RegistrierenRegistrieren   LoginLogin   FAQFAQ    SuchenSuchen   
Physik und Philosophie - Seite 3
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3, 4, 5, 6  Weiter 
Neue Frage »
Antworten »
    Foren-Übersicht -> Off-Topic
Autor Nachricht
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 17. Jun 2019 08:11    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Wie gesagt, beide Sichtweisen sind in sich konsistent, und beide Sichtweisen haben wenig mit der Frage (C) zu tun.

Ich denke schon.
Zuerst mal entfiele das Argument, man müsse irgendetwas außerhalb der empirischen Wahrnehmbarkeit als Realität anerkennen.

Der Mensch neigt dazu, manche in der Praxis sehr bewährte Modellvorstellungen ebenfalls als Realität anzuerkennen und vergisst mit der Zeit, dass es im Grunde doch nur Modellvorstellungen, also geistige Produkte sind.
Das trifft meiner Meinung nach sowohl für die Mathematik als ganzes zu, als auch z.B. für bestimmte physikalische Phänomene wie Photonen usw.

Spätestens aber, wenn man auf offensichtliche Widersprüche trifft, wie dies z.B. bei Photonen der Fall ist, sollte man sich daran erinnern, dass es sich um Modellvorstellungen und eben nicht empirisch wahrnehmbare Realität handelt. Dann sind nämlich diese Widersprüche keine echten Widersprüche mehr, da sie für Modellvorstellungen durchaus zulässig sind.
Ich denke, genau das hat N. Bohr gemeint. Kein Denkverbot, sondern Zurückbesinnung und Konzentration auf die eigentliche Aufgabe.

Wenn wir also nun die Mathematik als menschengemachtes Werkzeug verstehen um die empirisch wahrnehmbare Realität direkt oder indirekt zu beschreiben und damit Voraussagen zu wiederum empirisch beobachtbaren experimentellen Ergebnissen zu machen, dann stellt sich nicht mehr die Frage nach einem metaphysikalischen Zusammenhang von Mathematik zur physikalischen Realität, womit wir bei Punkt c wären.

Du hast also die Wahl. Entweder erweiterst du die Realität auf Mathematik, Photonen usw. mit den sich daraus ergebenden Widersprüchen und mystischen Verknüpfungen, oder man beschränkt Realität auf empirische Wahrnehmbarkeit (und selbst dort müsste man imho gegebenenfalls weitere Einschränkungen machen, da die Grenzen unscharf sind), ohne die genannten Probleme.


.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17910

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Jun 2019 08:48    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Wie gesagt, beide Sichtweisen sind in sich konsistent, und beide Sichtweisen haben wenig mit der Frage (C) zu tun.

Ich denke schon.
Zuerst mal entfiele das Argument, man müsse irgendetwas außerhalb der empirischen Wahrnehmbarkeit als Realität anerkennen.

Man muss natürlich nichts außerhalb der empirischen Wahrnehmbarkeit als Realität anerkennen; u.a. Berkley hat das ausgeführt. Die Idee, das für den Menschen empirisch Wahrnehmbare sei identisch mit dem gesamten Sein bzw. umfasse das gesamte Sein, ist jedoch eigentümlich, um nicht zu sagen absurd oder anmaßend. Warum soll denn der Mensch das Maß aller Dinge sein?

Dass viele Physiker an eine Realität jenseits der Wahrnehmbarkeit glauben, hat nichts mit Mathematik im Sinne von (A) zu tun, sondern lediglich damit, dass sie bescheiden genug sind, anzuerkennen, dass sie nicht das gesamte Sein wahrnehmen können, und demnach auch Entitäten jenseits ihrer Wahrnehmung existieren.

Konzentrieren wir uns auf (C)

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Der Mensch neigt dazu, manche in der Praxis sehr bewährte Modellvorstellungen ebenfalls als Realität anzuerkennen und vergisst mit der Zeit, dass es im Grunde doch nur Modellvorstellungen, also geistige Produkte sind.

Dessen sind sich Physiker sehr bewusst.

Deswegen spreche ich hier z.B. vom Modell eines Photons, wobei „Photon“ ein Begriff ist, der eine in der Natur existierende Entität bezeichnet, deren Existenz wir nur sehr indirekt wahrnehmen können. Wenn ich also von „der Existenz eines Photons“ spreche, dann meine ich „die Existenz dieser Entität, die ich Photon nenne“.

Den Begriff „Entität“ verwende ich, weil er abstrakt und neutral genug ist, um hoffentlich nicht irgendwelche Assoziationen zu implizieren.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Spätestens aber, wenn man auf offensichtliche Widersprüche trifft, wie dies z.B. bei Photonen der Fall ist, sollte man sich daran erinnern, dass es sich um Modellvorstellungen und eben nicht empirisch wahrnehmbare Realität handelt.

Ich wüsste nicht, an welcher Stelle das Modell des Photons - im Rahmen der QED - zu offensichtlichen Widersprüchen führt.

Und wie gesagt, Physiker sind sich der Modelle, die sie verwenden, und deren Limitierungen sehr bewusst. Die Praxis der Physik hat viel mehr mit Limitierungen und Scheitern zu tun, als die Darstellung und Wahrnehmung der Physik der Öffentlichkeit.

Limitierungen der Modelle haben jedoch keinen Einfluss auf die Existenz der realen Entitäten in der Natur; diese existieren sicher unabhängig von unseren Modellen.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Wenn wir also nun die Mathematik als menschengemachtes Werkzeug verstehen um die empirisch wahrnehmbare Realität direkt oder indirekt zu beschreiben und damit Voraussagen zu wiederum empirisch beobachtbaren experimentellen Ergebnissen zu machen, dann stellt sich nicht mehr die Frage nach einem metaphysikalischen Zusammenhang von Mathematik zur physikalischen Realität ...

... weil wir - wenn wir Dir hier folgen - die Frage nicht stellen.

Du verwechselst die Beschränkung in der Methode mit der Lösung einer Fragestellung, die außerhalb der so beschränkten Methode liegt.

(viele Philosophen sind da vorsichtiger: sie halten empirisch nicht zugängliche Entitäten nicht für notwendigerweise inexistent, sondern lediglich für nicht zugänglich und diskutierbar; das ist ein wesentlicher Unterschied)

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Du hast also die Wahl ... oder man beschränkt Realität auf empirische Wahrnehmbarkeit

Ist der Mond da, wenn keiner hinschaut? War der Mond schon da, als es noch keine Menschen gab? Was existierte Sekundenbruchteile nach dem Urknall? Existiert eine Entität - genannt „Photon - die beim Durchgang durch einen Strahlteiler beobachtbare Interferenzmuster hervorruft (insbs. wenn du diese Entität nicht selbst beobachtest, weil sonst keine Interferenzmuster entstünden)? Existieren Entitäten - genannt „Elektronen“ - die z.B. ein Fernsehbild erzeugen? Existiert eine Entität, die diesen „Elektronen“ eine Trägheit verleiht, die man ihrerseits messen kann? Existieren Entitäten - genannt „Protonen“? Existieren messbare Eigenschaften von „Protonen“ wie Masse, Ladung, elektromagnetische Formfaktoren? Was ist ein „Proton“ - nicht das mathematische Modell eines Protons, sondern die reale Entität in der Natur?

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 17. Jun 2019 10:18    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Man muss natürlich nichts außerhalb der empirischen Wahrnehmbarkeit als Realität anerkennen;

Diese Argument wurde hier u.a. schon von index razor verwendet, um gerade Existenz auch über das empirisch wahrnehmbare hinaus zu belegen.

Zitat:

Die Idee, das für den Menschen empirisch Wahrnehmbare sei identisch mit dem gesamten Sein bzw. umfasse das gesamte Sein, ist jedoch eigentümlich, um nicht zu sagen, absurd.

Ich finde das nicht absurd, da man sonst leicht auch Gott und übernatürliche Phänomene als real existierend postulieren kann. Das wäre absurd.

Auch wenn man Existenz und Realität auf das empirisch wahrnehmbare beschränkt, lässt dies doch trotzdem die geistige Beschäftigung mit dem darüber hinaus gehenden zu. Ich empfinde es eben nur als Zeitverschwendung, z.B. nach einer metaphysikalischen Verbindung von Mathematik zur physikalischen Realität zu suchen.

Zitat:
Dass viele Physiker an eine Realität jenseits der Wahrnehmbarkeit glauben, hat nichts mit Mathematik im Sinne von (A) zu tun, sondern lediglich damit, dass sie bescheiden genug sind, anzuerkennen, dass sie nicht das gesamte Sein erkennen können, und demnach auch Entitäten jenseits ihrer Wahrnehmung existieren.


Wenn man das Sein auf das "empirisch Wahrnehmbare" beschränkt (und das ist eine reine Definitionsfrage), dann ist es keine Frage der Bescheidenheit mehr.

Zitat:

Ich wüsste nicht, an welcher Stelle das Modell des Photons - im Rahmen der QED - zu offensichtliche Widersprüchen führt.

Genau das habe ich gesagt. Das Modell führt nicht zu Widersprüchen, aber die Vorstellung das Photon sei real existierend, wie du es postulierst.



Zitat:

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Wenn wir also nun die Mathematik als menschengemachtes Werkzeug verstehen um die empirisch wahrnehmbare Realität direkt oder indirekt zu beschreiben und damit Voraussagen zu wiederum empirisch beobachtbaren experimentellen Ergebnissen zu machen, dann stellt sich nicht mehr die Frage nach einem metaphysikalischen Zusammenhang von Mathematik zur physikalischen Realität ...


... weil wir die Frage nicht stellen.


Nein, weil sie sich selbst schon beantwortet. Wenn ich einen Hammer herstelle, um damit Nägel einzuschlagen, ergibt sich der Zusammenhang zwischen Form des Hammers und Nagel aus der Funktion des Hammers und nicht aus einer nicht weiter ergründbaren Metaphysik.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ist der Mond da, wenn keiner hinschaut? War der Mond schon da, als es noch keine Menschen gab? Was existierte Sekundenbruchteile nach dem Urknall? Existiert eine Entität, die beim Durchgang durch einen Strahlteiler beobachtbare Interferenzmuster hervorruft (insbs. wenn du diese Entität nicht selbst beobachtest, weil sonst keine Interferenzmuster entstünden)? Existieren Entitäten - genannt „Elektronen“ - die z.B. ein Fernsehbild erzeugen? Existiert eine Entität, die diesen „Elektronen“ eine Trägheit verleiht, die man ihrerseits messen kann?

Dies alles sind Beispiele für:
Frankx hat Folgendes geschrieben:
Der Mensch neigt dazu, manche in der Praxis sehr bewährte Modellvorstellungen ebenfalls als Realität anzuerkennen und vergisst mit der Zeit, dass es im Grunde doch nur Modellvorstellungen, also geistige Produkte sind.

Ob der Mond auch da ist, wenn keiner hinschaut und ob er schon da war, als es keine Menschen gab entzieht sich unserer empirischen Wahrnehmung. Aber wenn wir die Bewegung von Himmelsobjekte beobachten, können wir Theorien dazu aufstellen. Die Voraussagen dieser Theorien können wir prüfen und wenn wir nicht enttäuscht werden und sich keine weiteren Widersprüche ergeben neigen wir dazu, dies für Realität zu halten.

Aber der Mond könnte z.B. im Moment des allgemeinen Wegschauens von einem unbekannten Himmelskörper getroffen werden und sich danach nicht mehr an der erwarteten Stelle befinden. Das mag sehr unwahrscheinlich sein, ist aber nicht unmöglich.

Diese Neigung, etwas nicht empirisch zugängliches dennoch für Realität zu halten, entspringt unserer Erwartungshaltung, wenn wir Modellvorstellungen verwenden, deren Voraussagekraft wir mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bewerten.

.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 17. Jun 2019 11:55    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Diese Axiome besagen aber u.a., daß jede natürliche Zahl einen Nachfolger besitzt. Wenn natürliche Zahlen "Elemente des Bewußtseins" sind, was ist dann "der Nachfolger" eines "Elements des Bewußtseins"? Wie addiert man "Elemente des Bewußtseins"?

Insgesamt implizieren diese Axiome, daß es unendlich viele Zahlen gibt. Gibt es damit unendlich viele "Elemente des Bewußtseins"? Wo haben die alle Platz im Gehirn?


Das ist imho nur ein nur ein scheinbares Problem und liegt an der unglücklichen Formulierung der Axiome und (später auch der Beweise a la: "Es lässt sich zeigen, dass unter Voraussetzung XY ein Z existiert.")

Ersetze einfach: "Jede natürliche Zahl besitzt einen Nachfolger." durch "Für jede natürliche Zahl lässt sich ein Nachfolger berechnen."
Für die oben angedeuteten Beweise sollte besser formuliert werden: "Es lässt sich zeigen, dass unter Voraussetzung XY ein Z berechnet/konstruiert werden kann."


Nein, das funktioniert nicht, aus einem einfachen Grund. Die Axiome stellen Behauptungen über jedes mögliche Ergebnis dieser Berechnung auf, ganz unbeeindruckt davon, ob es tatsächlich jemand berechnet hat oder nicht. Damit benötigst du also eine Ausdrucksmöglichkeit für "der Nachfolger von x". Zum Beispiel sind zwei Zahlen mit demselben Nachfolger gleich. Das kannst du nicht formulieren, wenn du nur "Für x läßt sich ein Nachfolger berechnen" zur Verfügung hast. Wenn du das bezweifelst, dann versuche mal eine Formulierung für



die nur dein Prädikat ("Für x läßt sich ein Nachfolger berechnen") verwendet.

Das erste "=" in dieser Formel hat keinen Sinn, wenn man hier nicht von den Funktionswerten reden kann, sondern nur davon, daß x und y irgendeine Eigenschaft haben (wie die, daß sich etwas aus ihnen berechnen läßt.)

Vielleicht stelle ich meine Fragen mal anders: Glaubst du es existiert ein endliches Modell der Peano-Axiome? Glaubst du, daß es widerspruchsfreie Mengen von Aussagen gibt, die kein Modell besitzen? Glaubst du, daß die Peano-Axiome widersprüchlich sind? Wenn du jeweils mit "Nein" antwortest, was m.E. korrekt wäre, wie willst du dann der Schlußfolgerung entgehen, daß jede Menge über die diese Axiome sprechen unendlich ist? Entweder gibt es unendlich viele Zahlen oder gar keine.

Zitat:

Damit wird klar, das jeder "Nachfolger" und jedes "Z" ein geistiges Produkt ist und nicht per se existiert. Es wird erst dann zur Realität und (und selbst dann auch vorerst nur in unseren Köpfen) wenn eben ein "Nachfolger" oder "Z" berechnet oder konstruiert werden. Die Möglichkeit etwas zu tun impliziert nicht automatisch die Existenz des Ergebnisses.


Nein, aber die Peano-Axiome implizieren dessen Existenz. Sie implizieren sogar die Existenz unendlich vieler Ergebnisse. Mein Punkt ist gerade, daß du nicht an deiner philosophischen Lieblingstheorie festhalten halten kannst, ohne irgendwelche Gesetze der Arithmetik oder der Logik aufzugeben. (Wie die Intuitionisten das offenbar tun.) Wie TomS wahrscheinlich sagen würde, ist dieser Standpunkt logisch möglich. Aber nur wenn man ihn mit allen Konsequenzen einnimmt.

Zitat:

Wenn ich prinzipiell ein Haus bauen kann, existiert es auch erst, wenn ich es gebaut habe und vorher höchstens in einem Kopf.


Ja, das beweist nur, daß für Häuser andere Aussagen gelten als für Zahlen, mehr nicht.


Zuletzt bearbeitet von index_razor am 17. Jun 2019 12:03, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17910

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Jun 2019 12:01    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:

Die Idee, das für den Menschen empirisch Wahrnehmbare sei identisch mit dem gesamten Sein bzw. umfasse das gesamte Sein, ist jedoch eigentümlich, um nicht zu sagen, absurd.

Ich finde das nicht absurd, da man sonst leicht auch Gott und übernatürliche Phänomene als real existierend postulieren kann. Das wäre absurd.

Dass du die Existenz von X als absurd ansiehst, ist doch kein logisches Argument gegen die Existenz eines wesensverschiedenen Y.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Auch wenn man Existenz und Realität auf das empirisch wahrnehmbare beschränkt, lässt dies doch trotzdem die geistige Beschäftigung mit dem darüber hinaus gehenden zu.

Das ist logisch inkonsistent.

Wie soll ich mich geistig - logisch konsistent - mit etwas befassen, was nicht existiert? Man würde sich dann nämlich nicht mit etwas real Existierendem befassen, sondern nur mit etwas, was man für real existent hält, worin man sich jedoch täuscht.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Ich empfinde es eben nur als Zeitverschwendung, z.B. nach einer metaphysikalischen Verbindung von Mathematik zur physikalischen Realität zu suchen.

Das ist eine durchaus verbreitete Meinung, jedoch kein logisches Argument gegen diese Fragestellung an sich.

Genau dieses Vekürzung beklagt Gell-Mann bei Bohr et al. Nur weil Bohr diese Fragen für sich und seine „Kopenhagener“ pragmatisch ausklammert, sind dies Fragen weder allgemein verschwunden noch beantwortet.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Dass viele Physiker an eine Realität jenseits der Wahrnehmbarkeit glauben, hat nichts mit Mathematik im Sinne von (A) zu tun, sondern lediglich damit, dass sie bescheiden genug sind, anzuerkennen, dass sie nicht das gesamte Sein erkennen können, und demnach auch Entitäten jenseits ihrer Wahrnehmung existieren.


Wenn man das Sein auf das "empirisch Wahrnehmbare" beschränkt (und das ist eine reine Definitionsfrage), dann ist es keine Frage der Bescheidenheit mehr.

Doch, natürlich.

Erstens ist es völlig unlogisch, zu meinen, das Sein - als Gesamtheit allen Seins - sei eine Frage einer von Menschen erdachten Definition. Das, was in der Natur existiert - ob erkennbar oder nicht - richtet sich nicht nach deinen Definitionen.

Zweitens lässt die Idee der Existenz jenseits der menschlichen Wahrnehmung zu, dass etwas existiert, was wir nicht wahrnehmen können, während die Verkürzung von Existenz auf menschliche Wahrnehmung immer eine vom Menschen entworfene Perspektive mit ins Spiel bringt und ausschließt, dass etwas existiert, was nicht in diese Perspektive passt. Wiederum richtet sich das, was in der Natur existiert - ob erkennbar oder nicht - nicht nach deiner Perspektive.

Du argumentierst ungefähr so wie der 2-dim. Bewohner einer 3-dim. Welt, der die Existenz von Kugeln ausschließt. Natürlich kannst du recht haben; aber du solltest in Betracht ziehen, dass du dich irrst, und dass Entitäten jenseits deiner Definitionen und deiner Perspektive existieren. Warum sollte sich die Natur nach dir richten?

Drittens müsstest du - wenn du Wahrnehmung allgemeiner als nur „menschliche Wahrnehmung“ auffassen möchtest - dies genauer ausführen.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Ich wüsste nicht, an welcher Stelle das Modell des Photons - im Rahmen der QED - zu offensichtliche Widersprüchen führt.

Genau das habe ich gesagt. Das Modell führt nicht zu Widersprüchen, aber die Vorstellung das Photon sei real existierend, wie du es postulierst.

Inwiefern ist es widersprüchlich, an die Existenz einer realen Entität genannt „Photon“ zu glauben, die man mittels mathematischer Modelle wie der QED beschreiben kann?

Ich kann doch auch daran glauben, dass eine reale Entität genannt „Apfel“ existiert, deren Fallen ich mittels flektierten Lichts in mein Auge übermittelt bekomme und deren Bewegung ich mittels des Modells der Newtonschen Mechanik beschreibe?

Irgendetwas wird doch da draußen existieren! Oder meinst du da wäre buchstäblich nichts außer meiner Sinneswahrnehmung?

Frankx hat Folgendes geschrieben:

Zitat:

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Wenn wir also nun die Mathematik als menschengemachtes Werkzeug verstehen um die empirisch wahrnehmbare Realität direkt oder indirekt zu beschreiben und damit Voraussagen zu wiederum empirisch beobachtbaren experimentellen Ergebnissen zu machen, dann stellt sich nicht mehr die Frage nach einem metaphysikalischen Zusammenhang von Mathematik zur physikalischen Realität ...


... weil wir die Frage nicht stellen.


Nein, weil sie sich selbst schon beantwortet. Wenn ich einen Hammer herstelle, um damit Nägel einzuschlagen, ergibt sich der Zusammenhang zwischen Form des Hammers und Nagel aus der Funktion des Hammers und nicht aus einer nicht weiter ergründbaren Metaphysik.

Wir stellen aber nicht den Hammer = die Mathematik her, um Physik zu betreiben, sondern wir betreiben Physik, und verwenden dabei Mathematik, die schon längst existiert (oder entwickelt wurde).

Wenn du im Baumarkt Hammer und Nägel findest, dann ist das Erstaunen nicht allzu groß. Wenn du jedoch in der Sahara einen Schneepflug entdeckst, dann wirst du dich fragen, wie und warum er da hingekommen ist, und mit welchem Plan. Während du im Falle des Hammers im Baumarkt die Frage natürlich nicht stellst, würdest du jeden, der die Frage nach der Herkunft und dem Sinn des Schneepflugs nicht stellt, für töricht halten.

Wenn ich die moderne Physik überschaue - QM, QFT, SRT und ART - dann hat praktisch kein Physiker direkt die zugrundeliegende Mathematik entwickelt, sondern immer nur angewandt. Die Mathematiker ihrerseits haben die Mathematik nicht deswegen entwickelt, um sie der Physik nutzbar zu machen. Die Riemannsche Geometrie wurde beispielsweise ca. ab 1850 entwickelt, von Einstein nach 1910 angewandt.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Ob der Mond auch da ist, wenn keiner hinschaut und ob er schon da war, als es keine Menschen gab entzieht sich unserer empirischen Wahrnehmung.

Richtig, das habe ich nicht bestritten. Die Frage ist, ob du glaubst, dass er da ist.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Aber der Mond könnte z.B. im Moment des allgemeinen Wegschauens von einem unbekannten Himmelskörper getroffen werden und sich danach nicht mehr an der erwarteten Stelle befinden. Das mag sehr unwahrscheinlich sein, ist aber nicht unmöglich.

Jedenfalls ist dein Sprachgebrauch unlogisch.

Wenn „... der Mond ... im Moment des allgemeinen Wegschauens von einem unbekannten Himmelskörper getroffen wird und sich danach nicht mehr an der erwarteten Stelle befindet“ dann spricht du selbst dennoch vom Mond und von einem weiteren Himmelskörper, als ob sie tatsächlich existieren, unabhängig davon, ob du hinschaust.

Noch einfacher: du stehst früh auf und gehst ins Bad; wird das Bad mit seiner gesamten Einrichtung in dem Moment existent, in dem du die Türe öffnest? oder war es auch nachts da, während du geschlafen hast?

Es geht mir nicht darum, dass man logisch konsistent behaupten könne, das Bad sei nur existent, wenn man hinschaut. Es geht mir um das, was du selbst glaubst, um deine - deiner Meinung nach vernünftige - persönliche Meinung zur Existenz deines Bades.

Inwiefern ist die fortdauernde Existenz des Bades absurd, das plötzliche Entstehen beim Betreten sowie das Verschwinden ins Nichts beim Verlassen dagegen plausibel? Warum wird das Bad morgens exakt so wieder existent, wie es abends verschwunden ist? Wer hat sich den exakten Zustand des Bades gemerkt und kümmert sich darum? Und wie verhält es sich, wenn nachts ein Wasserrohr durchrostet?

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 17. Jun 2019 13:08    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Peano-Axiome implizieren dessen Existenz. Sie implizieren sogar die Existenz unendlich vieler Ergebnisse.

Die Axiome wurden ja auch von Menschen gemacht, sie sind nicht naturgegeben.

Wenn wir den Ursprung der Mathematik auf die natürlichen Zahlen legen, so finden wir, dass selbst im Tierreich bei manchen Arten ein gewisses Zahlenverständnis auftaucht. Sie können kleine abzählbare Mengen unterscheiden.
Auch der Mensch hat ein gewisses bildungsunabhängiges Grundverständnis für abzählbare Mengen. Er kann ohne zu zählen kleine Mengen sofort genau erfassen, sozusagen mit einem Blick. Das funktioniert (wenn ich mich recht erinnere) ungefähr bis fünf. Dafür gibt es wissenschaftliche Untersuchungen.

Voraussetzung dafür ist, dass das Gehirn zum einen überhaupt Entitäten erfassen kann, d.h. sie von der Umgebung abgrenzen kann (bei Wolken am Himmel ist das z.B. nicht immer möglich), zum zweiten muss er zwischen diesen Entitäten gewisse Ähnlichkeiten wahrnehmen, um sie überhaupt einer abzählbaren Menge zuordnen zu können. Beides (Abgrenzung und Erkennung von Ähnlichkeiten) sind neurologische Prozesse, ohne die es überhaupt keine abzählbaren Mengen und damit keine natürlichen Zahlen gäbe. Man kann nur Schäfchen abzählen, wenn man die Tiere auf dem Acker einzeln wahrnimmt und sie der Art Schaf zuordnen kann.

In der weiteren Entwicklung erfand der Mensch Symbole. Um jemanden mitzuteilen, wieviel Schafe man besitzt reichte es, wenn man eine Tafel mit entsprechender Anzahl von Strichen vorzeigte. Man musste nicht jedes mal die ganze Herde vorzeigen.
Die Tafel mit den Strichen bewährte sich auch bei Kühen usw. Die Striche waren also ein universelles Modell für abzählbare Entitäten. und man erkannte, das man die gleichen Operationen (z.B. Addition) durchführen konnte, wenn bei einer Herde 5 Tiere hinzu kamen.
So nach und nach löste sich damit die Mathematik von realen Entitäten.
Das Ändert nichts daran, dass sie im Grunde ein menschengemachtes Modell oder Werkzeug ist.
Natürlich kann man manche Werkzeuge sehr universell einsetzen, oder man kann sie völlig zweckfremd nutzen, wie etwa einen Pinsel, nicht zum Anstreichen eines Hauses, sondern für Kunst. Da steht also nicht mehr der ursprüngliche Zweck des Werkzeuges im Mittelpunkt, sondern es wird zum Selbstzweck.

Insofern kann man mit Mathematik viele interessante Dinge anstellen, deren praktischer Nutzen vielleicht erst später oder nie zu Tage tritt, aber sie bleibt menschengemachtes Werkzeug.

.
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 17. Jun 2019 13:38    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Dass du die Existenz von X als absurd ansiehst, ist doch kein logisches Argument gegen die Existenz eines wesensverschiedenen Y.

Wie willst du X von Y unterscheiden?

Zitat:
Wie soll ich mich geistig - logisch konsistent - mit etwas befassen, was nicht existiert?

Du kannst dich z.B. mit natürlichen Zahlen befassen, auch wenn diese nur in unseren Köpfen existieren.

Zitat:
Das, was in der Natur existiert - ob erkennbar oder nicht - richtet sich nicht nach deinen Definitionen.

Wonach dann? Wenn du für Realität keinerlei Definition hast, wird sie beliebig.

Zitat:
Du argumentierst ungefähr so wie der 2-dim. Bewohner einer 3-dim. Welt, der die Existenz von Kugeln ausschließt. Natürlich kannst du recht haben; aber du solltest in Betracht ziehen, dass du dich irrst, und dass Entitäten jenseits deiner Definitionen und deiner Perspektive existieren.

Ich würde den Irrtum in Betracht ziehen, sobald es irgendeinen empirisch wahrnehmbaren Hinweis auf die zusätzliche Dimension gibt. Bis dahin würde ich sie als interessante Theorie behandeln. Was würde mich das kosten?

Zitat:

Drittens müsstest du - wenn du Wahrnehmung allgemeiner als nur „menschliche Wahrnehmung“ auffassen möchtest, dies genauer ausführen.

Das ist ein Punkt, über den man diskutieren kann.

Zitat:
Inwiefern ist es widersprüchlich, an die Existenz einer realen Entität genannt „Photon“ zu glauben, die man mittels mathematischer Modelle wie der QED beschreiben kann?

Weil man dann auch an eine Katze glaubt, die gleichzeitig tot und lebendig ist.


Zitat:
Noch einfacher: du stehst früh auf und gehst ins Bad; wird das Bad mit seiner gesamten Einrichtung in dem Moment existent, in dem du die Türe öffnest? oder war es auch nachts da, während du geschlafen hast?

Wie ich schon sagte. Man neigt dazu Theorien und Modelle für Realität zu halten, wenn man der Voraussagekraft einen Wert nahe "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" beimisst. Insofern wird es (das Bad) nicht existent, wenn ich die Tür öffne, sondern ich kann über seine Existenz vorher nichts sagen. Aber meine Theorie legt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nahe, dass es auch vorher existiert hat. Da ich keinerlei Widersprüche finde (es liegt keine tote-lebendige Katze in der Wanne), halte ich die Existenz des Bades auch für den Zeitraum seit gestern Abend für Realität (im eben genannten Sinne).

.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17910

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Jun 2019 15:00    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Das, was in der Natur existiert - ob erkennbar oder nicht - richtet sich nicht nach deinen Definitionen.

Wonach dann? Wenn du für Realität keinerlei Definition hast, wird sie beliebig.

Diese Definition habe ich natürlich: Realität ist alles das, das existiert, unabhängig davon, ob und wie ich es wahrnehme, verstehe, erkenne etc.

Da ich mit möglichst wenig Vorurteilen an die Sache rangehe, bevorzuge ich meine Sichtweise: Realität kann mehr umfassen als meiner Wahrnehmung zugänglich ist.

Frankx hat Folgendes geschrieben:

Zitat:
Du argumentierst ungefähr so wie der 2-dim. Bewohner einer 3-dim. Welt, der die Existenz von Kugeln ausschließt. Natürlich kannst du recht haben; aber du solltest in Betracht ziehen, dass du dich irrst, und dass Entitäten jenseits deiner Definitionen und deiner Perspektive existieren.

Ich würde den Irrtum in Betracht ziehen, sobald es irgendeinen empirisch wahrnehmbaren Hinweis auf die zusätzliche Dimension gibt. Bis dahin würde ich sie als interessante Theorie behandeln. Was würde mich das kosten?

Du ignorierst die Tatsache, dass in diesem Beispiel die Wahrnehmung des 2-dim. Wesens prinzipiell auf 2-dim. Kreise beschränkt ist, obwohl in der Realität 3-dim. Kugeln existieren. Deine Meinung über die Realität wäre also schlicht falsch, würde es immer bleiben, und du würdest nicht mal in Betracht ziehen, dass sie falsch sein könnte.

Kosten würde es dich nichts.

Frankx hat Folgendes geschrieben:

Zitat:
Inwiefern ist es widersprüchlich, an die Existenz einer realen Entität genannt „Photon“ zu glauben, die man mittels mathematischer Modelle wie der QED beschreiben kann?

Weil man dann auch an eine Katze glaubt, die gleichzeitig tot und lebendig ist.

Das ist weder widersprüchlich, noch erscheint es widersprüchlich im Sinne von Messungen oder steht im Widerspruch zu unserer Erfahrung. Die Theorie erklärt recht präzise, warum wir diese Superposition aus toter und lebendiger Katze nicht wahrnehmen, selbst wenn sie existiert. Es entspricht lediglich nicht unserem eingeschränktem Weltbild.

Zusammenfassend: Man kann deine Haltung, Wahrnehmung und Realität zu identifizieren, durchaus logisch konsistent darstellen; Beispiele in der Literatur sind bekannt. Bei deiner Argumentation sehe ich jedoch zu viele logische Brüche, um ihr folgen zu können; und leider gehst du auf diese logischen Brüche zu wenig ein.

EDIT:

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Wie ich schon sagte. Man neigt dazu Theorien und Modelle für Realität zu halten, wenn man der Voraussagekraft einen Wert nahe "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" beimisst.

Das ist so nicht korrekt: Physiker halten zunächst nicht das Modell für real, sie glauben an eine unabhängige, externe Realität, die durch ein zu diskutierendes Modell zutreffend beschrieben wird. Das ist etwas anderes.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.


Zuletzt bearbeitet von TomS am 17. Jun 2019 15:47, insgesamt 3-mal bearbeitet
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 17. Jun 2019 15:00    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Peano-Axiome implizieren dessen Existenz. Sie implizieren sogar die Existenz unendlich vieler Ergebnisse.

Die Axiome wurden ja auch von Menschen gemacht, sie sind nicht naturgegeben.


Alle Aussagen sind menschengemacht, auch die empirischen. Wer sie gemacht hat, ist nicht die Frage, sondern ob du zugunsten deiner philosophischen Ansichten bereit bist, die Arithmetik, die Logik oder andere allgemein gebräuchliche Argumentationsmethoden der Mathematik zu opfern. Es sieht für mich zumindest so aus, als bestünde da ein gewisser Widerspruch.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17910

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Jun 2019 15:29    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
... aber [die Mathematik] bleibt menschengemachtes Werkzeug.

Wir sollten hier nochmal festhalten, dass dies erstens wenig mit der Anfrage der physikalischen Realität zu tun hat und dass es zweitens lediglich deine Meinung darstellt.

Die folgenden Zitate beweisen nichts - außer der Tatsache, dass auch die gegenteilige Meinung möglich ist

I believe that mathematical reality lies outside us, that our function is to discover or observe it, and that the theorems which we prove, and which we describe grandiloquently as our “creations,” are simply the notes of our observations.
Hardy

Out yonder there is this huge world, which exists independently of us human beings and which stands before us like a great, eternal riddle, at least partially accessible to our inspection and thinking.
Einstein

How is it possible that mathematics, a product of human thought that is independent of experience, fits so excellently the objects of physical reality?
Einstein

The miracle of the appropriateness of the language of mathematics for the formulation of the laws of physics is a wonderful gift which we neither understand nor deserve.
Wigner

I think that modern physics has definitely decided in favor of Plato. In fact the smallest units of matter are not physical objects in the ordinary sense; they are forms, ideas which can be expressed unambiguously only in mathematical language.
Heisenberg

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 17. Jun 2019 15:43    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Diese Definition habe ich natürlich: Realität ist alles das, das existiert, unabhängig davon, ob und wie ich es wahrnehme, verstehe, erkenne etc.

Für dich ist also alles Realität, was real ist? Was ist das für eine Definition?
Dann ist die Definition eines Kreises: Alles was Kreise sind, sind Kreise! ?

Zitat:
Da ich mit möglichst wenig Vorurteilen an die Sache rangehe, bevorzuge ich meine Sichtweise: Realität kann mehr umfassen als meiner Wahrnehmung zugänglich ist.

Das ist doch keine Frage von Vorurteilen sondern eben von Definitionen. Wenn du Realität über das Wahrnehmbare hinaus akzeptieren willst, musst du angeben können was das sein soll und vor allem, wie man es von Nichtrealität unterscheiden kann.


Zitat:
Du ignorierst die Tatsache, dass in diesem Beispiel die Wahrnehmung des 2-dim. Wesens prinzipiell auf 2-dim. Kreise beschränkt ist, obwohl in der Realität 3-dim. Kugeln existieren. Deine Meinung über die Realität wäre also schlicht falsch, würde es immer bleiben, und du würdest nicht mal in Betracht ziehen, dass sie falsch sein könnte.


Wenn meine Ansicht falsch wäre, müsste sie irgendwo in meiner Welt einen Widerspruch generieren. Das tut sie nicht. Es gibt also keinen beobachtbaren Einfluss auf meine Welt und keinen Widerspruch in meiner Welt. Wieso sollte ich dann die zusätzliche Dimension als Realität betrachten?

Zitat:
Die Theorie erklärt recht präzise, warum wir diese Superposition aus toter und lebendiger Katze nicht wahrnehmen, selbst wenn sie existiert. Es entspricht lediglich nicht unserem eingeschränktem Weltbild.

Die Theorie sagt lediglich, dass man mit Hilfe einer Superposition bestimmte beobachtbare Phänomene vorhersagen kann und nicht dass es Katzen gibt, die gleichzeitig tot und lebendig sind.
Dafür ist es ja auch eine Theorie/Modell.

.
Deep Purple



Anmeldungsdatum: 06.05.2019
Beiträge: 44

Beitrag Deep Purple Verfasst am: 17. Jun 2019 15:47    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Frankx hat Folgendes geschrieben:
... aber [die Mathematik] bleibt menschengemachtes Werkzeug.

Wir sollten hier nochmal festhalten, dass dies erstens wenig mit der Anfrage der physikalischen Realität zu tun hat und dass es zweitens lediglich deine Meinung darstellt.

Na, ich denke, dass das eine wichtige Voraussetzung ist, die geklärt gehört und mE. bringt Frankx es gut auf den Punkt:
Alle Theorie ist eine Auseinandersetzung mit deren primär im Bewusstsein gegebenen Inhalten, die die Außenphänomene repräsentieren, aber nicht mit ihnen identisch sind; daraus zu schlussfolgern, dass das primär Gegebene, nur weil es logisch und konsistent ist, auch außerhalb des Bewusstseins existiert, bedarf 1. einer Begründung und 2. der empirischen Prüfung. Eine unreflektierte Schlussfolgerung ist doch gerade der Grund für die Konfusion bzgl. der Frage, was real sei!


Zuletzt bearbeitet von Deep Purple am 17. Jun 2019 15:58, insgesamt einmal bearbeitet
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 17. Jun 2019 15:54    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Alle Aussagen sind menschengemacht, auch die empirischen. Wer sie gemacht hat, ist nicht die Frage, sondern ob du zugunsten deiner philosophischen Ansichten bereit bist, die Arithmetik, die Logik oder andere allgemein gebräuchliche Argumentationsmethoden der Mathematik zu opfern. Es sieht für mich zumindest so aus, als bestünde da ein gewisser Widerspruch.


Wir wurden in eine Welt hineingeboren, in der uns Mathematik sehr vertraut und damit als völlig selbstverständlich erscheint, so wie für manche Kinder Fischstäbchen im Supermarktkühlregal wachsen.

Leider hast du nicht auf meine Gedanken zur Entwicklung der natürlichen Zahlen geantwortet.


.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 17. Jun 2019 16:10    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:

Leider hast du nicht auf meine Gedanken zur Entwicklung der natürlichen Zahlen geantwortet.


.


Weil die Gründe, warum ich dies für irrelevant halte, dieselben sind, aus denen ich glaube, daß Zahlen nicht mit "Elementen des Bewußtseins" identifiziert werden können. (Und diese Gründe hatte ich ja schon genannt.) Für wichtiger halte ich deshalb die Frage wie -- oder ob überhaupt -- du diese Ansicht mit der Standardmathematik für vereinbar hältst. Ich denke nämlich, wie gesagt, sie ist es nicht.
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 17. Jun 2019 16:33    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Weil ich die Gründe, warum ich dies für irrelevant halte, dieselben sind, aus denen ich glaube, daß Zahlen nicht mit "Elementen des Bewußtseins" identifiziert werden können.

Schade, ich halte das nämlich für sehr relevant.
Und die Argumente, weshalb Zahlen nicht Elemente des Bewusstseins sein könnten (unendlich abzählbare Mengen) entfallen ja gerade, wenn man die Mathematik so formuliert, wie ich es oben angedeutet habe.

Zitat:
Für wichtiger halte ich deshalb die Frage wie -- oder ob überhaupt -- du diese Ansicht mit der Standardmathematik für vereinbar hältst.

Ich bin kein ausgebildeter Mathematiker (noch ausgebildeter Physiker oder Philosoph), aber ich meine, dass sich das sehr gut vereinbaren lässt, wenn man konsequent die genannten Änderungen vornimmt oder wenigstens denkt. Vielleicht sind die Formulierungen dann etwas sperriger, aber das sollte kein Hinderungsgrund sein.


.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17910

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Jun 2019 16:33    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Diese Definition habe ich natürlich: Realität ist alles das, das existiert, unabhängig davon, ob und wie ich es wahrnehme, verstehe, erkenne etc.

Für dich ist also alles Realität, was real ist? Was ist das für eine Definition?
Dann ist die Definition eines Kreises: Alles was Kreise sind, sind Kreise! ?

Das ist eine ganz normale Definition eines Begriffs, nämlich Realität“. Wenn es dich stört, lies bietet das hier: Münchhausen-Trilemma

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Da ich mit möglichst wenig Vorurteilen an die Sache rangehe, bevorzuge ich meine Sichtweise: Realität kann mehr umfassen als meiner Wahrnehmung zugänglich ist.

Das ist doch keine Frage von Vorurteilen sondern eben von Definitionen. Wenn du Realität über das Wahrnehmbare hinaus akzeptieren willst, musst du angeben können was das sein soll und vor allem, wie man es von Nichtrealität unterscheiden kann.

Wahrnehmung erfordert immer eine Perspektive, Existenz dagegen nicht; siehe das Beispiel der 3-dim. Kugeln, die ein 2-dim. Wesen als solche nicht erkennen kann. Dieses triviale Beispiel ist m.E. ausreichend, um klar zu sehen, dass nicht-wahrnehmbare Realität existieren kann, weil sie aus der Perspektive dessen, der sie wahrnehmen möchte, nicht sichtbar wird oder seine Wahrnehmungsfähigkeit übersteigt.

Sorry to say, aber einfacher geht es nicht.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Du ignorierst die Tatsache, dass in diesem Beispiel die Wahrnehmung des 2-dim. Wesens prinzipiell auf 2-dim. Kreise beschränkt ist, obwohl in der Realität 3-dim. Kugeln existieren. Deine Meinung über die Realität wäre also schlicht falsch, würde es immer bleiben, und du würdest nicht mal in Betracht ziehen, dass sie falsch sein könnte.


Wenn meine Ansicht falsch wäre, müsste sie irgendwo in meiner Welt einen Widerspruch generieren.

Was ist denn „deine Welt“? Die, die du eingeschränkt gemäß deiner Perspektive und deiner dir möglichen Wahrnehmung definierst? Warum müsste ein Widerspruch dann in „deiner Welt“ auftreten?

Das 2-dim. Wesen kann „in seiner 2-dim. Welt“ völlig konsistent von Kreisen ausgehen, weil 3-dim. Kugeln in jeder 2-dim. Projektion immer und ausschließlich zu Kreisen in „seiner 2-dim. Welt“ führen.

Auch das Erkennen der Falschheit deiner These bleibt also ggf. an „deine Welt“ und deine Perspektive gebunden und somit ggf. für dich unsichtbar. Trotzdem ist die These falsch.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Das [einen Widerspruch generieren] tut sie nicht. Es gibt also keinen beobachtbaren Einfluss auf meine Welt und keinen Widerspruch in meiner Welt. Wieso sollte ich dann die zusätzliche Dimension als Realität betrachten?

Weil du die Möglichkeit in Betracht ziehen solltest, dass andere Wesen oder spätere Generationen eine erweiterte Perspektive einnehmen können und demzufolge deine Sichtweise sich als objektiv falsch herausstellen könnte. Deine These wird aber nicht erst dann objektiv falsch, wenn eine Widerlegung vorliegt; sie war schon vorher falsch.

Deine Haltung wird insofern unwissenschaftlich, als du die Falsifikation deiner Hypothesen verweigerst, indem du deine Perspektive nicht hinterfragst. In der Physik nennt man das einen systematischen Fehler.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Die Theorie erklärt recht präzise, warum wir diese Superposition aus toter und lebendiger Katze nicht wahrnehmen, selbst wenn sie existiert. Es entspricht lediglich nicht unserem eingeschränktem Weltbild.

Die Theorie sagt lediglich, dass man mit Hilfe einer Superposition bestimmte beobachtbare Phänomene vorhersagen kann und nicht dass es Katzen gibt, die gleichzeitig tot und lebendig sind.

Das habe ich auch nicht gesagt!!

Ich habe geschrieben, „die Theorie erklärt recht präzise, warum wir diese Superposition aus toter und lebendiger Katze nicht wahrnehmen, selbst wenn sie existiert“ - nicht „dass sie existiert“.

Tatsache ist jedoch, dass aus einer axiomatisch einfacheren Formulierung der Quantenmechanik nach Everett erstens experimentell ununterscheidbare Vorhersagen wie die orthodoxe Quantenmechanik folgen, und zweitens dass diese eine ontologische Deutung zulässt - nicht fordert - derzufolge diese Superpositionen tatsächlich existieren, jedoch unsichtbar bleiben. Nach Ockham wäre diese Theorie aufgrund des einfacheren Axiomensystems bzw. des Verzichts auf diverse Postulate bei gleicher Vorhersagekraft zu bevorzugen, nach Popper wäre sie experimentell zulässig, nach der Meinung einiger maßgeblicher Physiker wird die ontologische Deutung ernstgenommen. Das beweist weder, dass sie zutrifft, noch, dass sie nicht zutrifft. Es beweist jedoch, dass dies ein Standpunkt ist, den man ernst nehmen sollte, wenn man über Quantenmechanik diskutiert, weil man als Wissenschaftler eine Theorie nicht ablehnen sollte, nur weil man sie „nicht mag“. Man sollte sie ernstnehmen, ihre Konsequenzen verstehen und versuchen, sie wissenschaftlich zu widerlegen, nicht, sie dogmatisch zu verbieten.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 17. Jun 2019 16:44    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Weil ich die Gründe, warum ich dies für irrelevant halte, dieselben sind, aus denen ich glaube, daß Zahlen nicht mit "Elementen des Bewußtseins" identifiziert werden können.

Schade, ich halte das nämlich für sehr relevant.
Und die Argumente, weshalb Zahlen nicht Elemente des Bewusstseins sein könnten (unendlich abzählbare Mengen) entfallen ja gerade, wenn man die Mathematik so formuliert, wie ich es oben angedeutet habe.


Diese Umformulierung ist unhaltbar. Damit lassen sich die uns bekannten Gesetze der Arithmetik nicht formulieren. Die Formulierungen werden nicht "sperriger", sie werden unmöglich. Stimmt es also, daß du die Peano-Axiome zugunsten deiner Philosophie verwirfst?


Zuletzt bearbeitet von index_razor am 17. Jun 2019 16:46, insgesamt einmal bearbeitet
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 17. Jun 2019 16:46    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Beides (Abgrenzung und Erkennung von Ähnlichkeiten) sind neurologische Prozesse, ohne die es überhaupt keine abzählbaren Mengen und damit keine natürlichen Zahlen gäbe.

Das möchte ich noch mal feststellen.
Mir ist schleierhaft, wieso das irrelevant sein sollte. Es ist entweder falsch oder richtig. Für ersteres sollte es dann aber begründete Gegenargumente geben.


.
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 17. Jun 2019 16:57    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Diese Umformulierung ist unhaltbar. Damit lassen sich die uns bekannten Gesetze der Arithmetik nicht formulieren. Die Formulierungen werden nicht "sperriger", sie werden unmöglich. Stimmt es also, daß du die Peano-Axiome zugunsten deiner Philosophie verwirfst?


Bei den Axiomen müsste imho lediglich das 2. entsprechend umformuliert werden.

"Jede natürliche Zahl n hat eine natürliche Zahl n ′ als Nachfolger."

wird zu:

"Für jede natürliche Zahl n lässt sich genau eine natürliche Zahl n ′ als Nachfolger berechnen."

Die anderen Axiome bleiben unberührt.


.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17910

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Jun 2019 16:58    Titel: Antworten mit Zitat

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Frankx hat Folgendes geschrieben:
... aber [die Mathematik] bleibt menschengemachtes Werkzeug.

Wir sollten hier nochmal festhalten, dass dies erstens wenig mit der Anfrage der physikalischen Realität zu tun hat und dass es zweitens lediglich deine Meinung darstellt.

Na, ich denke, dass das eine wichtige Voraussetzung ist, die geklärt gehört und mE. bringt Frankx es gut auf den Punkt:
Alle Theorie ist eine Auseinandersetzung mit deren primär im Bewusstsein gegebenen Inhalten, die die Außenphänomene repräsentieren, aber nicht mit ihnen identisch sind; daraus zu schlussfolgern, dass das primär Gegebene, nur weil es logisch und konsistent ist, auch außerhalb des Bewusstseins existiert, bedarf 1. einer Begründung und 2. der empirischen Prüfung. Eine unreflektierte Schlussfolgerung ist doch gerade der Grund für die Konfusion bzgl. der Frage, was real sei!

Sorry, dass ich das anders sehe.

Frankx argumentiert hier an zwei Fronten. Ich bin der Meinung, dass man die Annahme der unabhängigen Existenz der Mathematik fallen lassen und dennoch von einer unabhängigen Existenz der Außenwelt im Sinne der Physik sprechen kann. Wie man die Seinsweise der Matehmatik ansetzt, betrifft die Existenz der physikalischen Welt nicht direkt, sondern höchstens die Antwort auf die Frage, warum die Mathematik das zutreffende Werkzeug zur Beschreibung der Physik ist.

Deine beiden Punkte 1. und 2. müssen wir dann auch nicht anhand der Mathematik erörtern.

1. Es geht im Falle der Physik nicht darum, an eine externe und unabhängig existierende Realität zu glauben, weil dies logisch möglich ist, sondern weil es erstens empirisch zulässig und zweitens im Sinne Ockhams einfacher ist. Warum soll ich daran glauben, dass immer wenn ich das Badezimmer betrete bzw. verlasse ein Prozess des Erschaffens bzw. Verschwindens des Badezimmers stattfindet, wenn ich mit der viel einfacheren Hypothese auskomme, dass das Badezimmer immer unabhängig von mir existiert? Warum soll ich eine au quantitativ bestätigte Theorie verwerfen, aus der ich ontologisch eine kontinuierliche Existemz ableiten kann - nicht muss - um sie durch eine andere Theorie zu ersetzen, die zusätzlich die Entstehung / das Verschwinden enthält? Dies ist kein logischer Beweis - das gibt es in der Physik nicht - aber auch keine unreflektierte Schlussfolgerung, sondern eine plausible Argumentation.

2. Eine empirische Prüfung wäre wünschenswert, ist jedoch sowohl für These als auch Antithese nicht möglich. Wie soll das von einer Beobachtung unabhängige Sein einer Entität durch Beobachtung empirisch geprüft werden?

Insofern ist die gesamte Diskussion eine rein metaphysische. Ich habe auch kein grundsätzliches Problem mit der Postion von Franckx, jedoch mit seiner Argumentation. Die Position halte ich für nicht plausibel - er meine auch nicht. Darüberhinaus halte ich seine Argumentation jedoch für logisch zumindest schwach.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17910

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Jun 2019 17:07    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Beides (Abgrenzung und Erkennung von Ähnlichkeiten) sind neurologische Prozesse, ohne die es überhaupt keine abzählbaren Mengen und damit keine natürlichen Zahlen gäbe.

Das ... ist entweder falsch oder richtig. Für ersteres sollte es dann aber begründete Gegenargumente geben.

Bereits vor der Entstehung von Leben existierte eine abzählbare Menge von Planeten in unserem Sonnensystem; in einem unendlichen Universum existiert nach heutigem Kenntnisstand eine abzählbar-unendliche Menge von Planeten. Die Menge der Planeten wurde nicht erst im Zuge der Evolution abzählbar.

Das Konzept der Mathematik und ihr Formalismus wurden von Menschen notiert; die Mathematiker sind sich nicht einig, ob das eine Entdeckung oder eine menschliche Erfindung ist. Beide Meinungen sowie diverse Schattierungen werden vertreten.


Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Diese Umformulierung ist unhaltbar. Damit lassen sich die uns bekannten Gesetze der Arithmetik nicht formulieren. Die Formulierungen werden nicht "sperriger", sie werden unmöglich. Stimmt es also, daß du die Peano-Axiome zugunsten deiner Philosophie verwirfst?


Bei den Axiomen müsste imho lediglich das 2. entsprechend umformuliert werden.

"Jede natürliche Zahl n hat eine natürliche Zahl n ′ als Nachfolger."

wird zu:

"Für jede natürliche Zahl n lässt sich genau eine natürliche Zahl n ′ als Nachfolger berechnen."

Die anderen Axiome bleiben unberührt.

Ohne das jetzt im Detail geprüft zu haben ist das im wesentlichen eine der Umformulierungen der Intuitionisten. Die Umformulierung bleibt dabei auf der Ebene der Umgangssprache und betrifft nicht den Formalismus selbst.

Eine vollständige Axiomatisierung seitens der Intuitionisten muss ich erst suchen.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.


Zuletzt bearbeitet von TomS am 17. Jun 2019 17:10, insgesamt einmal bearbeitet
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 17. Jun 2019 17:08    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Wahrnehmung erfordert immer eine Perspektive, Existenz dagegen nicht; siehe das Beispiel der 3-dim. Kugeln, die ein 2-dim. Wesen als solche nicht erkennen kann. Dieses triviale Beispiel ist m.E. ausreichend, um klar zu sehen, dass nicht-wahrnehmbare Realität existieren kann, weil sie aus der Perspektive dessen, der sie wahrnehmen möchte, nicht sichtbar wird oder seine Wahrnehmungsfähigkeit übersteigt.

Das beantwortet nicht die Frage, wie man dann Realität von Nichtrealität unterscheiden will. Damit wird Gott so real wie mein Frühstücksbrot.


.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17910

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Jun 2019 17:17    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Wahrnehmung erfordert immer eine Perspektive, Existenz dagegen nicht; siehe das Beispiel der 3-dim. Kugeln, die ein 2-dim. Wesen als solche nicht erkennen kann. Dieses triviale Beispiel ist m.E. ausreichend, um klar zu sehen, dass nicht-wahrnehmbare Realität existieren kann, weil sie aus der Perspektive dessen, der sie wahrnehmen möchte, nicht sichtbar wird oder seine Wahrnehmungsfähigkeit übersteigt.

Das beantwortet nicht die Frage, wie man dann Realität von Nichtrealität unterscheiden will. Damit wird Gott so real wie mein Frühstücksbrot.

Im Falle von Gott müsstest du ebenfalls einen Perspektivwechsel durchführen, d.h. die Haltung eines Gläubigen annehmen. Solange du das nicht tust, kannst du nicht wirklich mitreden.

Es geht aber auch nicht unbedingt darum, dass du tatsächlich eine andere Perspektive einnimmst, sondern zunächst mal darum, dass du akzeptierst, dass eine andere und umfassendere Perspektive prinzipiell - jedoch nicht zwingend für dich - möglich ist.

Bisher stehst du auf deinem eigenen blinden Fleck und verteidigst diese Postion mit Klauen und Zähnen. Deine Positionen muss ja nicht falsch sein, nur deine Argumentation ist schwach, weil du weigerst, die Möglichkeit eines blinden Flecks zu akzeptieren.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.


Zuletzt bearbeitet von TomS am 17. Jun 2019 17:45, insgesamt einmal bearbeitet
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 17. Jun 2019 17:18    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Bereits vor der Entstehung von Leben existierte eine abzählbare Menge von Planeten in unserem Sonnensystem; in einem unendlichen Universum existiert nach heutigem Kenntnisstand eine abzählbar-unendliche Menge von Planeten. Die Menge der Planeten wurde nicht erst im Zuge der Evolution abzählbar.


Wie soll man bitte Planeten zählen, wenn man nicht sicher ist, was ein Planet überhaupt genau ist. Vor kurzem wurde die Definition von Planet geändert, worauf sich die Zahl der Planeten in unserem Sonnensystem über Nacht wie von Magie verringert hat.
Genau dieses festlegen der Definition "Planet" (Abgrenzung und finden von Ähnlichkeiten) ist doch der neurologische Prozess von dem ich gesprochen habe. Ohne diesen Prozess gibt es keine abzählbaren Planeten und damit keine natürliche Zahl, die dieser Menge zugeordnet werden könnte.


.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17910

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Jun 2019 17:26    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Wie soll man bitte Planeten zählen, wenn man nicht sicher ist, was ein Planet überhaupt genau ist. Vor kurzem wurde die Definition von Planet geändert, worauf sich die Zahl der Planeten in unserem Sonnensystem über Nacht wie von Magie verringert hat.

Das ist doch Haarspalterei! Z.B. irgendwas „größer als 1000 km mittlerer Durchmesser“ taugt genauso. Du musst das auch nicht „Planeten“ nennen.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Deep Purple



Anmeldungsdatum: 06.05.2019
Beiträge: 44

Beitrag Deep Purple Verfasst am: 17. Jun 2019 18:51    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Tom hat folgendes geschrieben: Frankx argumentiert hier an zwei Fronten. Ich bin der Meinung, dass man die Annahme der unabhängigen Existenz der Mathematik fallen lassen und dennoch von einer unabhängigen Existenz der Außenwelt im Sinne der Physik sprechen kann. Wie man die Seinsweise der Matehmatik ansetzt, betrifft die Existenz der physikalischen Welt nicht direkt, sondern höchstens die Antwort auf die Frage, warum 2) die Mathematik das zutreffende Werkzeug zur Beschreibung der Physik ist.

So, wie es aussieht ist das der zweite Schritt vor dem ersten. Solange nicht klar ist, in welchem Verhältnis Objekt und Subjekt resp. reale Außenwelt und kognitives Bewusstsein stehen, werden wir 2) nicht klären können und solange du nicht klar zw. zu erkennendem Objekt und aktiv-erkennendem Subjekt unterscheidest und zudem noch eine platonische Überwelt annimmst, wie du weiter oben andeutest, solange wirst du "schwimmen". Da hast du mE auch einen kleinen blinden Fleck (?)
Vllt. habe ich mich mit meinem vorigen Post undeutlich ausgedrückt - nochmal ein Versuch:
1. Wir nehmen empirische Daten in unser Bewusstsein auf
2. Das setzt eine vom Bewusstsein unabhängige Außenwelt voraus (if not landen wir im Solipsismus: indiskutabel).
3. Von dieser Außenwelt wissen wir zunächst nicht mehr als diese konkreten Daten, die als Bewusstseinsinhalte vorliegen.
4. Diese Bewusstseinsinhalte werden erkenntnistheoretisch verarbeitet; dazu systematisieren wir, bilden Systeme und entwickeln mehr oder weniger unabhängig eine Mathematik (incl. Regeln hins. Logik und Konsistenz) und stellen Relationen zw. den B.-Inhalten her (zB Kausalität, u a).
5. Wir erhalten eine in sich konsistente Theorie, wissen aber noch nicht, ob sie mit der Außenwelt kongruent ist.
6. Wir transferieren diese Theorie in die Außenwelt und überprüfen sie empirisch (auch über Prognostik).
Erst hier sind wir (jedenfalls prinzipiell) in der Lage, zu entscheiden, welche Elemente der Theorie ein reales Äquivalent in der Außenwelt haben, welche Elemente irreale Hilfsgrößen sind, wie das Verhältnis Natur/Mathematik beschaffen ist u.a.
Methodisch ist es im Grunde ein empiristisch-rationalistischer Cyclus, der auf immer höherer Stufenleiter durchlaufen wird.
Das ist mE der grundlegende Sachstand, auf den man aufbauen kann.


Zuletzt bearbeitet von Deep Purple am 17. Jun 2019 20:17, insgesamt einmal bearbeitet
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 17. Jun 2019 19:57    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Diese Umformulierung ist unhaltbar. Damit lassen sich die uns bekannten Gesetze der Arithmetik nicht formulieren. Die Formulierungen werden nicht "sperriger", sie werden unmöglich. Stimmt es also, daß du die Peano-Axiome zugunsten deiner Philosophie verwirfst?


Bei den Axiomen müsste imho lediglich das 2. entsprechend umformuliert werden.

"Jede natürliche Zahl n hat eine natürliche Zahl n ′ als Nachfolger."

wird zu:

"Für jede natürliche Zahl n lässt sich genau eine natürliche Zahl n ′ als Nachfolger berechnen."

Die anderen Axiome bleiben unberührt.


In dem Fall bleibt auch mein Argument vollkommen unberührt. Solange du nicht erklärst, was der semantische Unterschied zwischen "y ist Wert der Nachfolgefunktion angewendet auf x" und "Für x läßt sich der Nachfolger y berechnen" sein soll, sind das alles nur Wortspielereien. Du kannst für beides einfach "y=S(x)" sagen und hast gar nichts von Belang geändert.

Ich denke du übersiehst einfach den größeren Zusammenhang: Entweder gelingt dir eine äquivalente Umformulierung. Dann hättest du genauso gut bei der ursprünglichen Formulierung bleiben können, denn mein Argument bezieht sich nur auf die Modelle, die diese Axiome besitzen. Äquivalente Axiome besitzen aber natürlich dieselben Modelle. Oder du änderst die Semantik. Dann hast du explizit die Gesetze der Arithmetik verworfen. Falls du letzteres vorhast, mußt du mir aber auch nicht erklären, womit du die Arithmetik zu ersetzen gedenkst. Mir reicht die Feststellung, daß sie offenbar mit deiner Philosophie nicht vereinbar ist.

Ich vermute allerdings, daß TomS ungefähr richtig liegt: Was dir vorschwebt ist gar nicht eine Umformulierung der Axiome, sondern eine Uminterpretation von in "Es läßt sich ein x konstruieren, so daß..." im Sinne der intuitionistischen Logik. Das ist die einzige sinnvolle Deutung, die ich deinem Argument gerade geben kann. Ich weiß nicht, ob dir die Konsequenzen bewußt sind. Lies dir mal https://en.wikipedia.org/wiki/Intuitionism durch, ob es ungefähr das ist, was dir vorschwebt. Ich kann mir kaum vorstellen, daß jemand diese Logik tatsächlich im Alltag oder außerhalb von Forumsdiskussionen verwendet. (Außer natürlich im Sinne eines "Logikspiels", den ich oben schon mal erwähnt habe.) Aber meine Meinung ist in diesem Punkt zugegebermaßen unqualifiziert.
Deep Purple



Anmeldungsdatum: 06.05.2019
Beiträge: 44

Beitrag Deep Purple Verfasst am: 17. Jun 2019 20:23    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich denke du übersiehst einfach den größeren Zusammenhang

Es sieht aber alles danach aus, als hättest du dieses Problem!
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17910

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Jun 2019 20:45    Titel: Antworten mit Zitat

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Tom hat folgendes geschrieben: Frankx argumentiert hier an zwei Fronten. Ich bin der Meinung, dass man die Annahme der unabhängigen Existenz der Mathematik fallen lassen und dennoch von einer unabhängigen Existenz der Außenwelt im Sinne der Physik sprechen kann. Wie man die Seinsweise der Mathematik ansetzt, betrifft die Existenz der physikalischen Welt nicht direkt, sondern höchstens die Antwort auf die Frage, warum 2) die Mathematik das zutreffende Werkzeug zur Beschreibung der Physik ist.

So, wie es aussieht ist das der zweite Schritt vor dem ersten. Solange nicht klar ist, in welchem Verhältnis Objekt und Subjekt resp. reale Außenwelt und kognitives Bewusstsein stehen, werden wir 2) nicht klären können ...

Das kann man auch noch zurückstellen.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
... und solange du nicht klar zw. zu erkennendem Objekt und aktiv-erkennendem Subjekt unterscheidest und zudem noch eine platonische Überwelt annimmst, wie du weiter oben andeutest, solange wirst du "schwimmen".

Ich sehe nicht, dass ich da ein Problem hätte, nicht zu unterscheiden, und ich sehe zunächst nicht zwingend eine „platonische Überwelt“, lediglich einer reale Außenwelt.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Da hast du mE auch einen kleinen blinden Fleck

Nun ja, mir ist meine Haltung zumindest bewusst, ich kenne einige ihrer Schwächen und wo sie angreifbar ist - auch wenn ich dies hier noch nicht ausgeführt habe - und ich kenne einige Gegenentwürfe ;-)

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Vllt. habe ich mich mit meinem vorigen Post undeutlich ausgedrückt - nochmal ein Versuch:
1. Wir nehmen empirische Daten in unser Bewusstsein auf
2. Das setzt eine vom Bewusstsein unabhängige Außenwelt voraus (if not landen wir im Solipsismus: indiskutabel).
3. Von dieser Außenwelt wissen wir zunächst nicht mehr als diese konkreten Daten, die als Bewusstseinsinhalte vorliegen.
4. Diese Bewusstseinsinhalte werden erkenntnistheoretisch verarbeitet; dazu systematisieren wir, bilden Systeme und entwickeln mehr oder weniger unabhängig eine Mathematik (incl. Regeln hins. Logik und Konsistenz) und stellen Relationen zw. den B.-Inhalten her (zB Kausalität, u a).
5. Wir erhalten eine in sich konsistente Theorie, wissen aber noch nicht, ob sie mit der Außenwelt kongruent ist.
6. Wir transferieren diese Theorie in die Außenwelt und überprüfen sie empirisch (auch über Prognostik).
Erst hier sind wir (jedenfalls prinzipiell) in der Lage, zu entscheiden, welche Elemente der Theorie ein reales Äquivalent in der Außenwelt haben, welche Elemente irreale Hilfsgrößen sind, wie das Verhältnis Natur/Mathematik beschaffen ist u.a.
Methodisch ist es im Grunde ein empiristisch-rationalistischer Cyclus, der auf immer höherer Stufenleiter durchlaufen wird.

Das ist ein sehr schöne Zusammenfassung, die ich in wesentlichen Punkte teile.

Einige Anmerkungen:
Zu 4.: als Physiker würde ich - auch um Überschneidungen und Missverständnisse zu vermeiden - nicht von „entwickeln“ sondern von „anwenden“bsprechen.
Zu 5.: wir wissen sicher, ob sie mit den bekannten Daten der Außenwelt konsistent ist, da wir sie ja anhand dieser Daten gewinnen; in 6. kommen dann Prognosen und neue Daten ins Spiel

Nach 6.:
Das sind wir letztlich heute noch nicht, zumindest besteht darüber keinerlei Einigkeit. Letztlich liegt das Problem darin, dass das Verhältnis zwischen Daten einerseits sowie mathematischen Strukturen andererseits extrem indirekt ist (kennst du z.B. den Weg von der Lagrangefunktion der QCD bis hin zu den berechneten Streuquerschnitten? was schätzt du, wie viel Prozent der mathematischen Ausdrücke in einem Lehrbuch zur QFT eine phänomenologische Entsprechung haben?) Eine Entsprechung von Elementen der Theorie zu realen Äquivalent in der Außenwelt können wir für empirisch zugängliche Entitäten feststellen, für die allermeisten Entität der Theorie jedoch nicht bzw. nicht direkt und eben sicher nicht empirisch.

Daher bleibt die Schlussfolgerung, dass ein rein empirischer Zugang zu dem Gehalt moderner physikalischer Theorie immer an der Oberfläche bleibt und die Tiefen der Theorie nicht auslotet kann Ontologischen Schlussfolgerungen aus einem rein empirischen Zugang sind letztlich unmöglich und bleiben daher Metaphysik, jenseits der Empirie; tut mir leid, moderne Theorien und deren grundlegende mathematischen Strukturen sind so, wie sie sind.

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Das ist mE der grundlegende Sachstand, auf den man aufbauen kann.

Nicht mehr viel. Wir sind damit am Ende des wissenschaftlich abgesicherten Wegs angekommen.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.


Zuletzt bearbeitet von TomS am 17. Jun 2019 21:59, insgesamt einmal bearbeitet
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 17. Jun 2019 21:43    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
In dem Fall bleibt auch mein Argument vollkommen unberührt. Solange du nicht erklärst, was der semantische Unterschied zwischen "y ist Wert der Nachfolgefunktion angewendet auf x" und "Für x läßt sich der Nachfolger y berechnen" sein soll, sind das alles nur Wortspielereien. Du kannst für beides einfach "y=S(x)" sagen und hast gar nichts von Belang geändert.


Genau darum ging es ja. Die Mathematik bleibt in sich konsistent, aber wir haben das Platonische Reich geschlachtet. Zahlen und Mathematik sind damit Produkte unseres Geistes und existieren nur dort.


.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 17. Jun 2019 21:51    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
In dem Fall bleibt auch mein Argument vollkommen unberührt. Solange du nicht erklärst, was der semantische Unterschied zwischen "y ist Wert der Nachfolgefunktion angewendet auf x" und "Für x läßt sich der Nachfolger y berechnen" sein soll, sind das alles nur Wortspielereien. Du kannst für beides einfach "y=S(x)" sagen und hast gar nichts von Belang geändert.


Genau darum ging es ja. Die Mathematik bleibt in sich konsistent, aber wir haben das Platonische Reich geschlachtet. Zahlen und Mathematik sind damit Produkte unseres Geistes und existieren nur dort.


.


Es geht um die Frage, welche Modelle diese Axiome dann besitzen können. Ich denke jedes dieser Modelle ist unendlich. Damit bleibt die Frage, wie eines dieser Modelle aus "Elementen unseres Bewußtseins" bestehen kann, von denen ich annehme, daß dies endlich viele sind. Um diese Schlußfolgerung kommst du nicht herum, es sei denn vielleicht du vertrittst konsequent intuitionistische Logik.
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 17. Jun 2019 22:44    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Es geht um die Frage, welche Modelle diese Axiome dann besitzen können. Ich denke jedes dieser Modelle ist unendlich.


Ich kann mir auch leicht, trotz meiner begrenzten zeitlichen und kognitiven Möglichkeiten, ein unendlich großes Hotel mit unendlich vielen Zimmern ausdenken. Aber ich kann es nicht bauen. Es existieren nur in meiner Gedankenwelt und dort kann ich die Zimmer sogar mit unendlich vielen Gästen derart belegen, so dass in jedem Zimmer genau ein Gast wohnt und ich kann, obwohl das Hotel damit ausgebucht ist noch weitere Gäste dergestalt unterbringen, das jeder hinzukommende Gast dennoch ein Einzelzimmer erhält.
All dies Überlegungen kann ich in meinem Geist ablaufen lassen, ohne dass jemand auf die Idee käme, das Hotel sei Realität und unabhängig vom Geist existent.


.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 18. Jun 2019 07:18    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Es geht um die Frage, welche Modelle diese Axiome dann besitzen können. Ich denke jedes dieser Modelle ist unendlich.


Ich kann mir auch leicht, trotz meiner begrenzten zeitlichen und kognitiven Möglichkeiten, ein unendlich großes Hotel mit unendlich vielen Zimmern ausdenken.


Es geht nicht darum, was du dir ausdenken kannst, sondern was Aussagen der Form



...

bedeuten. Worüber sagen sie etwas aus, d.h. über welche Dinge können die Variablen x und y hier laufen? Über "Dinge in deinem Geist"? Dies müßten dann unendlich viele sein.

Zitat:

Aber ich kann es nicht bauen.


Na und? Solange du mir nicht weismachen willst, du könntest nur die Bedeutung von Aussagen über Dinge erklären, die du selbst gebaut hast, ist das doch komplett irrelevant. Du behauptest sowas nun sicher nicht für alle Dinge, z.B. nicht Planeten oder Atome. Also wendest du zwei verschiedene Standards an: normale Logik/Semantik im Alltag und irgendwas anderes innerhalb der Mathematik. Was dieses "andere" ist, ist noch nicht so richtig klar.

Zitat:

Es existieren nur in meiner Gedankenwelt und dort kann ich die Zimmer sogar mit unendlich vielen Gästen derart belegen, so dass in jedem Zimmer genau ein Gast wohnt und ich kann, obwohl das Hotel damit ausgebucht ist noch weitere Gäste dergestalt unterbringen, das jeder hinzukommende Gast dennoch ein Einzelzimmer erhält. All dies Überlegungen kann ich in meinem Geist ablaufen lassen, ohne dass jemand auf die Idee käme, das Hotel sei Realität und unabhängig vom Geist existent.


Wenn du immer noch der Ansicht bist, daß es eine Rolle spielt wo die Überlegungen über dieses Hotel ablaufen, dann denke ich langsam, daß diese Diskussion hoffnungslos ist. Auch alle Überlegungen über das Sonnensystem laufen in deinem oder einem anderen Geist ab. Das haben Überlegungen so an sich. Wir reden aber nicht über Eigenschaften von Überlegungen über Zahlen, sondern über die Eigenschaften von Zahlen. Du kannst deine Behauptungen für oder gegen die Existenz von irgendwas (seien es mathematische Objekte oder Klumpen von Materie), selbst wenn sie zutreffen sollten, nicht auf dieser fundamentalen Konfusion aufbauen.
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 18. Jun 2019 08:06    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Wir reden aber nicht über Eigenschaften von Überlegungen über Zahlen, sondern über die Eigenschaften von Zahlen.


Aber es sollte doch klar sein, dass wenn Zahlen geistige Produkte sind, es auch ihre Eigenschaften sind.
Frankx hat Folgendes geschrieben:
Dass Zahlen geistige Produkte sind habe ich oben bereits dargestellt.
Beides (Abgrenzung und Erkennung von Ähnlichkeiten) sind neurologische Prozesse, ohne die es überhaupt keine abzählbaren Mengen und damit keine natürlichen Zahlen gäbe.


Natürliche Zahlen sind Repräsentanten abzählbarer Mengen. Ich kenne kein Beispiel in der Natur, bei der eine abzählbare Menge ohne bewusste oder unbewusste "Abgrenzung und Erkennung von Ähnlichkeiten" gebildet werden könnte. Vom Maß der Abgrenzung und Erkennung von Ähnlichkeiten hängt letztlich nicht nur die Anzahl der Elemente der Menge ab (siehe Planetenbeispiel), sondern auch, ob man überhaupt eine abzählbare Menge bilden kann.

Es spielt dabei keine Rolle, dass man sich irgendwann von den realen Entitäten gelöst hat.


.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17910

Beitrag TomS Verfasst am: 18. Jun 2019 09:11    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
... es sollte doch klar sein, dass wenn Zahlen geistige Produkte sind, es auch ihre Eigenschaften sind.

ja, wenn

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Natürliche Zahlen sind Repräsentanten abzählbarer Mengen. Ich kenne kein Beispiel in der Natur, bei der eine abzählbare Menge ohne bewusste oder unbewusste "Abgrenzung und Erkennung von Ähnlichkeiten" gebildet werden könnte.

Das ist eine mögliche Sichtweise.

Tatsache ist, dass es möglich ist, natürliche Zahlen nicht-operational sondern rein formal und insbs. ohne Rückgriff auf die Natur und auf „Zählen“ zu definieren. Das ist im hier diskutierten Kontext die vernünftigere Sichtweise, denn die meisten mathematischen Strukturen können überhaupt nicht durch Rückgriff auf die Natur motiviert werden!

Auch die mathematischen Strukturen, die die Physiker zur Formulierung der Theorien anwenden, sind zunächst rein abstrakt und in keiner Weise irgendwie an beobachtbare Entitäten gebunden. Z.B. ist das fundamentale Objekt, mittels dessen die ART formuliert wird - der metrische Tensor - keine Observable.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
...ob man überhaupt eine abzählbare Menge bilden kann

Auch diese Sichtweise ist zu eingeschränkt. Mathematische Objekte entstehen i.A. nicht durch Konstruktion. Z.B. enthalten die reellen Zahlen überabzählbar viele Elemente, die sich prinzipiell jeder expliziten Konstruktion und jedem Algorithmus entziehen. Dennoch kann man in der Mathematik nicht auf diese nicht-konstruierbaren reellen Zahlen verzichten; die gesamte Analysis wäre nicht formulierbar bzw. fundierbar.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Es spielt dabei keine Rolle, dass man sich irgendwann von den realen Entitäten gelöst hat.

Doch, das spielt eine essentielle Rolle.

Moderne Mathematik ist schlichtweg nicht denkbar unter Rückgriff auf Anschauung und bekannte Entitäten in der Natur. Letztere mögen in Spezialfällen als Beispiele dienen, sind jedoch insgs. nicht tragfähig.

Wenn du versuchst, Mathematik aus dieser eingeschränkten Sichtweise zu verstehen, dann erfasst du nie das Wesen der Mathematik sondern bleibst letztlich beim Rechnen.

Das ist auch das Problem bei deiner Argumentation gegen eine platonistische Sichtweise der Mathematik: du hast das, was du kritisierst, nicht wirklich erfasst. Daher ist deine „konstruktivistische“ Haltung zwar gut begründbar, jedoch nicht mittels deiner Argumentation - diese greift zu kurz.

Ob diese Missverständnisse dann beim eigentlichen Thema dieses Threads - nämlich der Physik - eine Rolle spielen, vermag ich noch nicht zu sagen.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.


Zuletzt bearbeitet von TomS am 18. Jun 2019 10:16, insgesamt einmal bearbeitet
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 18. Jun 2019 09:58    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Wenn du versuchst, Mathematik aus dieser eingeschränkten Sichtweise zu verstehen, dann erfasst du nie das Wesen der Mathematik sondern bleibst letztlich beim Rechnen.


Jegliche Mathematik, egal wie abstrakt und unanschaulich und kompliziert sie jetzt daher kommt, ist durch schrittweise Evolution aus den natürlichen Zahlen und damit auf Basis der von mir geschilderten kognitiven Leistungen entstanden.

Ansonsten hätte sie ein echtes Münchhausenproblem und es wäre unklar, wie der Mensch ohne die Möglichkeit des Weges empirischer Wahrnehmung und kognitiver Leistung überhaupt Zugang zu einer platonischen Welt finden konnte, die nur existiert, weil sie sagt, sie existiere. Wo wäre dann der Eingang zu dieser Welt?


.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 18. Jun 2019 10:24    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Wir reden aber nicht über Eigenschaften von Überlegungen über Zahlen, sondern über die Eigenschaften von Zahlen.


Aber es sollte doch klar sein, dass wenn Zahlen geistige Produkte sind, es auch ihre Eigenschaften sind.


Vor allem sollte dir klar sein, daß Überlegungen über X und X verschiedene Dinge sind. Und zwar selbst dann, wenn es sich bei X ebenfalls um "geistige Dinge" mit "geistigen Eigenschaften" handelt. Wenn du nicht mal das zugeben kannst, sinkt die Wahrscheinlichkeit, daß wir hier noch Fortschritte machen können gegen null.

Was die Zahlen betrifft -- welcher Art auch immer ihre Eigenschaften sind, wir haben einige von ihnen in Form der obigen Axiome formuliert. Nun können wir, denke ich, mit den üblichen mathematischen Methoden zeigen, daß diese Axiome nicht von endlichen Mengen erfüllt werden können. Insofern wäre es wohl ganz hilfreich wenn du mal beantworten könntest "...was Aussagen der Form



...

bedeuten. Worüber sagen sie etwas aus, d.h. über welche Dinge können die Variablen x und y hier laufen? Über "Dinge in deinem Geist"? Dies müßten dann unendlich viele sein. "
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17910

Beitrag TomS Verfasst am: 18. Jun 2019 10:48    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Wenn du versuchst, Mathematik aus dieser eingeschränkten Sichtweise zu verstehen, dann erfasst du nie das Wesen der Mathematik sondern bleibst letztlich beim Rechnen.


Jegliche Mathematik, egal wie abstrakt und unanschaulich und kompliziert sie jetzt daher kommt, ist durch schrittweise Evolution aus den natürlichen Zahlen und damit auf Basis der von mir geschilderten kognitiven Leistungen entstanden.

Du verwechselst ständig den Prozess der Entstehung mit der endgültigen Formulierung (*)

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Ansonsten ... wäre es unklar, wie der Mensch ohne die Möglichkeit des Weges empirischer Wahrnehmung und kognitiver Leistung überhaupt Zugang zu einer platonischen Welt finden konnte ...

Platon erklärt dies durch μέθεξις = Teilhabe


Wiederum ist das Problem deiner Argumentation, dass du für deinen Standpunkt argumentierst, weil aus der Perspektive deines Standpunktes nur dein Standpunkt sinnvoll erscheint. Das ist zirkulär. Du gelangst so natürlich zu einer Überzeugung, die für deinen Standpunkt spricht, nicht jedoch zu logischen Argumenten, die gegen den anderen Standpunkt sprechen.

Um die platonistischen Sichtweise auf die Mathematik zu kritisieren, musst du diesen platonistischen Standpunkt einnehmen und diese Sichtweise dann von innen heraus widerlegen. Solange dir das nicht logisch schlüssig gelingt - und m.W.n. ist das noch niemandem gelungen - zeigt sich damit, dass beide Sichtweisen zwar untereinander unvereinbar, jedoch jede für sich in sich schlüssig sind.

*) Damit ist auch deine o.g. Argumentation "jegliche Mathematik ... [wäre] durch schrittweise Evolution aus den natürlichen Zahlen und damit auf Basis der von mir geschilderten kognitiven Leistungen entstanden" hinfällig, denn alternativ könnte man auch sagen "jegliche Mathematik ... wäre mittels der geschilderten kognitiven Leistungen entdeckt worden".

Von deinem Standpunkt aus gilt deine Sichtweise, von meinem Standpunkt aus meine. Das beweist jedoch in beiden Fällen nichts, weil es sich lediglich um eine Ausformulierung des Standpunktes handelt. Wir können unsere eigenen Standpunkte jeweils nicht anders fundieren als durch unsere Standpunkte als Prämissen. Und wir können den jeweils anderen Standpunkt dadurch nicht logisch angreifen.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17910

Beitrag TomS Verfasst am: 18. Jun 2019 11:26    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Insofern wäre es wohl ganz hilfreich wenn du mal beantworten könntest ...was Aussagen der Form ... bedeuten. Worüber sagen sie etwas aus, d.h. über welche Dinge können die Variablen x und y hier laufen?

Ich fasse hier mal ein paar Sichtweisen nach Wikipedia - Philosophie der Mathematik
zusammen.

Eine unter Mathematikern verbreitete Position ist der Realismus (Gödel, Erdős, Penrose, …) Mathematische Entitäten (wie Zahlen, geometrische Figuren, Funktionen, …) und Gesetze sind keine Konzepte, die im Kopf des Mathematikers entstehen, sondern es wird ihnen eine vom menschlichen Denken unabhängige Existenz zugesprochen; sie werden folglich nicht erfunden, sondern entdeckt. Die klassische Form des Realismus ist der Platonismus, dem zufolge die mathematischen Gegenstände und Sätze losgelöst von der materiellen Welt und unabhängig von Raum und Zeit existieren. Das Hauptproblem des Platonismus in der Philosophie der Mathematik ist die Frage, auf welche Weise wir als begrenzte Wesen die mathematischen Objekte und Wahrheiten erkennen können. Laut Gödel leistet dies eine mathematische Intuition, die, ähnlich einem Sinnesorgan, uns Menschen Teile dieser anderen Welt wahrnehmen lässt (s.o. Platons μέθεξις = Teilhabe)

Der von Brouwer begründete Intuitionismus verneint die Existenz mathematischer Begriffe außerhalb des menschlichen Geistes, verwendet deshalb ausschließlich konstruktive Beweise und nicht solche, die Existenzaussagen ohne Angabe einer Konstruktion machen, weshalb in der verwendeten intuitionistischen formalen Logik der Satz vom ausgeschlossenen Dritten nicht verwendet wird. Eine Verallgemeinerung des Intuitionismus ist der Konstruktivismus.

Der insbs. auf Hilbert zurückgehende Formalismus versteht die Mathematik ähnlich einem Spiel, das auf einem gewissen Regelwerk beruht, mit dem Zeichenketten manipuliert werden. Zum Beispiel wird in dem Spiel „Euklidische Geometrie“ der Satz des Pythagoras gewonnen, indem gewisse Zeichenfolgen (die Axiome) mit gewissen Regeln (denen des logischen Schlussfolgerns) wie Bausteine zusammengefügt werden. Mathematische Aussagen verlieren damit den Charakter von Wahrheiten (etwa über geometrische Figuren oder Zahlen), sie sind letztlich gar keine Aussagen „über irgendetwas“ … Die von Hilbert verwendeten Begriffe „Punkt“, „Gerade“, „Ebene“ etc. haben keinen Bezug zur Anschauung mehr sondern sind rein axiomatisch definiert. Hilbert wird der Ausspruch zugeschrieben, man könne statt „Punkte, Geraden und Ebenen“ jederzeit auch „Tische, Stühle und Bierseidel“ sagen; es komme nur darauf an, dass die Axiome erfüllt sind.

Als Deduktivismus wird oft eine Variante des Formalismus bezeichnet, in der z.B. der Satz des Pythagoras keine absolute Wahrheit mehr darstellt, sondern nur eine relative: Wenn man den Zeichenfolgen in einer Weise Bedeutungen zuweist, so dass die Axiome und die Schlussregeln wahr sind, dann muss man die Folgerungen, z.B. den Satz des Pythagoras, als wahr ansehen. So gesehen muss der Formalismus kein bedeutungsloses symbolisches Spiel bleiben. Der Mathematiker darf vielmehr hoffen, dass es eine Interpretation der Zeichenfolgen gibt, die ihm z.B. die Physik oder andere Naturwissenschaften vorgeben, so dass die Regeln zu wahren Aussagen führen. Ein deduktivistischer Mathematiker kann sich also sowohl von der Verantwortung für die Interpretationen als auch von den ontologischen Schwierigkeiten der Philosophen freihalten.


Ich denke, die letztgenannten Postionen wären für die hier zu diskutierende Fragestellung
Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Eine der Hauptfragen der Naturphilosophie ist die nach dem wissenschaftlichen Weltbild:

"Ist das physikalische Weltbild lediglich eine zweckmäßige, aber im Grunde willkürliche Schöpfung des menschlichen Bewusstseins oder ist es eine reale Abbildung der vom menschlichen Bewusstsein unabhängigen Naturvorgänge?"
und damit verbunden:

"Wie kommt wissenschaftliche Erkenntnis zustande?" und "Welche Rolle spielt die Mathematik?"

am sinnvollsten, da - wie ich bereits mehrfach angemerkt habe - die Frage des Realismus und die Rolle der Mathematik in der Physik von der Frage des Realismus in der Mathematik getrennt betrachtet werden kann.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.


Zuletzt bearbeitet von TomS am 18. Jun 2019 11:29, insgesamt einmal bearbeitet
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 18. Jun 2019 11:29    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
denn alternativ könnte man auch sagen "jegliche Mathematik ... wäre mittels der geschilderten kognitiven Leistungen entdeckt worden

Wie kann man etwas entdecken, wozu man keinerlei empirischen Zugang hat? Unser Gehirn hat sich aus der Notwendigkeit heraus entwickelt, die Sinneswahrnehmungen zu verarbeiten, zu interpretieren und Abschätzungen/Wahrscheinlichkeiten über zu erwartende Ereignisse abzugeben, damit wir satt werden, uns fortpflanzen und nicht vom Löwen gefressen werden. Alles was wir denken, entwickeln, erfinden, entdecken lässt sich direkt oder indirekt auf ursprüngliche empirische Wahrnehmungen zurückführen.
Das erinnert mich an dein Beispiel des 2dim Bewohners. Wie sollte er jemals Zugang zum 3dim Reich finden? Wie sollte er jemals eine Kugel entdecken wenn ihm der empirische Zugang fehlt?


Zitat:
zeigt sich damit, dass beide Sichtweisen zwar untereinander unvereinbar, jedoch jede für sich in sich schlüssig sind.


Dann bliebe zumindest die Frage, welche der Sichtweisen im Sinne Ockhams zu bevorzugen ist.

Nach meiner Sichtweise kann man auf das Platonische Reich verzichten, ich benötige also weniger Voraussetzungen.


.
Neue Frage »
Antworten »
    Foren-Übersicht -> Off-Topic