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Physik und Philosophie
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Deep Purple



Anmeldungsdatum: 06.05.2019
Beiträge: 44

Beitrag Deep Purple Verfasst am: 06. Mai 2019 12:53    Titel: Physik und Philosophie Antworten mit Zitat

Hallo Foristen,
ich würde hiermit gerne mal die Relevanz philosophischer Fragestellungen diskutieren.
Eine der Hauptfragen der Naturphilosophie ist die nach dem wissenschaftlichen Weltbild:

"Ist das physikalische Weltbild lediglich eine zweckmäßige, aber im Grunde willkürliche Schöpfung des menschlichen Bewusstseins oder ist es eine reale Abbildung der vom menschlichen Bewusstsein unabhängigen Naturvorgänge?"
und damit verbunden:

"Wie kommt wissenschaftliche Erkenntnis zustande?" und "Welche Rolle spielt die Mathematik?"

Zwei mE. repräsentative Antworten darauf lassen sich bei Ernst Mach und Max Planck verorten:

Für die eine Position steht Plancks Realismus: eine objektive vom menschlichen Bewusstsein unabhängige Realität, dessen Gesetzmäßigkeit von der Theorie im Laufe der Entwicklung immer adäquater entdeckt und beschrieben wird und dessen Grundprinzipien die Kausalität und die Einheit der Natur sind. Schein und Wirklichkeit müssen in der Interpretation der Resultate eruiert werden. Mathem. Gesetze werden entdeckt.

Demgegenüber beruht nach Mach Wissenschaftstheorie bzgl. des Erkenntnis-Gegenstandes auf seinem Phänomenalismus und bzgl. der Erkenntnis-Methode auf seinem Prinzip der Ökonomie.
Mach: „Für mich ist das Physische und das Psychische dem Wesen nach identisch, unmittelbar bekannt und gegeben, …“

Das Physikalische der Außenwelt wird bei Mach ins menschliche Bewusstsein geholt und ist nichts anderes als dessen Bewusstseins-Inhalt (ähnlich Kant).
Der Positivismus Machs lehnt die Unterscheidung von Schein & Wirklichkeit ab: ein ins Wasser getauchter Bleistift ist nicht weniger wirklich als ein in Luft befindlicher. Wirklich ist das, was beobachtet und gemessen wird. Dieser Ansicht ist z.B. auch Heisenberg.

Machs Erkenntnistheorie: „Die Natur ist nur einmal da.“ Sie ist also nicht intrinsisch gesetzmäßig, sondern die konstruierten Gesetze werden von der Theorie in sie hineingetragen. Mathem. Gesetze werden erfunden.

Dazwischen gibt es natürlich alle möglichen Schattierungen.

(Zitate aus: Scheibe, Die Philosophie der Physiker)
franz



Anmeldungsdatum: 04.04.2009
Beiträge: 11583

Beitrag franz Verfasst am: 09. Mai 2019 00:19    Titel: Antworten mit Zitat

Nur eine persönliche Anmerkung: Ich kenne noch Zeiten, wo Marxisten, die selber von Tuten und Blasen keine Ahnung hatten, Physikern kraft Wassersuppe erzählten, wo es langgeht und über Bohr, Heisenberg etc. schwadronierten, daß sich die Balken bogen. Von daher meine Ansicht, daß man seine Zeit besser nutzen kann.

Eine mögliche Ausnahme vielleicht: Als philosophische Idee spielt(e) in der Astrophysik das kopernikanische / kosmologische Prinzip eine wichtige heuristische Rolle, betreffend Homogenität und Isotropie des Kosmos. (So war erst Mitte des 20sten Jahrhunderts überzeugend klar, daß die Milchstraße eine durchschnittliche Galaxie ist.)
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18021

Beitrag TomS Verfasst am: 09. Mai 2019 06:54    Titel: Antworten mit Zitat

Die einzige (mir bekannte) physikalische Fragestellung, bei der philosophische Positionen wie Realismus vs. Instrumentalismus eine maßgebliche Rolle spielen und bei der zumindest einige Philosophen und Physiker auf Augenhöhe diskutieren, ist das quantenmechanische Messproblem.

Die frühen Diskussionen um Bohr und Heisenberg waren eher unausgegorenen; inzwischen haben beide Parteien viel voneinander gelernt. Trotzdem bleibt das Grundproblem: viele Philosophen verstehen die Quantenmechanik nicht, manche diskutieren dennoch mit; umgekehrt lehnen viele Physiker philosophische Diskussionen ab, nehmen aber dennoch eine philosophische Position ein, ohne dass ihnen das bewusst wäre.

Das kopernikanische / kosmologische Prinzip ist natürlich eine wichtige jedoch eher simple Annahme. Das anthropische Prinzip wird oft zur Verteidung eher unwissenschaftlicher Positionen und Feld geführt. Ockham‘s razor wird überschätzt und missverstanden. Poppers Ideen spielen noch eine gewisse Rolle, eine große Diskussion kann ich da jedoch nicht erkennen.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Deep Purple



Anmeldungsdatum: 06.05.2019
Beiträge: 44

Beitrag Deep Purple Verfasst am: 09. Mai 2019 11:58    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Die frühen Diskussionen um Bohr und Heisenberg waren eher unausgegorenen; inzwischen haben beide Parteien viel voneinander gelernt.

Ich finde, die damalige Jahrhundertwende war schon eine faszinierende Zeit und interessant, wer sich um das Ringen über die Bedeutung der drei neuen Theorien (Elektrodynamik, Quantentheorie, Relativitätstheorie) alles einklinkte. Es war ein zunächst mehr oder weniger blindes Herumtappen und Abtasten und deshalb – aus heutiger Sicht - vllt. ein wenig unausgegoren. Aber wenn sie viel voneinander gelernt haben, ist doch auch ein wichtiges Ziel erreicht.

Zitat:
Trotzdem bleibt das Grundproblem: viele Philosophen verstehen die Quantenmechanik nicht, manche diskutieren dennoch mit; umgekehrt lehnen viele Physiker philosophische Diskussionen ab, nehmen aber dennoch eine philosophische Position ein, ohne dass ihnen das bewusst wäre.

Es wird für den Philosophen natürlich immer schwieriger, durch den immer komplexer werdenden mathematischen Formalismus durchzusteigen; auf der anderen Seite scheint sich die Ansicht der Physiker, was nicht berechen- und messbar ist, ist unwichtig, immer mehr zu verbreiten - was natürlich schon eine philosophische Einstellung ist „ohne dass ihnen das bewusst wäre“. Du scheinst lt. deinem Profil einer der wenigen Physiker (? nehme ich mal an) zu sein, die einen Dialog Physik/Philosophie nicht gänzlich für sinnlos halten – und ich halte den Dialog noch immer für das probateste Mittel der Verständigung.

Zitat:
Die einzige (mir bekannte) physikalische Fragestellung, bei der philosophische Positionen wie Realismus vs. Instrumentalismus eine maßgebliche Rolle spielen und bei der zumindest einige Philosophen und Physiker auf Augenhöhe diskutieren, ist das quantenmechanische Messproblem.

Ich bin mir nicht sicher, ob man den Dialog thematisch so weit einengen kann. Die in deiner Signatur angedeutete Kosmen-Pluralität ist ja nicht nur eine Option der Quantentheorie. Was ist mit der ART? Soweit ich sehe, löst sie nicht wirklich das Problem der Gravitation.

Zitat:
Das kopernikanische / kosmologische Prinzip ist natürlich eine wichtige jedoch eher simple Annahme. Das anthropische Prinzip wird oft zur Verteidung eher unwissenschaftlicher Positionen und Feld geführt. Ockham‘s razor wird überschätzt und missverstanden. Poppers Ideen spielen noch eine gewisse Rolle, eine große Diskussion kann ich da jedoch nicht erkennen.

Das ist ja schon eine Reihe interessanter Statements.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18021

Beitrag TomS Verfasst am: 09. Mai 2019 15:34    Titel: Antworten mit Zitat

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Es war ein zunächst mehr oder weniger blindes Herumtappen und Abtasten und deshalb – aus heutiger Sicht - vllt. ein wenig unausgegoren.

Ich meinte damit den philosophischen Aspekt.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Auf der anderen Seite scheint sich die Ansicht der Physiker, was nicht berechen- und messbar ist, ist unwichtig, immer mehr zu verbreiten - was natürlich schon eine philosophische Einstellung ist „ohne dass ihnen das bewusst wäre“.

Was nicht berechen- und messbar ist, ist für die Physik im engeren Sinne tatsächlich irrelevant. Das ist letztlich die Definition von Physik, und es ist ihre Sache, das festzulegen. Kein Physiker würde den Theaterwissenschaften vorschreiben, was Theaterwissenschaften genau sind. Letztlich ist das auch keine theoretische Diskussion sondern Praxis, d.h. Physik ist genau das, was die Physiker heute betreiben. Da gibt es natürlich einen - recht engen - Graubereich.

Aber natürlich lebt die Physik nicht im luftleeren Raum. Jedem Physiker steht es frei, für sich eine bestimmte Position einzunehmen. Man sollte vorsichtig sein, für "die Physik" insgesamt zu sprechen.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Du scheinst lt. deinem Profil einer der wenigen Physiker (? nehme ich mal an) zu sein, die einen Dialog Physik/Philosophie nicht gänzlich für sinnlos halten – und ich halte den Dialog noch immer für das probateste Mittel der Verständigung.

Ich halte den Dialog für sehr sinnvoll, unter der Voraussetzung, dass alle Beteiligten auf Augenhöhe und in einer gemeinsamen Sprache sprechen.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Die einzige (mir bekannte) physikalische Fragestellung, bei der philosophische Positionen wie Realismus vs. Instrumentalismus eine maßgebliche Rolle spielen und bei der zumindest einige Philosophen und Physiker auf Augenhöhe diskutieren, ist das quantenmechanische Messproblem.

Ich bin mir nicht sicher, ob man den Dialog thematisch so weit einengen kann. Die in deiner Signatur angedeutete Kosmen-Pluralität ist ja nicht nur eine Option der Quantentheorie. Was ist mit der ART? Soweit ich sehe, löst sie nicht wirklich das Problem der Gravitation.

Im Rahmen der ART ist das recht einfach.

Die ART löst das Problem der Gravitation in der klassischen Physik - was wäre denn ungelöst?

Möglicherweise ist sie auch im Makrokosmos nicht vollständig, aber in einem weiten Anwendungsbereich ist das wohl irrelevant.

Multiversen im Kontext der ART sind keine Probleme der ART an sich sondern der konkreten dynamischen Theorie exotischer Felder, die man im Kontext der ART beschreibt. Z.B. ist die Inflation kein Problem der ART sondern eines Inflatonfeldes; und die beschleunigte Expansion des Universums ist kein Problem der ART, sondern ein Problem diverser Theorien der dunklen Energie.

***

Ich sehe noch eine grundsätzliche philosophische Fragestellung: Zunächst mal erscheint die Natur im weitesten Sinne offenbar in mathematischen "Mustern". Die Frage ist, warum? Ist die Natur intrinsisch mathematisch? Wenn ja, wie materialisiert sich dann diese Mathematik? Wir sehen, hören und schmecken ja keine Zahlen, Funktionen oder Differentialoperatoren sondern Gemälde von Dali, Child in Time oder Single Malt Whisky. Oder handelt es sich lediglich um unsere Sichtweise auf die Natur? Wenn ja, d.h. wenn die Natur nicht intrinsisch quantenmechanisch ist, warum erscheint sie dann in diesere Form?

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Deep Purple



Anmeldungsdatum: 06.05.2019
Beiträge: 44

Beitrag Deep Purple Verfasst am: 10. Mai 2019 10:00    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich sehe noch eine grundsätzliche philosophische Fragestellung: Zunächst mal erscheint die Natur im weitesten Sinne offenbar in mathematischen "Mustern". Die Frage ist, warum? Ist die Natur intrinsisch mathematisch? Wenn ja, wie materialisiert sich dann diese Mathematik? Wir sehen, hören und schmecken ja keine Zahlen, Funktionen oder Differentialoperatoren sondern Gemälde von Dali, Child in Time oder Single Malt Whisky. Oder handelt es sich lediglich um unsere Sichtweise auf die Natur? Wenn ja, d.h. wenn die Natur nicht intrinsisch quantenmechanisch ist, warum erscheint sie dann in diesere Form?

Das ist in der Tat ein Phänomen, das Einstein schon umtrieb und ich wage mal die Hypothese, dass der entwickelte mathematische Formalismus, die Gesetze, deswegen „passen“, weil wir sie den - nicht mathematischen - aber natürlichen „Mustern“ der Natur anpassen.

(Das klingt nach Kant – aber nur bedingt. Ich halte sein „Ding an sich“ und den damit verbundenen Agnostizismus für unhaltbar, weil nicht wirklich begründet.)

Den ersten Hinweis dafür liefert ein Blick in die Anfänge der Naturtheorie: Hesiod erklärte den Übergang vom Chaos zum Kosmos, von der Unordnung zur Ordnung noch mythisch mit den Gebaren der Götter, während die drei Milesier Thales, Anaximander und Anaximenes erstmals die Ordnungs-Parameter in den Naturerscheinungen selbst suchten, dabei aber einer menschlichen Projektion unterlagen:

Woraus aber das Werden ist den seienden Dingen, in das hinein geschieht auch ihr Vergehen nach der Schuldigkeit; denn sie zahlen einander gerechte Strafe und Buße für ihre Ungerechtigkeit nach der Zeit Anordnung.” (Anaximandros)

Dieser für uns merkwürdige Satz weist darauf hin, dass Anaximandros seine Theorie nach Analogie der griechischen Rechtsgemeinschaft (πόλις, polis) aufstellte. Die mannigfaltigen Formen der Materie befinden sich in einem ununterbrochenen Kampf miteinander (womit schon Heraklit anklingt): Wärme gegen Kälte und Trockenes gegen Feuchtes. Sie wechselwirken miteinander, beeinträchtigen sich gegenseitig und verüben «Ungerechtigkeit», was nach griechischer Lesart einen Mangel an Harmonie bzw. an Gleichgewicht bedeutet. Gerechtigkeit als Gleichgewicht zwischen Gegensätzen ist analog dem griechischen demokratischen Legitimationsprinzip als Gleichgewicht zwischen den Kontrahenten der Versammlung modelliert. Ungleichgewicht bedeutet immer Vorherrschaft.

Der Analogieschluss war ein damals übliches Verfahren, enthält aber die Projektion, sozialpolitische Begrifflichkeiten auf die Natur zu übertragen. Eine gesetzte Regel bot die Möglichkeit, Ordnung in die Polis zu bringen und so übertrug man unbewusst diesen Begriff, um Ordnung in die Mannigfaltigkeit der Natur zu bringen. Dadurch etablierte sich die Ansicht, die Natur sei gesetzmäßig – bis heute.

Das wäre zunächst einmal mein erstes Argument für die o.a. Hypothese.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18021

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Mai 2019 10:16    Titel: Antworten mit Zitat

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
... ich wage mal die Hypothese, dass der entwickelte mathematische Formalismus, die Gesetze, deswegen „passen“, weil wir sie den - nicht mathematischen - aber natürlichen „Mustern“ der Natur anpassen.

Inwiefern wäre z.B. die Wurfparabel nicht-mathematisch?

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Der Analogieschluss war ein damals übliches Verfahren, enthält aber die Projektion, sozialpolitische Begrifflichkeiten auf die Natur zu übertragen.

Ich denke, davon reden wir heute nicht.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Dadurch etablierte sich die Ansicht, die Natur sei gesetzmäßig – bis heute.

Du stellst also die These auf, die Natur sei nicht gesetzmäßig, und wir würden nur finden, was wir hineinprojizieren?

Das ist aber schon sehr abstrakt, denn im konkreten Sinne projizieren wir nichts hinein. Wir finden in der QCD die Realisierung einer algebraischen Struktur - der SU(3) - ohne dass wir uns das vorher so ausgedacht hätten. Und wir finden genau die SU(3) - nicht die SU(17).

Tatsächlich finden wir sogar mathematische Strukturen, die wir erst im Zuge der Suche überhaupt entwickeln und verstehen. Wir begeben uns also nicht auf die Suche nach etwas bekanntem.

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Deep Purple



Anmeldungsdatum: 06.05.2019
Beiträge: 44

Beitrag Deep Purple Verfasst am: 11. Mai 2019 15:29    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Der Analogieschluss war ein damals übliches Verfahren, enthält aber die Projektion, sozialpolitische Begrifflichkeiten auf die Natur zu übertragen.

Ich denke, davon reden wir heute nicht.

Eine historische Betrachtung kann aber sehr nützlich sein, nach dem Grundsatz: "Willst du die Gegenwart verstehen, muss du deren Vergangenheit kennen." Ich denke, dass man z.B. den Grundbegriff "Gesetz" besser einordnen kann, wenn man weiß, wie er entstanden ist und sich entwickelt hat.

Zitat:
Du stellst also die These auf, die Natur sei nicht gesetzmäßig, und wir würden nur finden, was wir hineinprojizieren?

Nein. Gerade nicht. Das ist Kant.
Wenn wir wissen wollen, wie die Natur an sich beschaffen ist, was also ihre intrinsischen Eigenschaften sind, dann müssen wir mE sorgfältig unterscheiden zwischen dem, was objektiv, unabhängig vom Bewusstsein vorhanden ist und der vom Bewusstsein abhängigen Beschreibung - also klar unterscheiden zwischen Ontologie/Objekt und Epistemologie/Subjekt. Tut man das nicht, dann schleichen sich menschliche Projektionen ein, wie noch bei Kopernikus, der glaubte, dass alle astralen Bewegungsformen kreisförmig sein müssen, weil Aristoteles (oder ein göttl. Schöpfer) das vorschrieb; diese Projektion hat erst Kepler erkannt und daraufhin die "wahre" Ellipsenform gefunden.
(Selbst Einstein noch wurde durch seine Projektion "der Kosmos ist unveränderlich" dazu veranlasst, seine Konstante einzuführen).

Analog ist es mit dem Begriff "Gesetz". Wir gewinnen ein Gesetz im einfachsten Fall durch Induktion: wir sammeln Daten (Tycho Brahe) und werten sie aus, d.h. wie erkennen ein Muster, definieren ein System, abstrahieren von kontingenten Eigenschaften, ermitteln die Abhängigkeiten und formalisieren zu einem komprimierten mathematischen Gesetz (Kepler).

Dieses rein intelligible, scharf formulierte Gesetz existiert nur im Bewusstsein, ist aber eine (unvollständige) Abbildung des real vorgefundenen Musters, des Planetensystems - unvollständig deshalb, weil vorher die "kontingenten" Eigenschaften gestrichen wurden, weil nicht alle Details komprimiert nachgebildet werden können. Wird die Unvollständigkeit/Abweichung (Merkurperihel) zu groß, wird angepasst & nachgebessert (ART). So auch die Mathematik: Riemanns Geometrie passte sich wesentlich geschmeidiger an Einsteins Raumzeitkrümmungen an.
Die regelmäßigen Muster der Natur werden durch ontologische, intrinsische Bedingungen (Kräfte, etc) erzeugt und mE. nicht durch eine epist'ologische, intelligible Gesetzmäßigkeit.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18021

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Mai 2019 16:33    Titel: Antworten mit Zitat

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Wenn wir wissen wollen, wie die Natur an sich beschaffen ist, was also ihre intrinsischen Eigenschaften sind, dann müssen wir mE sorgfältig unterscheiden zwischen dem, was objektiv, unabhängig vom Bewusstsein vorhanden ist und der vom Bewusstsein abhängigen Beschreibung - also klar unterscheiden zwischen Ontologie/Objekt und Epistemologie/Subjekt.

Ist zwar prinzipiell richtig, aber offenbar nicht konsensfähig ;-)

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Analog ist es mit dem Begriff "Gesetz". Wir gewinnen ein Gesetz im einfachsten Fall durch Induktion: wir sammeln Daten (Tycho Brahe) und werten sie aus, d.h. wie erkennen ein Muster, definieren ein System, abstrahieren von kontingenten Eigenschaften, ermitteln die Abhängigkeiten und formalisieren zu einem komprimierten mathematischen Gesetz (Kepler).

Historisch betrachtet richtig, jedoch heute ziemlich irreführend bzw. zu stark verkürzt.

Bei Kepler kann der Satz „ein Planet bewegt sich auf einer ellipsenförmigen Bahn ...“ naiv interpretiert werden. Was eine Ellipse ist, ist klar, die tatsächliche Bahn ist eine Vergrößerung einer Zeichnung auf Papier. Sowohl den Planeten als auch die Zeichnung kann man anschauen - sie sind also epistemisch gegeben, und sie dürfen auch als objektiv gegeben angesehen werden. Man landet leicht bei der Setzung von Identitäten, ohne dass daraus offensichtliche Probleme resultieren würden. Darüberhinaus ist in der ganzen Theorie ausschließlich von anschaulichen Objekten die Rede.

Versuch doch mal, einen ähnlichen Satz für zwei in einem Heliumatom befindliche, verschränkte Elektronen zu formulieren ... Weder sind Heliumatom oder Elektron epistemisch gegeben, noch sind die verwendeten mathematischen Begriffe anschaulich interpretierbar.

Darüberhinaus - und das ist das größte Problem - kann man Keplers Gesetz immer auch nur als „in jedem Einzelfall gültig“ ansehen, d.h. den Satz „Planeten bewegt sich auf Ellipsenbahnen ...“ zu „jeder einzelne Planet bewegt sich auf je einer ellipsenförmigen Bahn ...“ umformulieren, ohne dass etwas Wesentliches verlorengeht. Das Universalienproblem ist nicht so drängend. Demgegenüber fassen wir heute jedes einzelne Elektron als speziellen Anregungszustand eines universellen Quantenfeldes auf. Die Naturgesetze können heute - völlig anders als bei Kepler - nicht mehr für einzelne Objekte formuliert werden. Während die Universalie „Planet“ verzichtbar ist, ist es die Universalie „Elektronfeld“ nicht.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Dieses rein intelligible, scharf formulierte Gesetz existiert nur im Bewusstsein, ist aber eine (unvollständige) Abbildung des real vorgefundenen Musters, des Planetensystems - unvollständig deshalb, weil vorher die "kontingenten" Eigenschaften gestrichen wurden, weil nicht alle Details komprimiert nachgebildet werden können.

Viele Physiker werden dir da zustimmen, jedoch mit einer wesentlichen Ausnahme: die Nachbildung aller Details ist nicht notwendig, und es geht auch nichts verloren, weil die Gesetze eben abstrakter formuliert werden - s.o.

Bei Kepler muss ich um von realen Bahnen zu Ellipsen zu gelangen tatsächlich Details streichen, bei Newton bereits nicht mehr. Die Details sind nicht mehr Gegenstand der Gesetze sondern der Anfangsbedingungen.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Wird die Unvollständigkeit/Abweichung (Merkurperihel) zu groß, wird angepasst & nachgebessert (ART).

Ich denke, dass du zu sehr auf die Details schaust: der wesentlichen Aspekt der ART ist ja nicht das eine Detail der Periheldrehung sondern einer universellen Formulierung, die weit über Newton hinausreicht.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Die regelmäßigen Muster der Natur werden durch ontologische, intrinsische Bedingungen erzeugt und mE. nicht durch eine epist'ologische, intelligible Gesetzmäßigkeit.

Das sehe ich ähnlich.

Dir muss jedoch klar sein, dass dies nicht Konsens ist. Vertreter gewisser Strömungen weigern sich, überhaupt eine „hinter den Erscheinungen liegende, objektiv gegebene Natur“ zu diskutieren bzw. messen dieser Idee keinerlei Bedeutung bei und sprechen ihr jegliche Relevanz ab *). In der Quantenmechanik wird die Ensembleinterpretation als Lösung des Messproblems so verstanden, dass über das einzelne Quantenobjekt unabhängig von einer Messung gar nicht mehr gesprochen wird. Ontologische Interpretationen werden aufgrund der daraus resultierenden Konsequenzen abgelehnt - und diese Haltung wird als Lösung des Messproblems verstanden.

Darüberhinaus sagt deine (unsere) Haltung nichts darüber aus, warum die epistemisch und oft sehr indirekt erscheinenden Muster von darunterliegenden, objektiv gegebenen Objekten einerseits und die in unserem Bewusstsein ausgeformten, sehr abstrakten mathematischen Strukturen einander entsprechen. Es geht ja nicht einfach um Ellipsen ...

*) Von Deutsch stammt eine nette Analyse, warum die Aussage, Physik befasse sich mit der Vorhersage objektiv überprüfbarer Messergebnisse und nicht mit darüberhinausweisenden Erklärungen, völlig gaga ist.

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Deep Purple



Anmeldungsdatum: 06.05.2019
Beiträge: 44

Beitrag Deep Purple Verfasst am: 12. Mai 2019 22:15    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Ich denke, dass du zu sehr auf die Details schaust: der wesentlichen Aspekt der ART ist ja nicht das eine Detail der Periheldrehung sondern einer universellen Formulierung, die weit über Newton hinausreicht.

Ja, natürlich. Dass Einstein die ART nicht im Hinblick auf den Perihel entwickelt hat, ist mir schon klar. Es sollte auch nur ein Beispiel für die fortlaufende adaptive Entwicklung sein.
Zitat:
Von Deutsch stammt eine nette Analyse, warum die Aussage, Physik befasse sich mit der Vorhersage objektiv überprüfbarer Messergebnisse und nicht mit darüberhinausweisenden Erklärungen, völlig gaga ist.

Hast du's etwas genauer? Wo finde ich die?

Die Replik auf deine übrigen Anmerkungen muss ich in meinem Kopf nochmal hin- und herbewegen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18021

Beitrag TomS Verfasst am: 13. Mai 2019 06:57    Titel: Antworten mit Zitat

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Ja, natürlich. Dass Einstein die ART nicht im Hinblick auf den Perihel entwickelt hat, ist mir schon klar. Es sollte auch nur ein Beispiel für die fortlaufende adaptive Entwicklung sein.

Ich halte „adaptive Entwicklung„ für zu schwach. Der Übergang von der Pauli- zur Dirac-Gleichung ist adaptiv, der Übergang von Newton zu Einstein entspricht dagegen einem Paradigmenwechsel.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:

Zitat:
Von Deutsch stammt eine nette Analyse, warum die Aussage, Physik befasse sich mit der Vorhersage objektiv überprüfbarer Messergebnisse und nicht mit darüberhinausweisenden Erklärungen, völlig gaga ist.

Hast du's etwas genauer? Wo finde ich die?

https://www.penguinrandomhouse.com/books/330123/the-fabric-of-reality-by-david-deutsch/9780140275414/
The Fabric of Reality: Towards a Theory of Everything
von David Deutsch

Deutsch‘s Argumentation - in einem der ersten Kapitel des genannten Buches - zur Aussage, theoretische Physik befasse sich mit der Ableitung von Modellen und quantitativen, im Popperschen Sinne experimentell testbaren Vorhersagen - ohne dass den Modellen eine tiefere Bedeutung beigemessen würde - ist in vielfacher Hinsicht interessant. Zum ersten erkennt man, dass die Aussage offensichtlich und trivialerweise falsch ist, sobald man einmal theoretisch arbeitet. Natürlich sucht man nach vernünftigen Erklärungen, nicht nur nach funktionierenden Formeln. Deutsch zeigt dies anhand des Ptolemäisches Weltbildes und den Epizykelen: letztere funktionieren; sie sind im phänomenologischen Sinne nicht falsch, jedoch bzgl. ihrer Erklärungskraft unbefriedigend. Zum zweiten kann man spaßeshalber mal annehmen, man hätte irgendwoher eine komplizierte, unübersichtliche, jedoch immer funktionierende Weltformel: die Physiker würden nun nicht einfach nur diese Formel benutzen, sie würden natürlich nach einem Prinzip, einer Fundierung suchen.

Ich halte die Aussage im wesentlichen für eine Ausrede - weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf -die immer dann herangezogen wird, wenn man mit seinem Latein an Ende ist.

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(Murray Gell-Mann)

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Deep Purple



Anmeldungsdatum: 06.05.2019
Beiträge: 44

Beitrag Deep Purple Verfasst am: 13. Mai 2019 23:30    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Deutsch‘s Argumentation - ...
Ich halte die Aussage im wesentlichen für eine Ausrede - weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf -die immer dann herangezogen wird, wenn man mit seinem Latein an Ende ist.

Dem kann ich nur zustimmen.

Zu Kopernikus: Der unmittelbare Vorteil des heliozentrischen gegenüber dem geozentrischen System war, dass es die veränderliche Geschwindigkeit der Planetenpositionen und insbesondere ihre retrograde Schleifenbewegung einfach dadurch erklärt, dass dies nur von der Erde aus so erscheine, weil diese selbst um die Sonne laufe - also eine Frage des Bezugssystems! Das ist erstaunlich. So führt dieser Gedanke in der Tat zu einer deutlichen Vereinfachung des ptolemaiischen Systems, und es scheint, dass Kopernikus der Erste war, der dies so erkannte. Ihm genügten aber - bei vergleichbarer Genauigkeit - insgesamt 30 Kreisbewegungen anstelle von 80 bei Ptolemaios. Die Berechnungen mit beiden Systemen waren bis auf ca. 10 Bogenminuten genau.

Zitat:
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(Murray Gell-Mann)

Gell-Mann is a wise Man!
Deep Purple



Anmeldungsdatum: 06.05.2019
Beiträge: 44

Beitrag Deep Purple Verfasst am: 13. Mai 2019 23:48    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Darüberhinaus sagt deine (unsere) Haltung nichts darüber aus, warum die epistemisch und oft sehr indirekt erscheinenden Muster von darunterliegenden, objektiv gegebenen Objekten einerseits und die in unserem Bewusstsein ausgeformten, sehr abstrakten mathematischen Strukturen einander entsprechen.

Das würde ich so nicht sagen …
Wenn wir davon ausgehen, dass
- eine unabhängige Realität existiert, die prinzipiell erkennbar ist, also kein Agnostizismus (auch wenn da erst mal kein Konsens mit XY besteht);
- Ontologie/Objekt und Epistemologie/Subjekt auseinandergehalten werden sollten;
- ein rein intelligibles, mathematisch formuliertes Gesetz nur ideell existiert, als Abbildung des empirischen Originals.
- der mathematische Formalismus sich überhaupt erst entwickeln musste,

dann haben wir hier zumindest einen Hinweis, warum die ideell-epistemischen mathematischen Konstrukte den real-ontologischen natürlichen Mustern entsprechen, nämlich weil sie den natürlichen Mustern in einem Ausleseprozess immer mehr angepasst werden, was sich an der historischen Entwicklung ablesen lässt. Es werden Wege mehr oder weniger nach trial and error ausprobiert und der erfolgreichste, weil angepassteste, setzt sich durch.

Der empirisch zugängliche Objektbereich vergrößert sich ständig und wird komplexer durch Verbesserung der Beobachtungstechnik, aber auch indirekter und ihm folgt der Theoriebereich durch Anpassung und Entwicklung der Mathematik; im Zuge dessen muss immer weniger auf die Induktion gesetzt werden, da immer mehr auf umfangreichere Mathematik zurückgegriffen werden und deduziert werden kann. Musste Kepler noch vorwiegend induktiv vorgehen, konnte Newton sein Gravitationsgesetz schon deduktiv aus Kepler ableiten und Einstein unter Rückgriff auf Lorentz und Maxwell über die SRT die ART (Mach, Riemann) ableiten. Planck rekurrierte auf Kirchhoff, Wien, Rayleigh und Boltzmann.

Auf diesem Weg wurde die Physik immer abstrakt-mathematischer, die Objekte immer unanschaulicher und mussten durch Modelle repräsentiert werden, die dann irgendwann auch nicht mehr reichten, so dass man nur noch auf „mathematische Objekte und Eigenschaften“ ohne Anschauungswert angewiesen war (spin, up, down, flavour) und sich nur noch auf die Ergebnisse fokussierte.

Eine, wie ich meine, anschauliche Darstellung dieses Auslese- und Anpassungsprozesses liefert die (grobe) Geschichte des Wasserstoffs (mit enorm zunehmendem Rechenaufwand und abnehmender Anschaulichkeit):

Balmer: gesetzmäßige Erfassung der H2-Spektrallinien
Thomson: Atom = Ladungskugel nach Potentialtheorie, aber instabil.
Rutherford: Kern und Umlaufelektron, Entkopplung Bewegungs- und Strahlungsfrequenz, instabil, wenig Korrelation zum Spektrum.
Bohr: mechanisch-elektrodynamisch; Quantelung/ganze Zahlen, Spektrallinien/Quantensprung, instabil, keine Klärung der Feinstruktur.
Sommerfeld: erweiterter Bohr, Ellipsen, keine Klärung der Dubletts.
Goudsmit: erschließt den Spin, kann ihn aber nicht mathematisch erfassen.
Heisenberg/Born/Pauli: Matrizen und Observablen, bringen aber den Spin nicht.
Schrödinger/de-Broglie: einfacher, bringt aber auch den Spin nicht.
Dirac: relativistische kovariante Schrödinger-Glg., Spin
Weitere Verbesserungen und Verallgemeinerung bringen QFT und QED.

Ich glaube, das weist darauf hin, dass der Grund, warum die M. auf die Natur passt, diese Anpassung ist, oder?

Vllt. noch ein Satz zur Gegenposition:
Soweit ich sehe, steckt Max Tegmark noch tief in der Beweisschuld, weil er nicht plausibel begründen kann, dass und warum die Natur mathematisch sein soll. Er vermischt Epist’ologie mit Ontologie und projiziert die ideelle Gesetzmäßigkeit in die Natur. Da ist wohl eher sein Wunsch der Vater seiner Argumentation. Wer soll diese Intelligibilität der Natur eingegeben haben?
«Entdeckung» setzt irgendeine mathematisch-metaphysische (Prä-) Existenz voraus –– «Erfindung» hingegen entspringt dem menschlichen Geist.

(Na, das war jetzt etwas viel Text)
Slatki



Anmeldungsdatum: 22.03.2018
Beiträge: 11

Beitrag Slatki Verfasst am: 30. Mai 2019 02:45    Titel: Antworten mit Zitat

klingt ja wirklich spannend.
Deep Purple



Anmeldungsdatum: 06.05.2019
Beiträge: 44

Beitrag Deep Purple Verfasst am: 30. Mai 2019 17:50    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Die einzige (mir bekannte) physikalische Fragestellung, bei der philosophische Positionen wie Realismus vs. Instrumentalismus eine maßgebliche Rolle spielen und bei der zumindest einige Philosophen und Physiker auf Augenhöhe diskutieren, ist das quantenmechanische Messproblem.

Na, von längeren historischen Betrachtungen scheinst du nicht so viel zu halten.
Aber wir können uns deiner Frage zuwenden:

Wenn ich richtig sehe, besteht nach Maudlin folgendes Problem:
1. Die Quantenmechanik ist vollständig, d. h. der Vektor |Ψ>, mit dem das quantenmechanische System korreliert ist, bestimmt sämtliche objektiven Eigenschaften des betreffenden Systems.
2. Vektoren im Hilbertraum unterliegen einer linearen zeitlichen Dynamik gemäß der Schrödinger-Gleichung.
3. Messungen haben bestimmte definite Resultate. Nach einer Messung zeigt also das Gerät genau einen der möglichen Eigenwerte des entsprechenden Operators an.

Die Lösung des Widerspruchs wird von …
- Bohm darin gesehen, verborgene Parameter einzuführen
- der KI darin gesehen, dass der linearen Schrödinger-Entwicklung eine zusätzliche zweite Dynamik der Messung als Kollaps hinzugefügt wird
- der GRW-QT darin gesehen, dass die Schrödinger-Gleichung durch eine nicht-lineare Zeitentwicklung ersetzt wird.
- der VWI darin gesehen, dass sich bei einer Messung nicht nur das bestimmte Messresultat ergibt, sondern auch sämtliche anderen möglichen Messresultate in anderen Zweigen.
----------------------
Dazu aber noch ein paar Anmerkungen zu meinem Verständnis:
In der Klassische Mechanik ist der „Zustandsraum“ der „D6-Phasenraum“; Kräfte, Beschleunigungen, kinetische Energie, Drehimpuls haben in den Funktionen (Hamiltons Bewegungsgleichungen) ein nachvollziehbares mathematisches Korrelat.

In der Quantenmechanik ist der „Zustandsraum“ der „Hilbertraum“, der erheblich abstrakter als der Phasenraum ist; die Elemente der physikalischen Realität entsprechen nicht so einfach seinen Vektoren und Operatoren; jeder Vektor lässt sich auf unendlich viele Weisen als Linearkombination anderer Vektoren darstellen.
Nicht jede mathematische Operation in diesem Vektorraum hat automatisch auch ein reales Pendant und umgekehrt ist nicht jeder Vorgang in der Wirklichkeit mathematisch abbildbar.

Der Minimalkonsens besteht darin, dass die reellen Eigenwerte hermitescher Operatoren die Messwerte als „Zeigerstellung“, aber nicht als reale Eigenschaften darstellen.
Die Operatoren, deren Eigenwerte Messwerte darstellen, sind das mathematische Korrelat der Messgrößen, wobei unter „Messgrößen“ ebenfalls zunächst lediglich makroskopische Messvorrichtungen (wie etwa Stern-Gerlach-Apparaturen) und keine Eigenschaften verstanden werden.

Ist dieser Überblick in etwa korrekt so?
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 30. Mai 2019 19:03    Titel: Antworten mit Zitat

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich richtig sehe, besteht nach Maudlin folgendes Problem:
1. Die Quantenmechanik ist vollständig, d. h. der Vektor |Ψ>, mit dem das quantenmechanische System korreliert ist, bestimmt sämtliche objektiven Eigenschaften des betreffenden Systems.
2. Vektoren im Hilbertraum unterliegen einer linearen zeitlichen Dynamik gemäß der Schrödinger-Gleichung.
3. Messungen haben bestimmte definite Resultate. Nach einer Messung zeigt also das Gerät genau einen der möglichen Eigenwerte des entsprechenden Operators an.

Passt.

Nach Maudlin können diese drei Annahmen nicht gleichzeitig gelten.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Die Lösung des Widerspruchs wird von …
- Bohm darin gesehen, verborgene Parameter einzuführen
- der KI darin gesehen, dass der linearen Schrödinger-Entwicklung eine zusätzliche zweite Dynamik der Messung als Kollaps hinzugefügt wird (*)
- der GRW-QT darin gesehen, dass die Schrödinger-Gleichung durch eine nicht-lineare Zeitentwicklung ersetzt wird.
- der VWI darin gesehen, dass sich bei einer Messung nicht nur das bestimmte Messresultat ergibt, sondern auch sämtliche anderen möglichen Messresultate in anderen Zweigen.

Passt.

Bei (*) sollte man anmerken, dass in modernen Varianten in gewisser Weise auch die Vollständigkeit aufgegeben wird: so sagt in der Ensemble-Interpretation der Zustandsvektor |Ψ> nichts bzgl. eines einzigen Systems, sondern lediglich bzgl. eines fiktiven Ensemble; und in anderen Interpretationen sagt |Ψ> nichts bzgl. eines einzigen Systems, sondern bzgl. unseres Wissens über das System.

----------------------

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Dazu aber noch ein paar Anmerkungen zu meinem Verständnis:
In der Klassische Mechanik ist der „Zustandsraum“ der „D6-Phasenraum“; Kräfte, Beschleunigungen, kinetische Energie, Drehimpuls haben in den Funktionen (Hamiltons Bewegungsgleichungen) ein nachvollziehbares mathematisches Korrelat.

Passt.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
In der Quantenmechanik ist der „Zustandsraum“ der „Hilbertraum“, der erheblich abstrakter als der Phasenraum ist; die Elemente der physikalischen Realität entsprechen nicht so einfach seinen Vektoren und Operatoren

Das ist abhängig von der Interpretation.

Wenn du |Ψ> selbst als Element der physikalischen Realität betrachtest, dann ist der Zusammenhang sehr direkt. Insbs. Anhänger der Everettschen Interpretation sehen dies so.

Wenn du lediglich Messwerte als Elemente der physikalischen Realität betrachtest, dann ist der Zusammenhang durch lineare Funktionale indirekt gegeben.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
... jeder Vektor lässt sich auf unendlich viele Weisen als Linearkombination anderer Vektoren darstellen.

Das ist eher irrelevant.

Relevant ist zunächst der Vektor im Hilbertraum, nicht seine Zerlegungen bzgl. bestimmter Basen - es sei denn, diese werden im Zuge einer Messung und stattfindender Dekohärenz dynamisch festgelegt.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Nicht jede mathematische Operation in diesem Vektorraum hat automatisch auch ein reales Pendant und umgekehrt ist nicht jeder Vorgang in der Wirklichkeit mathematisch abbildbar.

Ersteres gilt für den klassischen Phasenraum genauso.

Und welcher reale Vorgang wäre mathematisch nicht abbildbar?

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Die Operatoren, deren Eigenwerte Messwerte darstellen, sind das mathematische Korrelat der Messgrößen, wobei unter „Messgrößen“ ebenfalls zunächst lediglich makroskopische Messvorrichtungen (wie etwa Stern-Gerlach-Apparaturen) und keine Eigenschaften verstanden werden.

Vorsicht: Operatoren sind das mathematische Pendant zu Messgrößen wie Ort, Impuls, Energie, ...; die Quantenmechanik sagt jedoch zunächst nichts zu den Messvorrichtungen.

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Beitrag Deep Purple Verfasst am: 01. Jun 2019 16:07    Titel: Antworten mit Zitat

Je mehr ich mich in die Physik eingrabe, desto klarer wird mir 1. das Dilemma der Physiker, die mit der (philosophischen) Bedeutung ihrer geistigen Produkte ringen und 2. die Einstellung derjenigen, die über einen Instrumentalismus nicht hinaus wollen oder können.
Ich versuche mal eine Beschreibung und Abgrenzung der beiden in Rede stehenden Disziplinen:

Mathematik ist eine Geisteswissenschaft. Sie entspringt dem menschlichen Geist. Logik und Widerspruchsfreiheit sind nicht nur notwendig, sondern sogar hinreichend, d.h., alles was sich der menschliche Geist im Rahmen mathematischer Regeln vorstellen kann, gilt als erlaubt und ergibt einen Sinn, wenn es logisch und widerspruchsfrei ist. Die Grenzen sind hier sehr weit gesteckt mglwse gar nicht bestimmbar. Mathematik braucht keinen praktischen Bezug zur Realität.

Physik ist eine Naturwissenschaft mit empirischer Datenbasis und rational-mathematischem Überbau und mit dem Anspruch, Natur und Naturvorgänge mathematisch möglichst kongruent in einer Theorie abzubilden. Logik und Widerspruchsfreiheit sind notwendig, aber nicht hinreichend; Objekte, Prozesse und deren Mechanismen sind grundsätzlich von der Natur vorgegeben und damit auch die Grenzen; Kriterium für die (bzw. den Grad der) Kongruenz, ergo für die Richtigkeit einer Theorie ist der Abgleich von Abbild und Original.
------------------
Ich denke, hieran wird deutlich, dass der Handwerkskoffer der Physiker, der mathematische Korpus, verglichen mit den Elementen der Realität, einen Überschuss an Elementen enthält, oder umgekehrt die Ontologie nur eine Teilmenge der Epistem‘ologie ist, so dass immer eine Auswahl getroffen werden muss. Nach welchem Kriterium?

Wenn man das auf das Maudlin’sche Trilemma anwendet, ergibt sich das Problem, dass nicht alle epistemischen Elemente der jeweiligen Theorien den entsprechenden Elementen der Realität eindeutig zugeordnet oder sogar identifiziert werden können.

Zitat Tom:
Das ist abhängig von der Interpretation.
Wenn du |Ψ> selbst als Element der physikalischen Realität betrachtest, dann ist der Zusammenhang sehr direkt. Insbs. Anhänger der Everettschen Interpretation sehen dies so.
Wenn du lediglich Messwerte als Elemente der physikalischen Realität betrachtest, dann ist der Zusammenhang durch lineare Funktionale indirekt gegeben.


Solange es „abhängig von der Interpretation“ ist, wird es ein Problem bleiben.
Die Frage ist mE nun, wo genau das Problem zu verorten ist:
- liegt es an operationalen Prüfvorschriften, die eigentlich Bestandteil der Theorie sein sollten?
- oder an den experimentell schlecht zugänglichen Dimensionen des Mikrokosmos?
- oder an begrifflichen oder verfahrenstechnischen Inkonsistenzen?
- … ?
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 01. Jun 2019 16:35    Titel: Antworten mit Zitat

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Zitat Tom:
Das ist abhängig von der Interpretation.
Wenn du |Ψ> selbst als Element der physikalischen Realität betrachtest, dann ist der Zusammenhang sehr direkt. Insbs. Anhänger der Everettschen Interpretation sehen dies so.
Wenn du lediglich Messwerte als Elemente der physikalischen Realität betrachtest, dann ist der Zusammenhang durch lineare Funktionale indirekt gegeben.


Solange es „abhängig von der Interpretation“ ist, wird es ein Problem bleiben.
Die Frage ist mE nun, wo genau das Problem zu verorten ist:
- liegt es an operationalen Prüfvorschriften, die eigentlich Bestandteil der Theorie sein sollten?
- oder an den experimentell schlecht zugänglichen Dimensionen des Mikrokosmos?
- oder an begrifflichen oder verfahrenstechnischen Inkonsistenzen?
- … ?

Es liegt an der philosophischen Grundhaltung.

Was erwartest du von Physik? Die möglichst präzise Vorhersage von Messergebnissen? Oder die Beschreibung der Realität auch unabhängig von Messung und Beobachtung?

Dies ist keine Frage der Physik im engeren Sinne, sondern eine Frage, die im Grenzbereich von Physik und Metaphysik zu verorten ist.

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Beitrag Deep Purple Verfasst am: 01. Jun 2019 17:03    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Es liegt an der philosophischen Grundhaltung.
Was erwartest du von Physik? Die möglichst präzise Vorhersage von Messergebnissen? Oder die Beschreibung der Realität auch unabhängig von Messung und Beobachtung?
Dies ist keine Frage der Physik im engeren Sinne, sondern eine Frage, die im Grenzbereich von Physik und Metaphysik zu verorten ist.

Ohje! Ich glaube, ich habe die letzten Sätze zweideutig formuliert. Fasse sie bitte nicht als Kritik auf! Ich versuche mit diesen Fragen nur, mich dem Verhältnis von Epist'ologie und Ontologie zu nähern, also die Frage: "wie kann ich aus physikalischen Beschreibungen sicher etwas über die Beschaffenheit der Realität erfahren/ableiten?" zu klären.

Habe ich die Situation der Physik/er denn dMn richtig dargestellt?
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 01. Jun 2019 17:30    Titel: Antworten mit Zitat

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Ich versuche mit diesen Fragen nur, mich dem Verhältnis von Epist'ologie und Ontologie zu nähern, also die Frage: "wie kann ich aus physikalischen Beschreibungen sicher etwas über die Beschaffenheit der Realität erfahren/ableiten?" zu klären.

Sicher über Beschaffenheit der Realität über die Messergebnisse hinaus? Gar nicht!

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Beitrag Deep Purple Verfasst am: 01. Jun 2019 17:56    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Sicher über Beschaffenheit der Realität über die Messergebnisse hinaus? Gar nicht!

Sondern? Wie siehst du das Verhältnis?
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 01. Jun 2019 18:01    Titel: Antworten mit Zitat

Wie willst du Sicherheit über etwas gewinnen, das du nicht messen, beobachten oder anderweitig testen kannst?

Sicherheit über Messergebnisse im Rahmen der Messungenauigkeiten und im Zuge der Messungen - ja. Darüberhinaus, d.h. ohne Messung oder bzgl. prinzipiell nicht messbarer Entitäten - nein.

Siehe Popper.

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Beitrag Deep Purple Verfasst am: 01. Jun 2019 18:35    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich sehe noch eine grundsätzliche philosophische Fragestellung: Zunächst mal erscheint die Natur im weitesten Sinne offenbar in mathematischen "Mustern". Die Frage ist, warum? Ist die Natur intrinsisch mathematisch? Wenn ja, wie materialisiert sich dann diese Mathematik? Wir sehen, hören und schmecken ja keine Zahlen, Funktionen oder Differentialoperatoren sondern Gemälde von Dali, Child in Time oder Single Malt Whisky. Oder handelt es sich lediglich um unsere Sichtweise auf die Natur? Wenn ja, d.h. wenn die Natur nicht intrinsisch quantenmechanisch ist, warum erscheint sie dann in diesere Form?

Ich dachte, es geht um diese Fragen, um das Verhältnis Epist'ologie/Ontologie?
Wie würdest du diese Fragen philosophisch angehen?
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 02. Jun 2019 08:15    Titel: Antworten mit Zitat

Ja, das war der Ausgangspunkt.

Aber deine letzte Frage war dann, was wir sicher wissen können. Und das hat m.E. bisher Popper am schlüssigsten - wenn auch recht negativ - beantwortet. Alles darüber hinaus können wir nicht sicher wissen; es bleibt unüberprüfbare Hypothese.

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Beitrag Deep Purple Verfasst am: 02. Jun 2019 12:08    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ja, das war der Ausgangspunkt.
Aber deine letzte Frage war dann, was wir sicher wissen können. Und das hat m.E. bisher Popper am schlüssigsten - wenn auch recht negativ - beantwortet. Alles darüber hinaus können wir nicht sicher wissen; es bleibt unüberprüfbare Hypothese.

Stimmt. Streiche "sicher".
Jetzt interessiert mich aber mal deine Herangehensweise bzgl. o.a. Fragen.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 06. Jun 2019 22:05    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe darauf keine endgültige Antwort.

Zunächst mal gehe ich den Popperschen Weg bzgl. des empirischen Ansatzes der Falsifikation und der Unzulässigkeit eines absoluten Wahrheitsbegriffes mit.

Popper grenzt dabei Empirie und Metaphysik klar voneinander ab. Insofern ist der Poppersche Ansatz bzw. die Empirie insgesamt nicht in der Lage, Sicherheit bzgl. eines Zusammenhangs zwischen empirischer Erkenntnis und ihrer ontologischen Grundlage zu erzielen.

Konkret: wir können nicht wissen, ob empirisch wahrgenommene mathematische Strukturen in der Natur lediglich Konstruktionen unseres Geistes sind, oder ob es sich im platonischen Sinne um Abbilder der in der Realität tatsächlich vorhandenen mathematischer Strukturen handelt.

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Anmeldungsdatum: 06.05.2019
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Beitrag Deep Purple Verfasst am: 08. Jun 2019 19:46    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich habe darauf keine endgültige Antwort.

Wer hat die schon?

Zitat:
Konkret: wir können nicht wissen, ob empirisch wahrgenommene mathematische Strukturen in der Natur lediglich Konstruktionen unseres Geistes sind, oder ob es sich im platonischen Sinne um Abbilder der in der Realität tatsächlich vorhandenen mathematischer Strukturen handelt

Veto!
Poppers Falsifikationismus hat schon seine Relevanz, nur, wenn man ihn verabsolutiert, wird er problematisch: eine Theorie ist nicht wertlos, wenn sie an einer oder zwei Stellen versagt. Da gehe ich mit Th. Kuhn (obwohl ich seinen Paradigmatismus nicht so spannend finde).
Eine Theorie muss erst mal entstehen; das geht nur über verifizierte Elemente und Vorläufer; aber wenn sie erstmal steht, sollten ihre Grenzen durch Falsifkt. ermittelt werden.

Poppers F. hat etwas von einem evolutionären Aspekt: nicht taugliche Theorien werden ausselektiert; aber so wie Mutation und Selektion die Prinzipien der Evolutionstheorie sind, sind Verif. und Falsif. methodische Elemente der Theorienbildung.

Wo ich Popper (oder dem kritischen Rationalismus) zustimme, ist der Gedanke, dass Theorien nie eine absolute, sondern nur relative Wahrheit besitzen (wenn man von Hegel die Definition „die Wahrheit ist das Ganze“ übernimmt). In einer Theorie wird mit Begriffen des Allgemeinen das Konkrete der mannigfaltigen Natur zu beschreiben versucht und muss deshalb unvollständig, somit nur relativ wahr bleiben, wie die Geschichte der Naturtheorie dies auch nahelegt.

Eine absolut sichere Erkenntnis halte ich deshalb auch für ausgeschlossen (ich hatte nur das „möglichst“ in meinem Post vergessen). Es ist immer ein frommer Wunsch der Rationalisten gewesen, die in der Naturtheorie die gleiche Sicherheit wollten, wie in der Geometrie.

Poppers (wenn auch nur analytische) 3 Welten sind m.E. ein metaphysischer Taschenspielertrick: dass er z.B. mathematische Objekte in eine andere Welt verlegt, erklärt gar nichts und verschiebt das Problem nur. So ähnlich machen es die Panprotopsychisten, die das Psychische damit erklären wollen, indem sie es vorher „in der Materie der Möglichkeit nach angelegt“ finden.

Ich halte den Konzeptualismus für tragfähiger, der die Mathematik als anthropomorphe Modellbildung darstellt, womit m.E. auch klarer wird, warum die Mathematik „passt“.
index_razor



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Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 08. Jun 2019 21:01    Titel: Antworten mit Zitat

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:

Konkret: wir können nicht wissen, ob empirisch wahrgenommene mathematische Strukturen in der Natur lediglich Konstruktionen unseres Geistes sind, oder ob es sich im platonischen Sinne um Abbilder der in der Realität tatsächlich vorhandenen mathematischer Strukturen handelt

Veto!
Poppers Falsifikationismus hat schon seine Relevanz, nur, wenn man ihn verabsolutiert, wird er problematisch: eine Theorie ist nicht wertlos, wenn sie an einer oder zwei Stellen versagt.


Diese Behauptung hat auch mit Falsifikationismus nichts zu tun. Popper hat sicher nicht behauptet Newtons Mechanik sei wertlos. Dies ist auch nicht nur eine Verabsolutierung seiner Grundposition, sondern m.E. ein fundamentales Mißverständnis.

Popper sagt gar nicht viel über den Wert von falsifizierten Theorien. Seine Theorie dreht sich haupsächlich um den Unterschied zwischen falsifizierbaren und metaphysischen Theorien. Aber auch dieser Unterschied ist für ihn nicht mit einer Wertung verbunden.

Zitat:

Da gehe ich mit Th. Kuhn (obwohl ich seinen Paradigmatismus nicht so spannend finde).
Eine Theorie muss erst mal entstehen; das geht nur über verifizierte Elemente und Vorläufer; aber wenn sie erstmal steht, sollten ihre Grenzen durch Falsifkt. ermittelt werden. Poppers F. hat etwas von einem evolutionären Aspekt: nicht taugliche Theorien werden ausselektiert; aber so wie Mutation und Selektion die Prinzipien der Evolutionstheorie sind, sind Verif. und Falsif. methodische Elemente der Theorienbildung.


Was soll denn das für eine Analogie sein? Wie eine Falsifikation eine Theorieauslese (also Selektion) bewirken kann, ist relativ klar. Aber was soll Mutation mit Verifikation zu tun haben?

Zitat:

Wo ich Popper (oder dem kritischen Rationalismus) zustimme, ist der Gedanke, dass Theorien nie eine absolute, sondern nur relative Wahrheit besitzen (wenn man von Hegel die Definition „die Wahrheit ist das Ganze“ übernimmt). In einer Theorie wird mit Begriffen des Allgemeinen das Konkrete der mannigfaltigen Natur zu beschreiben versucht und muss deshalb unvollständig, somit nur relativ wahr bleiben, wie die Geschichte der Naturtheorie dies auch nahelegt.


Auch das hat wenig mit Popper zu tun. Poppers Wissenschaftstheorie ist weitgehend unabhängig von einem Wahrheitsbegriff. Diese Unabhängigkeit war ihm ein Anliegen, da er den Begriff der "Wahrheit" von Theorien für problematisch angesehen hat, bevor er auf Tarskis semantischen Wahrheitsbegriff aufmerksam wurde, der ihn davon überzeugt hat, daß hier kein prinzipielles Problem besteht. Dieser Wahrheitsbegriff ist aber m.E. nicht "relativ" in dem Sinne, den du hier anzudeuten scheinst.

Übrigens, Poppers Meinung über Hegel kennst du?

Zitat:

Ich halte den Konzeptualismus für tragfähiger, der die Mathematik als anthropomorphe Modellbildung darstellt, womit m.E. auch klarer wird, warum die Mathematik „passt“.


Laut schneller Suche auf wiktionary bedeutet "anthropomorph" soviel wie "dem Menschen ähnlich, von menschlicher Gestalt" etc. Die Mathematik ist also eine "dem Menschen ähnliche Modellbildung"? Was soll das bedeuten?

Und wieso sollte es erklären, daß die Mathematik auf die Natur "paßt"? Ist die Natur auch "anthropomorph"?
Deep Purple



Anmeldungsdatum: 06.05.2019
Beiträge: 44

Beitrag Deep Purple Verfasst am: 08. Jun 2019 22:21    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Diese Behauptung hat auch mit Falsifikationismus nichts zu tun. Popper hat sicher nicht behauptet Newtons Mechanik sei wertlos. Dies ist auch nicht nur eine Verabsolutierung seiner Grundposition, sondern m.E. ein fundamentales Mißverständnis.

Da magst du Recht haben. Aber wir machen ja auch kein Quellenstudium, sondern versuchen unsere eigenen - vllt. durch Popper inspirierte - Vorstellungen zu entwickeln.

Zitat:
Was soll denn das für eine Analogie sein? Wie eine Falsifikation eine Theorieauslese (also Selektion) bewirken kann, ist relativ klar. Aber was soll Mutation mit Verifikation zu tun haben?

Es kommt mir auf das unterstrichene "und" an: es sind immer beide beteiligt, nie nur ein Prinzip. Das meine ich mit Verabsolutierung. Ich hätte auch jedes andere Begriffspaar nehmen können.

Zitat:
Auch das hat wenig mit Popper zu tun. Poppers Wissenschaftstheorie ist weitgehend unabhängig von einem Wahrheitsbegriff. ...

Naja, so ganz daneben liege ich wohl nicht. Es ist aber auch eher meine Einstellung zur Wahrheit.

Zitat:
Übrigens, Poppers Meinung über Hegel kennst du?

Meine Inspirationen (hier: Hegel) sind unabhängig von Poppers Urteil.

Zitat:
Laut schneller Suche auf wiktionary bedeutet "anthropomorph" soviel wie "dem Menschen ähnlich, von menschlicher Gestalt" etc. Die Mathematik ist also eine "dem Menschen ähnliche Modellbildung"? Was soll das bedeuten?

Und wieso sollte es erklären, daß die Mathematik auf die Natur "paßt"? Ist die Natur auch "anthropomorph"?

Die Mathe ist menschengemacht und wer glaubt, sie sei intrinsische Eigenschaft der Natur, "vermenschlicht" die Natur - jedenfalls in meinen und des Konzeptualismus' Augen.

Was ist deine Einstellung zu diesen Themen?
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 09. Jun 2019 08:50    Titel: Antworten mit Zitat

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Diese Behauptung hat auch mit Falsifikationismus nichts zu tun. Popper hat sicher nicht behauptet Newtons Mechanik sei wertlos. Dies ist auch nicht nur eine Verabsolutierung seiner Grundposition, sondern m.E. ein fundamentales Mißverständnis.

Da magst du Recht haben. Aber wir machen ja auch kein Quellenstudium, sondern versuchen unsere eigenen - vllt. durch Popper inspirierte - Vorstellungen zu entwickeln.


Ich mache auch kein Quellenstudium, sondern kritisiere ein Strohmannargument, nämlich, daß eine konsequente Auslegung des Falsifikationismus dazu führt, faslifizierte Theorien als wertlos zu betrachten. Dies habe ich nicht mit Popperzitaten belegt, sondern mit dem Argument, daß Falsifizierbarkeit lediglich ein Abgrenzungskriterium zwischen empirischer Wissenschaft und Metaphysik darstellt, nicht ein Werturteil über falsifizierte Theorien.

Zitat:

Zitat:
Was soll denn das für eine Analogie sein? Wie eine Falsifikation eine Theorieauslese (also Selektion) bewirken kann, ist relativ klar. Aber was soll Mutation mit Verifikation zu tun haben?

Es kommt mir auf das unterstrichene "und" an: es sind immer beide beteiligt, nie nur ein Prinzip. Das meine ich mit Verabsolutierung. Ich hätte auch jedes andere Begriffspaar nehmen können.


Wenn kein logischer Zusammenhang besteht, dann hättest du ja auch einfach behaupten können, Verifikation sei wichtig, ganz ohne weiteres Begriffspaar. Kannst du begründen, wofür sie wichtig sein soll und warum?

Zitat:

Zitat:
Übrigens, Poppers Meinung über Hegel kennst du?

Meine Inspirationen (hier: Hegel) sind unabhängig von Poppers Urteil.


Klar, kein Problem. Aber eine zustimmende Bemerkung zu Popper und dem "kritischen Rationalismus", die ausgerechnet Hegel als Grundlage mit reinmischt, schien mir trotzdem einen Kommentar wert.

Zitat:

Zitat:
Laut schneller Suche auf wiktionary bedeutet "anthropomorph" soviel wie "dem Menschen ähnlich, von menschlicher Gestalt" etc. Die Mathematik ist also eine "dem Menschen ähnliche Modellbildung"? Was soll das bedeuten?

Und wieso sollte es erklären, daß die Mathematik auf die Natur "paßt"? Ist die Natur auch "anthropomorph"?

Die Mathe ist menschengemacht und wer glaubt, sie sei intrinsische Eigenschaft der Natur, "vermenschlicht" die Natur - jedenfalls in meinen und des Konzeptualismus' Augen.


Und wieso erklärt "menschengemacht" dann, daß, in deinen Worten, die Mathematik "paßt"? Weil man sich als Mensch die Mathematik so zurechtbiegen kann, wie man will? Dann solltest du lieber erklären, warum man bis jetzt keine 100%ige Übereinstimmung hinbekommen hat.

Zitat:

Was ist deine Einstellung zu diesen Themen?


Meine Einstellung ist, daß mathematische Strukturen nicht vom Menschen gemacht sind. Dies liegt u.a. daran, daß ich glaube, daß es 1) Strukturen mit unendlicher Mächtigkeit gibt, z.b. natürliche Zahlen, aber 2) die Gesamtheit der von der menschlichen Zivilisation hervorgebrachten Artefakte endlich sein muß.
TomS
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Beiträge: 18021

Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jun 2019 16:59    Titel: Antworten mit Zitat

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Konkret: wir können nicht wissen, ob empirisch wahrgenommene mathematische Strukturen in der Natur lediglich Konstruktionen unseres Geistes sind, oder ob es sich im platonischen Sinne um Abbilder der in der Realität tatsächlich vorhandenen mathematischer Strukturen handelt

Veto!

Warum Veto?

Können wir etwa sicher wissen, dass es sich bei empirisch wahrgenommenen mathematische Strukturen um Abbilder von in der Realität (unabhängig von unserer Wahrnehmung) tatsächlich vorhandenen mathematischer Strukturen handelt? Oder können wir sicher wissen, dass dies falsch ist?

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Poppers Falsifikationismus hat schon seine Relevanz, nur, wenn man ihn verabsolutiert, wird er problematisch: eine Theorie ist nicht wertlos, wenn sie an einer oder zwei Stellen versagt.

Das behauptet Popper auch nicht.

Popper wusste sehr genau, dass z.B. die Newtonsche Theorie für einen bestimmten Anwendungsbereich in seinem Sinne “wahr” ist - dass sie nämlich nicht falsifiziert wird. Mehr behauptet Popper nicht, er ist bzgl. seines Wahrheitsbegriffs recht bescheiden.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Eine Theorie muss erst mal entstehen; das geht nur über verifizierte Elemente und Vorläufer.

Das sehe ich so nicht, zumindest nicht prinzipiell.

Inwiefern benötigt die ART die Newtonsche Theorie als Vorläufer? Das hat sich historisch so ergeben, ist aber nicht logisch zwingend.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Eine absolut sichere Erkenntnis halte ich deshalb auch für ausgeschlossen.

Wobei wir uns darüber im Klaren sein müssen, dass wir es bei Popper mit einem empirischen Wahrheitsbegriff zu tun haben, der untauglich ist, überhaupt nicht-empirisch erfassbare Entitäten in den Blick zu nehmen.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Poppers (wenn auch nur analytische) 3 Welten sind m.E. ein metaphysischer Taschenspielertrick ...

... der jetzt nicht so viel mit seinem Wahrheitsbegriff zu tun hat.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Ich halte den Konzeptualismus für tragfähiger, der die Mathematik als anthropomorphe Modellbildung darstellt, womit m.E. auch klarer wird, warum die Mathematik „passt“.

Ich kenne den Konzeptualismus nicht.

Die Frage ist doch, warum gerade die Mathematik und dabei wiederum bestimmte mathematische Strukturen eine zutreffende Beschreibung und Vorhersage von Phänomenen ermöglichen. Warum gerade diese und nicht andere mathematische Strukturen? Und warum überhaupt mathematische Strukturen, wieso nicht Magie und Mantik?

Ich denke nicht, dass Popper darauf eine Antwort liefern kann, weil die Fragestellung nicht in seinem Sinne falsifizierbar umformuliert werden kann.

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TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18021

Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jun 2019 17:29    Titel: Antworten mit Zitat

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Die Mathematik ist menschengemacht und wer glaubt, sie sei intrinsische Eigenschaft der Natur, "vermenschlicht" die Natur - jedenfalls in meinen und des Konzeptualismus' Augen.

Zunächst mal müssen wir unterscheiden zwischen
A) mathematischen Strukturen “an sich”,
B) mathematischen Strukturen, die wir in bestimmten physikalischen Phänomene entdecken, sowie
C) mathematischen Strukturen, die wir einer hinter (B) liegenden unabhängigen Realität zuschreiben

Alle drei Punkte (A - C) sind logisch völlig unabhängig voneinander.

Zu A) Viele Mathematiker halten mathematische Strukturen im Sinne von (A) für real und für unabhängig vom menschlichen Geist existent, ohne dass sie dies mittels (B) oder (C) begründen. Im Gegenteil, sie halten (A) für bei weitem reichhaltiger als (C). Wer sich mit Mathematik befasst, gewinnt den Eindruck, dass man als Mathematiker lediglich die Türe zu einem Reich aufstößt, jedoch nicht erst dieses Reich erschafft. Hat Heegner die Eigenschaft der Zahl 163 entdeckt, oder hat er die die bereits vor ihm bekannte Zahl 163 im Jahr 1952 mit einer neuen Eigenschaft ausgestattet?

https://de.wikipedia.org/wiki/Heegner-Zahl

(B) bleibt m.E. völlig rätselhaft ohne (C)

(C) ist eine metaphysische, weder beweisbare noch widerlegbare Aussage, die (B) insofern stützt, als sie die Wahrnehmung einer Struktur mittels deren Existenz begründet. Astronomen finden, dass Planeten auf Ellipsenbahnen umlaufen, weil das tatsächlich der Fall ist, nicht, weil sie das irgendwie in ihre Beobachtungen hineindenken. Elementarteilchenphysiker finden eine SU(3)-Symmetrie, weil da eine SU(3)-Symmetrie ist, ... An dieser metaphysischen Grundhaltung ist nichts Unnatürliches: wie glauben, was wir sehen, und glauben zu sehen, was da ist. Uns ist bewusst, dass wir uns diesbzgl. täuschen können, deswegen unterziehen wir diesen Glauben einer sorgfältigen Prüfung. Wenn wir dabei nicht auf Probleme stoßen, bestärkt uns dies in unserem metaphysischen Glauben, dass wir (B) mittels (C) begründen können. Dazu benötigen wir auch kein (A), das über (C) weit hinausgeht.

Ich möchte noch anmerken, dass Physiker sich durchaus bewusst sind, dass viele mathematische Strukturen, die sie benutzen, nicht direkt beobachtbaren Größen entsprechen, dass letztere jedoch konstruiert werden können. So ist z.B. das Eichfeld A, mittels dessen der Elektromagnetismus formuliert wird, nicht direkt beobachtbar, sehr wohl jedoch abgeleitete Größen wie


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Anmeldungsdatum: 14.08.2014
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Beitrag index_razor Verfasst am: 09. Jun 2019 17:34    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Eine absolut sichere Erkenntnis halte ich deshalb auch für ausgeschlossen.

Wobei wir uns darüber im Klaren sein müssen, dass wir es bei Popper mit einem empirischen Wahrheitsbegriff zu tun haben, der untauglich ist, überhaupt nicht-empirisch erfassbare Entitäten in den Blick zu nehmen.


Bitte verwechsle Poppers Abgrenzungkriterium nicht mit seinem Wahrheitsbegriff.

Der Wahrheitsbegriff, den Popper verwendet ist der von Tarski. Und dieser läßt sich nicht auf "Entitäten", weder empirisch noch nicht-empirisch faßbare, anwenden, sondern lediglich auf Sätze einer Sprache. Diese Sprache kann aber sowohl empirische als auch nicht-empirische Sachverhalte ausdrücken. Dem Wahrheitsbegriff tut dies überhaupt keinen Abbruch. Tarski behandelt zwar formale Sprachen, aber Popper war davon überzeugt, daß seine Analyse prinzipiell auch für die natürliche Sprache durchführbar ist, wenn wir ihre Ausdrucksmöglichkeiten in einer Weise einschränken, daß die üblichen Antinomien nicht auftreten.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jun 2019 18:03    Titel: Antworten mit Zitat

Dass der Gegenstand eines Satzes auch nicht-empirisch sein kann, ist klar. Damit ist der Satz jedoch selbst noch nicht empirisch überprüfbar.

Wie würdest du denn einen Satz bzgl. seines Wahrheitsgehaltes (empirisch) überprüfen, der eine Aussage zum Verhältnis zwischen empirisch zugänglichen und empirisch nicht zugänglich Entitäten enthält?

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index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 09. Jun 2019 18:18    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dass der Gegenstand eines Satzes auch nicht-empirisch sein kann, ist klar.


Die Sätze, auf die sich Poppers Wahrheitsbegriff anwenden läßt, können etwas nichtempirisches behaupten. Davon sprach ich. Wie vereinbarst du das mit der Behauptung wir hätten es mit einem empirischen Wahrheitsbegriff zu tun, der für nicht empirisch faßbare Dinge untauglich ist?


Zitat:

Damit ist der Satz jedoch selbst noch nicht empirisch überprüfbar.


Ich dachte auch es ging darum ob er wahr sein kann, nicht ob er empirisch geprüft werden kann.

Zitat:

Wie würdest du denn einen Satz bzgl. seines Wahrheitsgehaltes (empirisch) überprüfen, der eine Aussage zum Verhältnis zwischen empirisch zugänglichen und empirisch nicht zugänglich Entitäten enthält?


Ich bin nicht mal sicher ob ich die Frage verstehe. Ich wollte nur darauf hinweisen, daß der Unterschied 1) zwischen "empirisch" und "nicht-empirisch" überhaupt nichts mit dem Unterschied 2) zwischen "wahr" und "falsch" zu tun hat. Popper erklärt den Unterschied 1), sieht aber offensichtlich keine Probleme damit, den Wahreitsbegriff auf nichtempirische Aussagen anzuwenden (ich übrigens auch nicht). Damit ist m.E. widerlegt, daß wir es bei Popper mit einem "empirischen Wahrheitsbegriff zu tun haben, der untauglich ist, überhaupt nicht-empirisch erfassbare Entitäten in den Blick zu nehmen." Zumindest sehe ich keine Begründung inwiefern der fragliche Wahrheitsbegriff dazu untauglich sein sollte.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jun 2019 22:45    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich dachte auch es ging darum ob er wahr sein kann, nicht ob er empirisch geprüft werden kann.

...

Ich wollte nur darauf hinweisen, daß der Unterschied 1) zwischen "empirisch" und "nicht-empirisch" überhaupt nichts mit dem Unterschied 2) zwischen "wahr" und "falsch" zu tun hat.

Soweit ich mich erinnere, verwendet Popper den Wahrheitsbegriff im Sinne von empirisch überprüfbar. Ich muss das jedoch nachlesen.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Jun 2019 08:18    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich dachte auch es ging darum ob er wahr sein kann, nicht ob er empirisch geprüft werden kann.

...

Ich wollte nur darauf hinweisen, daß der Unterschied 1) zwischen "empirisch" und "nicht-empirisch" überhaupt nichts mit dem Unterschied 2) zwischen "wahr" und "falsch" zu tun hat.

Soweit ich mich erinnere, verwendet Popper den Wahrheitsbegriff im Sinne von empirisch überprüfbar. Ich muss das jedoch nachlesen.


Ich denke ich kann noch einen logischen Grund liefern, aus dem diese Verwendung von "Wahrheit" problematisch wäre. Dieser ist ganz einfach. Es können nämlich aus empirisch prüfbaren Sätzen metaphysische Sätze logisch folgen. Im allgemeinen sollte sich aber das Prädikat "wahr" auf die logischen Konsequenzen von Aussagen übertragen (sprich: aus wahren Prämissen folgen wahre Konsequenzen).

Ein Beispiel: Der Satz "Am Ort x gibt es einen schwarzen Schwan." hat die logische Form eines Basisatzes und sei als emprisch prüfbar angenommen. (Wir können uns einfach nach x begeben und nachsehen.) Aus diesem Basissatz folgt aber der universelle Existenzsatz "Es gibt einen schwarzen Schwan." Dieser ist aber metaphysisch da offenbar nicht falsifizierbar.

***

Poppers eigenen Standpunkt äußert er ziemlich deutlich in "Vermutungen und Widerlegungen", J.C.B. Mohr, S.327 (kursiv im Original, fett von mir.)

"Dank Tarskis Arbeit scheint die Idee der objektiven oder absoluten Wahrheit -- das heißt der Wahrheit als Übereinstimmung mit den Tatsachen -- heute von all denen voll akzeptiert zu werden, die sie verstehen. Die Schwierigkeiten sie zu verstehen, haben anscheinend zwei Quellen: erstens die Verbindung eines äußerst einfachen intuitiven Gedankens mit einem gewissen Maß an Kompliziertheit in der Ausführung des technischen Programms, zu dem er führt; zweitens das weitverbreitete aber falsche Dogma, daß eine anwendbare Wahrheitstheorie ein Kriterium liefern sollte für die Wahrheit der Überzeugungen: ein Kriterium für ein wohlbegründetes oder rationales Fürwahrhalten."

Mit der ersten Hervorhebung wollte ich nochmal deutlich machen, daß ein Wahrheitsbegriff, nach dem "Theorien nie eine absolute, sondern nur relative Wahrheit besitzen" keiner ist, dem man Popper in die Schuhe schieben sollte. Die Hervorhebung am Ende des Zitats erscheint mir deswegen interessant, weil dieses "Dogma" praktisch bis aufs Wort unfehlbar in jeder Diskussion zu diesem Thema aufs Neue als Argument auftaucht und meiner Erfahrung nach äußerst schwer zu bekämpfen ist.
Deep Purple



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Beitrag Deep Purple Verfasst am: 11. Jun 2019 12:48    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Können wir etwa sicher wissen, dass es sich bei empirisch wahrgenommenen mathematische Strukturen um Abbilder von in der Realität (unabhängig von unserer Wahrnehmung) tatsächlich vorhandenen mathematischer Strukturen handelt? Oder können wir sicher wissen, dass dies falsch ist?

Kannst du sicher auszuschließen, dass wir etwas darüber in Erfahrung bringen können? Mit welchem Grad von Gewissheit wird sich zeigen.

Zitat:
Das sehe ich so nicht, zumindest nicht prinzipiell.
Inwiefern benötigt die ART die Newtonsche Theorie als Vorläufer? Das hat sich historisch so ergeben, ist aber nicht logisch zwingend.

Das habe ich auch nicht behauptet. Was heißt „historisch so ergeben“? Das historisch Ergebene hat ganz konkrete Formen: z.B. Relativ.- und Äquiv.-Prinzip, SRT. Glaubst du wirklich, dass Theorien quellenlos aus dem Boden gestampft werden? Oder habe ich dich missverstanden?

Zitat:
Ich kenne den Konzeptualismus nicht.

Es geht um das Verhältnis von Konkretem zum Allgemeinen, Art und Gattung. Einige, die Realisten, halten Gattungsbegriffe für real existent, z.B. Hund, Gott oder Mensch als solcher (= Platons Ideen); für die Nominalisten sind Gattungsbegriffe nichts als Namen zur Bezeichnung von ähnlichen Dingen; die Konzeptualisten nehmen eine Vermittlerposition ein: das Allgemeine erscheint in der Ähnlichkeit der Konkreta (aber nicht ohne diese) und die Konkreta sind Repräsentanten des Allgemeinen (wird auch Dialektik genannt).

Zitat:
Die Frage ist doch, warum gerade die Mathematik und dabei wiederum bestimmte mathematische Strukturen eine zutreffende Beschreibung und Vorhersage von Phänomenen ermöglichen. Warum gerade diese und nicht andere mathematische Strukturen? Und warum überhaupt mathematische Strukturen, wieso nicht Magie und Mantik?

Genauso ist es doch gelaufen! Zuerst versuchte man sich die Vielfalt der Natur mythisch zu erklären; dann kam Pythagoras auf die Idee, dass man einige Relationen mit Zahlverhältnissen darstellen konnte; ein anderer hatte die Idee, Zahlen durch Buchstaben zu ersetzen; wieder ein anderer Grieche hatte die Idee, dass, wenn Gesetze Ordnung in die Polis brachten, sie das auch in der Natur tun müssten; in Verbindung mit Pythagoras kam dann die Idee des mathematischen Natur-Gesetzes auf - analog dem sozialen Polis-Gesetz.
Das mathematische Gesetz ist also erstmal eine Idee, eine Schöpfung des menschlichen Geistes (aber leider scheinen dir historisch-genealogische Betrachtungen nichts zu sagen; da geht dir eine Menge Information verloren).

Zitat:
Zunächst mal müssen wir unterscheiden zwischen
A) mathematischen Strukturen “an sich”,
B) mathematischen Strukturen, die wir in bestimmten physikalischen Phänomene entdecken, sowie
C) mathematischen Strukturen, die wir einer hinter (B) liegenden unabhängigen Realität zuschreiben

Ich denke, alle drei Aussagen sind metaphysisch (besser: unbegründet)

ad A) Was meinst du mit an-sich? Wenn Platons Ideen damit gemeint sind, fehlt der Beweis, dass Gattungsbegriffe real sind.

ad B) … soll heißen: mathem. Strukturen existieren real in den Dingen? Dann müssten diese Strukturen auch real in Allem, was mathem. beschreibbar ist vorliegen, wie soziale Populationen, ökonomische Systeme oder Wahlprognosen.

ad C) Was ist mit hinter (B) gemeint: mathem. Strukturen oder physikalische Phänomene? Gibt es noch eine Realität hinter den m. Strukturen bzw. den physik. Phänomenen oder sind sie selbst die Realität? Nach welchen Kriterien erfolgt diese Zuschreibung?

Zitat:
Astronomen finden, dass Planeten auf Ellipsenbahnen umlaufen, weil das tatsächlich der Fall ist, nicht, weil sie das irgendwie in ihre Beobachtungen hineindenken.

Die Planeten laufen so, wie intrinsische Elemente der Natur (Kräfte, Geodäten) das bewirken und nicht weil es hineingedacht oder von einer Mathem. oktroyiert wird; die Form nennen wir Ellipse und haben dazu den Formalismus entwickelt.

Gegenvorschlag:
A) Definition "Struktur" … Definition "Charakteristisches Verhalten"...
B) Wir entdecken und ordnen im Erfahrungsbereich Gruppen von Ereignissen, Objekten und Prozessen, die die Merkmale gem. A) aufweisen und bezeichnen sie als Haupt-, Unter-, etc. System.
C) Struktur und charakteristisches Verhalten der Systeme und ihrer Elemente werden durch schöpferische Entwicklung der Mathematik mit höchstmöglicher Kongruenz zwischen Objekt und Abbildung formalisiert und abgebildet.

Die einzige Voraussetzung hier ist die Annahme eines empirischen Erfahrungsbereiches und eines rationalen menschlichen Bewusstseins – beides evidente Tatsachen. Daraus ergibt sich eben nicht, dass M. schon in der Natur a priori vorhanden wäre.

Man könnte noch hinzufügen:
D) Da die Anzahl der mathematischen Elemente größer ist als die der abzubildenden ontologischen Elemente, entscheidet als letzte Instanz die Empirie über die Zuordnung.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Jun 2019 18:49    Titel: Antworten mit Zitat

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:

Zitat:
Die Frage ist doch, warum gerade die Mathematik und dabei wiederum bestimmte mathematische Strukturen eine zutreffende Beschreibung und Vorhersage von Phänomenen ermöglichen. Warum gerade diese und nicht andere mathematische Strukturen? Und warum überhaupt mathematische Strukturen, wieso nicht Magie und Mantik?

Genauso ist es doch gelaufen! Zuerst versuchte man sich die Vielfalt der Natur mythisch zu erklären; dann kam Pythagoras auf die Idee, dass man einige Relationen mit Zahlverhältnissen darstellen konnte; ein anderer hatte die Idee, Zahlen durch Buchstaben zu ersetzen; wieder ein anderer Grieche hatte die Idee, dass, wenn Gesetze Ordnung in die Polis brachten, sie das auch in der Natur tun müssten; in Verbindung mit Pythagoras kam dann die Idee des mathematischen Natur-Gesetzes auf - analog dem sozialen Polis-Gesetz.
Das mathematische Gesetz ist also erstmal eine Idee, eine Schöpfung des menschlichen Geistes (aber leider scheinen dir historisch-genealogische Betrachtungen nichts zu sagen; da geht dir eine Menge Information verloren).


Nein, diese Analyse beweist einfach überhaupt nichts. Überlege dir mal welche Ergebnisse deiner historisch-genealogischen Betrachtung du je als Evidenz für die objektive Existenz mathematischer Objekte gewertet haben würdest -- wenn Platon beim Spaziergang durch die Polis eines Tages über die Zahl 7 gestolpert wäre?

Natürlich hatte irgendwann mal einer als erstes die Idee, mathematische Gesetzmäßigkeiten zu formulieren. Das heißt noch lange nicht, daß die Objekte, für die diese Gesetze gelten Produkte des Geistes sind und unabhängig von dieser Idee nicht existieren würden.

Du setzt voraus, was du beweisen willst (und was der Platoniker natürlich leugnet), nämlich, daß Existenz irgendwie an physische Eigenschaften, bzw. "Materie" im weiteren Sinne, gebunden wäre.
Deep Purple



Anmeldungsdatum: 06.05.2019
Beiträge: 44

Beitrag Deep Purple Verfasst am: 11. Jun 2019 20:01    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Nein, diese Analyse beweist einfach überhaupt nichts. Überlege dir mal welche Ergebnisse deiner historisch-genealogischen Betrachtung du je als Evidenz für die objektive Existenz mathematischer Objekte gewertet haben würdest -- wenn Platon beim Spaziergang durch die Polis eines Tages über die Zahl 7 gestolpert wäre?

Konjunktive könnte ich auch eine Menge formulieren. Das bringt nichts. Fakten zählen. Und Fakt ist: der Mensch systematisiert und formalisiert das Wahrgenommene. Nur das ist beobachtbar. Damit ist die M. zunächst einmal nichts anderes als ein geistiges Konstrukt. Dieses geistige Konstrukt als eine intrinsische Eigenschaft der Natur zu postulieren, lässt sich daraus nicht ableiten. Dem liegt mE. eine Verwechslung von naturhafter Regelhaftigkeit und mathem. Gesetzmäßigkeit zugrunde. Es sei denn, du kannst einen Grund angeben, wie das Intelligible in die Natur gekommen ist.
Zitat:
Natürlich hatte irgendwann mal einer als erstes die Idee, mathematische Gesetzmäßigkeiten zu formulieren. Das heißt noch lange nicht, daß die Objekte, für die diese Gesetze gelten Produkte des Geistes sind und unabhängig von dieser Idee nicht existieren würden.

Nicht die Objekte. Die Gesetze, der Formalismus.
Die gesamte Mathematik ist eine Idee (anfangs durch die Regelmäßigkeit des unmittelbar Wahrgenommenen inspiriert) - angewandt in der Physik eine großartige Idee, die Natur algorithmisch komprimiert mit wenigen Termen zu beschreiben. Aber sie ist und bleibt ein Kind des menschl. Geistes.
Zitat:
Du setzt voraus, was du beweisen willst (und was der Platoniker natürlich leugnet), nämlich, daß Existenz irgendwie an physische Eigenschaften, bzw. "Materie" im weiteren Sinne, gebunden wäre.

Was sonst? Kennst du irgendein Phänomen, das keinen Bezug zur Materie hat bzw. unabhängig von Materie existiert?
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