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Physik und Philosophie - Seite 6
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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18067

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Aug 2019 10:26    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Die Theorie einer 4dimensionalen Raumzeit ist nicht mathematisch und auch nicht ontologisch äquivalent zu einer Theorie einer N dimensionalen Raumzeit, in der die 4dimensionale eingebettet ist.

Es ist frustrierend, dass du nicht präzise auf das eingehst, was ich geschrieben habe!

Warum soll eine Formulierung in N Dim. plus lokaler Symmetrie, die Lösungen immer als Constraint / Projektion für 4-dim. Untermannigfaltigen generiert, nicht mathematisch äquivalent zu einer von vorneherein 4-dim. Theorie ohne lokale Symmetrie sein?

Das selbe haben wir doch gerade für die QCD diskutiert:
a) ursprüngliche Version mit 4 Gluonfeldern plus lokaler Eichsymmetrie
b) eichfixierte Version mit 4 Gluonfeldern plus BRST
c) eichfixierte Version mit 2 Gluonfeldern

index_razor hat Folgendes geschrieben:

In diesem Fall ist das eine Idealsituation für Ockhams Rasiermesser.

Sicher nein - wie wir anhand der QCD sehr schön sehen können.

Welche Variante bevorzugt Ockham‘s razor?
(a) weil einfacher und symmetrischer?
(c) weil weniger Felder und ein „kleinerer“ Hilbertraum benötigt werden?

Ockham wird hier überschätzt.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18067

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Aug 2019 10:45    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe weiterhin den Eindruck, dass du nicht lesen willst, was da steht.

Nochmal ganz explizit:


Teilchen auf der Sphäre





Beide Formulierungen sind vollständig äquivalent: Lösungen der Euler-Lagange-Glechungen sind Großkreise auf der Sphäre.

Welche Formulierung verwendest du für die Herleitung einer Ontologie? Nach Ockham wohl letztere.


QCD







Mathematisch äquivalent - bis auf Subtilitäten, die wir ausklammern.

Welche Formulierung verwendest du für die Herleitung einer Ontologie? Warum diese und keine andere? Inwiefern hilft Ockham? Welche mathematischen Objekte je Formulierung entsprechen Entitäten der Realität? Wie sähe eine Ontologie aus, die unabhängig von diesen drei äquivalenten Formulierungen ist und für alle drei gleichermaßen zutrifft? Und welche Entitäten enthielte diese eine ausgezeichnete Ontologie?

Es wäre nett, wenn du dazu konkrete Antworten hättest. Die Antwort „wir wissen es nicht“ ist zulässig.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 23. Aug 2019 11:02    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:

Die Theorie einer 4dimensionalen Raumzeit ist nicht mathematisch und auch nicht ontologisch äquivalent zu einer Theorie einer N dimensionalen Raumzeit, in der die 4dimensionale eingebettet ist.

Es ist frustrierend, dass du nicht präzise auf das eingehst, was ich geschrieben habe!

Warum soll eine Formulierung in N Dim. plus lokaler Symmetrie, die Lösungen immer als Constraint / Projektion für 4-dim. Untermannigfaltigen generiert, nicht mathematisch äquivalent zu einer von vorneherein 4-dim. Theorie ohne lokale Symmetrie sein?


Aber genau das habe ich doch erläutert. Beide Fälle beschreiben vollkommen unterschiedliche mathematische Strukturen. Du nennst sie zwar "äquivalent", erklärst aber nicht was du damit meinst. Dann kannst du dich nicht beschweren, daß du keine präzise Antwort bekommst. Sie werden jedenfalls nicht dadurch äquivalent, daß du die eine Struktur in die andere einbetten kannst. Du kannst z.B. die reellen Zahlen in die komplexe Ebene einbetten. Sind deshalb R und C "mathematisch äquivalent"? Sicher nicht.

Zitat:

Das selbe haben wir doch gerade für die QCD diskutiert:

a) ursprüngliche Version mit 4 Gluonfeldern plus lokaler Eichsymmetrie
b) eichfixierte Version mit 4 Gluonfeldern plus BRST
c) eichfixierte Version mit 2 Gluonfeldern


Genau, und ich habe behauptet diese besitzen alle dieselbe Ontologie, wenn es sich tatsächlich um äquivalente Formulierungen handelt. Dann hast du gesagt um diese Äquivalenz behaupten zu können, müßte ich erst mal das Millenium Prize Problem lösen. Was soll ich darauf jetzt antworten? Klar, wenn sie in Wahrheit nicht äquivalent sind, dann besitzen sie womöglich auch unterschiedliche Ontologien. Woher soll ich das wissen?

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:

In diesem Fall ist das eine Idealsituation für Ockhams Rasiermesser.

Sicher nein - wie wir anhand der QCD sehr schön sehen können.

Welche Variante bevorzugt Ockham‘s razor?
(a) weil einfacher und symmetrischer?
(c) weil weniger Felder und ein „kleinerer“ Hilbertraum benötigt werden?

Ockham wird hier überschätzt.


Ich habe Ockham auch nur auf den Fall angewendet (ART-Raumzeit eingebettet in N dimensionalen flachen Raum), wo klar war, daß 1) der Standardtheorie einfach weitere Postulate hinzugefügt wurden, die 2) am empirischen Gehalt nichts ändern. Das ist aber nicht die Situation in QCD, die wir gerade diskutieren (abgesehen vielleicht von der Einführung der Geistfelder, aber die habe ich absichtlich immer ausgeklammert). Ich habe Ockham nicht benutzt um zwischen einer symmetrischeren und einer Theorie mit weniger Feldern zu unterscheiden.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 23. Aug 2019 11:42    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich habe weiterhin den Eindruck, dass du nicht lesen willst, was da steht.

Nochmal ganz explizit:


Teilchen auf der Sphäre





Beide Formulierungen sind vollständig äquivalent: Lösungen der Euler-Lagange-Glechungen sind Großkreise auf der Sphäre.


Weder das eine noch das andere ist eine Formulierung einer Theorie, so wie ich den Begriff auffasse. Du schreibst einfach zwei Gleichungen hin. Ich rede davon, daß du Aussagen hinschreiben mußt, die eine mathematische Struktur beschreiben. Wenn du verschiedene Aussagen hinschreibst mußt du beweisen, daß sie äquivalent sind. Behaupten reicht nicht.

Zitat:

Welche Formulierung verwendest du für die Herleitung einer Ontologie? Nach Ockham wohl letztere.


Nein, Ockham verwende ich nur, wenn die Gleichheit des empirischen Gehalts relativ offensichtlich ist und klar ist, daß zwar die eine Menge von Postulaten die andere impliziert, aber nicht umgekehrt. Davon ist hier nichts zu sehen.

Zitat:

QCD







Mathematisch äquivalent - bis auf Subtilitäten, die wir ausklammern.

Welche Formulierung verwendest du für die Herleitung einer Ontologie? Warum diese und keine andere?


Wenn sie mathematisch äquivalent sind, ist das egal, denn in diesem Fall besitzen alle Formulierungen dieselben logischen Implikationen, d.h. alle ihre jeweiligen Existenzaussagen sind gleich. Ich habe langsam den Eindruck du hast Probleme zu verstehen, was das bedeutet.

Zitat:

Inwiefern hilft Ockham?


Unter diesen Voraussetzungen gar nicht, aber er wird auch nicht benötigt.

Zitat:

Welche mathematischen Objekte je Formulierung entsprechen Entitäten der Realität? Wie sähe eine Ontologie aus, die unabhängig von diesen drei äquivalenten Formulierungen ist und für alle drei gleichermaßen zutrifft? Und welche Entitäten enthielte diese eine ausgezeichnete Ontologie?

Es wäre nett, wenn du dazu konkrete Antworten hättest. Die Antwort „wir wissen es nicht“ ist zulässig.


Also unter deiner Voraussetzung der mathematischen Äquivalenz existieren:



( und existieren auch, sind aber in der obigen Aufzählung mit A und F schon enthalten.)

Woher weiß ich das? Du selbst hast vorausgesetzt, es handele sich jeweils um sinnvolle und äquivalente Formulierungen einer Theorie über die Realität, d.h. sie alle machen dieselben in der Realität interpretierbaren Aussagen über die Beziehungen verschiedener Objekte, genannt "F", "A", "q", etc. Dann muß die Gesamtheit der Objekte aus allen Formulierungen existieren, ansonsten ist jede einzelne Formulierung falsch. (Das können sie natürlich sein, d.h. eine Interpretation ihrer Aussagen in der Realität wird unmöglich. Dann würde man wohl sagen, es handele sich um "rein mathematische" Objekte. Existieren werden sie als solche aber trotzdem, sofern die Aussagen zumindest nicht widersprüchlich sind. Aber es handelt sich dann nicht mehr um Objekte der Realität im engeren Sinne von dem "was die Physik beschreibt".)
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18067

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Aug 2019 12:36    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:

QCD






Wenn sie mathematisch äquivalent sind, ist das egal, denn in diesem Fall besitzen alle Formulierungen dieselben logischen Implikationen, d.h. alle ihre jeweiligen Existenzaussagen sind gleich.

Zitat:
Welche mathematischen Objekte je Formulierung entsprechen Entitäten der Realität? Wie sähe eine Ontologie aus, die unabhängig von diesen drei äquivalenten Formulierungen ist und für alle drei gleichermaßen zutrifft? Und welche Entitäten enthielte diese eine ausgezeichnete Ontologie?

Also unter deiner Voraussetzung der mathematischen Äquivalenz existieren:



( und existieren auch, sind aber in der obigen Aufzählung mit A und F schon enthalten.)

Danke für diese konkrete Antwort!

Du identifizierst also die Obermenge aller mathematischen Objekte mit den Repräsentanten der realen Entitäten.

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Du selbst hast vorausgesetzt, es handele sich jeweils um sinnvolle und äquivalente Formulierungen einer Theorie über die Realität, d.h. sie alle machen dieselben in der Realität interpretierbaren Aussagen über die Beziehungen verschiedener Objekte, genannt "F", "A", "q", etc.

Das greift m.E. zu kurz.

Die Formulierungen seien zunächst mathematisch äquivalent. Das ist keine Aussage über die Realität an sich, denn es ist durchaus möglich, dass die selbe Realität unterschiedliche mathematische Repräsentationen bzw. Formulierungen zulässt. Darüberhinaus ist es doch logisch nicht notwendig, dass alle mathematisch formulierbaren Aussagen sich auch auf die Realität beziehen müssen. Wenn du eine eineindeutige Repräsentation erreichen möchtest, ist m.E. keine der drei spezialisierten Formulierungen für sich geeignet, sondern nur eine eindeutige, zugrundeliegende mathematische Struktur.

Ausgehend von den Formulierungen







kann man versuchen, zunächst je Fomulierung eine derartige Struktur zu identifizieren:

A) SU(3) Faserbündel plus weitere Vorschriften (Pfadintegral o.ä., Regeln zur Berechnung von Observablen, ...)
B) BRST-Symmetrie plus weitere Vorschriften
C) physikalische Felder ohne weitere Symmetrie plus weitere Vorschriften (Hilbertraum, ...)

Ich kann hier keine mir bekannte mathematische Struktur identifizieren, die diese drei Spezialfälle umfasst. Ich kann auch nicht erkennen, wieso ich die Existenz von Geistern als Repräsentanten von realen Entitäten akzeptieren soll, anstatt sie als Hilfskonstrukte zu begreifen, d.h. ich sehe keinerlei Hinweise, warum gerade (B) die favorisierte Variante sein soll, nicht jedoch z.B. (C) als minimale Formulierung ohne unnötigen Ballast. Welches Prinzip verbietet es mir logisch, (m)eine Ontologie auf (C) aufzubauen und (B) als unnützen Ballast zu betrachten? Ich kann das Argument natürlich auch umdrehen, dann gelange ich in deinem Sinne zu (B).

Zusammenfassend

i) Ich sehe für mich kein philosophisches oder physikalisches Prinzip, dem ich vertrauen würde, um zwischen diesen drei Möglichkeiten (A - C) als Basis einer Ontologie zu entscheiden.
ii) Nun kann ich diese Entscheidung offenlassen und eine unbekannte, zugrundeliegende mathematische Struktur als Basis einer Ontologie annehmen. Dabei sehe ich leider kein mathematisches oder physikalisches Prinzip, das mir eine derartige Struktur liefern würde.
iii) Und zuletzt sehe ich wieder kein physikalisches oder philosophisches Prinzip, das mir sagt, ob und wie ich zwischen (i) und (ii) wählen soll.
Das Problem der eindeutigen Ontologie bleibt für mich unlösbar.

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Deep Purple



Anmeldungsdatum: 06.05.2019
Beiträge: 44

Beitrag Deep Purple Verfasst am: 23. Aug 2019 12:48    Titel: Antworten mit Zitat

Ich möchte gerne noch einmal diesen Thread rekapitulieren, dessen Thema mit dem Titel Physik und Philosophie dazu ermuntern sollte, einen Dialog zwischen diesen beiden Disziplinen anzustrengen.

Eins deiner ersten Statements lautete:
"Die einzige (mir bekannte) physikalische Fragestellung, bei der philosophische Positionen wie Realismus vs. Instrumentalismus eine maßgebliche Rolle spielen und bei der zumindest einige Philosophen und Physiker auf Augenhöhe diskutieren, ist das quantenmechanische Messproblem."
Woraufhin ich zu bedenken gab:
"Ich bin mir nicht sicher, ob man den Dialog thematisch so weit einengen kann."

Leider haben sich meine Bedenken bewahrheitet, denn trotz einiger Versuche meinerseits, den Blickwinkel zu spreizen, ist es doch bei der Einengung geblieben.
Dieser Thread ist bis heute über 4.300-mal aufgerufen worden, was auf ein reges Interesse schließen lässt, der – zumindest von der Anzahl der Aufrufe – von keinem anderen Thread in den letzten zwei Jahren erreicht worden ist.
Trotzdem hat sich bis auf index_razor (den du fest am Gängelband hast) niemand in diesen Thread eingeklinkt; einzige Ausnahme war Frankx, der sich aber sehr bald wieder verabschiedet hatte (kann aber auch an seiner Aversion bzgl. der Werbung gelegen haben).
Den Grund dafür weiß ich natürlich nicht, aber ich könnte mir vorstellen, dass es mit dieser Einengung auf den quantenmechanischen Formalismus zu tun hat.

Soweit ich sehe, gibt es in der Literatur kaum eine philosophische Erörterung, die z.B. nicht eine historisch-genealogische Betrachtung einer Methode (z.B. die Mathematik) eines Schlüsselbegriffs oder einer Kategorie anstellt, weil der Bedeutungswandel grundsätzlich eine Menge an Informationen über die gegenwärtige Bedeutung liefert – wurde von dir aber konsequent ignoriert.

Es ist m.e. auch nicht gelungen, grundsätzliche Fragestellungen herauszuarbeiten, wie z.B. was eine physikalische Erörterung von einer philosophischen unterscheidet, wie in aller Deutlichkeit im letzten Post (nach 5 Seiten Diskussion!) von index_razor zu erkennen ist:
"Mein Argument hatte nichts mit Berechnungen zu tun. Ich behaupte immer noch, daß alles was wir über Kräfte und Raumzeitkrümmung wissen können und wissen müssen, Folgerungen der Theorien sind, in denen diese Begriffe verwendet werden. Wieso denkst du, daß es darüberhinaus noch irgendetwas zu verstehen gäbe?" (index_razor am 22.08.)
Selbst die (naive) Bücherstapel-Analogie half da nicht.

Deine Kompetenz bzgl. der Physik steht außer Frage, aber aus philosophischer Sicht war bis auf ein paar unverbindliche Statements recht wenig erkennbar (was nicht heißt, dass sie nicht vorhanden wäre); deine Abqualifizierung von B. Falkenburg („BlaBlaBla“) fand ich allerdings schon hart an der Kante. Frau Falkenburg ist eine anerkannte wissenschaftliche Philosophin, deren Kompetenz u.a. durch ihre Mitgliedschaft in der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste bestätigt wird und von der ich mich persönlich überzeugen konnte. Rein formal stellt sich deine „Kritik“ als die Kritik eines Forum-Nachhilfelehrers an eine renommierte Wissenschaftsphilosophin dar, was ausdrücklich keine Beleidigung sein soll, aber ich meine, ein korrektiver Dämpfer ist hier schon angebracht.

Warum dieses Abschluss-Statement?
Weil mein Versuch, einen Dialog zwischen Physik und Philosophie zu eröffnen, nach meinem Dafürhalten durch die konsequente Verengung – vor Allem im Hinblick auf das hohe Interesse – wahrscheinlich verhindert wurde. Das finde ich sehr schade, möchte aber auch hinzufügen, dass dieser Thread für mich persönliche eine Bereicherung war.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18067

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Aug 2019 13:22    Titel: Antworten mit Zitat

Ich möchte nochmal kurz auf meinen Versuch zur Formalisierung zurückkommen:

Gegeben sei eine Theorie T als Menge von Formulierungen F



Jede Theorie sei definiert mittels eines Hilbertraumes, „elementarerer Freiheitsgrade“ psi, deren Algebra [.,.] aus Kommutatoren o.ä., weiterer aus psi aufgebauter Operatoren wie u.a. Observablen A, sowie insbs. einem Hamiltonian:



Für jede Theorie existiert außerdem eine textuelle Beschreibung Omega, die erklärt, wie bestimmte physikalisch messbare Größen zu den Operatoren A in Beziehung stehen bzw. wie mittels der Objekte der Theorie und weiterer Rechenvorschriften die Werte physikalisch messbarer Größen in bestimmten Experimenten zu berechnen sind.

Ich möchte dazu auf zwei Knackpunkte hinweisen:

1) Die Ontologie zu einer derartigen Quantenfeldteorie muss insbs. klären, welche ein real existierendes System mathematisch repräsentiert wird; bisher haben wir viel zu sehr über die Felder (Feldoperatoren) diskutiert,viel zu wenig über die Zustände



2) Der rein mathematische Teil ist in vielen Fällen präzise definiert (QM, ART) in anderen Fällen bis auf Subtilitäten klar (QFT). Die eigtl. Problematik steckt in Omega! Eine minimale Formulierung kann man z.B. einem knappen Skript zur QFT entnehmen, in dem man neben Formeln auch viel Text finden wird; dieser Text und einiges an implizitem Wissen ist genau das, was ich mit Omega meine. In einer minimalen Formulierung enthält Omega lediglich Regeln, wie man den mathematischen Teil im Bezug auf beobachtbar Phänomene anwendet; ontologische Aussagen müssen nicht Gegenstand von Omega sein.

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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 23. Aug 2019 13:25    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:

Was klassisch als vollständig äquivalent durchgeht - Eichfixierung oder nicht, und wenn Fixierung dann beliebig - ist in der Quantenfeldtheorie deutlich komplizierter.

Zunächst mal erzwingt die Quantisierung m.W.n. immer eine Eichfixierung - ich kenne jedenfalls keine nicht-eichfixierte Formulierung in der Quantenfeldtheorie.


Kennst du Diracs Quantisierungsvorschrift für Systeme mit Nebenbedingunen? In seinen Lectures on Quantum Mechanics leitet er den QED-Hamiltonian in der Form (ich habe die Notation auf die heute üblichen Konventionen umgeschrieben)



ab, wobei u eine beliebige Funktion ist. Dann schreibt er

"Now the usual Hamiltonian which people work with in quantum electrodynamics is not quite like that. The usual one is based on a theory which [...] involves putting this restriction on the potential:



[...] The Hamiltonian theory which I have given here, does not involve this restriction, so that it allows a completely general gauge. [...] It's a formalism which displays the full transforming power of the Maxwell theory, which we get when we have completely general changes of gauge."


Es fällt mir schwer diese Aussagen mit einer Behauptung über die Notwendigkeit bestimmter Eichfixierungen zu vereinbaren. In dem obigen Hamiltonian ist jedenfalls keine Eichfixierung enthalten.

Zitat:

Dann erscheinen die eichfixierten Versionen der zugrundeliegende klassischen Feldtheorie je Eichfixierung völlig unterschiedlich:


Ja, sie erscheinen unterschiedlich. Genauso erscheint die Metrik eines schwarzen Loches in Schwarzschildkoordinaten ganz anders als in Kruskal-Koordinaten. Oder der Minkowskiraum in Rindler-Koordinaten. Das hat überhaupt nichts zu sagen. Es ist dasselbe schwarze Loch, derselbe Minkowskiraum und dieselben Felder. Daß du dich so auf diese formalen Unterschiede innerhalb mathematischer Äquivalenzumformungen fokussierst, ist ein Grundproblem deiner Argumentation.

Zitat:

Wenn man zunächst A°=0 setzt und zusätzlich die axiale Eichung wählt, dann folgen ganz konkret genau zwei Polarisationen des Gluons.


Diese folgen ganz konkret auch, wenn man eine andere Eichung wählt. Sie ergeben sich nämlich, wie wir oben bereits festgestellt hatten, durch einfaches Zählen der Freiheitsgrade. Daß es zwei unabhängige Freiheitsgrade gibt ist einfach ein geometrische eichunabhängiger Fakt der klassischen Eichtheorie.

Zitat:

Wenn man dagegen die Coulomb- oder die Lorentz-Eichung wählt, dann folgt - im Pfadintegralformalismus - ein nicht-triviales Integrationsmaß, das mittels Geistfeldern als normales Wirkungsintegral geschrieben werden kann.

Demzufolge würde ich dir zustimmen: wir wissen es nicht.


Ich habe nicht behauptet, daß wir nicht wüßten, wieviele Freiheitsgrade es gibt. Was ich nicht weiß ist, ob Geisterfelder ein notwendiger Bestandteil der Ontologie sind, wenn man von den Feldgleichungen der Eichtheorie ausgeht. Ich vermute aber, daß sie es nicht sind.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Zitat:





Ich vermute: weder noch. Warum formulierst du deine Frage "Was existiert?" immer wieder neu, mit neuen Notation und Definitionen? Versuche doch mal zu erklären, was an den meinen schon gegebenen Antworten unklar geblieben ist.

Weil ich versuche, dir eine konkrete Antwort zu entlocken.


Und ich versuche dir zu entlocken, was an meiner bisherigen Antwort nicht konkret genug war. Ich weiß es wirklich nicht.

Zitat:

Eine Formulierung führt auf vier Gluonen minus zwei Geister gleich zwei physikalischen Freiheitsgraden. Eine andere Formulierung führt auf zwei Gluonen gleich zwei physikalischen Freiheitsgraden.

Und nun wieder die Frage: was existiert?


Beide Formulierungen sind -- vermutlich -- nicht äquivalent, d.h. alle Aussagen der zweiten folgen aus der ersten aber nicht umgekehrt. Sie behaupten die Existenz unterschiedlicher Dinge. Die Frage wie man sich hier entscheidet, ist dieselbe Frage danach, welche dieser beiden Theorie in der Realität zutrifft. Da beide Theorien denselben empirischen Gehalt haben, hilft hier Ockham und die Geister müssen verschwinden. Daß das kein Beweis ist, ist natürlich klar. Aber Ockham ist auch nur ein Prinzip der Ökonomie, keins der Logik.

Zitat:

Ich meine damit nicht, „was existiert mathematisch?“


Das meine ich auch nicht, wie ich bereits gesagt habe.

Zitat:

Ich meine damit, was sagen uns diese höchst unterschiedlichen mathematischen Formulierungen mit unterschiedlichen mathematischen Objekten (insbs. Feldoperatoren, Zuständen ...) über die eine objektiv und unabhängig von den mathematischen Beschreibungen existierende Realität?


Sie sagen uns eben völlig verschiedene Dinge. Wo ist da das Problem? In der Ideengeschichte sind hunderte Welterklärungssysteme mit völlig unterschiedlichen Behauptungen über die eine objektive Realität aufgestellt worden. QCD und QCD+Geister, sind nur zwei davon. Es kann durchaus sein, daß die Version mit Geistern falsch ist und die ohne korrekt. Es kann ebenso sein, daß beide falsch sind. Es kann nur nicht sein, daß die Version mit Geistern korrekt und die ohne inkorrekt ist. Deswegen kann man zumindest Ockham anwenden.

Zitat:

Welche Formulierung legen wir zugrunde, um eine Ontologie zu formulieren?


Die ohne Geister. Allerdings nur wegen Ockham. Wenn wir später gezwungen sind aus Konsistenzgründen trotzdem Geister einzuführen, haben wir wenigstens einen handfesten Grund dafür.

Zitat:

Welche Größen der Theorie akzeptieren wir als Repräsentanten der Realität, welche sind lediglich Hilfsgrößen?


Ich gehe von den Aussagen der Theorie allein aus. Diese besagt aber nichts über irgendwelche "Hilfsgrößen". Also gibt es sie nicht.

Zitat:

Gehen wir von der maximal eichsymmetrischen Theorie vor der Eichfixierung aus? Dann wäre eine fundamentale Struktur ein SU(3) Faserbündel, erweitert um exotische Freiheitsgrade nach FP und/oder BRST.


Ich gehe nach wie vor von einem Hilbertraum aus, auf dem Operatoren definiert sind, die bestimmte Feldgleichungen erfüllen. Du kannst gern von etwas anderem ausgehen. Dann müßten wir erstmal beweisen, daß unsere beiden Theorien, A und B, äquivalent sind. (Oder dies widerlegen.) Wenn sie es sind, dann wissen wir auch, daß sie dieselbe Ontologie besitzen. Wenn sie nicht äquivalent sind, müssen wir sie weiter logisch untersuchen. Haben sie Implikationen die eine empirische Unterscheidung erlauben? Dann machen wir das entsprechende Experiment. Gilt A impliziert B, aber nicht umgekehrt? Dann wählen wir B.

Zitat:

Gehen wir von einer - welcher? - maximal eichfixierten Theorie aus? Dann existiert kein SU(3) Faserbündel, denn das haben wir eliminiert, und die Freiheitsgrade auf einen minimalen Satz reduziert. Lassen wir nur echte Observablen als Repräsentanten der Realität zu? Dann sind wir sehr nahe an einer rein phänomenologisch geprägten Ontologie - „Sein heißt Erscheinen“ - und müssen nicht-observable Größen wie SU(3) Felder aus der Ontologie eliminieren. Lassen wir auch nicht-Observable als Repräsentanten der Realität zu? Dann wären Eichfelder Repräsentanten der Realiät. Lösen wir uns vollständig von der Ontologie der klassischen Feldtheorie? Dann sind sämtliche Feldoperatoren ausschließlich Hilfsgrößen, die den tatsächlichen Zustand des Systems nicht charakterisieren, und wir landen bei einer Ontologie, in der ausschließlich die Zustandsvektoren Repräsentanten der Realität sind.


Nein, dabei landen wir nicht. Es sei denn durch einen absoluten Kunstgriff, mit dem wir einigen der Objekte, über die die Theorie spricht, willkürlich das Prädikat "ist eine Hilfsgröße" und den anderen "ist eine echte Observable" verpassen. Verhindern, daß wir sie in der Theorie erwähnen müssen, können wir nämlich nicht. Wer was anderes behauptet, soll das vormachen.

Zitat:

Letzteres sind doch die Fragen an der Schnittstelle zwischen Philosophie / Ontologie und Physik, die sich auch Philosophen wie Lyre u.a. stellen. Wenn wir - und da sind wir uns ja einig - u.a. den mathematischen Gehalt einer Theorie als Richtschnur für die Formulierung einer Ontologie ansehen, dann müssen wir diesen mathematischen Gehalt präzise fassen.


Da stimme ich dir allerdings zu.

Zitat:

Es liegen unterschiedliche Formulierungen vor, die unterschiedliche ontologische Aussagen zulassen, obwohl daraus identische Phänomene in einer Realität folgen.


Ja, das kann schon sein. Dann muß man eben genauer untersuchen, welcher Fall vorliegt: Handelt es sich tatsächlich um logisch nichtäquivalente Formulierungen mit demselben empirischen Gehalt, von denen aber keine die andere impliziert? Ich behaupte, obwohl dies logisch möglich ist, gibt es von diesem Fall nicht ein einziges reales Beispiel. Auf keine der hier diskutierten Situationen trifft es zu.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18067

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Aug 2019 13:29    Titel: Antworten mit Zitat

Vorschlag an Deep-Purple: du startest einen neuen Thread, und ich halte mich mathematisch zurück.

Anmerkung: Ich wollte nicht B. Falkenburg pauschal abqualifizieren, das steht mir nicht zu; dennoch fällt ihr Beitrag in dem genannten Buch qualitativ ab.

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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 23. Aug 2019 13:41    Titel: Antworten mit Zitat

Deep Purple hat Folgendes geschrieben:
Den Grund dafür weiß ich natürlich nicht, aber ich könnte mir vorstellen, dass es mit dieser Einengung auf den quantenmechanischen Formalismus zu tun hat.


Ich könnte mir vorstellen, daß das daran liegt, daß du den Eindruck erweckst dich nicht besonders dafür zu interessieren, was man dir antwortet, aber trotzdem alles besser zu wissen. Wenig Leute haben Lust sich auf solche Diskussionen einzulassen.

Zitat:

Es ist m.e. auch nicht gelungen, grundsätzliche Fragestellungen herauszuarbeiten, wie z.B. was eine physikalische Erörterung von einer philosophischen unterscheidet, wie in aller Deutlichkeit im letzten Post (nach 5 Seiten Diskussion!) von index_razor zu erkennen ist:
"Mein Argument hatte nichts mit Berechnungen zu tun. Ich behaupte immer noch, daß alles was wir über Kräfte und Raumzeitkrümmung wissen können und wissen müssen, Folgerungen der Theorien sind, in denen diese Begriffe verwendet werden. Wieso denkst du, daß es darüberhinaus noch irgendetwas zu verstehen gäbe?" (index_razor am 22.08.)
Selbst die (naive) Bücherstapel-Analogie half da nicht.


Vielleicht hätte stattdessen eine ernsthafte und direkte Antwort auf eine ehrlich gemeinte Frage geholfen. Meinst du nicht? Wie mir deine "Bücherstapel-Analogie" hier helfen sollte, weiß ich in der Tat immer noch nicht. Ich wußte nichtmal, daß sie als Antwort auf diese Frage gemeint war.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 23. Aug 2019 14:29    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Zitat:
Zitat:
Welche mathematischen Objekte je Formulierung entsprechen Entitäten der Realität? Wie sähe eine Ontologie aus, die unabhängig von diesen drei äquivalenten Formulierungen ist und für alle drei gleichermaßen zutrifft? Und welche Entitäten enthielte diese eine ausgezeichnete Ontologie?

Also unter deiner Voraussetzung der mathematischen Äquivalenz existieren:



( und existieren auch, sind aber in der obigen Aufzählung mit A und F schon enthalten.)

Danke für diese konkrete Antwort!

Du identifizierst also die Obermenge aller mathematischen Objekte mit den Repräsentanten der realen Entitäten.


Daß du hier von "Obermenge" sprichst, läßt mich vermuten, daß noch nicht ganz klar ist, was ich behaupte. Ich behaupte die Menge der Objekte, von denen die Formulierungen sprechen, ist in allen drei Fällen dieselbe. Das folgt aus ihrer mathematischen Äquivalenz, die ich interpretiere, als "Alle Aussagen der einen Formulierung implizieren alle Aussagen der anderen Formulierung und umgekehrt."

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Du selbst hast vorausgesetzt, es handele sich jeweils um sinnvolle und äquivalente Formulierungen einer Theorie über die Realität, d.h. sie alle machen dieselben in der Realität interpretierbaren Aussagen über die Beziehungen verschiedener Objekte, genannt "F", "A", "q", etc.

Das greift m.E. zu kurz.

Die Formulierungen seien zunächst mathematisch äquivalent. Das ist keine Aussage über die Realität an sich,


Stimmt, es ist eine Aussage über die Formulierung und deren Behauptungen über die Realität. Eine Aussage über die Realität wird daraus erst, wenn ich behaupte eine, und damit alle, dieser Formulierungen seien wahr.

Zitat:

denn es ist durchaus möglich, dass die selbe Realität unterschiedliche mathematische Repräsentationen bzw. Formulierungen zulässt.


Ja, das ist in der Tat möglich. Für unsere Diskussion relevant ist das aber nur, wenn diese mathematischen Repräsentationen nicht äquivalent sind. (Was du ausgeschlossen hast.) Wenn dieser Punkt nicht klar ist, müssen wir wohl versuchen ihn näher zu analysieren.

Zitat:

Darüberhinaus ist es doch logisch nicht notwendig, dass alle mathematisch formulierbaren Aussagen sich auch auf die Realität beziehen müssen. Wenn du eine eineindeutige Repräsentation erreichen möchtest, ist m.E. keine der drei spezialisierten Formulierungen für sich geeignet, sondern nur eine eindeutige, zugrundeliegende mathematische Struktur.


Wenn alle diese Formulierungen äquivalent sind, werden sie von denselben mathematischen Strukturen erfüllt. (Diese wird nie eindeutig sein; hier verlangst du also mehr als möglich ist.) Wenn sie alle wahr sind, dann ist eine dieser Strukturen die Realität. (Mein Standpunkt in Kurzform.)

Zitat:

Ausgehend von den Formulierungen







kann man versuchen, zunächst je Fomulierung eine derartige Struktur zu identifizieren:

A) SU(3) Faserbündel plus weitere Vorschriften (Pfadintegral o.ä., Regeln zur Berechnung von Observablen, ...)
B) BRST-Symmetrie plus weitere Vorschriften
C) physikalische Felder ohne weitere Symmetrie plus weitere Vorschriften (Hilbertraum, ...)

Ich kann hier keine mir bekannte mathematische Struktur identifizieren, die diese drei Spezialfälle umfasst.


Die gibt es aber. Der BRST-Formalismus umfaßt sie alle.

Zitat:

Ich kann auch nicht erkennen, wieso ich die Existenz von Geistern als Repräsentanten von realen Entitäten akzeptieren soll, anstatt sie als Hilfskonstrukte zu begreifen, d.h. ich sehe keinerlei Hinweise, warum gerade (B) die favorisierte Variante sein soll, nicht jedoch z.B. (C) als minimale Formulierung ohne unnötigen Ballast. Welches Prinzip verbietet es mir logisch, (m)eine Ontologie auf (C) aufzubauen und (B) als unnützen Ballast zu betrachten?


Vermutlich gar keins. Ich vermute auch, daß B mehr enthält als, abgesehen von praktischen Problemen (Hilfsgrößen), nötig ist. Ich vermute allerdings auch, daß A und C äquivalent sind, also dasselbe über die Realität behaupten.


Zitat:

Zusammenfassend

i) Ich sehe für mich kein philosophisches oder physikalisches Prinzip, dem ich vertrauen würde, um zwischen diesen drei Möglichkeiten (A - C) als Basis einer Ontologie zu entscheiden.


Meine Vermutungen (keine Beweise) sind: 1) B fällt mit Ockham weg. Kann man natürlich als nicht zwingend vetrauenswürdiges Prinzip betrachten. 2) A und C sind gleich, also gibt es hier nichts wesentliches zu entscheiden. Man kann sich nur überlegen, welche Formulierung man hübscher findet.

Zitat:

ii) Nun kann ich diese Entscheidung offenlassen und eine unbekannte, zugrundeliegende mathematische Struktur als Basis einer Ontologie annehmen. Dabei sehe ich leider kein mathematisches oder physikalisches Prinzip, das mir eine derartige Struktur liefern würde.


Ich verstehe nicht, wieso die mathematische Struktur hier unbekannt sein soll. Die mathematischen Strukturen sind denke ich bekannt. Bei B handelt es sich um irgendwelche Superalgebren. Bei A und C einfach um Hauptfaserbündel.

Zitat:

iii) Und zuletzt sehe ich wieder kein physikalisches oder philosophisches Prinzip, das mir sagt, ob und wie ich zwischen (i) und (ii) wählen soll.
Das Problem der eindeutigen Ontologie bleibt für mich unlösbar.


Die ontologischen Behauptungen der Theorie zu identifizieren erscheint mir prinzipiell einfach lösbar: Man suche einfach in einer ausreichend formalisierten Formulierung nach Existenzaussagen und deren logischen Beziehungen zueinander. Diesen Teil könnte im Prinzip sogar ein Computer erledigen.

Das Problem zu entscheiden, welche dieser Behauptungen wahr sind, läßt sich nicht ohne Experiment lösen (und damit nicht endgültig).
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 23. Aug 2019 16:19    Titel: Antworten mit Zitat

Ein paar Anmerkungen:

Dirac‘s Quantisierungsmethode habe ich vor langer Zeit selbst verwendet; an sein Bsp. zur QED kann ich mich aber nicht erinnern. Zur QCD kenne ich immer nur die Aussage - und Beispiele - dass die Eichung fixiert werden muss. Umgekehrt kenne ich keine Beispiele oder Anwendungen ohne Eichfixierung. Im Unterschied zur QED entkoppeln die unphysikalischen Polarisationen nicht. Das sind jedoch technische Feinheiten, die - da stimme ich dir zu - die Abzählung der physikalischen Freiheitsgrade nicht beeinflussen.

Wenn man in den konkreten Wahl der Eichung und damit der Felder lediglich die Wahl von speziellen Koordinaten sieht, dann sollte der ontologische Gehalt unterschiedlicher Formulierungen tatsächlich identisch sein - da stimme ich dir ebenfalls zu.

Zu BRST als umfassenden Formalismus kann ich zu wenig sagen, da ich selbst nie damit gearbeitet habe. Was mir in Erinnerung geblieben ist, ist die Tatsache, dass ich für BRST immer nur störungstheoretische Anwendungen gesehen habe, während die physikalische Eichfixierung insbs. auf Basis der Coulomb-Eichung auch auf nicht-perturbative bzw. IR-Phänomene angewandt wird. Insofern erscheint mir BRST limitierter zu sein; aber das ist ggf. nur meinem Nichtwissen geschuldet.

Schau dir nochmal den Coulomb-Hamiltonian an. Dieser resultiert ja aus einer expliziten Lösung des Gaußschen Gesetzes. BRST sollte dies zumindest theoretisch ebenfalls zulassen; ich kenne diesbzgl. jedoch keine Anwendung.

Nochmal zu den drei mathematischen Strukturen: in jedem Einzelfall sind sie bekannt:
A) Faserbündel
B) Superalgebren
C) nein, nicht Faserbündel, da die Eichung vollständig fixiert ist und man den unphysikalischen Sektor des Hilbertraums abspalten und ignorieren kann.
Darum ging es jedoch nicht, sondern um die Frage, ob es eine einzige (A - C) umfassende Struktur gibt

Generell: seit deinen letzten beiden Beiträgen habe ich wieder den Eindruck, dass wir gar nicht do sehr voneinander abweichende Standpunkte vertreten. Ich muss noch etwas darüber nachdenken.

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index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 29. Aug 2019 12:46    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich möchte nochmal kurz auf meinen Versuch zur Formalisierung zurückkommen:

Gegeben sei eine Theorie T als Menge von Formulierungen F



Jede Theorie sei definiert mittels eines Hilbertraumes, „elementarerer Freiheitsgrade“ psi, deren Algebra [.,.] aus Kommutatoren o.ä., weiterer aus psi aufgebauter Operatoren wie u.a. Observablen A, sowie insbs. einem Hamiltonian:




Mir ist nicht ganz klar worin sich hier die einzelnen Formulierungen unterscheiden sollen. (Du heftest ihnen zwar einen Index "" an, erklärst aber nicht was er bedeuten soll.)

Insgesamt kommt es mir ein bißchen so vor, als versuchtest du hier mit der Definition von "Formulierung" den Begriff der Struktur neu zu erfinden. Deine "Theorie" wäre dann wohl eher das was man normalerweise als "Modellklasse" einer Theorie (im Sinne einer Menge von Aussagen) bezeichnet.

Zitat:

Für jede Theorie existiert außerdem eine textuelle Beschreibung Omega, die erklärt, wie bestimmte physikalisch messbare Größen zu den Operatoren A in Beziehung stehen bzw. wie mittels der Objekte der Theorie und weiterer Rechenvorschriften die Werte physikalisch messbarer Größen in bestimmten Experimenten zu berechnen sind.


Dieses Omega ist schwer zu fassen. Nach deinen folgenden Erläuterungen zu urteilen, klingt es wie eine rudimentäre Version von dem, was ich als die eigentliche Theorie bezeichnen würde. Andererseits scheinen sich hier auch noch semantische Aspekte der Deutung dieser Theorie in Bezug auf die Realität einzumischen, die vorausetzen, was "meßbare Größen" und was die entsprechende Experimente sind. Ich halte das aus diesem Grund für keine glückliche Konstruktion. Eine Theorie sollte nur Aussagen über die Realität machen, keinen expliziten Bezug auf das Konzept "Experimente" nehmen. Ich denke, daß man in der QM gerade von dieser Norm abweicht, trägt erheblich zu dem ganzen Interpretationsschlamassel bei, den man mit ihr hat.

Zitat:

Ich möchte dazu auf zwei Knackpunkte hinweisen:

1) Die Ontologie zu einer derartigen Quantenfeldteorie muss insbs. klären, welche [wie?] ein real existierendes System mathematisch repräsentiert wird; bisher haben wir viel zu sehr über die Felder (Feldoperatoren) diskutiert,viel zu wenig über die Zustände




Die Felder sind, genau wie Zustände -- allerdings in der allgemeinen Form von Dichteoperatoren -- unverzichtbarer Teil der mathematischen Repräsentation realer Systeme. Kein System wird ausschließlich nur durch Felder oder Zustände repräsentiert. Dasselbe gilt sinngemäß in der nichtrelativistischen Quantenmechnaik: das System wird beschrieben durch Zustände und Observablenalgebra.

Zitat:

2) Der rein mathematische Teil ist in vielen Fällen präzise definiert (QM, ART) in anderen Fällen bis auf Subtilitäten klar (QFT). Die eigtl. Problematik steckt in Omega! Eine minimale Formulierung kann man z.B. einem knappen Skript zur QFT entnehmen, in dem man neben Formeln auch viel Text finden wird; dieser Text und einiges an implizitem Wissen ist genau das, was ich mit Omega meine.


Dieser Text ist Teil der Theorie. Die Formeln für sich besagen gar nichts. Sie sind Teil von Aussagen, in denen entweder explizit eine Existenz von einem bestimmten Ding oder eine universelle Gültigkeit (d.h. etwas über jedes Ding) behauptet wird oder beides.

Zitat:

In einer minimalen Formulierung enthält Omega lediglich Regeln, wie man den mathematischen Teil im Bezug auf beobachtbar Phänomene anwendet; ontologische Aussagen müssen nicht Gegenstand von Omega sein.


Den Versuch die Formulierung der Theorie auf einer Vorabdefinition von beobachtbaren Phänomene aufzubauen, betrachte ich als undurchführbar. "Beobachtbar" ist ein viel zu unscharfer Begriff dafür. Welche Phänomene auf welche Art beobachtbar sind, ergibt sich erst aus dem Verständnis und der Anwendung der bestehenden Theorie.
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Beitrag twb8t5 Verfasst am: 25. Sep 2019 16:46    Titel: Antworten mit Zitat

Da die Erkenntnistheorie (Epistemologie) und Wissenschaftstheorie Bereiche der Philosophie sind, ist sie für alle (Wissenschaftler) relevant.
Ich habe zwar schon recht clevere Philosoph(inn)en getroffen, aber eine Unterhaltung war eigentlich nur frustrierend. Die leben in ihrer ganz eigenen Welt und drehen sich seit hunderten von Jahren um sich selbst. Ich habe ein ganz anderes Weltbild. Für mich ist die Philosophie tot und vollständig in den Wissenschaften aufgegangen.
Um 1900 wurden einige sehr wichtige Erkenntnisse veröffentlicht die heute die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens sind.
D. Hume, I. Kant, Hegel, E. Mach, L. Wittgenstein, K. Gödel haben Beiträge geleistet.
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Beitrag TomS Verfasst am: 26. Sep 2019 01:54    Titel: Antworten mit Zitat

Es gibt durchaus Philosophen, die sich ernsthaft mit Naturphilosophie etc. befassen, Physik tatsächlich verstehen und von Physikern ernstgenommen werden - u.u.; man muss aber ziemlich lange nach ihnen suchen.
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Beitrag twb8t5 Verfasst am: 26. Sep 2019 12:30    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Es gibt durchaus Philosophen, die ...

Ist ja lieb von Dir, dass Du das sagst.
Aber
"Hitler hat ja nicht nur schlechtes getan."
"Nicht alle Psychopathen werden zu Mördern."
Sind halt keine Argumente für ihren Gegenstand.
Und bevor jetzt ein mäßiger Verstand schreibt: "Hast Du gerade Philosophen mit Mördern verglichen?" Ja, kann schon sein, war aber nur Mittel zum Zweck. Und ja ich kenne Godwin's law und reductio ad hitlerum.
Philosophen kosten die Gesellschaft echtes Geld, was nur einmal ausgegeben werden kann.
Die besten "philosophischen" Werke der Neuzeit stammen von:
Neurobiologen, Physikern, Informatikern und sogar Ökonomen was nicht ausschließt, dass sie auch einen Titel in Philosophie haben.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 26. Sep 2019 21:14    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn du dich nicht damit befasst hast, dann solltest du auch nicht unbedingt eine Meinung dazu kundtun. Einige Bücher mit philosphischen Untersuchungen zur Physik - auch und insbs. von Philosophen:

https://www.amazon.de/Many-Worlds-Everett-Quantum-Reality/dp/0199655502

https://www.amazon.de/Emergent-Multiverse-Quantum-According-Interpretation/dp/0198707541/ref=sr_1_3?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&keywords=Wallace+quantum&qid=1569525432&s=books-intl-de&sr=1-3

https://www.amazon.de/Physics-Philosophy-Bernard-DEspagnat/dp/0691158061

https://www.amazon.de/Philosophie-Quantenphysik-Zentrale-Begriffe-Positionen/dp/3662542757/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&keywords=Lyre&qid=1569525063&s=books&sr=1-1

https://www.amazon.de/Philosophie-Physik-suhrkamp-taschenbuch-wissenschaft/dp/3518296337/ref=sxbs_sxwds-stvp?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&keywords=Philosophie+Physik&pd_rd_i=3518296337&pd_rd_r=52a215ab-b630-48a9-86a9-7581b4989308&pd_rd_w=S6LS5&pd_rd_wg=PkgGK&pf_rd_p=6d84c7ba-ae72-4e53-b9a4-5df18ccb370e&pf_rd_r=BAPRHAH3XRKMYTR89G2S&qid=1569525163&s=books

twb8t5 hat Folgendes geschrieben:

Die besten "philosophischen" Werke der Neuzeit stammen von:
Neurobiologen, Physikern, Informatikern und sogar Ökonomen was nicht ausschließt, dass sie auch einen Titel in Philosophie haben.

Was sind denn die „besten“ philosophischen" Werke der Neuzeit?

Zumindest die Neurobiologen zeichnet aus, dass sie zugleich auch die schlechtesten „philosophischen“ Bücher schreiben. Sokrates hätte sich gekugelt vor Lachen.

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Beitrag twb8t5 Verfasst am: 27. Sep 2019 15:37    Titel: Antworten mit Zitat

Offensichtlich basieren meine Aussagen nicht auf der Kenntnis der Gesamtheit der Publikationen, sondern auf einer zu vernachlässigen Menge. Ist aber egal für mein Argument.
Die von Dir angeführten Beispiele sind für mich Einzelfälle von Wissenschafts-Journalismus.
Was Beispiele angeht könnte ich jetzt zu den Themen Gegenbeispiele suchen:
Zum Thema Kausalität gibt es:
https://www.amazon.com/Causality-Reasoning-Inference-Judea-Pearl/dp/0521773628
Zu Quanteninterpretation, ...
http://users.ox.ac.uk/~mert2255/
Siehe: Papers in formal epistemology, Papers in philosophy of physics

In meiner Liste der bekannten Erkenntnis-Theoretiker habe ich John Locke ausgelassen, der ist schon älter aber zu wichtig um ihn nicht nachzutragen.

Zitat:
Was sind denn die „besten“ philosophischen" Werke der Neuzeit?


Solche die nützlich, wahr und wertvoll sind. Z.B. indem sie diskutieren was nützlich, wahr und wertvoll ist.
Solche Werke die sich mit der Realität beschäftigen und nicht mit undefinierten Fantasiebegriffen.

Ich empfinde die Bereiche Entscheidungstheorie, Spieltheorie, Ethik, Kausalität, Emergenz, Erkenntnistheorie und Wissenschaftstheorie als wichtig.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 27. Sep 2019 18:58    Titel: Antworten mit Zitat

Offenbar Geschmacksache.

War Platon deiner Meinung nach auch ein Einzelfall? Was ist dein Wissensstand bzgl. der modernen Physik?

Was ist denn deiner Meinung nach Realität und was wären undefinierte Fantasiebegriffe?

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Beitrag twb8t5 Verfasst am: 27. Sep 2019 20:07    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Offenbar Geschmacksache.

Wenn man gerne im Mittelalter lebt, ja.

Zitat:
War Platon deiner Meinung nach auch ein Einzelfall?

Nein, das war bevor die Philosophie sich 2000 Jahre Auszeit nahm um dann Wissenschaft hervorzubringen.

Zitat:
Was ist dein Wissensstand bzgl. der modernen Physik?

Ich habe eine gesunde Grundbildung die Atomphysik, Elektrodynamik und gewisse Aspekte der Quantenphysik einschließt.
Am einfachsten ist zu beantworten was ich nicht verstehe wo meine Grenzen sind:
Alles was im Atomkern los ist.
SRT mit Beschleunigung, z.B. auf Kreisbahnen.

Zitat:
Was ist denn deiner Meinung nach Realität und was wären undefinierte Fantasiebegriffe?

Gott, freier Wille, das Böse, Seele, Fügung, Vorsehung, Freiheit, Heiligkeit, Schöpfung, Allmacht, Trinität, Offenbarung, Karma, Menschenrechte, Mystik, ultimativer Sinn, ultimative Kausalität, natürliche Gerechtigkeit, Geister, Homöopathie, Erdstrahlen, Zombies, Fabelwesen, ...
und vieles Andere das ich nicht nennen kann, weil ich keine Wörter lerne die keine Bedeutung haben.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 27. Sep 2019 22:44    Titel: Antworten mit Zitat

Ich denke nicht, dass wir uns überhaupt auf eine gemeinsame Sprache einigen können.
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