweis von . Das hat mit dem Unterschied zwischen konvektiven und nicht-konvektiven Strömen nichts zu tun, sondern damit, daß alle Dichten und Ströme auf ein endliches Gebiet beschränkt sind.

Insofern gilt die Invarianz auch für die Gesamtladung eines Systems mit Leitern. Sie gilt aber natürlich nicht "stückweise" auf dem Leiter. Alle deine Beispiele basieren auch auf Situationen, in denen von außen Ladung in ein Volumen strömt.


Zuletzt bearbeitet von index_razor am 24. Jun 2020 20:38, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 24. Jun 2020 20:20    Titel: Antworten mit Zitat

@ De Selby,

Einfach lesen was da steht:

TomS hat Folgendes geschrieben:
... sei eine in einem endlichen Raumgebiet enthaltene Ladungsverteilung gegeben ...

Also bitte nur dann was sagen, wenn‘s was zu sagen gibt, und bitte in einem angemessenen Tonfall.

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De Selby
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Beitrag De Selby Verfasst am: 25. Jun 2020 18:57    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Insofern gilt die Invarianz auch für die Gesamtladung eines Systems mit Leitern. Sie gilt aber natürlich nicht "stückweise" auf dem Leiter. Alle deine Beispiele basieren auch auf Situationen, in denen von außen Ladung in ein Volumen strömt.


Nun bin ich mir auch bei Dir nicht ganz sicher was Du meinst.

Stimmst Du zu, dass die Ladung eines stromführenden Stückes Draht nicht lorentzinvariant ist?
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 25. Jun 2020 19:47    Titel: Antworten mit Zitat

De Selby hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:

Insofern gilt die Invarianz auch für die Gesamtladung eines Systems mit Leitern. Sie gilt aber natürlich nicht "stückweise" auf dem Leiter. Alle deine Beispiele basieren auch auf Situationen, in denen von außen Ladung in ein Volumen strömt.


Nun bin ich mir auch bei Dir nicht ganz sicher was Du meinst.

Stimmst Du zu, dass die Ladung eines stromführenden Stückes Draht nicht lorentzinvariant ist?


Ja. Das steht doch da. Zumindest denke ich, daß es keine natürliche Definition von der Ladung eines Stücks Draht gibt, die lorentzinvariant ist. Deswegen spreche ich ja extra deutlich von der Gesamtladung eines Systems, dessen Ladungsverteilung in einem endlichen Gebiet eingeschlossen ist. Diese ist invariant. Und dabei spielt es natürlich ebenfalls keine Rolle ob sich in dem System Leiter befinden.
ML



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Beiträge: 3398

Beitrag ML Verfasst am: 11. Feb 2022 22:04    Titel: Re: Der gerade Draht, relativistisch betrachtet Antworten mit Zitat

Hallo,

SR5 hat Folgendes geschrieben:
"Im Laborsystem ist ein stromführender Draht ungeladen (gleichdichte Ionen und Elektronen). In dem System, das sich mit den Elektronen mitbewegt [...] liegen die Elektronen weniger dicht als die Ionen [...], also ist der Draht in diesem System positiv geladen."


ich denke, ich habe jetzt eine schlüssige Variante gefunden, um das Problem zu beschreiben.

Zunächst einige Vorbetrachtungen. Wir gehen von einem Gleichstromverhalten und dem Umgebungsmedium Vakuum aus.

(1) Ein langer Draht der Länge , der eine Linienladungsdichte von hat, erzeugt im Abstand ein radiales elektrisches Feld. Diese berechnet sich mit dem Gesetz von Gauß über die Zylinderfläche ohne Deckel wie folgt:



(2) Ein langer, stromdurchflossener Draht erzeugt im Abstand ein tangentiales B-Feld. Dieses berechnet sich mit dem Durchflutungsgesetz für einen Umlauf um den Draht wie folgt:


(3) Es gilt:
.

(4) Für gilt:


Wir betrachten nun eine Anordnung mit einem im Laborsystem ruhenden, ungeladenen, stromdurchflossenen Leiter und einer Ladung q, die sich mit der Geschwindigkeit parallel zum Leiter bewegt. Der Leiter soll rechteckförmig sein. Wir betrachten nur eine der Seiten. Die Linienladungsdichte der der Rumpfatome betrage in ihrem Eigensystem .

Wir wechseln nun in das Ruhesystem der externen Ladung und führen eine Näherungsrechnung durch. Es gehen dort mehrere Näherungen ein:
a) Die Driftgeschwindigkeit und die Geschwindigkeit der externen Ladung sollen klein gegenüber c sein. Das bedeutet, wir können die Geschwindigkeiten klassisch addieren.
b) Wir nutzen an geeigneter Stelle die Näherung (4)


Im Ruhesystem der externen Ladung bewegen sich die Rumpfatome mit der Geschwindigkeit nach links, und die Elektronen bewegen sich mit der Geschwindigkeit nach links. Für die Ladungsdichte gilt folglich:




Mit dieser Näherung lässt sich nun das E-Feld, das ein Beobachter im Ruhesystem der Ladung q konstatieren würde, aus Gleichung (1) ausrechnen. Hierbei wird das negative Vorzeichen der Ladungsdichte des Leiters zur Kenntnis genommen, aber nicht notiert:



Die elektrische Feldstärke aus Sicht des mitbewegten Systems ist also gerade so groß wie die Lorentzkraft aus Sicht des Laborsystems.

Die Gleichung geht nicht trotz, sondern wegen der getätigten Näherungen so glatt auf.

Das ist Teil 1 der Antwort. Im nächsten Post beschreibe ich, wie es kommen kann, dass die Ladungsdichte sich erhöht, ohne dass die Gesamtladung des Leiters sich erhöht.


Viele Grüße
Michael



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Zuletzt bearbeitet von ML am 13. Feb 2022 18:20, insgesamt 3-mal bearbeitet
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