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Schrödingers Katze kein Witz - Teil III
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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Feb 2021 17:07    Titel: Schrödingers Katze kein Witz - Teil III Antworten mit Zitat

Während des Schreibens wurde das Thema gesperrt. Deshalb habe ich ein neues aufgemacht.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Struktur des Zustandsvektors ist eindeutig und objektiv; das coarse-graining zur „Identifizierung der Zweigstruktur“ ist es m.E. nicht (so habe ich Wallace verstanden). Die Struktur des Zustandsvektors existiert, aber in wie weit man dies als Zweige auffasst, ist m.E. auch subjektiv. Warum zum Beispiel spurt man „die Umgebung“ aus? Weil man sich dafür entscheidet, dass sie irrelevant da subjektiv nicht beobachtbar ist.

Ich bin immer noch etwas verwundert darüber. Die Lösung des Katzenparadoxons laut MWI ist doch, daß sowohl eine tote, als auch eine lebendige Katze tatsächlich existieren. Wie kann das davon abhängen ob der Rest des Universums "irrelevant" oder "subjektiv nicht beobachtbar" ist?

Ich bin nicht sicher ob ich ihn richtig verstehe. Er sagt zumindest, daß die Zweige nicht "fundamental", aber trotzdem "real" seien. Damit spielt er auf ihre Emergenz an.

Und genau bis hierher sehe ich auch keine unterschiedlichen Auffassungen.

Wenn ich aus einer Ansammlung organischer Moleküle oder aus ihrer Repräsentation im Hilbertraum ableite, dass da ein Wald, ein Baum, ein Blatt oder eine Kapillare ist, dann ist dies einerseits subjektiv - wie genau schaue ich hin? - andererseits real, da ich nichts erfinde, was nicht schon da wäre.


Nein, das glaube ich nicht. Die Emergenz ist eine Relation zwischen Quantendynamik und klassischer Dynamik definiert auf S.54 oben. Wie kommst du darauf, daß das subjektiv ist? Dann müßte doch die Aussage "In diesem Gebüsch sitzt ein Tiger" auch subjektiv sein. Ein Tiger ist aber sein Beispiel für ein real existierendes, wenn auch emergentes Objekt, das unabhängig vom Beobachter da ist.


Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Und als das Hauptproblem für ihre reale Existenz scheint er das Phänomen der Interferenz anzusehen. Deswegen bringt er Dekohärenz ins Spiel. Ich schließe daraus, daß zumindest kohärente Überlagerungen von makroskopisch unterscheidbaren Zuständen, nicht zwei Welten instanziieren, sondern irgendwas anderes. Ich bin mir nicht sicher ob er irgendwo erklärt, was sie denn stattdessen instanziieren.

Ich habe Wallace nicht so verstanden, dass er das als Problem ansieht, sondern dass andere dies tun könnten.


Doch, das ist definitiv ein Problem. Auf S. 62 sagt er dazu folgendes: " It is crucial to note that in neither case -- not in electromagnetism, and not in quantum theory -- does the presence of multiplicity follow merely from linearity. [...]

In general, even in a theory with linear equations [...] adding together two states with a certain structure might cause those structures to overlap and cancel out, so the structure of the resultant state cannot just be read off from the structures of the components. Indeed, in both electromagnetism and quantum theory, the technical term for this 'cancelling out' is the same: interference"


Dann erklärt er weiter, daß dies im Falle der Katze allerdings keine Rolle spielt, da Dekohärenz die Interferenz zwischen tot und lebendig schnell vernichtet. Aber aus dem Zitat folgt doch, daß es ohne Dekohärenz diese objektiven Strukturen nicht gibt.

Zitat:

Wenn ich nicht ausspure, sehe ich in der mathematischen Struktur eben nicht „eine lebende und eine tote Katze“, weil ich eine Sichtweise annehme, die es mir nicht erlaubt, das zu sehen. Aber das ist kein Problem der MWI! Ich sehe nämlich auch ohne das Zerfallsexperiment nie eine Katze, auch keine eindeutige lebende - wenn ich nicht geeignet ausspure bzw. ungenau hinschaue.


Ja, schon, aber hier steckt noch ein zweites Problem. Mir ist klar, daß ich mikroskopische Freiheitsgrade "ignorieren" muß, um bestimmte makroskopische Objekte, wie Bäume und Katzen zu "sehen". Aber mikroskopisch heißt nicht in jeder Situation "irrelevant". Das Katzenparadoxon ist gerade so konstruiert, daß mindestens ein mikroskopischer Freiheitsgrad höchst relevant für die Zeitentwicklung des Systems ist. Wenn ich einfach über alle "mikroskopischen" Freiheitsgrade integrieren dürfte, dann bräuchte ich gar keine Umgebung. Ich muß im System Atom+Katze einfach nur über die Freiheitsgrade des Atoms integrieren. Dann erhalte ich sofort denselben dekohärenten Zustand aus zwei "emergenten" makroskopischen Katzen. Das ganze Dekohärenz-/Emergenzargument wäre völlig irrelevant.

Wenn du natürlich sagst, die Welten sind ohnehin "subjektiv" dann spielt dallerdings wohl keine Rolle. Aber mir kommt das zumindest etwas seltsam vor.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Und als daWallace beweist mit seiner Emergenz lediglich, daß man nicht alle objektiven Eigenschaften in den mikroskopischen Freiheitsgraden des Systems finden muß. Da stimme ich zu. Aber hilft mir das, das ganze Universum, und nicht nur ein Teilsystem daraus, als Linearkombination von klassischen Welten zu betrachten? Partielle Spurbildung ist für mich nicht dasselbe wie der Übergang zu makroskopischen Freiheitsgraden.

Alles klar - bis auf den letzten Satz.

Ich sehe schon eine gewisse Ähnlichkeit zum Ausintegrieren von mikroskopischen Freiheitsgraden, entweder auf Basis einer Längen- oder Energieskala, oder über andere Merkmale, also andere Unterräume des Hilbertraumes.


Ja, eine Ähnlichkeit sehe ich auch. Aber ich glaube das ganze Argument hilft mir bei der Interpretation nicht weiter. Wie entscheide ich denn normalerweise, welche Freiheitsgrade "irrelevant" sind? Danach, ob nach dem Ausintegrieren eine brauchbare makroskopische Theorie übrigbleibt. Die Frage, ob eine Theorie, welche superponierte tote und lebende Katzen vorhersagt, auch für makroskopische Objekte brauchbar ist, war aber mehr oder weniger das Ausgangsproblem.

Wallace dreht das einfach auf den Kopf und postuliert: "Superposition = Multiplizität" abgesehen von Detailproblemen, wie Interferenz. Diese Detailprobleme beseitigt Dekohärenz. Also scheinen alle Freiheitsgrade irrelevant zu sein, nach deren Ausintegration die Probleme nicht mehr vorhanden sind. Die Ausgangsthese "Superposition=Multiplizität" kann nicht für sich allein stehen. Das gibt Wallace selbst zu. Aber der logische Zusammenhang zu "emergenten" Phänomenen erschließt sich mir nicht. Es kommt mir wie ein Scheinargument vor.

P.S.: Sorry, für den unkreativen Thread-Titel.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Feb 2021 19:09    Titel: Re: Schrödingers Katze kein Witz Antworten mit Zitat

Nochmal zur Interferenz:

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Doch, das ist definitiv ein Problem.


Noch deutlicher wird das vielleicht im folgenden Kapitel 3.2. Dort erläutert er wie lokalisierte Wellenfunktionen (mit Hilfe eines geeigneten POVM) multiple klassische Phasenraumkurven instanziieren. Im Anschluß steht: "Notice that it is not merely the linearity of quantum mechanics which allows us to interpret superpositions as instantiating multiple structures. Rather, it is the disappearance of the interference terms [Anm: die Nichtdiagonalelemente des gewählten POVM] between the relevant terms in those superpositions."
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17902

Beitrag TomS Verfasst am: 10. Feb 2021 20:44    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Struktur des Zustandsvektors ist eindeutig und objektiv; das coarse-graining zur „Identifizierung der Zweigstruktur“ ist es m.E. nicht (so habe ich Wallace verstanden). Die Struktur des Zustandsvektors existiert, aber in wie weit man dies als Zweige auffasst, ist m.E. auch subjektiv. Warum zum Beispiel spurt man „die Umgebung“ aus? Weil man sich dafür entscheidet, dass sie irrelevant da subjektiv nicht beobachtbar ist.

Ich bin immer noch etwas verwundert darüber. Die Lösung des Katzenparadoxons laut MWI ist doch, daß sowohl eine tote, als auch eine lebendige Katze tatsächlich existieren. Wie kann das davon abhängen ob der Rest des Universums "irrelevant" oder "subjektiv nicht beobachtbar" ist?

Ich bin nicht sicher ob ich ihn richtig verstehe. Er sagt zumindest, daß die Zweige nicht "fundamental", aber trotzdem "real" seien. Damit spielt er auf ihre Emergenz an.

Und genau bis hierher sehe ich auch keine unterschiedlichen Auffassungen.

Wenn ich aus einer Ansammlung organischer Moleküle oder aus ihrer Repräsentation im Hilbertraum ableite, dass da ein Wald, ein Baum, ein Blatt oder eine Kapillare ist, dann ist dies einerseits subjektiv - wie genau schaue ich hin? - andererseits real, da ich nichts erfinde, was nicht schon da wäre.

Nein, das glaube ich nicht. Die Emergenz ist eine Relation zwischen Quantendynamik und klassischer Dynamik definiert auf S.54 oben. Wie kommst du darauf, daß das subjektiv ist? Dann müßte doch die Aussage "In diesem Gebüsch sitzt ein Tiger" auch subjektiv sein. Ein Tiger ist aber sein Beispiel für ein real existierendes, wenn auch emergentes Objekt, das unabhängig vom Beobachter da ist.

Aber das ist doch kein Widerspruch.

Natürlich „ist“ da ein Tiger. Aber als Bakterium oder aus dem Fenster der ISS „siehst“ du ihn nicht. Dass der Tiger „da ist“, ist in der Observablen-Algebra und dem reinen Zustandsvektor kodiert; um das zu sehen bzw. um ihn herauszupräparieren, musst du geeignet hinschauen oder ausspuren.

Das Ausspuren erzeugt aber nicht erst den Tiger. Wenn du einen Zustand ohne Tiger hast, dann wird dir das „geeignete Hinschauen“ auch keinen zeigen; und wenn keine zugleich lebendige und tote Katze existiert, liefert dir das Ausspuren auch keine solche.


index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Und als das Hauptproblem für ihre reale Existenz scheint er das Phänomen der Interferenz anzusehen. Deswegen bringt er Dekohärenz ins Spiel. Ich schließe daraus, daß zumindest kohärente Überlagerungen von makroskopisch unterscheidbaren Zuständen, nicht zwei Welten instanziieren, sondern irgendwas anderes. Ich bin mir nicht sicher ob er irgendwo erklärt, was sie denn stattdessen instanziieren.

Ich habe Wallace nicht so verstanden, dass er das als Problem ansieht, sondern dass andere dies tun könnten.

Doch, das ist definitiv ein Problem. Auf S. 62 sagt er dazu folgendes: " It is crucial to note that in neither case -- not in electromagnetism, and not in quantum theory -- does the presence of multiplicity follow merely from linearity. [...]

In general, even in a theory with linear equations [...] adding together two states with a certain structure might cause those structures to overlap and cancel out, so the structure of the resultant state cannot just be read off from the structures of the components. Indeed, in both electromagnetismand quantum theory, the technical term for this 'cancelling out' is the same: interference"


Dann erklärt er weiter, daß dies im Falle der Katze allerdings keine Rolle spielt, da Dekohärenz die Interferenz zwischen tot und lebendig schnell vernichtet. Aber aus dem Zitat folgt doch, daß es ohne Dekohärenz diese objektiven Strukturen nicht gibt.

Ja, ohne Dekohärenz erhält man keine derartigen Strukturen; d.h. dass ohne Umgebung die Katze tatsächlich in einem kohärenten Superpositionszustand ist und bleibt.

" It is crucial to note that in neither case -- not in electromagnetism, and not in quantum theory -- does the presence of multiplicity follow merely from linearity [...] Indeed, in both electromagnetismand quantum theory, the technical term for this 'cancelling out' is the same: interference"

Ich denke, Wallace arbeitet sich hier an Scheinproblemen ab. „Multiplicity“ folgt durch Ausspuren und ist ein Artefakt. Wenn du zwei Kartoffeln in einem Topf Kartoffelbrei hast, dann findest du die auch nur, in dem du bestimmte Moleküle ausspurst; andernfalls siehst du lediglich einen Topf mit „kartoffelartigem Inhalt“.

Ich fand einige Überlegungen von Wallace eher unnötig; er möchte ziemlich krampfhaft den Begriff „many worlds“ verteidigen; das ist aber m.E. kein ontologisches sondern ein epistemisches Problem, und das hat er bereits durch die Dekohärenz gelöst, da braucht’s die vielen Wirte nicht.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Wenn ich nicht ausspure, sehe ich in der mathematischen Struktur eben nicht „eine lebende und eine tote Katze“, weil ich eine Sichtweise annehme, die es mir nicht erlaubt, das zu sehen. Aber das ist kein Problem der MWI! Ich sehe nämlich auch ohne das Zerfallsexperiment nie eine Katze, auch keine eindeutige lebende - wenn ich nicht geeignet ausspure bzw. ungenau hinschaue.

Ja, schon, aber hier steckt noch ein zweites Problem. Mir ist klar, daß ich mikroskopische Freiheitsgrade "ignorieren" muß, um bestimmte makroskopische Objekte, wie Bäume und Katzen zu "sehen". Aber mikroskopisch heißt nicht in jeder Situation "irrelevant". Das Katzenparadoxon ist gerade so konstruiert, daß mindestens ein mikroskopischer Freiheitsgrad höchst relevant für die Zeitentwicklung des Systems ist. Wenn ich einfach über alle "mikroskopischen" Freiheitsgrade integrieren dürfte, dann bräuchte ich gar keine Umgebung. Ich muß im System Atom+Katze einfach nur über die Freiheitsgrade des Atoms integrieren. Dann erhalte ich sofort denselben dekohärenten Zustand aus zwei "emergenten" makroskopischen Katzen. Das ganze Dekohärenz-/Emergenzargument wäre völlig irrelevant.

Letzteres funktioniert nur, wenn du mit Zeiger-Zuständen a la von Neumann argumentierst. Die sind aber nur symbolhaft zu verstehen; sie werden als ein Freiheitsgrad modelliert, was sie nicht sind.

Die Dekohärenz stellt dagegen sicher, dass diese symbolhaften Zeiger-Zustände als so etwas wie makroskopische „Superselection sectors“ folgen.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wenn du natürlich sagst, die Welten sind ohnehin "subjektiv" dann spielt dallerdings wohl keine Rolle. Aber mir kommt das zumindest etwas seltsam vor.

Ja, sie sind in gewisser Weise subjektiv, weil wir die für uns irrelevanten Freiheitsgrade ausspuren.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wallace beweist mit seiner Emergenz lediglich, daß man nicht alle objektiven Eigenschaften in den mikroskopischen Freiheitsgraden des Systems finden muß. Da stimme ich zu. Aber hilft mir das, das ganze Universum, und nicht nur ein Teilsystem daraus, als Linearkombination von klassischen Welten zu betrachten? Partielle Spurbildung ist für mich nicht dasselbe wie der Übergang zu makroskopischen Freiheitsgraden.

Alles klar - bis auf den letzten Satz.

Ich sehe schon eine gewisse Ähnlichkeit zum Ausintegrieren von mikroskopischen Freiheitsgraden, entweder auf Basis einer Längen- oder Energieskala, oder über andere Merkmale, also andere Unterräume des Hilbertraumes.

Ja, eine Ähnlichkeit sehe ich auch. Aber ich glaube das ganze Argument hilft mir bei der Interpretation nicht weiter. Wie entscheide ich denn normalerweise, welche Freiheitsgrade "irrelevant" sind? Danach, ob nach dem Ausintegrieren eine brauchbare makroskopische Theorie übrigbleibt. Die Frage, ob eine Theorie, welche superponierte tote und lebende Katzen vorhersagt, auch für makroskopische Objekte brauchbar ist, war aber mehr oder weniger das Ausgangsproblem.[

Das ist eine gute Frage. Ich hatte oben schon mal geschrieben, dass es schwierig ist, jedes Problem der Dekohärenz über den Zaun zu werfen.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wallace dreht das einfach auf den Kopf und postuliert: "Superposition = Multiplizität" abgesehen von Detailproblemen, wie Interferenz. Diese Detailprobleme beseitigt Dekohärenz. Also scheinen alle Freiheitsgrade irrelevant zu sein, nach deren Ausintegration die Probleme nicht mehr vorhanden sind. Die Ausgangsthese "Superposition=Multiplizität" kann nicht für sich allein stehen. Das gibt Wallace selbst zu. Aber den logischen Zusammenhang zu "emergenten" Phänomenen erschließt sich mir nicht. Es kommt mir wie ein Scheinargument vor.

Ich muss das nochmal lesen. Ich fand die Ausführung zu wenig fokussiert; vieles halte ich für rein technisch, die wesentlichen Punkte gegen manchmal unter.

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TomS
Moderator


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Beiträge: 17902

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Feb 2021 08:57    Titel: Re: Schrödingers Katze kein Witz Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Noch deutlicher wird das vielleicht im folgenden Kapitel 3.2. Dort erläutert er wie lokalisierte Wellenfunktionen (mit Hilfe eines geeigneten POVM) multiple klassische Phasenraumkurven instanziieren. Im Anschluß steht: "Notice that it is not merely the linearity of quantum mechanics which allows us to interpret superpositions as instantiating multiple structures. Rather, it is the disappearance of the interference terms [Anm: die Nichtdiagonalelemente des gewählten POVM] between the relevant terms in those superpositions."

Ist es nicht einfach so, dass man ohne das Verschwinden der Interferenzterme nicht von „multiple“ sprechen könnte? Solange die Katze in einem kohärenten Zustand ist entspricht dies eben tatsächlich dieser einen Superposition „lebendig und tot“; erst die Dekohärenz erlaubt uns eine Sicht auf den Zustand, in dem tatsächlich zwei Katzen (bzw. vollständige Zweige) erscheinen - eine lebendig und eine tot - und „stabil separiert“ bleiben.

Könnten wir die Umgebungsfreiheitsgrade im Experiment kontrollieren, wäre es möglich, die beiden Katzen zusammen mit der Umgebung wieder in den Superpositionszustand zu überführen.

Ich glaube nicht, dass es da wirklich ein Problem gibt.

Ich denke die eigentliche Problematik hast du zum Ende des letzten Beitrags angesprochen: da das Erscheinen zweier Katzen m.M.n. ein subjektives Element enthält - für wen erscheinen diese beiden Katzen und unter Ausspuren welcher Freiheitsgrade? - ist zu klären, wie das Gesamtexperiment „Katze + Geräte + Umgebung + Beobachter“ die Freiheitsgrade determiniert, die auszuspuren sind, damit der Beobachter sieht, was er sieht. Es kann nicht sein, dass man im Experiment etwas beobachtet und anschließend versucht, die Freiheitsgrade zu identifizieren, deren Ausspuren die Beobachtung reproduziert.

Die Dekohärenz muss demnach „robust“ bzgl. des Setups und der Wahl der Freiheitsgrade sein. Es hilft nicht, dass nur ganz bestimmte Systeme und Subsysteme nach Ausspuren dies leisten; gefordert ist ein praktisch universell gültiger Mechanismus.

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Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
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Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Feb 2021 13:07    Titel: Antworten mit Zitat

Treffen diese Erörterungen hier das Wesen der Schrödinger Katze? Ich denke nicht.
Es geht darum, wie man Überlagerungszustände real interpretieren soll.
Dekohärenz und POVM (als Erweiterung von Neumannscher Projektionen) mögen wichtig sein, um zu erklären, wie wir zu klassischen Zuständen gelangen. Aber das betrifft doch alle Interpretationen, nicht nur MWI. Das Messproblem besteht für alle Interpretationen.
Dass man auf die Idee kommt, die Katze sei "lebendig und tot", bedeutet (in einer Welt) einen Widerspruch zur klassischen Logik. Mit vielen Welten kann man sich insofern aus dem Sumpf ziehen, dass man nur "relative Zustände" zu einem Beobachter betrachtet, der dann eben in seiner Welt den Zustand der Messung auch in der Überlagerung als real interpretiert. Der Überlagerungszustand (im Formalismus der QM) ist dann real in vielen Welten. Aber auch hier muss die "Superselektion" erklärt werden.
Nach der "Kopenhagener Deutung" (in Anführungszeichen weil das ein eigentlich ein Sammelsurium ist) besteht nur das real, was wir messen, was die Messapparatur anzeigt. Das ist eine wesentlich positivistische Position. In dieser kann man über die Realität von Überlagerungszuständen nur insofern etwas real aussagen, als dass diese eben nicht klassischen Konzepten folgt.
Man kann auch mit (statistischen) Dichteoperatoren an die Sache rangehen, aber auch da kann man nur das real definieren, was man dann (statistisch) misst. "Auspuren" ist doch da kein Konzept, etwas über die Realität der quantenmechanischen Überlagerung auszusagen. Es beschreibt auch nur, was dann (in Übereinstimmung mit der Erfahrung) gemessen wird.
Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
Beiträge: 824

Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Feb 2021 14:07    Titel: Antworten mit Zitat

Ich füge für index_razor hinzu:
auch die "thermale Interpretation" der QM von Neumeier ist von letzter Kategorie.
Auch sie beruht auf statistischen Mittelwerten, erweitert das Konzept aber insofern, dass diese Statistik direkt dem Quantensystem zugeordnet werden kann, nicht nur der Messung. Aber sie sagt nichts darüber aus, was real am quantenmechanischen Überlagerungszustand ist. Nur dass dieses "Konzept" dann mit der Messung übereinstimmt.
Laie001
Gast





Beitrag Laie001 Verfasst am: 11. Feb 2021 14:23    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Treffen diese Erörterungen hier das Wesen der Schrödinger Katze? Ich denke nicht.
Es geht darum, wie man Überlagerungszustände real interpretieren soll.
Dekohärenz und POVM (als Erweiterung von Neumannscher Projektionen) mögen wichtig sein, um zu erklären, wie wir zu klassischen Zuständen gelangen. Aber das betrifft doch alle Interpretationen, nicht nur MWI. Das Messproblem besteht für alle Interpretationen.
Dass man auf die Idee kommt, die Katze sei "lebendig und tot", bedeutet (in einer Welt) einen Widerspruch zur klassischen Logik. Mit vielen Welten kann man sich insofern aus dem Sumpf ziehen, dass man nur "relative Zustände" zu einem Beobachter betrachtet, der dann eben in seiner Welt den Zustand der Messung auch in der Überlagerung als real interpretiert. Der Überlagerungszustand (im Formalismus der QM) ist dann real in vielen Welten. Aber auch hier muss die "Superselektion" erklärt werden.
Nach der "Kopenhagener Deutung" (in Anführungszeichen weil das ein eigentlich ein Sammelsurium ist) besteht nur das real, was wir messen, was die Messapparatur anzeigt. Das ist eine wesentlich positivistische Position. In dieser kann man über die Realität von Überlagerungszuständen nur insofern etwas real aussagen, als dass diese eben nicht klassischen Konzepten folgt.
Man kann auch mit (statistischen) Dichteoperatoren an die Sache rangehen, aber auch da kann man nur das real definieren, was man dann (statistisch) misst. "Auspuren" ist doch da kein Konzept, etwas über die Realität der quantenmechanischen Überlagerung auszusagen. Es beschreibt auch nur, was dann (in Übereinstimmung mit der Erfahrung) gemessen wird.

danke, in dem, was du hier fachlich fundiert beschreibst, finde ich auch meine dezidiert laienhaften Statements zu Theorie und Praxis bzgl. der QM in den Topics
#353553, #353559 (und anderen, vorangehenden)
wieder.
Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
Beiträge: 824

Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Feb 2021 14:29    Titel: Antworten mit Zitat

Laie001 hat Folgendes geschrieben:

danke, in dem, was du hier fachlich fundiert beschreibst, finde ich auch meine dezidiert laienhaften Statements zu Theorie und Praxis bzgl. der QM in den Topics
#353553, #353559 (und anderen, vorangehenden)
wieder.


Bitte, aber mit deiner Meinung kann ich mich nicht ganz identifizieren.
Wenn ich dich richtig verstehe, dann bringt die Physik nur einen "Formalismus" hervor, der zwar funktioniert, aber nichts wesentlich über Realität aussagt.
Da bin ich kontärer Meinung, die Formalismen der Physik zeigen uns, in welchem Rahmen wir "Realität" zu interpretieren haben. Du meinst wohl, die Quantenmechanik wäre so eine "temporäre" Formulierung, die später durch eine tiefere "Wahrheit" ersetzt würde. Dem kann ich nicht zustimmen, das Wesentliche der QM ist fix, im Kern wird sie fortbestehen, auch in umfassenderen Theorien. Die Natur ist einfach anders als man naiv denkt.
Laie001
Gast





Beitrag Laie001 Verfasst am: 11. Feb 2021 14:39    Titel: Antworten mit Zitat

ja, da bin ich anderer Meinung, für mich ist die QM zumindest unvollständig und daher im besten Falle temporär (gleiches gilt aber auch für die a/s RT). Ob dann irgendwann ein "Kern" weiterbesteht, ist zumindest fraglich, wir kennen ja die endgültige Theorie noch nicht. Aber auch dann sehe ich eine solche physikalische Theorie (mit anllem Vorbehalt, da wir sie ja noch nicht kennen) als reines Berechnungs-, Simulations- und Vorhersageinstrumentarium für die Realität an, die aber IMO immer noch grundlegend verschieden von der Realität sein wird - doch das wird bis dahin letzlich ungeklärt bleiben müssen.
Dennoch, immerhin stellt du mit dem Hinweis auf die Kopenhagener Deutungen eine für mich deutlich akzeptablere Interpretation von "Superpositionen" oder "Vielwelten" in Bezug zur Realität dar, als alles bislang im Paralleltopic geschriebene und behauptete.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17902

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Feb 2021 14:43    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Es geht darum, wie man Überlagerungszustände real interpretieren soll.
Dekohärenz und POVM (als Erweiterung von Neumannscher Projektionen) mögen wichtig sein, um zu erklären, wie wir zu klassischen Zuständen gelangen. Aber das betrifft doch alle Interpretationen, nicht nur MWI. Das Messproblem besteht für alle Interpretationen.

Zunächst mal betrifft es natürlich alle Interpretationen. Nur: da die Dekohärenz einen sehr speziellen Mechanismus darstellt, wie man zu klassisch erscheinenden Zuständen gelangt, ist man nach Anwendung der Dekohärenz nicht mehr in der Lage, ein einfaches Projektions- bzw. Kollapspostulat einzuführen; die Dekohärenz zeigt explizit, wie widersinnig dies ist.

Und nun scheidet sich die Spreu vom Weizen, denn die Art, wie man weiter vorgeht, unterscheidet sich maßgeblich:
A) MWI: mehrere klassisch erscheinende Zustände sind gleichzeitig real
B) andere no-collaps-Interpretationen: keine realistische Interpretation des Zustandes
C) Kollaps-Postulat trotz Dekohärenz: widersinnig

Damit starten zwar alle Interpretationen mit dem Messproblem, sie lösen es jedoch (mehr oder weniger) auf völlig unterschiedliche Art und Weise.

Die MWI hat schlichtweg kein Messproblem, da sie den Messprozesses als ganz normale Wechselwirkungen betrachtet, die aufgrund der Dekohärenz auch exakt das liefert, was wir beobachten. Man könnte sagen, die MWI ersetzt dieses bekannte Messproblem durch etwas völlig anderes.

Andere Interpretationen müssen eben anders argumentieren; siehe dazu insbs. das Maudlin-Trilemma "... three propositions which cannot all be accepted together
1) The state vector is a complete description of the state of a system
2) The state vector evolves according to a linear dynamic
3) All measurements have determinate outcomes"
das drei Lösungsansätze bereithält:

Eine nicht-realistische Interpretation (des Quantenzustandes) lässt (1) fallen. Z.B. besagt die Ensemble-I., dass die Wellenfunktion gerade nicht ein System sondern ein (gedachtes) Ensemble beschreibt. Die orthodoxe I. u.a. wie z.B. Bayesianismus behaupten, dass die Wellenfunktion nicht das System selbst, sondern unser Wissen (unsere Information) über das System beschreibt.

Die MWI lässt (3) fallen und behauptet, dass Messungen lediglich "Zweig-lokal" ein eindeutiges Ergebnis haben. Die Dekohärenz erklärt, wie das mathematisch folgt, d.h. warum tatsächlich Eigenwerte als Messwerte erscheinen.

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Dass man auf die Idee kommt, die Katze sei "lebendig und tot", bedeutet (in einer Welt) einen Widerspruch zur klassischen Logik.

Das hatten wir schon, und das ist so nicht richtig.

Die Aussage, das Photon sei “zugleich hier und 100 km weit entfernt” widerspricht ebenfalls der klassischen Auffassung, wie mehrfach diskutiert jedoch nicht der klassischen Logik, und kann formal identisch zu den Superpositionen im Falle der Katzen betrachtet werden: zwei sich klassisch ausschließende Eigenschaften können quantenmechanisch koexistieren, da sie in der Quantenmechanik nicht fundamental sondern auf mathematisch und logisch konsistente Art und Weise aus dem Formalismus abgeleitet werden können. Es ist logisch völlig einwandfrei, erscheint uns jedoch widersinnig.

Der Zustand



kann unter bestimmten Umständen als quantenmechanisch Beschreibung eines Systems aufgefasst werden, dem zugleich die klassischen Eigenschaften “a_1” und “a_2” zukommen.

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Mit vielen Welten kann man sich insofern aus dem Sumpf ziehen, dass man nur "relative Zustände" zu einem Beobachter betrachtet, der dann eben in seiner Welt den Zustand der Messung auch in der Überlagerung als real interpretiert. Der Überlagerungszustand (im Formalismus der QM) ist dann real in vielen Welten. Aber auch hier muss die "Superselektion" erklärt werden.

Klingt erst mal vernünftig, allerdings kann es sein, dass der Begriff "Superselektion" hier missverständlich ist; er hat eine präzise Bedeutung, die im Falle der Dekohärenz / MWI so nicht ganz passt; “environment-induced superselection”, kurz einselection ist nicht exakt das, was man sonst unter Superselektion versteht.

Superselektionsregeln besagen zum Beispiel, dass eine Superpositionen



aus zwei Zuständen unterschiedlicher Ladungen q_1 und q_2 nicht realisiert sein kann. Dies folgt im Gegensatz zu Selektionsregeln - daher der Name - nicht aus einer Symmetrie des Systems, sondern aus dessen Dynamik.

Im Falle der Dekohärenz folgt jedoch gerade nicht, dass eine Superposition aus “Zeiger weist nach oben” und “Zeiger weist nach unten” verboten ist; im Gegenteil, dies sogar eine Vorhersage der Dekohärenz.

Allerdings folgen sowohl aus den gewöhnlichen Superselektionsregeln als auch aus der Einselection sogenannte superselection sectors, die dynamisch entkoppeln: die beiden Unterräume des Gesamthilbertraumes “Zeiger weist nach oben” und “Zeiger weist nach unten” mischen bzw. interferieren nicht unter der Dynamik des Gesamthamiltonians, sie bleiben separat stabil. Daher ist - im Gegensatz zu normalen Superselektionsregeln - die Superposition zulässig, die anderen Sektoren bleiben jedoch unsichtbar.

Man kann die Dynamik des Systems nach Ausspuren in sehr guter Näherung durch





beschreiben.

rho steht für den reduzierten Dichteoperator nach Ausspuren, der Index S bezeichnet die Sektoren.

Soviel zum Thema environment-induced superselection.

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Nach der "Kopenhagener Deutung" (in Anführungszeichen weil das ein eigentlich ein Sammelsurium ist) besteht nur das real, was wir messen, was die Messapparatur anzeigt. Das ist eine wesentlich positivistische Position. In dieser kann man über die Realität von Überlagerungszuständen nur insofern etwas real aussagen, als dass diese eben nicht klassischen Konzepten folgt.

Nein, man kann zu Überlagerungszuständen nichts sagen, da man sie nicht misst, sie also nach einem positivistischen Verständnis nicht Element der rein durch Beobachtung definierten Realität sind, sondern lediglich ein mathematisches Instrument ohne direkten Realitätsbezug; daher wird diese Haltung auch als Instrumentalismus bezeichnet.

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Man kann auch mit (statistischen) Dichteoperatoren an die Sache rangehen, aber auch da kann man nur das real definieren, was man dann (statistisch) misst. "Auspuren" ist doch da kein Konzept, etwas über die Realität der quantenmechanischen Überlagerung auszusagen. Es beschreibt auch nur, was dann (in Übereinstimmung mit der Erfahrung) gemessen wird.

Dichteoperatoren im Kontext der MWI sind etwas speziell. Da die MWI davon ausgeht, dass jede Wechselwirkung einschließlich der Messung unitär ist, liegt immer ein reiner Zustand vor. Die Dichteoperatoren als nicht reine Zustände sind nicht fundamental, sie entstehen künstlich durch Ausspuren bestimmter Freiheitsgrade. Siehe oben das Beispiel mit dem Tiger: wenn dein Zustandsvektor alle Atome umfasst, die des Tigers, des Dschungels und der Luft, dann siehst du dem Zustandsvektor nicht an, dass er auch einen Tiger enthält. Um den Tiger zu finden, musst die die Freiheitsgrade des Dschungels und der Luft ausspuren.

Die Diskussion mit index_razor hat nun dazu geführt, dass eine offene Frage der MWI lautet, wie man aus der Dynamik des Gesamtsystems ableiten kann, welche Freiheitsgrade auszuspuren sind, damit der Tiger - oder die zwei Tiger - sichtbar werden. Aktuell sieht es so aus, als ob man dies es post einführt: da ich einen Tiger beobachte, spure ich entsprechend aus.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 11. Feb 2021 14:55, insgesamt 7-mal bearbeitet
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Feb 2021 14:44    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:

Nein, das glaube ich nicht. Die Emergenz ist eine Relation zwischen Quantendynamik und klassischer Dynamik definiert auf S.54 oben. Wie kommst du darauf, daß das subjektiv ist? Dann müßte doch die Aussage "In diesem Gebüsch sitzt ein Tiger" auch subjektiv sein. Ein Tiger ist aber sein Beispiel für ein real existierendes, wenn auch emergentes Objekt, das unabhängig vom Beobachter da ist.

Aber das ist doch kein Widerspruch.

Natürlich „ist“ da ein Tiger. Aber als Bakterium oder aus dem Fenster der ISS „siehst“ du ihn nicht. Dass der Tiger „da ist“, ist in der Observablen-Algebra und dem reinen Zustandsvektor kodiert; um das zu sehen bzw. um ihn herauszupräparieren, musst du geeignet hinschauen oder ausspuren.


Ich verstehe nicht worauf du hinaus willst. Da Wallace diese Strukturen ausdrücklich als objektiv real bezeichnet (z.B. auf S.50), wäre es zumindest ein Widerspruch zu seiner Behauptung, wenn sie nur "subjektiv" vorhanden wären (was immer das genau bedeutet). Du kannst natürlich gern etwas anderes behaupten als Wallace. Aber dann kannst du dich für die Existenz der Zweigstruktur m.E. nicht auf deren Emergenz berufen, wie Wallace das tut. Denn so wie er Emergenz definiert, liefert sie ein objektives Ergebnis.

Ob z.B. ein System, das nach dem Ausintegrieren übrig bleibt, irgendwelche zoologischen Theorien über Tigerverhalten erfüllt, ist sicher keine subjektive Frage. Und sie hat auch nichts damit zu tun, ob man Tiger vom Mond aus oder als Bakterie sehen kann.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Und als das Hauptproblem für ihre reale Existenz scheint er das Phänomen der Interferenz anzusehen. Deswegen bringt er Dekohärenz ins Spiel. Ich schließe daraus, daß zumindest kohärente Überlagerungen von makroskopisch unterscheidbaren Zuständen, nicht zwei Welten instanziieren, sondern irgendwas anderes. Ich bin mir nicht sicher ob er irgendwo erklärt, was sie denn stattdessen instanziieren.

Ich habe Wallace nicht so verstanden, dass er das als Problem ansieht, sondern dass andere dies tun könnten.

Doch, das ist definitiv ein Problem. Auf S. 62 sagt er dazu folgendes: " It is crucial to note that in neither case -- not in electromagnetism, and not in quantum theory -- does the presence of multiplicity follow merely from linearity. [...]

In general, even in a theory with linear equations [...] adding together two states with a certain structure might cause those structures to overlap and cancel out, so the structure of the resultant state cannot just be read off from the structures of the components. Indeed, in both electromagnetismand quantum theory, the technical term for this 'cancelling out' is the same: interference"


Dann erklärt er weiter, daß dies im Falle der Katze allerdings keine Rolle spielt, da Dekohärenz die Interferenz zwischen tot und lebendig schnell vernichtet. Aber aus dem Zitat folgt doch, daß es ohne Dekohärenz diese objektiven Strukturen nicht gibt.

Ja, ohne Dekohärenz erhält man keine derartigen Strukturen; d.h. dass ohne Umgebung die Katze tatsächlich in einem kohärenten Superpositionszustand ist und bleibt.


Jeder reine Zustand ist aber ein kohärenter Superpositionszustand von irgendwas. Eine lebendige Katze z.B.



Wenn man Interferenz ignorieren dürfte, könnte man also nicht zwischen einer klassischen Welt mit einer lebenden Katze und vier klassischen Welten mit je zwei lebenden und zwei toten Katzen unterscheiden. Daß Wallace dies als dringendes Problem ansieht, kann ich schon verstehen.

Sein Argument geht deshalb so: Der (eventuel hochentartete) Zustand instanziiert alle Eigenschaften einer lebenden Katze und reperäsentiert deshalb eine Welt mit einer lebenden Katze (als emergentem Objekt) darin. Sinngemäß dasselbe gilt für den Zustand .

Dann möchte er schließen: Der Zustand instanziiert also alle Eigenschaften einer toten Katze und alle Eigenschaften einer lebendigen Katze und repräsentiert deshalb jeweils eine Welt mit einer lebenden und eine andere Welt mit einer toten Katze. Das stimmt aber offensichtlich nur, wenn diese Eigenschaften nicht destruktiv miteinander interferieren. Ansonsetn instanziieren sie eventuell gar nichts oder etwas völlig anderes.

Zitat:

" It is crucial to note that in neither case -- not in electromagnetism, and not in quantum theory -- does the presence of multiplicity follow merely from linearity [...] Indeed, in both electromagnetismand quantum theory, the technical term for this 'cancelling out' is the same: interference"

Ich denke, Wallace arbeitet sich hier an Scheinproblemen ab. „Multiplicity“ folgt durch Ausspuren und ist ein Artefakt. Wenn du zwei Kartoffeln in einem Topf Kartoffelbrei hast, dann findest du die auch nur, in dem du bestimmte Moleküle ausspurst; andernfalls siehst du lediglich einen Topf mit „kartoffelartigem Inhalt“.


Kartoffeln haben aber physikalisch andere Eigenschaften als Kartoffelbrei, auch wenn sie aus denselben Molekülen bestehen. Das ist ein objektiver Fakt. Daher ist die Aussage "In diesem Topf befinden sich zwei Kartoffeln" eben nicht subjektiv.


Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Wenn ich nicht ausspure, sehe ich in der mathematischen Struktur eben nicht „eine lebende und eine tote Katze“, weil ich eine Sichtweise annehme, die es mir nicht erlaubt, das zu sehen. Aber das ist kein Problem der MWI! Ich sehe nämlich auch ohne das Zerfallsexperiment nie eine Katze, auch keine eindeutige lebende - wenn ich nicht geeignet ausspure bzw. ungenau hinschaue.

Ja, schon, aber hier steckt noch ein zweites Problem. Mir ist klar, daß ich mikroskopische Freiheitsgrade "ignorieren" muß, um bestimmte makroskopische Objekte, wie Bäume und Katzen zu "sehen". Aber mikroskopisch heißt nicht in jeder Situation "irrelevant". Das Katzenparadoxon ist gerade so konstruiert, daß mindestens ein mikroskopischer Freiheitsgrad höchst relevant für die Zeitentwicklung des Systems ist. Wenn ich einfach über alle "mikroskopischen" Freiheitsgrade integrieren dürfte, dann bräuchte ich gar keine Umgebung. Ich muß im System Atom+Katze einfach nur über die Freiheitsgrade des Atoms integrieren. Dann erhalte ich sofort denselben dekohärenten Zustand aus zwei "emergenten" makroskopischen Katzen. Das ganze Dekohärenz-/Emergenzargument wäre völlig irrelevant.

Letzteres funktioniert nur, wenn du mit Zeiger-Zuständen a la von Neumann argumentierst. Die sind aber nur symbolhaft zu verstehen; sie werden als ein Freiheitsgrad modelliert, was sie nicht sind.


Nein, die Zeigerzustände dürfen beliebig entartet sein. Das ändert am Resultat gar nichts. Dekohärenz bekomme ich, weil die Atomzustände orthogonal sind.
Qubit



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Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Feb 2021 15:06    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Nein, man kann zu Überlagerungszuständen nichts sagen, da man sie nicht misst, sie also nach einem positivistischen Verständnis nicht Element der rein durch Beobachtung definierten Realität sind, sondern lediglich ein mathematisches Instrument ohne direkten Realitätsbezug; daher wird diese Haltung auch als Instrumentalismus bezeichnet.


Genau das ist ja der Punkt hier. Dass Dekoheränz auch zu einer Modifikation eines "instantanen" Kollaps führen kann, oder dass "Superselektion" für dich dann aus einer Dynamik folgt, geschenkt. Darum geht es nicht.
Bei Schrödingers Katze geht es um die Realität des Überlagerungszustandes.
Qubit



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Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Feb 2021 15:09    Titel: Antworten mit Zitat

Laie001 hat Folgendes geschrieben:
ja, da bin ich anderer Meinung, für mich ist die QM zumindest unvollständig und daher im besten Falle temporär (gleiches gilt aber auch für die a/s RT). Ob dann irgendwann ein "Kern" weiterbesteht, ist zumindest fraglich, wir kennen ja die endgültige Theorie noch nicht. Aber auch dann sehe ich eine solche physikalische Theorie (mit anllem Vorbehalt, da wir sie ja noch nicht kennen) als reines Berechnungs-, Simulations- und Vorhersageinstrumentarium für die Realität an, die aber IMO immer noch grundlegend verschieden von der Realität sein wird - doch das wird bis dahin letzlich ungeklärt bleiben müssen.
Dennoch, immerhin stellt du mit dem Hinweis auf die Kopenhagener Deutungen eine für mich deutlich akzeptablere Interpretation von "Superpositionen" oder "Vielwelten" in Bezug zur Realität dar, als alles bislang im Paralleltopic geschriebene und behauptete.


Der Punkt ist hier:
Die wissenschaftlichen Theorien der Natur, hier die Quantenmechanik, lassen uns doch erst das definieren, was Natur da ist. Wie sonst willst du eine "reale" Theorie atomarer Bereiche ersinnen. Was dir in den Kram passt?
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Feb 2021 15:12    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Ich füge für index_razor hinzu:
auch die "thermale Interpretation" der QM von Neumeier ist von letzter Kategorie.
Auch sie beruht auf statistischen Mittelwerten, erweitert das Konzept aber insofern, dass diese Statistik direkt dem Quantensystem zugeordnet werden kann, nicht nur der Messung. Aber sie sagt nichts darüber aus, was real am quantenmechanischen Überlagerungszustand ist. Nur dass dieses "Konzept" dann mit der Messung übereinstimmt.


Das müßtest du genauer begründen. Die Intention der thermalen Interpretation ist definitiv eine andere.
Qubit



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Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Feb 2021 15:14    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Qubit hat Folgendes geschrieben:
Ich füge für index_razor hinzu:
auch die "thermale Interpretation" der QM von Neumeier ist von letzter Kategorie.
Auch sie beruht auf statistischen Mittelwerten, erweitert das Konzept aber insofern, dass diese Statistik direkt dem Quantensystem zugeordnet werden kann, nicht nur der Messung. Aber sie sagt nichts darüber aus, was real am quantenmechanischen Überlagerungszustand ist. Nur dass dieses "Konzept" dann mit der Messung übereinstimmt.


Das müßtest du genauer begründen. Die Intention der thermalen Interpretation ist definitiv eine andere.


Da würde ich gerne mal die Beweislast umkehren.
Was sagt sie mehr aus? smile
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Feb 2021 15:18    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Qubit hat Folgendes geschrieben:
Ich füge für index_razor hinzu:
auch die "thermale Interpretation" der QM von Neumeier ist von letzter Kategorie.
Auch sie beruht auf statistischen Mittelwerten, erweitert das Konzept aber insofern, dass diese Statistik direkt dem Quantensystem zugeordnet werden kann, nicht nur der Messung. Aber sie sagt nichts darüber aus, was real am quantenmechanischen Überlagerungszustand ist. Nur dass dieses "Konzept" dann mit der Messung übereinstimmt.


Das müßtest du genauer begründen. Die Intention der thermalen Interpretation ist definitiv eine andere.


Da würde ich gerne mal die Beweislast umkehren.
Was sagt sie mehr aus? :)


Zum Beispiel, daß q-Erwartungswerte objektive Eigenschaften von Quantensystemen sind. Das hat mit Messungen erstmal nichts zu tun.

P.S: Das haben wir übrigens schon mal an anderer Stelle diskutiert.


Zuletzt bearbeitet von index_razor am 11. Feb 2021 15:22, insgesamt einmal bearbeitet
Qubit



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Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Feb 2021 15:20    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Qubit hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Qubit hat Folgendes geschrieben:
Ich füge für index_razor hinzu:
auch die "thermale Interpretation" der QM von Neumeier ist von letzter Kategorie.
Auch sie beruht auf statistischen Mittelwerten, erweitert das Konzept aber insofern, dass diese Statistik direkt dem Quantensystem zugeordnet werden kann, nicht nur der Messung. Aber sie sagt nichts darüber aus, was real am quantenmechanischen Überlagerungszustand ist. Nur dass dieses "Konzept" dann mit der Messung übereinstimmt.


Das müßtest du genauer begründen. Die Intention der thermalen Interpretation ist definitiv eine andere.


Da würde ich gerne mal die Beweislast umkehren.
Was sagt sie mehr aus? smile


Zum Beispiel, daß q-Erwartungswerte objektive Eigenschaften von Quantensystemen sind. Das hat mit Messungen erstmal nichts zu tun.


Okay, aber der q-Erwartungswert ist ja das (auch objektiv) was man bei Messungen erwartet. Was sagt sie zur Realität des quantenmechanischen Überlagerzustandes aus?
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Feb 2021 15:24    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Zitat:

Zum Beispiel, daß q-Erwartungswerte objektive Eigenschaften von Quantensystemen sind. Das hat mit Messungen erstmal nichts zu tun.


Okay, aber der q-Erwartungswert ist ja das (auch objektiv) was man bei Messungen erwartet. Was sagt sie zur Realität des quantenmechanischen Überlagerzustandes aus?


Was soll sie darüber spezielles aussagen? q-Erwartungswerte kannst du in jedem Zustand ausrechnen. Und übrigens ist jeder reine Zustand ein Überlagerungszustand.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Feb 2021 15:24    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:

Nein, das glaube ich nicht. Die Emergenz ist eine Relation zwischen Quantendynamik und klassischer Dynamik definiert auf S.54 oben. Wie kommst du darauf, daß das subjektiv ist? Dann müßte doch die Aussage "In diesem Gebüsch sitzt ein Tiger" auch subjektiv sein. Ein Tiger ist aber sein Beispiel für ein real existierendes, wenn auch emergentes Objekt, das unabhängig vom Beobachter da ist.

Aber das ist doch kein Widerspruch.

Natürlich „ist“ da ein Tiger. Aber als Bakterium oder aus dem Fenster der ISS „siehst“ du ihn nicht. Dass der Tiger „da ist“, ist in der Observablen-Algebra und dem reinen Zustandsvektor kodiert; um das zu sehen bzw. um ihn herauszupräparieren, musst du geeignet hinschauen oder ausspuren.

Da Wallace diese Strukturen ausdrücklich als objektiv real bezeichnet (z.B. auf S.50), wäre es zumindest ein Widerspruch zu seiner Behauptung, wenn sie nur "subjektiv" vorhanden wären (was immer das genau bedeutet). Du kannst natürlich gern etwas anderes behaupten als Wallace. Aber dann kannst du dich für die Existenz der Zweigstruktur m.E. nicht auf deren Emergenz berufen, wie Wallace das tut. Denn so wie er Emergenz definiert, liefert sie ein objektives Ergebnis.

Ob z.B. ein System, das nach dem Ausintegrieren übrig bleibt, irgendwelche zoologischen Theorien über Tigerverhalten erfüllt, ist sicher keine subjektive Frage.

Wir stimmen hier fast vollständig überein.

Dass ein System nach geeignetem Ausintegrieren einen Tiger zeigt, ist ein objektiver Fakt. Ob ich ausintegriere oder nicht, und welche Freiheitsgrade ich ausintegriere, dagegen nicht. Wenn ich nicht ausintegriere, zeigt sich mir kein Tiger, das liegt jedoch nur daran, dass ich nicht ausintegriere d.h. nicht geeignet hinschaue, nicht jedoch daran, dass da nichts wäre, was einen Tiger konstituieren würde.

Wenn ich einen Zustandsvektor der QCD vor mir habe und ein Flüssigkeitsmodell für das GQP zur Anwendung bringen möchte, dann entscheide ich, die Gluonen auszuintegrieren. Damit kann ich z.B. die Viskosität berechnen und erkennen, dass eine Supraflüssigkeit vorliegt. Dass die Eigenschaften einer Supraflüssigkeit vorliegen, ist jedoch objektiv im Zustandsvektor gegeben, und es wird im Experiment bestätigt.

Insofern ist das für mich kein Hexenwerk, ich bin damit völlig zufrieden.

Im Gegenteil, ich denke, Wallace macht hier zu viele Worte um diesen eher einfachen Sachverhalt. Evtl. verschleiert er dadurch diese einfache Aussage, oder er hat eine in Nuancen andere Meinung - sei’s drum.


Ich sehe das Problem an einer anderen Stelle: wenn ich behaupte, dass jeder QCD-Zustandsvektor nach Ausintegrieren der Gluonen auf ein Modell führt, das mathematisch einer Supraflüssigkeit entspricht, dann wirst du zu Recht stutzig.

Etwas ähnliches geschieht jedoch im Falle der Anwendung der Dekohärenz im Kontext der MWI: es wird behauptet, dass jedes quantenmechanische System, das mit einem makroskopischen System wechselwirkt, nach Ausintegrieren geeigneter Freiheitsgrade auf mehrere voneinander entkoppelte klassische Modelle führt.

Das “jeder” ist eine sehr starke Aussage, das “geeignet” lässt die Frage offen, welche. Letzteres lässt die Tür für Subjektivität einen Spalt weit offen.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
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Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Feb 2021 15:29    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Qubit hat Folgendes geschrieben:
Zitat:

Zum Beispiel, daß q-Erwartungswerte objektive Eigenschaften von Quantensystemen sind. Das hat mit Messungen erstmal nichts zu tun.


Okay, aber der q-Erwartungswert ist ja das (auch objektiv) was man bei Messungen erwartet. Was sagt sie zur Realität des quantenmechanischen Überlagerzustandes aus?


Was soll sie darüber spezielles aussagen? q-Erwartungswerte kannst du in jedem Zustand ausrechnen. Und übrigens ist jeder reine Zustand ein Überlagerungszustand.


Ja, natürlich kann ich Erwartungswerte ausrechnen nach dem Formalismus.
Wozu brauche ich dann eine "thermale Interpretation"?
Sie ist überflüssig und bringt letztlich nicht mehr als die Messungen sagen.
Laie001
Gast





Beitrag Laie001 Verfasst am: 11. Feb 2021 15:43    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Der Punkt ist hier:
Die wissenschaftlichen Theorien der Natur, hier die Quantenmechanik, lassen uns doch erst das definieren, was Natur da ist. Wie sonst willst du eine "reale" Theorie atomarer Bereiche ersinnen. Was dir in den Kram passt?

Ich kenne keine bislang "reale Theorie", ich kenne nur simulierende mathematische Formelsysteme auf der einen und eine Realität der uns umgebenden Welt, in der Dinge erkennen, beobachten und messen können, auf der anderen Seite. Es gibt gewisse Entsprechungen zwischen berechneten Ereignissen in der Theorie und beobachteten/gemessenen Ereignissen in der Realität, aber sie sind nicht identisch miteinander und sie sind bislang auch nicht deckungsgleich. Bislang kann die QM oder eine andere Theorie auch nicht "definieren" was Natur ist, sie kann sich nur auf das beziehen und nur das beschreiben, was ihr/ihnen mit ihren Formalismen und Instrumentarien möglich ist. Wer weiß, ob sich das mal irgendwann ändern wird. Bislang aber keine Theorie aber die Realität noch nicht einmal annähernd vollständig beschreiben.
Daher trenne ich das, was an Superpositionen oder Kollapsen usw. von Zuständen in orthogonalen Vektorräumen möglich ist und was wie aufgelöst wird, von dem, was die Natur ist und in ihr ist.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Feb 2021 15:43    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Wir stimmen hier fast vollständig überein.

Dass ein System nach geeignetem Ausintegrieren einen Tiger zeigt, ist ein objektiver Fakt. Ob ich ausintegriere oder nicht, und welche Freiheitsgrade ich ausintegriere, dagegen nicht. Wenn ich nicht ausintegriere, zeigt sich mir kein Tiger, das liegt jedoch nur daran, dass ich nicht ausintegriere d.h. nicht geeignet hinschaue, nicht jedoch daran, dass da nichts wäre, was einen Tiger konstituieren würde.

Wenn ich einen Zustandsvektor der QCD vor mir habe und ein Flüssigkeitsmodell für das GQP zur Anwendung bringen möchte, dann entscheide ich, die Gluonen auszuintegrieren. Damit kann ich z.B. die Viskosität berechnen und erkennen, dass eine Supraflüssigkeit vorliegt. Dass die Eigenschaften einer Supraflüssigkeit vorliegen, ist jedoch objektiv im Zustandsvektor gegeben, und es wird im Experiment bestätigt.


Es ist für die betrachte Frage einfach nicht relevant, wie du zu deinem Flüssigkeitsmodell des QGP oder zu deinen zoologischen Theorien über Tiger kommst. Du kannst sie aus der QCD ableiten (durch coarse-graining oder was weiß ich) oder einfach postulieren. Entscheidend ist, daß diese Theorien objektive Fakten über "objectively real" Dinge beschreiben. Emergenz ist nur eine abstrakte und ebenso objektive Tatsache über das Verhältnis verschiedener Theorien. Sie erfordert nicht mal, daß die eine fundamentaler ist als die andere (obwohl das wahsrcheinlich der interessanteste Fall sein dürfte).

Zitat:

Insofern ist das für mich kein Hexenwerk, ich bin damit völlig zufrieden.


Mit diesem allgemeinen Teil bin ich auch völlig zufrieden. Wenn es um die Frage geht ob ein quantenmechanischer Zustand mehrere klassische Welten instanziiert bin ich im großen und ganzen allerdings weniger zufrieden mit dem Argument.

Zitat:

Im Gegenteil, ich denke, Wallace macht hier zu viele Worte um diesen eher einfachen Sachverhalt. Evtl. verschleiert er dadurch diese einfache Aussage, oder er hat eine in Nuancen andere Meinung - sei’s drum.


Die Anzahl der Worte ist für mich nicht das größte Problem. Ich finde die Ausgangsthese (Superposition=Multiplicity) nicht sehr plausibel. Und ich finde, daß sie nicht genügend untermauert wird.

Zitat:

Ich sehe das Problem an einer anderen Stelle: wenn ich behaupte, dass jeder QCD-Zustandsvektor nach Ausintegrieren der Gluonen auf ein Modell führt, das mathematisch einer Supraflüssigkeit entspricht, dann wirst du zu Recht stutzig.

Etwas ähnliches geschieht jedoch im Falle der Anwendung der Dekohärenz im Kontext der MWI: es wird behauptet, dass jedes quantenmechanische System, das mit einem makroskopischen System wechselwirkt, nach Ausintegrieren geeigneter Freiheitsgrade auf mehrere voneinander entkoppelte klassische Modelle führt.


Ja, aber es müssen nicht immer dieselben Welten sein. Insofern verstehe ich die Analogie nicht.


Zuletzt bearbeitet von index_razor am 11. Feb 2021 16:15, insgesamt 2-mal bearbeitet
index_razor



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Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Feb 2021 15:43    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Qubit hat Folgendes geschrieben:
Zitat:

Zum Beispiel, daß q-Erwartungswerte objektive Eigenschaften von Quantensystemen sind. Das hat mit Messungen erstmal nichts zu tun.


Okay, aber der q-Erwartungswert ist ja das (auch objektiv) was man bei Messungen erwartet. Was sagt sie zur Realität des quantenmechanischen Überlagerzustandes aus?


Was soll sie darüber spezielles aussagen? q-Erwartungswerte kannst du in jedem Zustand ausrechnen. Und übrigens ist jeder reine Zustand ein Überlagerungszustand.


Ja, natürlich kann ich Erwartungswerte ausrechnen nach dem Formalismus.
Wozu brauche ich dann eine "thermale Interpretation"?


Um dir zu sagen, was diese Erwartungswerte bedeuten. Sie bedeuten nämlich in der thermalen Interpretation nicht dasselbe, wie in der statistischen Interpretation. Insbesondere haben sie keinen direkten Bezug zu Meßwerten, da die Bornsche Regel in der thermalen Interpretation keine fundamentale Rolle spielt.

Zitat:

Sie ist überflüssig und bringt letztlich nicht mehr als die Messungen sagen.


Doch, eine Theorie darüber wie die Realität aussieht, auch wenn keiner mißt.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17902

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Feb 2021 15:44    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:

Nein, man kann zu Überlagerungszuständen nichts sagen, da man sie nicht misst, sie also nach einem positivistischen Verständnis nicht Element der rein durch Beobachtung definierten Realität sind, sondern lediglich ein mathematisches Instrument ohne direkten Realitätsbezug; daher wird diese Haltung auch als Instrumentalismus bezeichnet.


Genau das ist ja der Punkt hier.

Bei Schrödingers Katze geht es um die Realität des Überlagerungszustandes.

Ich sehe da kein Problem.

Als Positivist werde ich die MWI nicht anwenden, da sie mir neben mathematischem Ballast nur eine Antwort auf Fragen erlaubt, die ich als Positivist ohnehin nicht stelle; z.B.: “inwiefern kann die Quantenmechanik ein abgeschlossenes Quantensystem inklusive der Messung realistisch beschreiben?”

Als Realist überzeuge ich mich durch den Formalismus und die Beobachtungen, dass ich diese Frage teilweise beantworten kann: “die Everettsche Quantenmechanik erlaubt - maßgeblich gestützt durch die Erkenntnisse Dekohärenz - eine realistische Interpretation des Zustandsvektors, insbs. auch im Kontext von Messungen bzw. allgemein für makroskopische Systeme”. Und auf explizite Nachfrage: “ja, das schließt auch Zustände ein, die nach Ausspuren der unbeobachteten Umgebungsfreiheitsgrade auf zwei dynamisch entkoppelte Katzen führen, von denen eine tot und eine lebendig erscheint; im Falle einer realistischen Interpretation sind beide im o.g. Sinne real”.

Wichtig ist, dass nach Meinung der Vertreter der MWI diese Interpretation durch die Dekohärenz nahegelegt wird, jedoch keineswegs bewiesen. Diese realistische Interpretation ist eine metaphysische Position, die ich einnehmen kann, die ich jedoch im Lichte der modernen Physik reflektieren muss. Einstein wollte eine realistische Interpretation, ob er diese gewollt hätte, wissen wir leider nicht ;-)

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Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
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Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Feb 2021 15:51    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Doch, eine Theorie darüber wie die Realität aussieht, auch wenn keiner mißt.


Wie sieht dann die "Realität" nach der "thermalen Interpretation" für qm-Überlagerungszustände aus?

Werd mal konkret..
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Feb 2021 16:00    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:

Doch, eine Theorie darüber wie die Realität aussieht, auch wenn keiner mißt.


Wie sieht dann die "Realität" nach der "thermalen Interpretation" für qm-Überlagerungszustände aus?

Werd mal konkret..


Sie besteht aus Dingen (auf fundamentaler Ebene Quantenfelder) beschrieben durch einen Zustand , dessen Eigenschaften durch die Größen



quantifiziert werden. In der Einteilchenquantenmechanik nennen wir diese Dinge eben "Teilchen" und ihre Eigenschaften sind



Konkreter ist die klassische Mechanik auch nicht. Da sagen wir auch nicht mehr, als daß wir es mit Dingen zu tun haben, denen wir objektive Eigenschaften wie Ort und Impuls zuordnen können.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Feb 2021 16:05    Titel: Antworten mit Zitat

Laie001 hat Folgendes geschrieben:
Ich kenne keine bislang "reale Theorie", ich kenne nur simulierende mathematische Formelsysteme auf der einen und eine Realität der uns umgebenden Welt, in der Dinge erkennen, beobachten und messen können, auf der anderen Seite.

Was soll eine “reale Theorie” sein?

Eine mathematische Formel ist etwas anderes als ein physikalisches Objekt. Das ist letztlich eine ziemlich triviale Aussage.

Ob man den Formalismus als “Beschreibung der objektiv gegebenen Realität” interpretiert oder als “Instrument zur Berechnung von Beobachtungen” ist eine metaphysische Haltung und damit nicht Gegenstand der Physik im engeren Sinne. D.h. weder kann man dies logisch ausschließen, noch kann man es beweisen.

Laie001 hat Folgendes geschrieben:
Es gibt gewisse Entsprechungen zwischen berechneten Ereignissen in der Theorie und beobachteten/gemessenen Ereignissen in der Realität, aber sie sind nicht identisch miteinander ...

Das behauptet hier auch niemand.

Laie001 hat Folgendes geschrieben:
Bislang kann die QM oder eine andere Theorie auch nicht "definieren" was Natur ist ...

Das ist nicht der Anspruch der Physik, und wird es auch nie sein.

Laie001 hat Folgendes geschrieben:
Daher trenne ich das, was an Superpositionen oder Kollapsen usw. von Zuständen in orthogonalen Vektorräumen möglich ist und was wie aufgelöst wird, von dem, was die Natur ist und in ihr ist.

Das trennen wir hier alle.

Dennoch ist es erlaubt - z.B. im Sinne eines Strukturenrealismus - die Auffassung zu vertreten, dass gewisse Strukturen in unseren Formalismen wiederum gewisse Aspekte oder Gegebenheiten in der von uns unabhängigen Realität bis zu einem gewissen Grad zutreffend beschreiben. Und dazu gehört, dass man Vorhersagen der Theorie auch dann ernst nimmt, wenn sie über das aktuell messtechnisch erfassbare oder beobachtbare hinausgehen (Quarks, Schwarze Löcher ... makroskopische Superpositionen ...).

Zu argumentieren, dies sei nicht zutreffend, ist natürlich ebenfalls erlaubt.

Beide Positionen sind nicht trivial, weder offensichtlich wahr nich falsch, und verdienen eine sorgfältige Betrachtung. Jedenfalls kenne ich das so aus allen Diskussionen sowie aus der Literatur.

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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Feb 2021 17:28    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich finde die Ausgangsthese (Superposition=Multiplicity) nicht sehr plausibel. Und ich finde, daß sie nicht genügend untermauert wird.

Ich finde die These schon plausibel, wenn auch etwas plakativ.



beschreibt klassisch eine Feldkonfiguration, die bei x_1 und x_2 lokalisiert ist.



leistet das selbe im Rahmen der QM.

Aber im Falle der “Zweige” der MWI ist die Argumentation eben alles andere als straight forward.

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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Feb 2021 18:00    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich finde die Ausgangsthese (Superposition=Multiplicity) nicht sehr plausibel. Und ich finde, daß sie nicht genügend untermauert wird.

Ich finde die These schon plausibel, wenn auch etwas plakativ.



beschreibt klassisch eine Feldkonfiguration, die bei x_1 und x_2 lokalisiert ist.


Ja, eine Feldkonfiguration, nicht zwei. Aus dieser Konfiguration kannst du unter Umständen mehr als ein emergentes Objekt herausdestillieren; z.B. zwei Lichtpulse im Fall, daß f nicht mit sich selbst destruktiv interferiert.

Multiplizität folgt eben nicht einfach aus Linearität. Auch in der klassischen Physik modellieren wir Multiplizität normalerweise als kartesisches Produkt, selbst wenn die Grundgleichungen linear sind. In der Quantenmechanik ist das Tensorprodukt die konventionelle Weise über multiple Objekte zu sprechen. Mit Superposition hat das ganze erst mal überhaupt nichts zu tun.

Zitat:



leistet das selbe im Rahmen der QM.

Aber im Falle der “Zweige” der MWI ist die Argumentation eben alles andere als straight forward.


Ja, und da Superposition in der klassischen Physik eben ohne weiteres auch keine Multiplizität erzeugt, nützt es m.E. nichts, lediglich zu konstatieren, daß die quantenmechanische Superposition "dasselbe" leistet. Denn sie leistet eben nicht genug. Aus diesem Grund macht Wallace ja auch so einen Aufhebens mit seiner Emergenz.
Laie001
Gast





Beitrag Laie001 Verfasst am: 11. Feb 2021 18:05    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Laie001 hat Folgendes geschrieben:
Ich kenne keine bislang "reale Theorie", ich kenne nur simulierende mathematische Formelsysteme auf der einen und eine Realität der uns umgebenden Welt, in der Dinge erkennen, beobachten und messen können, auf der anderen Seite.

Was soll eine “reale Theorie” sein?
...

Das war en die Aussagen von qubit, auf die ich geantwortet habe, nicht von mir
Zitat:
Qubit hat Folgendes geschrieben:
Der Punkt ist hier:
Die wissenschaftlichen Theorien der Natur, hier die Quantenmechanik, lassen uns doch erst das definieren, was Natur da ist. Wie sonst willst du eine "reale" Theorie atomarer Bereiche ersinnen. Was dir in den Kram passt?
Qubit



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Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Feb 2021 18:09    Titel: Antworten mit Zitat

Laie001 hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Laie001 hat Folgendes geschrieben:
Ich kenne keine bislang "reale Theorie", ich kenne nur simulierende mathematische Formelsysteme auf der einen und eine Realität der uns umgebenden Welt, in der Dinge erkennen, beobachten und messen können, auf der anderen Seite.

Was soll eine “reale Theorie” sein?
...

Das war en die Aussagen von qubit, auf die ich geantwortet habe, nicht von mir
Zitat:
Qubit hat Folgendes geschrieben:
Der Punkt ist hier:
Die wissenschaftlichen Theorien der Natur, hier die Quantenmechanik, lassen uns doch erst das definieren, was Natur da ist. Wie sonst willst du eine "reale" Theorie atomarer Bereiche ersinnen. Was dir in den Kram passt?


Ja, eine "reale Theorie" ist eine Theorie, deren Elemente wir als Abbild der Realität betrachten. Klassisch sind das zB. Ort und Impuls eines Körpers. Oder aber auch die Ladung.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Feb 2021 18:11    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:

Ja, eine "reale Theorie" ist eine Theorie, deren Elemente wir als Abbild der Realität betrachten. Klassisch sind das zB. Ort und Impuls eines Körpers. Oder aber auch die Ladung.


Ich schlage vor eine solche Theorie als "realistisch" zu bezeichnen.
Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
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Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Feb 2021 18:13    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:



quantifiziert werden. In der Einteilchenquantenmechanik nennen wir diese Dinge eben "Teilchen" und ihre Eigenschaften sind



Konkreter ist die klassische Mechanik auch nicht. Da sagen wir auch nicht mehr, als daß wir es mit Dingen zu tun haben, denen wir objektive Eigenschaften wie Ort und Impuls zuordnen können.


Das ist mir zu wenig für eine Interpretation von Realität.
Das ist reiner Formalismus wie sie Grundlage jeder Interpretation ist, nicht Interpretation selbst. Bis vielleicht darauf, hier "Messkonstrukte" den Quantenobjekten selbst zuzueignen. Das ist aber meines Erachtens unnötig.
Qubit



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Beiträge: 824

Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Feb 2021 18:15    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Qubit hat Folgendes geschrieben:

Ja, eine "reale Theorie" ist eine Theorie, deren Elemente wir als Abbild der Realität betrachten. Klassisch sind das zB. Ort und Impuls eines Körpers. Oder aber auch die Ladung.


Ich schlage vor eine solche Theorie als "realistisch" zu bezeichnen.


"Realistisch" ist für mich eher eine Interpretation. Aber okay, das ist eine Definitionsfrage.
Laie001
Gast





Beitrag Laie001 Verfasst am: 11. Feb 2021 18:18    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Ja, eine "reale Theorie" ist eine Theorie, deren Elemente wir als Abbild der Realität betrachten. Klassisch sind das zB. Ort und Impuls eines Körpers. Oder aber auch die Ladung.

das wären aber doch nur gewisse Teilaspekte z.B. aus der Newtonschen Mechanik oder der RT, aber noch keine vollständige Theorie, oder?
Qubit



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Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Feb 2021 18:21    Titel: Antworten mit Zitat

Laie001 hat Folgendes geschrieben:
Qubit hat Folgendes geschrieben:
Ja, eine "reale Theorie" ist eine Theorie, deren Elemente wir als Abbild der Realität betrachten. Klassisch sind das zB. Ort und Impuls eines Körpers. Oder aber auch die Ladung.

das wären aber doch nur gewisse Teilaspekte z.B. aus der Newtonschen Mechanik oder der RT, aber noch keine vollständige Theorie, oder?


Eine "vollständige Theorie" muss und kann auch nicht eine "vollständig reale" Theorie sein. Eine Theorie "konstruiert" eben auch Realismus.
index_razor



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Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Feb 2021 18:21    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:



quantifiziert werden. In der Einteilchenquantenmechanik nennen wir diese Dinge eben "Teilchen" und ihre Eigenschaften sind



Konkreter ist die klassische Mechanik auch nicht. Da sagen wir auch nicht mehr, als daß wir es mit Dingen zu tun haben, denen wir objektive Eigenschaften wie Ort und Impuls zuordnen können.


Das ist mir zu wenig für eine Interpretation von Realität.


Ich denke, dann bist du einfach nicht zufriedenzustellen. Hältst du die klassische Physik für realistisch? Rein formal gibt es da nur symplektische Mannigfaltigkeiten und Funktionen darauf. Was haben die mit der Realität zu tun? Oder in deinen Worten gefragt: was sagt ein Punkt in einem 12-dimensionalen Phasenraum über die Realität eines starren Körpers aus?

Zitat:

Das ist reiner Formalismus wie sie Grundlage jeder Interpretation ist, nicht Interpretation selbst.


Natürlich ist derselbe Formalismus Grundlage jeder Interpretation der Quantenmechanik. Sonst würde man nicht von verschiedenen Interpretation derselben Theorie sprechen, sondern von verschiedenen Theorien.

Das einzige was die Interpretationen unterscheidet, sind die Vorstellungen darüber, was die Formeln mit der Realität zu tun haben. Und da unterscheidet sich die thermal interpretation, wie gesagt drastisch von der statistsichen Interpretation, obwohl sie dieselben Formeln benutzen.


Zuletzt bearbeitet von index_razor am 11. Feb 2021 18:25, insgesamt einmal bearbeitet
index_razor



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Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Feb 2021 18:23    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Qubit hat Folgendes geschrieben:

Ja, eine "reale Theorie" ist eine Theorie, deren Elemente wir als Abbild der Realität betrachten. Klassisch sind das zB. Ort und Impuls eines Körpers. Oder aber auch die Ladung.


Ich schlage vor eine solche Theorie als "realistisch" zu bezeichnen.


"Realistisch" ist für mich eher eine Interpretation. Aber okay, das ist eine Definitionsfrage.


Das Betrachten der Elemente einer Theorie als Abbild der Realität, stellt ja auch genau eine Interpretation dieser Theorie dar.
Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
Beiträge: 824

Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Feb 2021 18:27    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Qubit hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Qubit hat Folgendes geschrieben:

Ja, eine "reale Theorie" ist eine Theorie, deren Elemente wir als Abbild der Realität betrachten. Klassisch sind das zB. Ort und Impuls eines Körpers. Oder aber auch die Ladung.


Ich schlage vor eine solche Theorie als "realistisch" zu bezeichnen.


"Realistisch" ist für mich eher eine Interpretation. Aber okay, das ist eine Definitionsfrage.


Das Betrachten der Elemente einer Theorie als Abbild der Realität, stellt ja auch genau eine Interpretation dieser Theorie dar.


Das ist ja der Punkt. Solche realen Elemente sollten ja nach Ansicht vieler in einem (kausalen) Zusammenhang mit Messungen stehen. Sind Eigenzustände real? Sind Erwartungswerte real?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17902

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Feb 2021 18:32    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:



quantifiziert werden. In der Einteilchenquantenmechanik nennen wir diese Dinge eben "Teilchen" und ihre Eigenschaften sind



Konkreter ist die klassische Mechanik auch nicht. Da sagen wir auch nicht mehr, als daß wir es mit Dingen zu tun haben, denen wir objektive Eigenschaften wie Ort und Impuls zuordnen können.


Das ist mir zu wenig für eine Interpretation von Realität.
Das ist reiner Formalismus wie sie Grundlage jeder Interpretation ist, nicht Interpretation selbst.

Ich verstehe es auch noch nicht als Interpretation von Realität, sondern als die mathematischen Entitäten, die dann realistisch interpretiert werden.

Ich sehe aber nicht, wie dies das Messproblem löst und eine tatsächlich realistische Interpretation liefert. Nehmen wir ein Experiment mit einem Photon, einem Strahlteiler und zwei Detektoren. Je nach Detektionsort wird ein makroskopisches Objekt nach rechts oder links ausgesandt, z.B. ein Basketball.

Im zugrundeliegenden Formalismus weist rho wieder eine Struktur entsprechen der Dekohärenz bzw. MWI auf, also “ein Basketball rechts und ein Basketball links”.

Der Erwartungswert für den Ort liefert mir zunächst “Basketball in der Mitte”, Weitere Observablen werden mir außerdem anzeigen, dass zwei nach links und rechts propagierende mathematische Entitäten vorliegen. In meiner Realität sehe ich jedoch genau einen z.B. nach links fliegenden Ball, also weder zwei, noch irgend eine symmetrische Konfiguration.

Deswegen ist diese Interpretation bzgl. statistischer Größen durchaus realistisch, jedoch nicht bzgl. eines von mir tatsächlich wahrgenommenen Objektes.

Zumindest nach meinem Verständnis muss jede Interpretation, die mit einem realistischen Anspruch antritt das folgende Problem lösen: wie gelangt man von der unitären Zeitentwicklung, die zu Superpositionen im makroskopischen Maßstab führt, zu einer “wahrgenommenen Reduktion des Zustandes” auf genau eine der möglichen Alternativen, die zuvor in der Superpostion angezeigt wurden?

M.a.W.: entweder erklärt man, wie man eine der beiden Katzen los wird, oder man akzeptiert beide Katzen. Das Schweigen über diesen Punkt bedeutet, dass ich eine Interpretation nicht als realistisch ansehen kann, da sie diesen offensichtlichen Aspekt der Realität nicht erklärt.

Was übersehe ich?

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.


Zuletzt bearbeitet von TomS am 11. Feb 2021 18:47, insgesamt einmal bearbeitet
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