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Stellenwert der Wellenfunktion - Schrödinger
 
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de_Broglie
Gast





Beitrag de_Broglie Verfasst am: 09. Jun 2015 12:26    Titel: Stellenwert der Wellenfunktion - Schrödinger Antworten mit Zitat

Hallo!

Ich habe jüngst das Buch "Auf der Suche nach Schrödingers Katze" gelesen. Darin macht der Autor keinen Hehl daraus, daß er Schrödingers Wellengleichung bzw. die quantenmechanische Darstellung eines Teilchens als Wellenfunktion eher kontraproduktiv sieht und z.B. Diracs Darstellung ohne Bezug zu klassischen physikalischen Bildern bevorzugt. Dazu habe ich Verständnisfragen:

Nach meinem Verständnis beschreibt die Schrödingergleichung das Verhalten von z.B. einem Elektron mittels Wahrscheinlichkeitsdichten, die sich Wellenartig verhalten. Diesen Wahrscheinlichkeitsdichten, die sich aus der Wellengleichung ergeben, wird keine physikalische Realtität zugesprochen, man liest mitunter, daß dort "nichts physikalisch schwingt".

Warum ist das so ? Am Beispiel gebundenes Elektron: Die Schrödingergleichung verarbeitet doch die Broglie Wellenbeziehung und somit indirekt auch die Wellenlänge mittels 2*Pi*r*p = n * h ==> 2*Pi*r = n * lambda. Hier habe ich doch eine physikalisch relevante Größe, die Wellenlänge "inside"?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18058

Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jun 2015 13:00    Titel: Antworten mit Zitat

Dazu sind mehrere Dinge zu sagen:


1) Die Schrödingergleichung angewandt auf Wellenfunktionen im Ortsraum lautet



Dabei steht rechts der Hamiltonoperator in Ortsraumdarstellung.

Die Schrödingergleichung für die darstellungsfreie Dirac-Notation lautet



Dabei steht rechts der darstellungsfreie Hamiltonoperator.

Die Wellenfunktion im Ortsraum folgt aus dem darstellungsfreien Ket gemäß



Die Wellenfunktion ist also lediglich die Projektion des Zustandes (des Kets) auf spezielle Basisvektoren, d.h. es handelt sich bei der Wellenfunktion um die "Komponenten" des Zustandsvektors bzgl. einer Basis.

Rein mathematisch ist die darstellungsfreie Form zunächst mal vorzuziehen, da sie weniger "Ballast" enthält.


2) Die Quantenmechanik enthält die Schrödingergleichung als eines ihrer Axiome. Ein weiteres Axiom lautet, dass die Zustände eines quantenmechanischen Systems durch normierte Vektoren in einem separablen Hilbertraum beschrieben warden. Separable Hilberträume haben abzählbar unendliche Basissysteme; die Ortsraumbasis ist jedoch überabzählbar. Man kann derartige Basissysteme verwenden, allerdings führt dies zu etwas komplizierter Mathematik (die nicht immer gerechtfertigt ist).


3) Da eine basisfreie Darstellung existiert, ist der Ortsraum zunächst mal durch nichts bevorzugt. Dass wir selbst "im Ortsraum leben" bzw. "den Ortsraum wahrnehmen" ist keine fundamentale Eigenschaft der QM, sondern bestimmter makroskopischer Systeme, unserer Interpretation oder unserer Anschauung

In anderen Darstellungen existiert tatsächlich keine "Schwingung"; in komplizierteren Systemen wie dem Wasserstoffatom kann man bereits nicht mehr von einer festen Wellenlänge sprechen.


4) Ganz generell ist es so, dass jedes klassische bzw. anschauliche Bild der QM irgendwann an seine Grenzen stößt. Didaktisch ist m.E. ein eher abstrakter, unanschaulicher Zugang vorzuziehen; andernfalls läuft man Gefahr,ständig über die Probleme des Bildes zu reden, nicht über die tatsächlich physikalischen Probleme.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
de_Broglie
Gast





Beitrag de_Broglie Verfasst am: 09. Jun 2015 13:47    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo TomS, Danke für Deine ausführliche Antwort.

TomS hat Folgendes geschrieben:
In anderen Darstellungen existiert tatsächlich keine "Schwingung"; in komplizierteren Systemen wie dem Wasserstoffatom kann man bereits nicht mehr von einer festen Wellenlänge sprechen.


Diese Aussage irritiert mich, ich dachte bisher eigentlich, daß gerade bei Wasserstoff(ähnlichen) Atomen mit nur einem Elektron die Wellenlänge des Elektrons über das Wirkungsquantum mittels der de Broglie-Beziehung angegeben werden kann. Diese Berechnung mittels einer nennen wir es mal physikalisch relevanten Wellenlänge führt doch direkt zu den Absorptionslinien des Wasserstoffs. Mit anderen Worten, wenn diese "Materiewellen Elektron" sich nicht wie



verhalten würde, dann wäre es doch garnicht möglich gewesen, die Absorptionslinien des Wasserstoff zu berechnen. "Irgendetwas" scheint doch dann da zu wellen, auch wenn es unserer Darstellung bzw. Wahrnehmung nicht direkt zugänglich zu sein scheint ...
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18058

Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jun 2015 18:16    Titel: Antworten mit Zitat

1) Diese Herleitung des Wasserstoffspektrums funktioniert ausschließlich für ein-Elektronen-Systeme und für nichts anderes; bereits für Helium wird das völlig unbrauchbar

2) Die Wellenfunktion für das Wasserstoffatom ist ein deutlich komplizierteres Gebilde ohne eindeutige Wellenlänge

http://media-3.web.britannica.com/eb-media/83/5683-004-1BA01A0E.jpg

3) Es ist möglich (wenn auch mathematisch sehr anspruchsvoll) das Spektrum des Wasserstoffatoms ohne Rückgriff auf eine Wellenfunktion / Schwingung / ... zu berechnen

Es sagt ja niemand, dass das Konzept einer Wellenfunktion falsch wäre; es ist nur nicht fundamental.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
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