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Wie "kommunizieren" zwei Dauermagnete elektromag.? - Seite 3
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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
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Beitrag index_razor Verfasst am: 09. Jul 2022 11:33    Titel: Antworten mit Zitat

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:

Ich bleibe erstmal dabei, dass die Realität nicht unbedingt eine mathematische Struktur sein muss, wenn man die Mathematik nur als Werkzeug zur Vorhersage für Phänomene betrachtet (in de Physik). Das sollte ja eigentlich widerspruchsfrei sein.


Aber mein Argument ist vollkommen indifferent in Bezug auf die Frage, ob die Mathematik etwas anderes als ein Werkzeug zur Vorhersage von Phänomenen ist. Insofern sehe ich nicht wie du der Schlußfolgerung entkommst. Sofern die Vorhersage (und die Randbedingungen) mathematische Präzision aufweist und zutrifft, ist zumindest was du als "Phänomen" bezeichnest Teil einer mathematischen Struktur. Auch wenn du als Realität nur die Menge aller Phänomene ansiehst (wodurch auch immer "Phänomene" genau charaktersisiert sind), dann ist das -- unter den genannten Voraussetzungen -- immer noch eine mathematische Struktur.

Vielleicht interpretierst du etwas anderes in diese Aussage hinein als eigentlich gemeint ist.

Zitat:

Ich verstehe aber auch eure Haltung (ihr seid ja offensichtlich Realisten), wenn ihr sagt, dass sich die Realität mathematisch verhält (dass sie eins zu eins Mathematik ist, will ich nicht ganz akzeptieren, da sehe ich die Mathematik eher wie ein Schattenwurf).


Ich behaupte nicht, daß sich die Realität "mathematisch verhält". Mir ist gar nicht klar, was dies bedeuten soll, wenn nicht, daß mathematisch präzise Aussagen auf die Realität zutreffen.

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Beitrag Haudegen007 Verfasst am: 09. Jul 2022 12:11    Titel: Antworten mit Zitat

Ich glaube wir haben hier vielleicht einfach grundverschiedene Vorstellungen, ich kann auch mit dem positivistischen Standpunkt leben, dass man dazu nichts sagen kann....dass dein Standpunkt richtig sein kann, seh ich ein, aber er muss es nicht zwingend.
Aber so ist es halt mit philosophischen Themen;)
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
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Beitrag index_razor Verfasst am: 09. Jul 2022 12:26    Titel: Antworten mit Zitat

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
Ich glaube wir haben hier vielleicht einfach grundverschiedene Vorstellungen, ich kann auch mit dem positivistischen Standpunkt leben, dass man dazu nichts sagen kann


Und ich glaube du mißverstehst mich einfach. Meine Behauptung ist vollkommen vereinbar mit Positivismus. Darunter verstehe ich, daß nur empirisch verifizierbare Aussagen sinnvoll sind. Aber wenn sie sinnvoll sind, sind es Aussagen über irgendwas. Dieses Irgendwas ist die Realität. Wenn sie zudem mathematisch präzise sind, ist die Realität eine mathematische Struktur.

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TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jul 2022 12:43    Titel: Antworten mit Zitat

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
… ich kann auch mit dem positivistischen Standpunkt leben, dass man dazu nichts sagen kann …

Der Punkt, dass dies offensichtlich nicht zutrifft. Man kann sehr wohl etwas sagen, nämlich dass - im weitesten Sinn - auf die Natur oder Realität zutreffende mathematische Methoden existieren.

Demzufolge können Positivisten lediglich ihr Desinteresse an dieser Fragestellung äußern, müssen jedoch diese Fakten akzeptieren.

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Beitrag Haudegen007 Verfasst am: 09. Jul 2022 12:52    Titel: Antworten mit Zitat

Ja, aber da sehe ich die Mathematik als bloßes Werkzeug an. Das will ich auch gar nicht abstreiten.

Trotzdem ist für mich die Realität keine bloße Mathematik....[/quote]
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jul 2022 13:01    Titel: Antworten mit Zitat

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
Ja, aber da sehe ich die Mathematik als bloßes Werkzeug an. Das will ich auch gar nicht abstreiten.

Bei jedem Werkzeug darf die Frage gestattet sein warum es effizient funktioniert. Es gibt jedoch Physiker, die diese Fragestellung bei diesem Werkzeug als „unphysikalisch“ ablehnen - warum?

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
Trotzdem ist für mich die Realität keine bloße Mathematik....

Fühlt sich anders an, ich weiß. Aber hättest du auch ein streng logisches Argument?

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Beitrag Haudegen007 Verfasst am: 09. Jul 2022 13:10    Titel: Antworten mit Zitat

Hast du denn ein streng logisches Argument, dass es so ist? smile
Und falls ja, warum diskutieren denn Philosophen seit Ewigkeiten um das Thema?
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 09. Jul 2022 13:12    Titel: Antworten mit Zitat

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
Ja, aber da sehe ich die Mathematik als bloßes Werkzeug an.


Als was du die Mathematik ansiehst, spielt überhaupt keine Rolle für mein Argument.

Zitat:

Trotzdem ist für mich die Realität keine bloße Mathematik....


Die These war, daß die Realität eine mathematische Struktur ist. Ich kann bis jetzt keinerlei Einwand gegen mein Argument erkennen.

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Zuletzt bearbeitet von index_razor am 09. Jul 2022 13:15, insgesamt einmal bearbeitet
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 09. Jul 2022 13:13    Titel: Antworten mit Zitat

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
Hast du denn ein streng logisches Argument, dass es so ist? :)


Du hast eingangs ein Argument von mir zitiert, bist aber inhaltlich gar nicht darauf eingegangen.

EDIT: Um mich mal selbst zu kritisieren: Ich glaube die Hauptschwäche besteht in diesem Teil des Arguments

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Also kann man entweder gar keine sinnvollen und zutreffenden Aussagen über die Realität machen (dann wäre Wissenschaft vermutlich unmöglich)


Und zwar genauer gesagt in dem Teil in Klammern. Ich halte es für denkbar, aber äußerst unplausibel, daß die Wissenschaft nur falsche Aussagen produziert. Sie wäre dann möglich, verrät einem aber nichts über die Struktur der Realität.

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Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jul 2022 13:36    Titel: Antworten mit Zitat

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
Hast du denn ein streng logisches Argument, dass es so ist?

Nein natürlich nicht

Tanzen

Wobei – was genau erwartest du? Das ist irgendeine mathematische Beziehung gibt, halte ich für offensichtlich.

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Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jul 2022 13:40    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die These war, daß die Realität eine mathematische Struktur ist. Ich kann bis jetzt keinerlei Einwand gegen mein Argument erkennen.

Evtl. ist der Einwand die fehlende Präzisierung von „ist“.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 09. Jul 2022 13:49    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die These war, daß die Realität eine mathematische Struktur ist. Ich kann bis jetzt keinerlei Einwand gegen mein Argument erkennen.

Evtl. ist der Einwand die fehlende Präzisierung von „ist“.


Damit hat schon Clinton nicht besonders überzeugend versucht sich aus der Affäre zu ziehen. ;-)

https://www.youtube.com/watch?v=j4XT-l-_3y0

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Beitrag Haudegen007 Verfasst am: 09. Jul 2022 13:59    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
Hast du denn ein streng logisches Argument, dass es so ist? smile


Du hast eingangs ein Argument von mir zitiert, bist aber inhaltlich gar nicht darauf eingegangen.

EDIT: Um mich mal selbst zu kritisieren: Ich glaube die Hauptschwäche besteht in diesem Teil des Arguments

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Also kann man entweder gar keine sinnvollen und zutreffenden Aussagen über die Realität machen (dann wäre Wissenschaft vermutlich unmöglich)


Und zwar genauer gesagt in dem Teil in Klammern. Ich halte es für denkbar, aber äußerst unplausibel, daß die Wissenschaft nur falsche Aussagen produziert. Sie wäre dann möglich, verrät einem aber nichts über die Struktur der Realität.


Also ich habe immer die positivistische Sichtweise so verstanden: Die Wirtschaftswissenschaften liefern uns überprüfbare Aussagen zu Phänomenen, aber halt keine Aussage über die Struktur der Realität. Und die überprüfbar Aussagen können natürlich wahr oderfa falsch sein.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 09. Jul 2022 14:11    Titel: Antworten mit Zitat

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
Hast du denn ein streng logisches Argument, dass es so ist? :)


Du hast eingangs ein Argument von mir zitiert, bist aber inhaltlich gar nicht darauf eingegangen.

EDIT: Um mich mal selbst zu kritisieren: Ich glaube die Hauptschwäche besteht in diesem Teil des Arguments

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Also kann man entweder gar keine sinnvollen und zutreffenden Aussagen über die Realität machen (dann wäre Wissenschaft vermutlich unmöglich)


Und zwar genauer gesagt in dem Teil in Klammern. Ich halte es für denkbar, aber äußerst unplausibel, daß die Wissenschaft nur falsche Aussagen produziert. Sie wäre dann möglich, verrät einem aber nichts über die Struktur der Realität.


Also ich habe immer die positivistische Sichtweise so verstanden: Die Wirtschaftswissenschaften liefern uns überprüfbare Aussagen zu Phänomenen, aber halt keine Aussage über die Struktur der Realität.
Und die überprüfbar Aussagen können natürlich wahr oderfa falsch sein.


Diese Sichtweise ist tatsächlich nicht konsistent. Nochmal, wenn die Aussage wahr ist, dann gibt es etwas, das sie erfüllt. Dieses Etwas ist die Realität bzw. Teil der Realität.

(Um eine weitere potentielle logische Lücke zu schließen, nehme ich an, daß es unter den Aussagen auch Existenzbehauptungen gibt. Das ist bei allen Wissenschaften der Fall. Nur dann muß es tatsächlich irgendwas geben.)

Allerdings denke ich nicht, daß deine Beschreibung den Positivismus zutreffend charakterisiert. Es gab zwar offenbar sehr verschiedene positivistische Ansichten. Aber der gemeinsame Nenner scheint eher gewesen zu sein, daß empirische Verifizierbarkeit ein Sinnkriterium für Aussagen darstellt. Daß es mathematisch präzise und sinnvolle Aussagen gibt (egal nach welchem Kriterium) und daß einige davon wahr sind, ist aber eigentlich alles was mein Argument benötigt.

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Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jul 2022 16:09    Titel: Antworten mit Zitat

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
Also ich habe immer die positivistische Sichtweise so verstanden: Die Wirtschaftswissenschaften liefern uns überprüfbare Aussagen zu Phänomenen, aber halt keine Aussage über die Struktur der Realität.

Natürlich liefern sie Aussagen zur Realität, andernfalls wären sie völlig irrelevant und niemand würde sich dafür interessieren. Und wenn die mathematisch formulierten Aussagen über die Realität zutreffen, dann werde ich sie dort bestätigt finden. Was ist das, wenn keine Aussage über die Realität?

Wenn ich zum Beispiel das Verhalten von Marktteilnehmern mittels Agenten, Informationen und einer mathematischen Strategie der Agenten modelliere, und dieses Modell vollständig zutreffende Vorhersagen macht, dann wäre es Blödsinn, zu behaupten, das Modell würde nichts über die realen Marktteilnehmer und deren Strategie aussagen.

Wenn Agent F an die Agenten A1, A2 … pro Zeiteinheit eine deutlich kleinere Zahl L überträgt, und diese in der Folge dem Agenten W die Zahl Null, dann ist es doch sinnlos, zu behaupten, dies würde nicht den Aspekt der Realität beschreiben, dass eine Firma ihren Angestellten den Lohn kürzt und deswegen der Wirt pleite macht.

Welchen Wert sollte ein derartiges Modell haben, wenn die Wissenschaftler von vornherein jeden Realitätsbezug abstreiten? Der Wert eines derartigen Modells liegt doch gerade darin, dass es bestimmte Aspekte und Strukturen der Realität zutreffend beschreibt.

Das bedeutet natürlich nicht die Identität von Realität und mathematischem Modell. Aber es bedeutet mehr als die Entsprechung ausschließlich auf Ebene der Phänomene, denn die Entsprechung von F und Firma, A und Angestellte etc. ist nur der triviale Aspekt des Modells; der nicht-triviale ist die unsichtbare jedoch wirkmächtige Strategie der Agenten. Nur deswegen interessiert uns das Modell überhaupt, und nur deswegen befassen sich Wissenschaftler damit.

Konsequent zu Ende gedacht liefert der Positivismus in der Wissenschaft ungefähr die selben Trivialitäten wie „Malen nach Zahlen“ in der Kunst.

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Beitrag Haudegen007 Verfasst am: 09. Jul 2022 17:41    Titel: Antworten mit Zitat

@TomS und index_razor:

Wenn ich ehrlich bin habe ich langsam das Gefühl, gar nichts mehr zu verstehen. Alle meine Vorstellungen zum instrumentalistischen Zugang der Physik sind anscheinend falsch und die realistischen Interpretationen gefallen mir nicht (siehe viele Welten).
Am besten ist für mich wahrscheinlich Shut up and calculate. (Das meine ich durchaus ernst)
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jul 2022 17:58    Titel: Antworten mit Zitat

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
Alle meine Vorstellungen zum instrumentalistischen Zugang der Physik sind anscheinend falsch …

Nee. Du wirst lediglich damit konfrontiert, dass es eben ein schmaler Grat ist, auf dem sich die Instrumentalisten bewegen.

Und wahrscheinlich bin ich der falsche Gesprächspartner für eine vorurteilsfreie Erklärung.

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
… und die realistischen Interpretationen gefallen mir nicht (siehe viele Welten).

Das ist aber die falsche Reihenfolge.

Wenn du den Anspruch hast, dass Physik die Realität beschreibt, solltest du diesen nicht verwerfen, nur weil dir ein spezieller Ansatz nicht gefällt. Das war ja gerade der Streitpunkt zwischen Bohr und Einstein - und Bohr hat aufgegeben, hat sogar eine Art Schule *) gegründet, innerhalb der Aufgeben Pflicht war - Einstein nicht, und andere nach ihm wie Everett, Bohm, Bell … auch nicht.

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
Am besten ist für mich wahrscheinlich Shut up and calculate. (Das meine ich durchaus ernst)

Damit bist du nicht alleine. Fast alle Physiker verfolgen fast immer diesen Ansatz ;-)

*) er ist nicht wirklich programmatisch vorgegangen, aber in der Konsequenz war dies das Ergebnis

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 09. Jul 2022 18:02, insgesamt einmal bearbeitet
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 09. Jul 2022 18:01    Titel: Antworten mit Zitat

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich ehrlich bin habe ich langsam das Gefühl, gar nichts mehr zu verstehen.


Ich verstehe auch nichts mehr. Die Frage war doch, ob die Realität eine mathematische Struktur ist. Jetzt redest du plötzlich von realistischen Interpretationen der Quantenmechanik. Beides sind doch völlig unabhängige Fragen. Es kann durchaus sein, daß die Quantenmechanik keine realistische Beschreibung liefert und trotzdem kann die Realität eine mathematische Struktur sein; eben eine, die nicht homomorph zu den Modellen der Quantenmechanik ist.

Was die zweite Frage anbelangt, die MWI ist nicht die einzige realistische Interpretation. Ich persönlich finde diese Interpretation viel überzeugender.

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Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jul 2022 18:07    Titel: Antworten mit Zitat

Ich nicht, weil sie auf die grundsätzlichen und einfachen Fragen keine klaren Antworten liefert; diverse Diskussionen mit index_razor zeigen das - was nicht seine Schuld ist.
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Beitrag index_razor Verfasst am: 09. Jul 2022 18:15    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich nicht, weil sie auf die grundsätzlichen und einfachen Fragen keine klaren Antworten liefert; diverse Diskussionen mit index_razor zeigen das - was nicht seine Schuld ist.


Diese Diskussionen zeigen m.E. eher, daß du die Grundaussagen dieser Interpretation vollkommen mißverstanden hast. Du hast z.B. oft behauptet, sie würde im Widerspruch zur Dekohärenz stehen, bestimmte Komponenten der Dichtematrix ignorieren und die Wellenfunktion statistisch interpretieren. Alle diese Behauptungen sind grundfalsch. Ich kann nur sagen, daß mir die Antworten glasklar erscheinen, und deine Verständnisprobleme sind mir absolut unbegreiflich. Wir müssen uns wohl darauf einigen uneinig zu sein.

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Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jul 2022 19:02    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Diese Diskussionen zeigen m.E. eher, daß du die Grundaussagen dieser Interpretation vollkommen mißverstanden hast. Du hast z.B. oft behauptet, sie würde im Widerspruch zur Dekohärenz stehen, bestimmte Komponenten der Dichtematrix ignorieren und die Wellenfunktion statistisch interpretieren.

Weil ich zwar aus deinen Ausführungen herauslese, dass du diese Interpretation so verstehst, ich jedoch die Interpretation anders lese oder als unklar ansehe.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich kann nur sagen, daß mir die Antworten glasklar erscheinen, und deine Verständnisprobleme sind mir absolut unbegreiflich.

Mir erscheint das nicht klar - leider. Ich vermisse auch konkrete Beispiele, anhand derer die Interpretation ins Verhältnis zu anderen gesetzt wird. Und irgendwie habe ich den Eindruck, dass es vielen so geht, andernfalls wäre es unverständlich, dass sie ein Nischendasein fristet.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 09. Jul 2022 19:49    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Diese Diskussionen zeigen m.E. eher, daß du die Grundaussagen dieser Interpretation vollkommen mißverstanden hast. Du hast z.B. oft behauptet, sie würde im Widerspruch zur Dekohärenz stehen, bestimmte Komponenten der Dichtematrix ignorieren und die Wellenfunktion statistisch interpretieren.

Weil ich zwar aus deinen Ausführungen herauslese, dass du diese Interpretation so verstehst, ich jedoch die Interpretation anders lese oder als unklar ansehe.


Das kann ich akzeptieren. Der Behauptung sie würde klare Antworten nicht liefern, muß ich natürlich widersprechen. "Sie behauptet klare Antworten auf die grundsätzlichen und einfachen Fragen zu haben, die ich allerdings als unklar ansehe." wäre zumindest eine deutlich fairere Aussage gewesen.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich kann nur sagen, daß mir die Antworten glasklar erscheinen, und deine Verständnisprobleme sind mir absolut unbegreiflich.

Mir erscheint das nicht klar - leider. Ich vermisse auch konkrete Beispiele, anhand derer die Interpretation ins Verhältnis zu anderen gesetzt wird. Und irgendwie habe ich den Eindruck, dass es vielen so geht, andernfalls wäre es unverständlich, dass sie ein Nischendasein fristet.


Erstens kann das auch daran liegen, daß sie die Resultate zwar verstehen, aber trotzdem aus irgendwelchen (vielleicht unpublizierten) Gründen ablehnen. Zweitens ist Popularität kein besonders relevantes Kriterium. Drittens fristet schon das Interpretationsproblem selbst ein Nischendasein. Und viertens ist sie auch erst seit ein paar Jahren publiziert.

Außerdem scheint mir, daß du bis jetzt kaum ernsthaft Aufwand in das Verständnis investiert hast, sonst müßte dir zumindest absolut klar sein, worin sie sich von anderen Interpretationen unterscheidet. Die abstracts der ersten drei prepints enthalten sogar bullet points, die diese Unterschiede herausstreichen. Ob du diese Resultate dann für zutreffend hältst, ist natürlich eine andere Frage. Aber warum du solche Probleme hast, die bloßen Behauptungen zu verstehen, ist, wie gesagt, absolut unbegreiflich.

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Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jul 2022 22:37    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das kann ich akzeptieren. Der Behauptung sie würde klare Antworten nicht liefern, muß ich natürlich widersprechen. "Sie behauptet klare Antworten auf die grundsätzlichen und einfachen Fragen zu haben, die ich allerdings als unklar ansehe." wäre zumindest eine deutlich fairere Aussage gewesen.

Ok, gehe ich mit.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Außerdem scheint mir, daß du bis jetzt kaum ernsthaft Aufwand in das Verständnis investiert hast, sonst müßte dir zumindest absolut klar sein, worin sie sich von anderen Interpretationen unterscheidet. Die abstracts der ersten drei prepints enthalten sogar bullet points, die diese Unterschiede herausstreichen. Ob du diese Resultate dann für zutreffend hältst, ist natürlich eine andere Frage. Aber warum du solche Probleme hast, die bloßen Behauptungen zu verstehen, ist, wie gesagt, absolut unbegreiflich.

Das ist wohl das entscheidende Problem.

Die Bullet Points d.h. die Behauptungen sind klar, aber die Argumentation kommt aus meiner Sicht nicht zum jeweiligen Punkt.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Jul 2022 09:06    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Das ist wohl das entscheidende Problem.

Die Bullet Points d.h. die Behauptungen sind klar, aber die Argumentation kommt aus meiner Sicht nicht zum jeweiligen Punkt.


Das wird jetzt zwar wieder off topic (sorry dafür). Aber nehmen wir z.B. diesen Punkt über das Meßproblem:

"[The thermal interpretation] claims that the unmodeled environment influences the results enough to cause all randomness in quantum physics."

In diesem Beitrag (nicht die erste Diskussion zum Thema), sieht es so aus, als hättest du von dieser Behauptung noch nie etwas gehört. Du schlägst mir sogar vor sie selbst zu publizieren. Dieser Punkt ist dir also anscheinend entgangen (von der zugehörigen Argumentation mal ganz zu schweigen).

In derselben Diskussion bezeichnest du die Interpretation auch als "epistemisch", obwohl in den Preprints klar zu lesen ist, daß die q-Erwartungswerte und -Korrelationsfunktionen als "beables" aufzufassen sind.

"By definition, all functions of q-expectations are beables, and all beables arise in this way. This gives a clear formal meaning to the notion of existence, an ontology: In the thermal interpretation, something is said to exist, to be real, and to be objective – three ways of expressing the same –, if and only if it can be expressed in terms of beables only.", Foundations of quantum physics II. The thermal interpretation, S.9

Wie du diesen Abschnitt mißverstehen oder unklar finden konntest, weiß ich bis heute nicht.

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Beitrag TomS Verfasst am: 10. Jul 2022 09:20    Titel: Antworten mit Zitat

Soweit ich mich erinnern kann, war das Problem, dass das, was du mir dazu erklärt hast, nach meiner Auffassung so nicht in den Papers drin stand - zumindest nicht klar formuliert.

Ich hatte auch kein Problem mit den genannten Beables, sondern mit den nicht genannten, insbs. der Wellenfunktion bzw. dem Zustandsvektor selbst.

Ich kann mich auch an deine Auffassung zu Schrödingers Katze erinnern, die in einen eindeutigen Makro-Zustand übergehen soll (gut), was in den Papers so ebenfalls nie drin stand - zumindest nicht klar formuliert.

Wie gesagt, mein Hauptproblem ist, dass die thermische Interpretation durch ihren Autor zu wenig präzise verortet wird.

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Beitrag Haudegen007 Verfasst am: 10. Jul 2022 09:33    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

ich will doch noch einmal bezüglich der gestrigen Diskussion einhaken.

Ich habe mir noch einmal Gedanken dazu gemacht und den Wiki Artikel zu Tegmarks MUH gelesen. Gerade die MUH behauptet ja, dass alles was existiert, Mathematik ist. Mein Gedanke war einfach immer, dass die Physik die Materie mittels Mathematik beschreibt (oder Phänomene vorhersagt, wie man es halt für richtig hält). Das ist schon ein deutlicher Unterschied, wie ich finde. Kurzum, laut Tegmark ist alles Mathematik.

Das die Phänomene, die wir in der Physik beschreiben/vorhersagen können, in irgendeiner Form mathematisch strukturiert sind, kann ich nun akzeptieren. Tegmarks These, alles sei Mathematik, teile ich aber nicht.

Ist das jetzt immer noch inkonsistent zur Physik (jetzt mal unabhängig zur Interpretation der Physik)?
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
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Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Jul 2022 09:42    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich hatte auch kein Problem mit den genannten Beables, sondern mit den nicht genannten, insbs. der Wellenfunktion bzw. dem Zustandsvektor selbst.


"The beables of a physical system in the sense of Bell [4, p.41] are the linear functionals of its density operator ρ, called the state of the system, and any complex-valued function constructed from these.

[...]

As observed in 1927 by von Neumann [42, p.255] – who was the first to base quantum mechanics upon expectations rather than probabiilties –, the specification of all expectations determines the complete state (density operator) ρ. Thus every function of the state ρ can be rewritten (in any fixed picture) as a function of q-expectations, hence is a beable."
(S.8f)

Daraus folgt, daß der Zustand in einem fixen Bild (repräsentiert durch die triviale Funktion ) selbst ein beable ist. Das steht da so klar wie es nur möglich ist.

Zitat:

Ich kann mich auch an deine Auffassung zu Schrödingers Katze erinnern, die in einen eindeutigen Makro-Zustand übergehen soll (gut), was in den Papers so ebenfalls nie drin stand - zumindest nicht klar formuliert.


Aber das ist doch nur eine Umformulierung der gerade genannten Behauptung, daß die gesamte Zufälligkeit auf die unmodellierten Freiheitsgrade der Umgebung zurückzuführen ist.

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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 10. Jul 2022 09:50    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe auch wenig Probleme mit den Behauptungen, eher damit, ob und wie sie gezeigt werden.

Es mag ja an meiner eigenen Unzulänglichkeit liegen, aber letztlich bleibt bisher der „Aha-Effekt“ aus.

Ich hatte das mal in die Wiedervorlage verschoben um es irgendwann erneut anzugehen …

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Beitrag TomS Verfasst am: 10. Jul 2022 10:16    Titel: Antworten mit Zitat

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
Das die Phänomene, die wir in der Physik beschreiben/vorhersagen können, in irgendeiner Form mathematisch strukturiert sind, kann ich nun akzeptieren.

Das tut jeder Physiker.

Der Realist sagt jedoch zudem, dass eine unabhängig von dem ihm zugänglichen Phänomenen objektive Realität existiert. Und ein Physiker, der diese Einstellung hat, wird zudem behaupten, dass die Mathematik eben nicht ausschließlich ein Werkzeug zur Berechnung von Phänomenen ist, sondern dass die gewisse Aspekte dieser objektiven Realität zutreffend beschreibt.

Bsp. QCD: die SU(3) Eichsymmetrie ist in den Phänomenen der Kern- und Teilchenphysik praktisch völlig unsichtbar, dennoch würde der Realist behaupten, diese SU(3) Eichsymmetrie sei ein Aspekt der Realität (es gibt nicht den einen Realismus sondern verschiedene Spielarten).

Haudegen007 hat Folgendes geschrieben:
Tegmarks These, alles sei Mathematik, teile ich aber nicht.

Der Realist würde so etwas sagen wie gewisse Aspekte der objektiv gegebenen Realität werden durch mathematische Strukturen treu / isomorph / zutreffend beschrieben.

Tegmark sagt im wesentlichen, die Realität ist wesensidentisch mit einer mathematischen Struktur.

Am Beispiel oben: die SU(3) sei nicht nur - wie für den Realisten - eine Struktur, die zu bestimmten Aspekten der objektiv gegebenen Realität isomorph ist, sondern - nach Tegmark - die Realität ist identisch mit dieser SU(3) Eichtheorie (natürlich kann das für die SU(3) Eichtheorie nicht stimmen, da sie offensichtlich nicht alle Aspekte der Realität umfasst).

Tegmark hat natürlich das Problem, warum eine ganz bestimmte mathematische Struktur tatsächlich existiert, und was es überhaupt bedeutet, dass diese Struktur existiert. Diese Existenz kann ja nichts sein, was man als zusätzliche Eigenschaft einführt, es muss in der Struktur selbst bereits enthalten sein. Tegmark löst das Problem dadurch, dass er die physikalische und die mathematische Existenz ebenfalls identifiziert, d.h. eine mathematische Struktur existiert dann und nur dann, wenn sie konsistent ist, und genau dann ist sie auch physikalisch existent (was nichts anderes ist als mathematisch existent, die Unterscheidung wird sinnlos). Damit gelangt er zum Mathematischen Multiversum: die physikalische Realität ist wesensidentisch mit der Gesamtheit aller konsistenten mathematischen Strukturen.

(Ich hoffe, meine Erinnerung an das Buch ist einigermaßen zutreffend)

Das unterschreiben sicher nur wenige Physiker und Philosophen.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Jul 2022 11:04    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Tegmark hat natürlich das Problem, warum eine ganz bestimmte mathematische Struktur tatsächlich existiert, und was es überhaupt bedeutet, dass diese Struktur existiert. Diese Existenz kann ja nichts sein, was man als zusätzliche Eigenschaft einführt, es muss in der Struktur selbst bereits enthalten sein. Tegmark löst das Problem dadurch, dass er die physikalische und die mathematische Existenz ebenfalls identifiziert, d.h. eine mathematische Struktur existiert dann und nur dann, wenn sie konsistent ist, und genau dann ist sie auch physikalisch existent (was nichts anderes ist als mathematisch existent, die Unterscheidung wird sinnlos). Damit gelangt er zum Mathematischen Multiversum: die physikalische Realität ist wesensidentisch mit der Gesamtheit aller konsistenten mathematischen Strukturen.


Eine mathematische Struktur ist im wesentlichen eine Menge mit gewissen Relationen darauf. (So definiert es auch Tegmark.) Sie kann weder konsistent noch inkonsistent sein. Ich denke du verwechselst die Struktur mit der Theorie. Jede konsistente Theorie beschreibt eine mathematische Struktur. Die Struktur selbst beschreibt nichts, sondern ist das, was beschrieben wird.

Übrigens woher hast du das mit dem "wesensidentisch"? Ich habe gerade mal einen Blick in das paper zur MUH geworfen. Diese wird dort wie folgt formuliert: "Our external physical reality is a mathematical structure." Ich verstehe diese Aussage völlig analog zu, sagen wir: " ist eine stetige Funktion." Ich sage nicht "f ist wesensidentisch mit einer stetigen Funktion". Ich denke es geht in beiden Fällen nur um die korrekte Anwendung eines Prädikats: "ist stetig" im Falle von f und "ist eine mathematische Struktur" im Falle der Realität.

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Beitrag TomS Verfasst am: 10. Jul 2022 11:35    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Eine mathematische Struktur ist im wesentlichen eine Menge mit gewissen Relationen darauf. (So definiert es auch Tegmark.) Sie kann weder konsistent noch inkonsistent sein. Ich denke du verwechselst die Struktur mit der Theorie.

Die mathematische Struktur



auf den ganzen Zahlen ist inkonsistent und daher nicht existent.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Übrigens woher hast du das mit dem "wesensidentisch"?

Das ist lediglich eine Präzisierung des „ist“ und erschließt sich evtl. erst aus dem Buch.

https://www.zeit.de/wissen/2015-04/max-tegmark-unser-mathematisches-universum
Zitat:
M.T.: Die radikalste und kontroverseste Idee in meinem Buch ist, dass unser Universum eine mathematische Struktur ist und nur mathematische Eigenschaften hat.
Z.: Was Sie bisher gesagt haben, kann man auch Semantik nennen: ob die Mathematik die physikalische Welt beschreibt oder ob sie die physikalische Welt ist.


https://de.wikibrief.org/wiki/Mathematical_universe_hypothesis
Zitat:
Tegmarks MUH lautet: Unsere äußere physikalische Realität ist eine mathematische Struktur. Das heißt, das physikalische Universum wird nicht nur durch die Mathematik beschrieben, sondern ist Mathematik. Mathematische Existenz ist gleich physikalische Existenz, und alle mathematisch existierenden Strukturen existieren auch physikalisch..

(fett von mir)

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich sage nicht "f ist wesensidentisch mit einer stetigen Funktion".

Weil das eine triviale Aussage ist.

Tegmark sagt nicht, dass es hier etwas Seiendes gibt (Universum, Stoff, Eigenschaften, Relationen …) und dort eine mathematische Struktur, die dieses Seiende vollumfänglich und konsistent beschreibt, sondern dass dieses Seiende mit der mathematischen Struktur identisch ist. Es existiert nichts außer dieser mathematischen Struktur, kein weiterer Stoff, kein unabhängiges Sein … So lese ich sein Buch, und das ist letztlich die einzig spannende Aussage überhaupt; deswegen hebe ich sie entsprechend hervor.

Deine Aussage über die stetige Funktion bleibt im Rahmen der Mathematik und dürfe philosophisch unstrittig sein. Die Aussage von Tegmark ist dagegen ziemlich radikal, da sie nicht nur einen Bezug zwischen physikalischer Existenz und mathematischer Beschreibung herstellt, sondern beides identifiziert.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Jul 2022 11:58    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Eine mathematische Struktur ist im wesentlichen eine Menge mit gewissen Relationen darauf. (So definiert es auch Tegmark.) Sie kann weder konsistent noch inkonsistent sein. Ich denke du verwechselst die Struktur mit der Theorie.

Die mathematische Struktur



auf den ganzen Zahlen ist inkonsistent und daher nicht existent.


Du mißverstehst den Begriff "mathematische Struktur". ist keine mathematische Struktur, sondern eine Aussage mit drei freien Variablen. Die Aussage selbst ist auch nicht inkonsistent, sondern lediglich nicht durch drei natürliche Zahlen (mit den üblichen Symbolen "+" und "1") erfüllbar. (Es gibt aber andere Modelle, die sie erfüllen.) Die natürlichen Zahlen selbst sind eine mathematische Struktur. Aber es ist sinnlos zu behaupten die natürlichen Zahlen seien konsistent.

Nochmal, eine mathematische Struktur ist eine Menge mit Relationen. In Tegmarks Worten: "A mathematical structure is precisely this: abstract entities with relations between them." Siehe auch Mathematical structure: "In mathematics, a structure is a set endowed with some additional features on the set (e.g. an operation, relation, metric, or topology).

Es ist absolut sinnlos von der Konsistenz oder Inkonsistenz einer Menge zu reden, außer es handelt sich um eine Menge von Aussagen in einer formalen Sprache.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Übrigens woher hast du das mit dem "wesensidentisch"?

Das ist lediglich eine Präzisierung des „ist“ und erschließt sich evtl. erst aus dem Buch.


Oh, ich habe das ehrlich gesagt für einen Scherz gehalten. Redet Tegmark wirklich irgendwo von einer Präzisierung von "ist" mittels "wesensidentisch"? Deine Zitate lassen m.E. auch meine Lesart zu.

Zitat:

Deine Aussage über die stetige Funktion bleibt im Rahmen der Mathematik und dürfe philosophisch unstrittig sein.


Darum ging es mir nicht. Es ging mir darum, daß die MUH die Form "x ist Y" hat. Je nachdem was ich hier für x und Y einsetze, bekomme ich natürlich mal philosophisch radikale Thesen, mal philosophisch unsinnige Thesen und mal mathematisch vollkommen triviale Thesen. Aber keine These behauptet m.E. irgendwas von "wesensidentisch". Sie alle behaupten nur, daß das Prädikat "ist Y" auf x zutrifft.

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Beitrag TomS Verfasst am: 10. Jul 2022 12:15    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Du mißverstehst den Begriff "mathematische Struktur".

Nein.

Und du führst ja auch die richtige Quelle an:

Mathematical structure.

Darin findest du zig Beispiele für (konsistente) mathematische Strukturen. Und ja, es ist sinnlos, von der Konsistenz einer Menge zu reden, aber eine mathematische Struktur ist eben mehr als nur eine Menge.

Bsp.:

The set of real numbers has several standard structures:
An order: each number is either less or more than any other number.
Algebraic structure: there are operations of multiplication and addition that make it into a field.
A measure: intervals of the real line have a specific length, which can be extended to the Lebesgue measure on many of its subsets.
A metric: there is a notion of distance between points.
A geometry: it is equipped with a metric and is flat.
A topology: there is a notion of open sets.
There are interfaces among these:
Its order and, independently, its metric structure induce its topology.
Its order and algebraic structure make it into an ordered field.
Its algebraic structure and topology make it into a Lie group, a type of topological group.

Und natürlich kannst du da Inkonsistenzen oder untereinander unverträgliche Strukturen einbauen.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Übrigens woher hast du das mit dem "wesensidentisch"?

Das ist lediglich eine Präzisierung des „ist“ und erschließt sich evtl. erst aus dem Buch.
Oh, ich habe das ehrlich gesagt für einen Scherz gehalten. Redet Tegmark wirklich irgendwo von einer Präzisierung von "ist" mittels "wesensidentisch"? Deine Zitate lassen m.E. auch meine Lesart zu.

Ich habe sein Buch so verstanden, und viele andere wohl auch. Ich krame es gerne nochmal hervor.

Andersherum: ohne diese Identifizierung ist seine Idee ziemlich trivial.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Jul 2022 12:21    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Du mißverstehst den Begriff "mathematische Struktur".

Nein.


Doch, darüber besteht kein Zweifel. Du hast gerade eine Aussage als "mathematische Struktur" bezeichnet. Das ist ein Mißverständnis.

Zitat:

Und du führst ja auch die richtige Quelle an:

Mathematical structure.

Darin findest du zig Beispiele für (konsistente) mathematische Strukturen.


Darin finde ich Beispiele für mathematische Strukturen. Es ist sinnlos von einer "konsistenten" mathematischen Struktur zu reden.

Zitat:

Und ja, es ist sinnlos, von der Konsistenz einer Menge zu reden, aber eine mathematische Struktur ist eben mehr als nur eine Menge.


Das weiß ich. Es ist sinnlos von der Konsistenz einer Menge mit Relationen, also einer mathematishen Struktur, zu reden.

Zitat:

[Beispiele mathematischer Strukturen]
Und natürlich kannst du da Inkonsistenzen einbauen.


Nein, Inkonsistenzen kann man nur in Mengen von Aussagen einbauen. Zu einer Menge solcher Aussagen existiert keine mathematische Struktur, die sie erfüllt.

Dein eigenes Beispiel für eine Inkonsistenz bezog sich auf Aussagen, nicht auf Strukturen. (Leider war es kein Beispiel für eine inkonsistente Aussage). Kannst du mal genau erläutern was du unter einer Inkonsistenz verstehst und was eine inkonsistente Struktur sein soll?

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Beitrag TomS Verfasst am: 10. Jul 2022 12:31    Titel: Antworten mit Zitat

https://www.scientificamerican.com/article/is-the-universe-made-of-math-excerpt/#
Zitat:
I argue that it means that our universe isn’t just described by math, but that it is math in the sense that we’re all parts of a giant mathematical object …


https://nautil.us/life-is-a-braid-in-spacetime-1537/
Zitat:
That our universe is approximately described by mathematics
means that some but not all of its properties are mathematical. That it is
mathematical means that all of its properties are mathematical; that it has no
properties at all except mathematical ones.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 10. Jul 2022 12:49, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag TomS Verfasst am: 10. Jul 2022 12:49    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Kannst du mal genau erläutern was du unter einer Inkonsistenz verstehst und was eine inkonsistente Struktur sein soll?

Die Menge der natürlichen Zahlen mit den Peano-Axiomen ist eine mathematische Struktur. Wären die Peano-Axiome inkonsistent, so könnte man auch von einer „inkonsistenten mathematischen Struktur namens natürlicher Zahlen“ sprechen. Tatsächlich würde man aber wohl schlicht sagen, dass diese mathematische Struktur nicht existiert.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Mathematische_Struktur
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Peano-Axiome

Eine inkonsistente Aussage wie die o.g. wäre natürlich die Konsequenz der inkonsistenten Axiome.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Jul 2022 12:49    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
https://www.scientificamerican.com/article/is-the-universe-made-of-math-excerpt/#
I
Zitat:
argue that it means that our universe isn’t just described by math, but that it is math in the sense that we’re all parts of a giant mathematical object …


https://nautil.us/life-is-a-braid-in-spacetime-1537/
Zitat:
That our universe is approximately described by mathematics
means that some but not all of its properties are mathematical. That it is
mathematical means that all of its properties are mathematical; that it has no
properties at all except mathematical ones.


Ich habe beim Lesen dieser Auszüge immer noch den Eindruck, daß Tegmark exakt dasselbe meint wie ich, wenn ich sage, die Realität sei eine mathematische Struktur, nämlich daß "ist eine mathematische Struktur" auf die Realität genauso zutrifft wie auf etc. Nur sein Argument scheint ein völlig anderes zu sein.

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Beitrag TomS Verfasst am: 10. Jul 2022 12:56    Titel: Antworten mit Zitat

Der entscheidende Satz ist „That it [the universe] is mathematical means that all of its properties are mathematical; that it has no properties at all except mathematical ones.“

Welche Eigenschaften möchtest du der Welt, dem Sein, dem Universum nun zuschreiben? Was soll es anders sein als reine Mathematik? Was wäre Stoff, Geist, Wahrnehmung …?

Die einzig logische Konsequenz ist die vollständige Identität. Zumindest sehe ich keine andere Möglichkeit.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Jul 2022 13:00    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Kannst du mal genau erläutern was du unter einer Inkonsistenz verstehst und was eine inkonsistente Struktur sein soll?

Die Menge der natürlichen Zahlen mit den Peano-Axiomen ist eine mathematische Struktur.


Die Menge der natürlichen Zahlen ist eine mathematische Struktur, mit oder ohne Peano-Axiome. Die Peano-Axiome sind eine Menge von Aussagen, die von den natürlichen Zahlen erfüllt werden.

Zitat:

Wären die Peano-Axiome inkonsistent, so könnte man auch von einer „inkonsistenten mathematischen Struktur namens natürlicher Zahlen“ sprechen.


Wenn man davon spräche wäre das selbst eine falsche Aussage, da es tatsächlich keine solche Struktur gäbe. Sie wäre analog zu innerhalb der formalen Mengenlehre.

Zitat:

Tatsächlich würde man aber wohl schlicht sagen, dass diese mathematische Struktur nicht existiert.


Man würde sagen, die Peano-Axiome seien nicht erfüllbar oder "die Peano-Axiome besitzen kein Modell."

Zitat:

Eine inkonsistente Aussage wie die o.g. wäre natürlich die Konsequenz der inkonsistenten Axiome.


Deine Aussage besitzt ein Modell, sie ist also nicht inkonsistent. Es ist lediglich eine falsche Aussage über die natürlichen Zahlen.

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Zuletzt bearbeitet von index_razor am 10. Jul 2022 13:07, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Jul 2022 13:05    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Der entscheidende Satz ist „That it [the universe] is mathematical means that all of its properties are mathematical; that it has no properties at all except mathematical ones.“


Das trifft m.E. auf alle mathematischen Strukturen zu, ist also eine triviale Konsequenz aus der MUH selbst.

Zitat:

Welche Eigenschaften möchtest du der Welt, dem Sein, dem Universum nun zuschreiben? Was soll es anders sein als reine Mathematik? Was wäre Stoff, Geist, Wahrnehmung …?


Das sind dann alles Prädikate, Relationen und Funktionen in einer mathematischen Struktur.

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