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Warum nimmt Licht den "schnellsten Weg“?
 
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Lehramtsstudent



Anmeldungsdatum: 11.03.2018
Beiträge: 77

Beitrag Lehramtsstudent Verfasst am: 11. März 2018 01:22    Titel: Warum nimmt Licht den "schnellsten Weg“? Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Wie wird die folgende Aussage gerechtfertigt?

"Das Licht beschreibt (automatisch) den schnellsten Weg."

Oder die selbe in Wikipedia-Sprache:

"Das Fermatsche Prinzip (nach Pierre de Fermat) besagt, dass Licht in einem Medium zwischen zwei Punkten Wege nimmt, auf denen seine Laufzeit sich bei kleinen Variationen des Weges nicht ändert. Insbesondere ist die Optische Weglänge extremal, d. h. die längste oder kürzeste. Es wird auch Prinzip des extremalen optischen Weges oder Prinzip der extremalen Laufzeit genannt. Die Ursache liegt in der Wellennatur des Lichts und der damit verbundenen Interferenz. Auf nicht extremalen Wegen variiert die Weglänge stark bei kleinen Variationen des Weges, die Interferenz ist folglich destruktiv."

Meine Ideen:
Es gibt da zwei (klassische) Erklärungswege für die Lichtbrechung, und wie die genau zusammenhängen, da bin ich gerade in anderen Diskussionen, kann es also nicht genau erklären, da ich womöglich selber noch keine guten Begriffe vom "Wellen- und Teilchencharakter" habe.

Aber grob gesagt, ist der eine Erklärungsweg einfach der, dass man bereits davon ausgeht, dass das Licht den schnellsten Weg beschreibe, dass es sich in unterschiedlichen Materialien schneller oder langsamer bewegt, und dass es überhaupt dabei zu einer Brechung kommen muss. Die letzten beiden Annahmen scheinen mir in Erklärungen stillschweigend gemacht. Dieses Prinzip nennt sich das Fermatsche.

Wie es zur Brechung kommt, das erklärt das andere Prinzip sehr einleuchtend, nach dem Holländer Christiaan Huygens, der schon im 17. Jahrhundert darauf kam, dass man sich von einer »Lichtfront« ausgehend radiale Wellenlinien vorstellen kann, die dann jeweils, wenn man sich genügend viele nebeneinander gedrängt davon vorstellt, eine weitere Lichtfront ergeben und sich das Licht so durch den Raum fortpflanzt. Beim Auftreffen auf eine neue Materialschicht mit höherem Brechungsindex (z.B. von Luft nach Wasser) breiten sich die zuerst auftreffenden Wellenpunkte langsamer aus als die noch nicht aufgetroffenen Punkte, dessen erzeugte Lichtwellen sich zu diesem Zeitpunkt noch schneller ausbreiten. Somit entsteht eine Brechung, je nach Materialverhältnis, zum Lot hin oder weg.
Dieses Prinzip nennt sich das Huygensche.

Wenn also oben in der Wikipedia-Erklärung als Grund die Interferenz/Destruktion genannt wird, in Anlehnung an das Huygensche Prinzip, dann ist damit eigentlich gar nichts Erklärendes, außer noch mehr Wörtern, hinzugefügt, denn die Frage bleibt ja nach wie vor, warum es bei den Wellenpunkten zu einem extremalen optischen Weg kommen sollte ? also das ist ja die Grundaussage des Fermatschem Prinzip.
(So erkläre ich es mir zumindest, daher obiger Vorbehalt gegenüber meinem Begriff des Wellencharakters vom Licht. Vielleicht ist damit ja doch etwas Erklärendes hinzugefügt.)

Ich erlaube mir daher, nur über das Fermatsche Prinzip zu sprechen und stelle da nichts weiter als die ganz banale Frage:
Mit welchem Recht spricht man von einem »schnellsten« Weg?

Davon kann man ja nur sprechen, wenn es andere denkbare Wege gibt, die zeitlich länger sind. Die gibt es aber nicht! Es wird so getan, als sei die ganze Situation vom Licht abhängig, dabei hängt sie vom Material ab. (Vielleicht deswegen die oben genannten stillschweigenden Annahmen?)
Das Licht »weiß« nichts von einem zu beleuchteten Gegenstand.
Interessanterweise wird zu Erklärung gerne die Analogie mit dem Rettungsschwimmer herangezogen, der einen Notleidenden aus dem Wasser retten soll und der natürlich lieber am Strand läuft, da er dort schneller ist. Das ist aber eine bloße Abstraktion, denn im Physikalischen ändert man die ganze Situation, wenn man sich andere Brechungswinkel denkt. Dann hat man plötzlich ein ganz neues Materialverhältnis.

Es gibt also keinen »schnellsten« Weg, den das Licht wählt. Trotzdem wird es überall behauptet.

Noch abstruser wird es dann mit der Quantenmechanik. Wikipedia spricht für sich:

»Es stellt sich die berechtigte Frage, woher das Licht im Voraus weiß, welches der schnellste Weg ist. Die Quantenmechanik liefert darauf folgende Antwort:
Es probiert sie alle aus, und zwar gleichzeitig.«

? ich hoffe, dass man auf diese Behauptung nicht mit der selben Begriffsbildung gekommen ist wie bei der Klassischen Physik.

? oder all das ist einfach nur ein Ausdruck eines ganz blöden Denkfehlers meinerseits und ich kritisiere hier völlig zu Unrecht?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18078

Beitrag TomS Verfasst am: 11. März 2018 16:20    Titel: Antworten mit Zitat

Ich halte die Animation hier für recht anschaulich:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Brechungsindex

Zunächst mal ist der Begriff "schnellster Weg" im Falle von Licht lediglich eine Näherung aus der geometrischen Optik. Tatsächlich muss man natürlich die Wellenoptik verwenden. In der geometrischen Optik entspricht der Lichtweg jedoch tatsächlich dem "schnellsten Weg"; dies ist dann im Rahmen der Wellenoptik auch begründbar.

Ich denke, das Problem sind letztlich die Begrifflichkeiten. Die physikalischen Prinzipien mögen global oder gar teleologisch klingen. Deswegen muss der zugrundeliegende Mechanismus jedoch nicht teleologisch sein.

Bleiben wir in klassischen Wellenoptik, ohne die mikroskopische Wechselwirkung der elektromagnetischen Wellen mit den Atomen des Mediums zu berücksichtigen.

Die Ausbreitung der Lichtwelle - in der Animation einer Kugelwelle - wird durch mikroskopische bzw. lokalen, partiellen Differentialgleichungen, die sogenannten Maxwellgleichungen, beschrieben. Für diese existiert eine Lösungsmethode durch sogenannte Greensche Funktionen, in denen eine Wellenfront lokal von jedem Punkt des Raumes aus infinitesimal weiterpropagiert wird. Im Zuge dieser Berechnung ist alles schön lokal, kausal usw., nichts daran ist teleologisch. Insbs. muss das Licht nicht bereits vorher alle möglichen Wege kennen, um dann den kürzesten auszuwählen und dann einzuschlagen.

Diese Methode ist - in abgewandelter Form - auch in der Quantenfeldtheorie anwendbar.

Nun verhält es sich so, dass sich alle etablieren Theorien mittels partieller Differentialgleichungen formulieren lassen. Diese sind sämtlich aus einen Wirkungsprinzip ableitbar, und dieses erscheint uns teleologisch.

Das gilt bereits für die Newtonsche Mechanik: wenn eine Kugel auf einer beliebig gekrümmten Oberfläche reibungsfrei von Punkt A nach Punkt B rollt, dann entspricht die zurückgelegte Kurve zwischen A und B der kürzesten aller denkbaren Kurven zwischen A und B. Lokal folgt die Kugel in jedem Punkt jedoch den Newtonschen Gesetzen, insbs. gilt für ihre Beschleunigung immer die lokale Gleichungen a = F/m.

Weil diese lokalen Gesetze und Gleichungen aus globalen Wirkungsprinzipien folgen, respektieren die Lösungen der lokalen Gleichungen wiederum diese Wirkungsprinzipien. Im Zuge der lokalen Lösung der lokalen Gleichungen kann man sich jedoch immer auf rein lokale Operationen beschränken, man muss keine globalen oder teleologischen Ansätze verwenden. Sprachlich wird dies jedoch teilweise anders dargestellt.

Was bleibt ist also letztlich nur ein sprachlich Problem - sowie die Grundsatzfrage, warum sämtliche lokalen Gesetze der Physik inklusive der lokalen Lösungsstrategien immer aus globalen Prinzipien zu folgen scheinen. Eine Antwort darauf muss die Physik leider schuldig bleiben ...
Lehramtsstudent_1
Gast





Beitrag Lehramtsstudent_1 Verfasst am: 11. März 2018 18:43    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für die ausführliche Antwort! Aber mir scheint diese nicht wirklich eine Antwort auf meine Frage sein, auch wenn das natürlich ein sehr interessanter Hintergrund ist. Denn mein Argument war doch: Es gibt keine anderen denkbaren Wege für das Licht und da es also nur einen Weg gibt, ergibt es keinen Sinn, von einem »schnellsten« zu sprechen. Alle anderen ›denkbaren‹ Wege erfordern in der physikalischen Wirklichkeit ein anderes Materialverhältnis. Die Zeit, die das Licht braucht, um den Weg zu beschreiben, ist also vom Material und nicht vom Licht abhängig.
hansguckindieluft



Anmeldungsdatum: 23.12.2014
Beiträge: 1212

Beitrag hansguckindieluft Verfasst am: 11. März 2018 18:59    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

TomS hat Folgendes geschrieben:

Das gilt bereits für die Newtonsche Mechanik: wenn eine Kugel auf einer beliebig gekrümmten Oberfläche reibungsfrei von Punkt A nach Punkt B rollt, dann entspricht die zurückgelegte Kurve zwischen A und B der kürzesten aller denkbaren Kurven zwischen A und B.


Du meintest sicher "dann entspricht die zurückgelegte Kurve zwischen A und B der schnellsten aller denkbaren Kurven zwischen A und B".

Gruß
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18078

Beitrag TomS Verfasst am: 11. März 2018 19:03    Titel: Antworten mit Zitat

Lehramtsstudent_1 hat Folgendes geschrieben:
... mein Argument war doch: Es gibt keine anderen denkbaren Wege für das Licht

Im Sinne der geometrischen Optik gibt es beliebige denkbare Strahlengänge, von denen genau einer als realisiert angesehen wird.

Im Sinne der Wellenoptik gibt es überhaupt keine Strahlengänge sondern lediglich eine Wellenausbreitung; als Resultat „erscheinen“ jedoch die in der geometrischen Optik als realisiert angesehen Strahlengänge.

Lehramtsstudent_1 hat Folgendes geschrieben:
... und da es also nur einen Weg gibt, ergibt es keinen Sinn, von einem »schnellsten« zu sprechen.

Siehe oben: von allen denkbaren Strahlengängen wird der „schnellste“ als realisiert angesehen.

Lehramtsstudent_1 hat Folgendes geschrieben:
.Alle anderen ›denkbaren‹ Wege erfordern in der physikalischen Wirklichkeit ein anderes Materialverhältnis.

Wieso? Ich kann mir beliebige Wege denken. Ob und wie die realisiert sind, ist eine andere Frage. Nach der Wellenoptik ist der Strahlengang bzw. Weg sowieso nur eine Idealisierung.

Lehramtsstudent_1 hat Folgendes geschrieben:
Die Zeit, die das Licht braucht, um den Weg zu beschreiben, ist also vom Material und nicht vom Licht abhängig.

Die Zeit, dir das Licht brauchen würde, um einen Weg zurückzulegen, wäre - wenn die geometrische Optik zutreffen würde - tatsächlich nur von Material abhängig. Ja, die geometrische Optik besagt auch nichts anderes.

Ich fürchte, ich verstehe dein Problem immer weniger.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18078

Beitrag TomS Verfasst am: 11. März 2018 19:45    Titel: Antworten mit Zitat

hansguckindieluft hat Folgendes geschrieben:

TomS hat Folgendes geschrieben:

Das gilt bereits für die Newtonsche Mechanik: wenn eine Kugel auf einer beliebig gekrümmten Oberfläche reibungsfrei von Punkt A nach Punkt B rollt, dann entspricht die zurückgelegte Kurve zwischen A und B der kürzesten aller denkbaren Kurven zwischen A und B.


Du meintest sicher "dann entspricht die zurückgelegte Kurve zwischen A und B der schnellsten aller denkbaren Kurven zwischen A und B".

Nee, ich meinte schon die kürzeste Kurve; aber lass’ uns das ggf. in einem anderen Thread diskutieren.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
hansguckindieluft



Anmeldungsdatum: 23.12.2014
Beiträge: 1212

Beitrag hansguckindieluft Verfasst am: 11. März 2018 21:03    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Nee, ich meinte schon die kürzeste Kurve; aber lass’ uns das ggf. in einem anderen Thread diskutieren.


nicht nötig. Ich war auf dem falschen Dampfer. Ich dachte, Du sprichst von der Brachistochrone, was natürlich nicht der Fall ist.
Bin auch schon wieder weg.
Lehramtsstudent_2
Gast





Beitrag Lehramtsstudent_2 Verfasst am: 11. März 2018 21:12    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Lehramtsstudent_1 hat Folgendes geschrieben:
.Alle anderen ›denkbaren‹ Wege erfordern in der physikalischen Wirklichkeit ein anderes Materialverhältnis.

Wieso? Ich kann mir beliebige Wege denken. Ob und wie die realisiert sind, ist eine andere Frage. Nach der Wellenoptik ist der Strahlengang bzw. Weg sowieso nur eine Idealisierung.


Okay, auch wenn ich das für keine sinnige Aussage halte, nehme ich einfach mal dessen Richtigkeit an. Dann kann ich mir aber auch eine Gerade denken und diese wird dann die schnellste Verbindung sein! Diese wird nur unter e i n e m gegebenen Materialverhältnis nicht die schnellste sein, aber Du meinst ja selber gerade, dass Du Dir alle denkbaren Materialverhältnisse ( = Wege) denken willst.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich fürchte, ich verstehe dein Problem immer weniger.


Es geht mir um die physikalische Begriffsbildung. Das ist etwas, was man im Physikstudium (und auch in der Schule, da die Lehrer ja alle eine ähnliche Bildung erfahren haben) überhaupt nicht lernt. Dort, wo man über die Begriffsbildung nachdenken müsste, da wird dann eine Differentialrechnung hingesetzt. Aber auch dieser Thread zeigt ja (und auch z.B. Dr. Josef Gaßner hat meinen Einwand nicht verstanden), dass Physiker nicht gewohnt sind, über das Grundlegende ihrer Begriffe nachzudenken. Natürlich denken sie insgesamt sehr viel und auch über ihre Begriffe nach, jedoch nicht über die einfachsten Grundlagen. Was ich hier einwende, ist ja eigentlich überhaupt nicht schwer zu verstehen, wenn man das unvoreingenommen betrachtet. :-)
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8582

Beitrag jh8979 Verfasst am: 11. März 2018 21:34    Titel: Antworten mit Zitat

Lehramtsstudent_2 hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Lehramtsstudent_1 hat Folgendes geschrieben:
.Alle anderen ›denkbaren‹ Wege erfordern in der physikalischen Wirklichkeit ein anderes Materialverhältnis.

Wieso? Ich kann mir beliebige Wege denken. Ob und wie die realisiert sind, ist eine andere Frage. Nach der Wellenoptik ist der Strahlengang bzw. Weg sowieso nur eine Idealisierung.

Okay, auch wenn ich das für keine sinnige Aussage halte, nehme ich einfach mal dessen Richtigkeit an. Dann kann ich mir aber auch eine Gerade denken und diese wird dann die schnellste Verbindung sein! Diese wird nur unter e i n e m gegebenen Materialverhältnis nicht die schnellste sein, aber Du meinst ja selber gerade, dass Du Dir alle denkbaren Materialverhältnisse ( = Wege) denken willst.

Nimm mal an die zwei Materialien, um die es geht, sind gegeben, z.B. Luft und Glas.
1. Ja, der Weg des Lichtes hängt davon ab, welche Materialien es sind. Bei Wasser und Glas wäre er anders.
2. Jetzt ist dein Lichtweg so wie er ist, startet an Punkt A und endet an Punkt B, nachdem er an der Grenzfläche gebrochen wird. Wenn Du den Lichtstrahl von A losschickst, kannst Du oder der Lichtstrahl nichts mehr daran ändern.
Jetzt, und das ist der Punkt den Tom machen will:
3. Stell Dir alle möglichen Wege zwischen diesen festen Punkten A und B vor. Die Aussage der Physik ist dann:
Der Weg, den das Licht tatsächlich nimmt, ist der, der am schnellsten ist. Alle anderen denkbaren Wege von A nach B würden länger dauern.

oder etwas anders: "dass Licht in einem Medium zwischen zwei Punkten Wege nimmt, auf denen seine Laufzeit sich bei kleinen Variationen des Weges nicht ändert. "

Ist das in der Begriffsbildung verwirrend? Möglich... Das Licht nimmt ja nunmal nur einen Weg und weiss auf dem Weg auch nicht dass dies der schnellste ist. Es ist aber ein knappe Beschreibung eines Prinzips, wie man diesen Weg zwischen A und B berechnen kann. Und das ist worum es der Physik geht.
Zitat:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich fürchte, ich verstehe dein Problem immer weniger.

Es geht mir um die physikalische Begriffsbildung. Das ist etwas, was man im Physikstudium (und auch in der Schule, da die Lehrer ja alle eine ähnliche Bildung erfahren haben) überhaupt nicht lernt. Dort, wo man über die Begriffsbildung nachdenken müsste, da wird dann eine Differentialrechnung hingesetzt. Aber auch dieser Thread zeigt ja (und auch z.B. Dr. Josef Gaßner hat meinen Einwand nicht verstanden), dass Physiker nicht gewohnt sind, über das Grundlegende ihrer Begriffe nachzudenken. Natürlich denken sie insgesamt sehr viel und auch über ihre Begriffe nach, jedoch nicht über die einfachsten Grundlagen. Was ich hier einwende, ist ja eigentlich überhaupt nicht schwer zu verstehen, wenn man das unvoreingenommen betrachtet. :-)

Ich denke nicht, dass das stimmt. Physiker denken sehr genau über die Begriffe und Konzepte, die sie benutzen, nach. Was Physiker vllt nicht immer gut kommunizieren ist, dass diese Begriffe und Konzepte Hilfen zu einer Beschreibung von Naturphänomenen sind, mehr kann und will die Physik aber auch gar nicht leisten.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18078

Beitrag TomS Verfasst am: 11. März 2018 23:03    Titel: Antworten mit Zitat

Lehramtsstudent_2 hat Folgendes geschrieben:
Okay, auch wenn ich das für keine sinnige Aussage halte, nehme ich einfach mal dessen Richtigkeit an. Dann kann ich mir aber auch eine Gerade denken und diese wird dann die schnellste Verbindung sein! Diese wird nur unter e i n e m gegebenen Materialverhältnis nicht die schnellste sein, aber Du meinst ja selber gerade, dass Du Dir alle denkbaren Materialverhältnisse ( = Wege) denken willst.

Irgendwas passt bei deinen Begriffen nicht. Ich gehe von bekannten Materialen mit bekannten Brechungsindizes bzw. bekannten Lichtgeschwindigkeiten aus. Außerdem betrachte ich zwei feste Punkte.

Nun denke ich mit beliebige Wege, die diese beiden Punkte verbinden. Für jeden Weg kann die entlang dieses Weges gültige Lichtlaufzeit berechnet werden. Sie hängt ab vom Weg, sowie von den entlang den Lichtgeschwindigkeiten entlang des Weges.

Eine Gerade ist genau nicht die schnellste Verbindung; sie ist lediglich die kürzeste Verbindung. Ich kann jedoch die Lichtlaufzeit verringern, indem ich den Weg durch das Medium mit größerer Lichtgeschwindigkeit geeignet vergrößere und dafür den Weg durch das Medium mit kleinerer Lichtgeschwindigkeit geeignet verkleinere.

Dieser Ansatz liefert exakt das Brechungsgesetz.

Ich denke mir diesbzgl. alle möglichen Wege. Ich denke mir jedoch nicht unterschiedliche Materialverhältnisse; ich wüsste nicht, was da unterschiedlich sein soll, wenn ich die Materialien doch zu Beginn festlege.

Lehramtsstudent_2 hat Folgendes geschrieben:
Dort, wo man über die Begriffsbildung nachdenken müsste, da wird dann eine Differentialrechnung hingesetzt. Aber auch dieser Thread zeigt ja, dass Physiker nicht gewohnt sind, über das Grundlegende ihrer Begriffe nachzudenken.

Die Physik wird präzise in der Sprache der Mathematik beschrieben. Umgangssprachlich Begriffe sind wichtig zur Anschauung, können die Mathematik jedoch nicht vollständig ersetzen. Wenn man Begriffe einführen will, sollte man darauf achten, dass diese möglichst gut zu den mathematischen Gegebenheiten passen.

D.h. die Begriffsbildung sollte sinnvollerweise erst dann erfolgen, wenn die mathematischen Grundlagen definiert sind. Aber jeder Leser physikalischer Schriften muss sich darüber im Klaren sein, dass Begriffe auch irreführend sein können, und dass es hier teilweise der notwendigen Präzision mangelt.

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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18078

Beitrag TomS Verfasst am: 11. März 2018 23:08    Titel: Antworten mit Zitat

Ich schlage vor, nochmal einen Neustart zu unternehmen und die Idee anhand dieses einfachen Diagramms zum Snelliusschen Brechungsgesetz diskutieren.

Die Punkte A und B sowie die beiden Materialien und ihre jeweiligen Lichtgeschwindigkeiten c_1 und c_2 seien gegeben und fest. Wenn man sich nun alle möglichen Wege zwischen A und B denkt, dann ist dies gleichbedeutend damit, sich alle möglichen Punkte P auf der Grenzfläche zu denken und die jeweiligen Zeiten entlang der Wege der Länge l_1 und l_2 zu berechnen.

Die Gesamtlichtlaufzeit zwischen A und B ist dann



Sie hängt offensichtlich von der Wahl des Punktes P ab; P ist variabel, A und B sind fest.

Das Fermatsche Prinzip besagt im wesentlichen, dass gerade der Weg realisiert ist, der diese Gesamtlichtlaufzeit minimiert. Und daraus folgt dann mittels geometrischer Überlegungen das Snelliussche Brechungsgesetz.

Warum das Fermatsche Prinzip gelten soll bzw. warum gerade dieser Weg mit der kürzesten Gesamtlichtlaufzeit realisiert sein soll ist eine andere Frage, die im Rahmen der geometrischen Optik nicht beantwortet werden kann (jedoch im Rahmen der Wellenoptik).



IMG_4817.PNG
 Beschreibung:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Fermatsches_Prinzip#/media/Datei%3AFermat_Snellius.svg
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Lehramtsstudent_3
Gast





Beitrag Lehramtsstudent_3 Verfasst am: 12. März 2018 19:08    Titel: Antworten mit Zitat

Erst einmal danke ich für den sachlichen Austausch und die ausführlichen Erklärungsbemühungen. Allerdings ist mir der Gedankengang (auch der mathematische, den ich für mich persönlich nachgerechnet habe) schon bekannt.

Ich habe heute noch einmal darüber nachgedacht, woran die Verständnisschwierigkeiten liegen könnten und bin tatsächlich etwas weiter gekommen.

Ich schrieb ja, dass es keine anderen denkbaren Wege gäbe, da man für alle anderen auch eine andere physikalische Wirklichkeit (bzw. Materialverhältnisse) annehmen müsse. Das ist aber nur bedingt richtig und diese Bedingung führt mich jetzt dazu, das Ganze noch einmal von einer anderen Warte aus zu diskutieren:

Und zwar sind die anderen Wege denkbar, wenn man annimmt, dass das Licht sich einen anderen Brechungswinkel "wählen" darf, es also nicht vom Material dazu "gezwungen" wird.

Ich würde meine Kritik also jetzt anders formulieren und zwar so: Es wird einerseits dem Licht, genauer: dessen Geschwindigkeit, eine Abhängigkeit vom Material, andererseits jedoch stillschweigend* keine Abhängigkeit vom Material bei der Lichtbrechung zugeschrieben. Einmal "muss" das Licht also sich fügen, woanders "darf" es dann "wählen".

Auch wenn man vielleicht aus heutiger Warte heraus so etwas rechtfertigen kann, scheint mir das in dem Fermatschen Prinzip, wie es immer wieder einführend in der Optik gelehrt wird, unberechtigt da zu stehen.

___________
* Zumindest in Lehrbüchern, Lehrvideos und Uni-Lehrveranstaltungen, die ich bisher erfahren, aber vielleicht aus Anfängerschwierigkeiten heraus nicht richtig verstanden habe.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 12. März 2018 20:11    Titel: Antworten mit Zitat

Lehramtsstudent_3 hat Folgendes geschrieben:
Es wird einerseits dem Licht, genauer: dessen Geschwindigkeit, eine Abhängigkeit vom Material, andererseits jedoch stillschweigend* keine Abhängigkeit vom Material bei der Lichtbrechung zugeschrieben. Einmal "muss" das Licht also sich fügen, woanders "darf" es dann "wählen".


Nein, das ist gerade nicht der Fall. Es wird ausdrücklich gesagt, dass das Licht den schnellsten Weg nimmt. Es kann also nicht wählen.
Lehramtsstudent_3
Gast





Beitrag Lehramtsstudent_3 Verfasst am: 12. März 2018 20:28    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Lehramtsstudent_3 hat Folgendes geschrieben:
Es wird einerseits dem Licht, genauer: dessen Geschwindigkeit, eine Abhängigkeit vom Material, andererseits jedoch stillschweigend* keine Abhängigkeit vom Material bei der Lichtbrechung zugeschrieben. Einmal "muss" das Licht also sich fügen, woanders "darf" es dann "wählen".


Nein, das ist gerade nicht der Fall. Es wird ausdrücklich gesagt, dass das Licht den schnellsten Weg nimmt. Es kann also nicht wählen.


Doch, gerade weil es den "schnellsten" Weg nimmt, muss es die langsameren Wege ausschließen. Das ist ja der Sinn dieses Gedankenexperiments, wo man andere Wege mit anderen Brechungswinkeln annimmt.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 12. März 2018 22:13    Titel: Antworten mit Zitat

Lehramtsstudent_3 hat Folgendes geschrieben:
Doch, gerade weil es den "schnellsten" Weg nimmt, muss es die langsameren Wege ausschließen.


Ja, eben - es muss die anderen Wege ausshließen und darf sie nicht wählen (um mal in Deiner Sprache zu bleiben). Das ist das Gegenteil von dem, was Du oben geschrieben hast.

Lehramtsstudent_3 hat Folgendes geschrieben:
Das ist ja der Sinn dieses Gedankenexperiments, wo man andere Wege mit anderen Brechungswinkeln annimmt.


Das ist keine Gedankenexperiment, sondern eine Rechnung, mit der man von allen möglichen Wegen denjenigen bestimmt, den das Licht nimmt. Dabei wird an keiner Stelle angenommen, dass das Licht einen anderen Weg nimmt oder nehmen könnte. Das ist durch die Aussage, dass das Licht den schnellsten Weg nimmt, von vorn herein ausgeschlossen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18078

Beitrag TomS Verfasst am: 12. März 2018 22:29    Titel: Antworten mit Zitat

Es geht's nicht darum, dass das Licht etwas tut oder auswählt. Es geht darum, ein mathematisches Modell zu interpretieren.

In den mathematischen Modell der geometrischen Optik geht es zunächst nicht darum, dass ein bestimmter Brechungswinkel vorgegeben ist. Es geht zunächst ausschließlich darum, dass sich Licht wie ein Teilchen entlang von Geraden mit einer für ein Medium spezifischen Geschwindigkeit bewegt. Hinzu kommt noch die Idee, dass sich Licht so bewegt, dass ein Lichtstrahl zwischen Quelle und Ziel immer dem schnellste Weg folgt. Warum das so ist, spielt keine Rolle bzw. wird nicht hinterfragt.

Wenn man dies so ansetzt, folgt das Brechungsgesetz.

Dein Einwand, "Licht könne bzgl. des Weges wählen, müsse sich dann jedoch bzgl. der Brechung fügen" geht in dreierlei Hinsicht fehl.

Zum ersten besteht für die Brechung keine Wahlfreiheit mehr, wenn man das Prinzip des schnellsten Weges ansetzt; das Brechungsgesetz folgt dann logisch und kann nicht mehr unabhängig gefordert werden. Zum zweiten wird das Licht auch nicht aktiv den schnellsten Weg wählen; es geht lediglich darum, ein geometrisches Prinzip zu formulieren, nicht darum, was das Licht tatsächlich tut oder entscheidet; du misst Worten zuviel und der Mathematik zu wenig Bedeutung bei.

Zum dritten ist die Argumentation

Lehramtsstudent_3 hat Folgendes geschrieben:
Auch wenn man vielleicht aus heutiger Warte heraus so etwas rechtfertigen kann, scheint mir das in dem Fermatschen Prinzip, wie es immer wieder einführend in der Optik gelehrt wird, unberechtigt da zu stehen.


schlichtweg deswegen unzutreffend, weil man aus diesem Prinzip Vorhersagen für Phänomene ableiten kann, die mit den Beobachtungen übereinstimmen und die insofern zutreffend sind. Was zählt ist die Übereinstimmung mit dem Experiment. Jedes zugrundeliegende Prinzip hängt sozusagen in der Luft und ist für sich alleine wertlos; wenn es aber zu einfachen jedoch in weiten Bereichen zutreffenden Theorien führt, ist es erfolgreich.

Natürlich steht es dir frei, nach besseren Prinzipien zu suchen.
Lehramtsstudent



Anmeldungsdatum: 11.03.2018
Beiträge: 77

Beitrag Lehramtsstudent Verfasst am: 12. März 2018 23:02    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Lehramtsstudent_3 hat Folgendes geschrieben:
Doch, gerade weil es den "schnellsten" Weg nimmt, muss es die langsameren Wege ausschließen.


Ja, eben - es muss die anderen Wege ausshließen und darf sie nicht wählen (um mal in Deiner Sprache zu bleiben). Das ist das Gegenteil von dem, was Du oben geschrieben hast.


Das ist doch ein Begriffspaar… wer ausschließt, der "wählt" genauso.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Lehramtsstudent_3 hat Folgendes geschrieben:
Das ist ja der Sinn dieses Gedankenexperiments, wo man andere Wege mit anderen Brechungswinkeln annimmt.


Das ist keine Gedankenexperiment, sondern eine Rechnung, mit der man von allen möglichen Wegen denjenigen bestimmt, den das Licht nimmt. Dabei wird an keiner Stelle angenommen, dass das Licht einen anderen Weg nimmt oder nehmen könnte. Das ist durch die Aussage, dass das Licht den schnellsten Weg nimmt, von vorn herein ausgeschlossen.


Eine Rechnung kann aber auch ein Gedankenexperiment sein, wenn sie über die Tatsachen hinausgehen, denn der Punkt P (s. Bild von TomS) wird bei gegebenem Materialverhältnis nur an e i n e r Stelle beobachtet. Eine Differentialrechnung ignoriert das ja geflissentlich und ist somit ein Gedankenexperiment.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Es geht's nicht darum, dass das Licht etwas tut oder auswählt. Es geht darum, ein mathematisches Modell zu interpretieren.


Mir geht es um die Physik, nicht um mathematische Modelle. Dann haben wir wohl unterschiedliche Intentionen in diesem Thread, wobei ich dachte, dass ich meine Intention hinreichend erklärt hatte.

TomS hat Folgendes geschrieben:
In den mathematischen Modell der geometrischen Optik geht es zunächst nicht darum, dass ein bestimmter Brechungswinkel vorgegeben ist. Es geht zunächst ausschließlich darum, dass sich Licht wie ein Teilchen entlang von Geraden mit einer für ein Medium spezifischen Geschwindigkeit bewegt.


Du hast meinen Nachtrag offenbar nicht gelesen, wo ich genau das geschrieben habe, was Du hier gerade geschrieben hast: Dass es eben doch denkbar ist, dass man es bei gegebenen Materialverhältnissen mit verschiedensten Brechungswinkeln zu tun haben kann.


TomS hat Folgendes geschrieben:
Hinzu kommt noch die Idee, dass sich Licht so bewegt, dass ein Lichtstrahl zwischen Quelle und Ziel immer dem schnellste Weg folgt. Warum das so ist, spielt keine Rolle bzw. wird nicht hinterfragt.



Wenn man dies so ansetzt, folgt das Brechungsgesetz.


Danke für die Erklärung, aber mir ist das soweit bekannt und ich habe mir selber auch das Snellius'sche Brechungsgesetz aus diesem Fermatschen Prinzip ("Licht beschreibt den schnellsten Weg") hergeleitet.

An dieser Stelle muss man natürlich kurz innehalten und fragen: Wenn man aus etwas angeblich Falschem ("Licht beschreibt den schnellsten Weg") etwas offensichtlich Richtiges (das Brechungsgesetz) herleitet, wie steht es dann um das angeblich Falsche?

Hier zeigt sich wieder das bestätigt, was ich oben bzgl. der Begriffsbildung meinte: Wer gleich zu mathematisieren anfängt, der übersieht den Sprung vom Physikalischen ins Mathematische (bzw. umgekehrt). Denn was wir in der Differentialrechnung machen, das geht gar nicht wirklich vom Fermatschen Prinzip aus, sondern lässt die Frage ganz offen, ob die verschiedenen Positionen von P auf der x-Achse aufgrund sich (kontinuierlich) ändernder Materialverhältnisse oder aufgrund einer tatsächlichen "Wahl" des Lichtes zustande kommen, wobei die physikalische Wirklichkeit (sprich die Materialverhältnisse) unberührt bleiben. Letzteres entspricht aber gar nicht den experimentellen Befunden, wo die "unberührten Materialverhältnisse" nur jeweils e i n e Position von P erlauben.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dein Einwand, "Licht könne bzgl. des Weges wählen, müsse sich dann jedoch bzgl. der Brechung fügen" geht in dreierlei Hinsicht fehl. Zum ersten besteht für die Brechung keine Wahlfreiheit mehr, wenn man das Prinzip des schnellsten Weges ansetzt; das Brechungsgesetz folgt logisch daraus und kann nicht mehr unabhängig gefordert werden. Zum zweiten wird das Licht auch nicht aktiv beim schnellsten Weg wählen; es geht lediglich darum, ein geometrisches Prinzip zu formulieren, nicht darum, was das Licht tatsächlich tut oder entscheidet; du misst Worten zuviel und der Mathematik zu wenig Bedeutung bei.

Das ist ein Strohmannargument. Ich habe ja gerade der Vorstellung eines "wählenden" Lichtes widersprochen, indem ich sagte, dass dies die Vorstellung des Gedankenexperiments sei, die nicht in der Lage ist, sich Rechenschaft darüber abzulegen, weswegen sie plötzlich dem Licht diese Fähigkeit zuschreibt, sie aber bei der Geschwindigkeit dem Medium zuschreibt.

Zu 2.: Da ich Quantenphysik noch nicht hatte, kann ich nur sagen, dass bei Wikipedia etwas anderes steht. Es ist aber ohnehin eine mir ganz ferne Vorstellung.
Zu 3.: Das mit den Worten ist der dritte Punkt? Also wenn dem so ist, dann würde ich Dich doch erst einmal bitten, meine Worte zu verstehen. Du hast ja offenbar genau das Gegenteil von dem verstanden, was ich hier versuche zu vermitteln.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18078

Beitrag TomS Verfasst am: 12. März 2018 23:40    Titel: Antworten mit Zitat

Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Es geht's nicht darum, dass das Licht etwas tut oder auswählt. Es geht darum, ein mathematisches Modell zu interpretieren.

Mir geht es um die Physik, nicht um mathematische Modelle.

Physik besteht aber im Kern aus mathematischen Modellen sowie experimentellen Beobachtungen.

Was soll Physik deiner Meinung nach anderes sein?

Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
Danke für die Erklärung, aber mir ist das soweit bekannt und ich habe mir selber auch das Snellius'sche Brechungsgesetz aus diesem Fermatschen Prinzip ("Licht beschreibt den schnellsten Weg") hergeleitet.

Dann sollte eigentlich alles klar sein.

Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
An dieser Stelle muss man natürlich kurz innehalten und fragen: Wenn man aus etwas angeblich Falschem ("Licht beschreibt den schnellsten Weg") etwas offensichtlich Richtiges (das Brechungsgesetz) herleitet, wie steht es dann um das angeblich Falsche?

Kannst du bitte präzisieren, inwiefern da etwas falsch ist?

Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
Hier zeigt sich wieder das bestätigt, was ich oben bzgl. der Begriffsbildung meinte: Wer gleich zu mathematisieren anfängt, der übersieht den Sprung vom Physikalischen ins Mathematische (bzw. umgekehrt).

Nochmal: Physik besteht im Kern aus Experiment und Mathematik. Alles weitere ist sekundär, Interpretation, Vermittlung von Anschauung und Vorstellung u.ä.

Wenn du eine andere Vorstellung von "Physikalischem" hast, dann wäre es an der Zeit, diese zu erläutern.

Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
Denn was wir in der Differentialrechnung machen, das geht gar nicht wirklich vom Fermatschen Prinzip aus, sondern lässt die Frage ganz offen, ob die verschiedenen Positionen von P auf der x-Achse aufgrund sich (kontinuierlich) ändernder Materialverhältnisse oder aufgrund einer tatsächlichen "Wahl" des Lichtes zustande kommen, wobei die physikalische Wirklichkeit (sprich die Materialverhältnisse) unberührt bleiben. Letzteres entspricht aber gar nicht den experimentellen Befunden, wo die "unberührten Materialverhältnisse" nur jeweils e i n e Position von P erlauben.

Du wirfst hier sprachliche Fragen auf, keine physikalischen.

Eine "tatsächliche Wahl des Lichts" ist für ein Experiment und eine mathematische Theorie völlig irrelevant. Da ich weder beweisen noch widerlegen kann, ob und wie das Licht "wählt", ist das eine unphysikalische Fragestellung.

Vergiss doch einfach mal diese ganze Begriffsverwirrung und konzentriere dich zuerst auf den physikalischen Kern, d.h. mathematische Modelle und Experimente. Anschließend kannst du dann Begriffe finden, die dies möglich gut interpretieren.

Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
Ich habe ja gerade der Vorstellung eines "wählenden" Lichtes widersprochen ...

Es wäre schön, wenn klar erkennbar wäre, wann du genau welcher Aussage zustimmst oder widersprichst. Das ist mir nicht klar.

Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
... indem ich sagte, dass dies die Vorstellung des Gedankenexperiments sei, die nicht in der Lage ist, sich Rechenschaft darüber abzulegen, weswegen sie plötzlich dem Licht diese Fähigkeit zuschreibt, sie aber bei der Geschwindigkeit dem Medium zuschreibt.

Nochmal: es geht nicht darum, dem Licht oder dem Medium irgendwelche "Fähigkeiten" zuzuschreiben oder abzusprechen. Es geht a) um mathematische Modelle, b) um experimentelle Erkenntnisse und c) zuletzt um anschauliche Begriffe und Interpretationen. Wenn dir (c) Probleme bereitet, dann kannst du dies - ob es nun von dir oder von mir oder von sonstwem stammt - getrost vergessen und dich auf (a) und (b) konzentrieren. Du wirst dadurch nichts essentielles verlieren.

Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
Da ich Quantenphysik noch nicht hatte, kann ich nur sagen, dass bei Wikipedia etwas anderes steht. Es ist aber ohnehin eine mir ganz ferne Vorstellung.

Wenn du Quantenphysik noch nicht hattest, sollten wir das erst mal außen vor lassen. Und auch hier ist Wikipedia nicht die Bibel.

Fakt ist auch hier, dass im Rahmen der Quantenmechanik das Feynmansche Pfadintegral ein präzises mathematisches Nodell liefert, das zutreffende Vorhersagen zu experimentellen Beobachtungen macht. Darauf nun Alltagsbegriffe anzuwenden ist zumeist irreführend und häufig nicht zweckdienlich.

Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
Das mit den Worten ist der dritte Punkt? Also wenn dem so ist, dann würde ich Dich doch erst einmal bitten, meine Worte zu verstehen. Du hast ja offenbar genau das Gegenteil von dem verstanden, was ich hier versuche zu vermitteln.

Wenn das so ist, dann solltest du evtl. mal versuchen, deine Gedanken präzise zu formulieren.

Ich denke, ich bin nicht alleine mit der Ansicht, dass mir (uns) deine Probleme hier nicht wirklich klar werden.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Lehramtsstudent



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Beiträge: 77

Beitrag Lehramtsstudent Verfasst am: 13. März 2018 00:36    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Es geht's nicht darum, dass das Licht etwas tut oder auswählt. Es geht darum, ein mathematisches Modell zu interpretieren.

Mir geht es um die Physik, nicht um mathematische Modelle.

Physik besteht aber im Kern aus mathematischen Modellen sowie experimentellen Beobachtungen.

Was soll Physik deiner Meinung nach anderes sein?


Physik darf gerne mathematische Modelle benutzen, aber man sollte schon wissen, was überhaupt da modelliert werden soll.

Vielleicht eine etwas grundsätzlichere Bemerkung: Ich füge hier überhaupt nichts Neues hinzu ("philosophische Gedanken über Worte") oder ähnliches, sondern ich gehe einfach von den Gedankengängen aus, die man in Lehrbüchern überall in der gleichen Weise nachlesen kann zu diesem "kleinen" Thema.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
An dieser Stelle muss man natürlich kurz innehalten und fragen: Wenn man aus etwas angeblich Falschem ("Licht beschreibt den schnellsten Weg") etwas offensichtlich Richtiges (das Brechungsgesetz) herleitet, wie steht es dann um das angeblich Falsche?

Kannst du bitte präzisieren, inwiefern da etwas falsch ist?


Darum dreht sich ja der ganze Thread, insofern würde es nur verwirren, meine Argumentation, die eigentlich simpel ist, zu wiederholen. Ich schrieb daher ja auch "angeblich falsch", da ich diese Vermutung, dass es sich um eine falsche Annahme handele, hier zur Diskussion stellen möchte.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
Hier zeigt sich wieder das bestätigt, was ich oben bzgl. der Begriffsbildung meinte: Wer gleich zu mathematisieren anfängt, der übersieht den Sprung vom Physikalischen ins Mathematische (bzw. umgekehrt).

Nochmal: Physik besteht im Kern aus Experiment und Mathematik. Alles weitere ist sekundär, Interpretation, Vermittlung von Anschauung und Vorstellung u.ä.

Wenn du eine andere Vorstellung von "Physikalischem" hast, dann wäre es an der Zeit, diese zu erläutern.


Wenn man nicht weiß, was man da überhaupt berechnet, dann sollte man noch einmal innehalten und über die Begriffe nachdenken. Das ist einfach essenziell und kann nicht wegdiskutiert werden. Jeder Einwand ließe sich mit einem reductio ad absurdum widerlegen, denn dann könnte ich ja bspw. eine Teleskopreihe entwickeln, obwohl man Teleskopreihen für die Herleitung des Snellius'schen Gesetzes gar nicht braucht.
Man kann sich nicht mit solchen lapidaren Aussagen, dass Mathematik ein Kern der Physik ist, der Begriffsbildung entziehen.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
Denn was wir in der Differentialrechnung machen, das geht gar nicht wirklich vom Fermatschen Prinzip aus, sondern lässt die Frage ganz offen, ob die verschiedenen Positionen von P auf der x-Achse aufgrund sich (kontinuierlich) ändernder Materialverhältnisse oder aufgrund einer tatsächlichen "Wahl" des Lichtes zustande kommen, wobei die physikalische Wirklichkeit (sprich die Materialverhältnisse) unberührt bleiben. Letzteres entspricht aber gar nicht den experimentellen Befunden, wo die "unberührten Materialverhältnisse" nur jeweils e i n e Position von P erlauben.

Du wirfst hier sprachliche Fragen auf, keine physikalischen.

Eine "tatsächliche Wahl des Lichts" ist für ein Experiment und eine mathematische Theorie völlig irrelevant. Da ich weder beweisen noch widerlegen kann, ob und wie das Licht "wählt", ist das eine unphysikalische Fragestellung.

Vergiss doch einfach mal diese ganze Begriffsverwirrung und konzentriere dich zuerst auf den physikalischen Kern, d.h. mathematische Modelle und Experimente. Anschließend kannst du dann Begriffe finden, die dies möglich gut interpretieren.


Wir können uns gerne darauf einigen, nur zu mathematisieren und die Begriffe zu vergessen. Dann verlange ich aber von Dir, dass Du bei dem Snellius'schen Gesetz bleibst und auf »Begriffe« wie dem des »schnellsten Weg«, den das Licht beschreite, ebenso verzichtest.

Das Snellius'sche Gesetz hat seine Gültigkeit, mit der Aussage über das Licht stiften die Physiker Verwirrung, nicht ich, denn ich versuche hier unlogische und intransparente Gedankengänge offenzulegen. Gerade für die Didaktik, also mich als Physiklehrer hat das eine große Bedeutung, auf die wir hier nicht einzugehen brauchen. Man kann sich auch einfach mit richtigen mathematischen Modellen zufrieden geben, die zweifel ich hier ja gar nicht an, nur dessen Interpretation, in denen schlichtweg falsche Aussagen getätigt werden. (Wie 1., dass das Licht den schnellsten Weg beschreibt und 2., dass das Snellius'sche Gesetz und das Fermatsche Prinzip äquivalent seien, man also die Richtigkeit von 1. mit der Richtigkeit von dem Snellius'schen Gesetz zugeben müsse, wie es wenigstens jedes mal impliziert wird, wenn aus dem Fermatschen Prinzip abgeleitet wird. Besser Du antwortest hierauf nicht direkt, weil Du es nicht verstehen kannst, wenn Du nicht meine Kritik am Fermatschen Prinzip verstanden hast.)


TomS hat Folgendes geschrieben:
Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
Ich habe ja gerade der Vorstellung eines "wählenden" Lichtes widersprochen ...

Es wäre schön, wenn klar erkennbar wäre, wann du genau welcher Aussage zustimmst oder widersprichst. Das ist mir nicht klar.


Wo ist es Dir denn unklar? Bezüglich dieser Aussage habe ich dort widersprochen, wo ich dem Gedankenexperiment ( = mathematische Rechnung) die physikalische Gültigkeit abgesprochen habe, sofern man annimmt, dass das Licht bei feststehendem Materialverhältnis andere Brechungswinkel einnehmen könnte. Dies wäre ja nur möglich, wenn das Licht über das jeweilige Materialverhältnis hinwegsehen dürfte, da die Rechnung allgemein für alle Materialverhältnisse gilt.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
... indem ich sagte, dass dies die Vorstellung des Gedankenexperiments sei, die nicht in der Lage ist, sich Rechenschaft darüber abzulegen, weswegen sie plötzlich dem Licht diese Fähigkeit zuschreibt, sie aber bei der Geschwindigkeit dem Medium zuschreibt.

Nochmal: es geht nicht darum, dem Licht oder dem Medium irgendwelche "Fähigkeiten" zuzuschreiben oder abzusprechen. Es geht a) um mathematische Modelle, b) um experimentelle Erkenntnisse und c) zuletzt um anschauliche Begriffe und Interpretationen. Wenn dir (c) Probleme bereitet, dann kannst du dies - ob es nun von dir oder von mir oder von sonstwem stammt - getrost vergessen und dich auf (a) und (b) konzentrieren. Du wirst dadurch nichts essentielles verlieren.


Das tut Ihr Physiker aber und deswegen widersprecht Ihr Euch in dieser Hinsicht dauernd selbst. Um diese inneren Widersprüche geht es mir nur.


TomS hat Folgendes geschrieben:
Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
Das mit den Worten ist der dritte Punkt? Also wenn dem so ist, dann würde ich Dich doch erst einmal bitten, meine Worte zu verstehen. Du hast ja offenbar genau das Gegenteil von dem verstanden, was ich hier versuche zu vermitteln.

Wenn das so ist, dann solltest du evtl. mal versuchen, deine Gedanken präzise zu formulieren.

Ich denke, ich bin nicht alleine mit der Ansicht, dass mir (uns) deine Probleme hier nicht wirklich klar werden.


Ob das an mir liegt …? Ich drücke mich schon sehr präzise aus, aber Du kannst ja gerne mal schreiben, wo Du es warum als zu unpräzise betrachtest.
ML



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Beiträge: 3400

Beitrag ML Verfasst am: 13. März 2018 00:59    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:

Das ist doch ein Begriffspaar… wer ausschließt, der "wählt" genauso.


Das Licht wählt keinen Weg., sondern es folgt ganz stur den lokalen Ausbreitungseigenschaften, die seine Umgebung ihm anbietet. Möglicherweise interpretierst Du hier das Wort "wählen" etwas über, indem Du es als aktive Handlungsanweisung für das Licht auffasst. Sieh es lieber als das Ergebnis einer Beobachtung an: "Immer, wenn man nachträglich nachschaut, welchen Weg das Licht bei einer Fortbewegung zwischen den Punkten A und B genommen hat, kommt heraus, dass das Licht entlang des schnellsten vorstellbaren Weges propagiert ist".

Zitat:
Mit welchem Recht spricht man von einem »schnellsten« Weg?

Letztlich bist es Du, der sich in der Analyse alle Wege des Lichtes anschaust und vergleicht. Und wenn Du den schnellsten gefunden hast, sagst Du: "Den da nimmt das Licht".
Bei der Analyse darfst Du das Brechungsgesetz vorher noch nicht reinstecken, sondern Du vergleichst alle Kurven, die den Startpunkt A mit dem Zielpunkt B verbinden.

Viele Grüße
Michael


Zuletzt bearbeitet von ML am 13. März 2018 01:19, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
Moderator


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Beiträge: 18078

Beitrag TomS Verfasst am: 13. März 2018 01:18    Titel: Antworten mit Zitat

Das führt zu nichts.
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Lehramtsstudent



Anmeldungsdatum: 11.03.2018
Beiträge: 77

Beitrag Lehramtsstudent Verfasst am: 13. März 2018 01:57    Titel: Antworten mit Zitat

ML hat Folgendes geschrieben:
Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:

Das ist doch ein Begriffspaar… wer ausschließt, der "wählt" genauso.


Das Licht wählt keinen Weg., sondern es folgt ganz stur den lokalen Ausbreitungseigenschaften, die seine Umgebung ihm anbietet.


Hallo Michael, Du hast offenbar nicht ganz mitbekommen, worum es hier geht in der Diskussion (aber da bist Du auch nicht der Einzige ;-) ). Ich sage gerade das Gegenteil, indem ich kritisiere, dass in der Physik dem Licht so ein Wählen implizit zugeschrieben wird durch die Aussage, dass es das den schnellsten Weg beschreibe.

ML hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Mit welchem Recht spricht man von einem »schnellsten« Weg?

Letztlich bist es Du, der sich in der Analyse alle Wege des Lichtes anschaust und vergleicht. Und wenn Du den schnellsten gefunden hast, sagst Du: "Den da nimmt das Licht".
Bei der Analyse darfst Du das Brechungsgesetz vorher noch nicht reinstecken, sondern Du vergleichst alle Kurven, die den Startpunkt A mit dem Zielpunkt B verbinden.


Ich muss mich leider wiederholen, aber vielleicht versteht es TomS, der irgendwie aufgegeben zu haben scheint, dann, worüber ich mich natürlich freuen würde, da mir mittlerweile klar geworden ist, dass das der eintrainierten Denkweise von Physikern etwas zuwider läuft:

Entweder Du schaust Dir alle Wege an und redest damit von anderen Materialverhältnissen.

Oder Du schaust Dir alle Wege an und redest dann vom Licht, das tatsächlich "wählen" darf.

Im ersten Fall aber beschreibt das Licht nicht mehr den schnellsten Weg, sondern folgt den Materialeigenschaften.

Im zweiten Fall hat man dem Licht etwas irrtümlicherweise zugeschrieben, was sich so experimentell nicht beobachten lässt und auch bspw. dem Faktum widerspricht, dass die Materialeigenschaften die Geschwindigkeit des Lichtes bestimmt. (Man müsste sich hier also neben dem Widerspruch zum Experiment die Rechenschaft darüber ablegen, warum das Licht sich plötzlich ü b e r das Medium stellen darf.)

Das Brechungsgesetz leitet sich völlig unabhängig von der Fermatschen Annahme einer schnellsten Ausbreitung ab. In der Differentialrechnung taucht diese Annahme nicht auf, da ist sie genauso mit dem ersteren Fall vereinbar. (In welchem man halt nicht von einer »schnellsten« Ausbreitung sprechen kann, da sich jeweils eine andere physikalische Wirklichkeit ergibt.)
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 13. März 2018 07:01    Titel: Antworten mit Zitat

Ich gehe von dem o.g. Ansatz bei bekannten und festen Brechungsindizes aus, variiere den Punkt P bei festgehaltenen Punkten A und B und minimiere T(P). Daraus folgt eindeutig ein P, und damit automatisch der Brechungswinkel bei P.

Die so gefundene Vorhersage für den Lichtweg vergleicht man mit dem Experiment und findet - im Rahmen der geometrischen Optik - Übereinstimmung. Daraus folgt, dass die o.g. Herleitung sowie das Brechungsgesetz als mathematisches Modell sinnvoll und zutreffend sind.

Ende!

Alles weitere sind (teilweise anschauliche) Begriffe und Interpretationen, die man letztlich nicht benötigt, um Physik zu betreiben.

Der Vorteil dieser knappen jedoch präzisen Darstellung ist, dass ich auf wolkige Begriffe und sprachliche Wendungen wie "entweder Du schaust Dir alle Wege an und redest damit von anderen Materialverhältnissen", "oder Du schaust Dir alle Wege an und redest dann vom Licht, das tatsächlich 'wählen' darf", "man müsste sich hier also neben dem Widerspruch zum Experiment die Rechenschaft darüber ablegen, warum das Licht sich plötzlich über das Medium stellen darf", "in welchem man halt nicht von einer »schnellsten« Ausbreitung sprechen kann, da sich jeweils eine andere physikalische Wirklichkeit ergibt" usw. vollständig kann.

Die von dir konstruierten Probleme sind sprachliche Scheinprobleme. In der Physik zählt die Theorie sowie deren Übereinstimmung mit dem Experiment. Daran solltest du zukünftig als Physiklehrer auch immer denken.

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ML



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Beitrag ML Verfasst am: 13. März 2018 12:29    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

Zitat:

Hallo Michael, Du hast offenbar nicht ganz mitbekommen, worum es hier geht in der Diskussion (aber da bist Du auch nicht der Einzige ;-) ).

Ich denke, dass ich die Diskussion verstanden habe.

Zitat:

Ich sage gerade das Gegenteil, indem ich kritisiere, dass in der Physik dem Licht so ein Wählen implizit zugeschrieben wird durch die Aussage, dass es das den schnellsten Weg beschreibe.

Und ich habe Dir erklärt, dass Du die Aussage "das Licht wählt..." m. E. als "Wahlprozess" überinterpretierst. Das Licht läuft entlang des schnellsten Weges, ohne davon zu wissen, und ich kenne keinen Physiker, der das anders sieht.

Andererseits ist es vollkommen egal, ob wir sagen, das Licht suche sich selbst seinen eigenen Weg und achtet dabei auf den schnellsten Weg, oder die Randbedingungen zwängen es zur Wahl dieses Weges. Entscheidend ist die Beobachtung, dass das Licht im Endeffekt entlang des schnellsten Weges läuft.

Wenn Du ein experimentelles Beispiel kennst, bei dem das Licht nicht den schnellsten Weg entlang läuft, dann können wir das gerne diskutieren. Solche Beispiele dürften m. E. relativ leicht zu finden sein. Die Aussage mit dem schnellsten Lichtweg ist ja irgendwo im (stark vereinfachten) Strahlenmodell angesiedelt.

Ich stelle mir als Gegenbeispiel z. B. Licht vor, das mehrfach zwischen zwei halbdurchlässigen Scheiben hin- und herreflektiert wird, ehe es durch eine der Scheiben austritt und dann in die Umgebung strahlt. Das Ding ist dann bloß, dass wir das Gebiet der Strahlenoptik verlassen. Die Strahlenoptik und das Fermatsche Prinzip sind in vielerlei Hinsicht ungeeignete Mittel, um solche Aufteilungen von Lichtbündeln zu beschreiben. Dennoch wirst Du häufig sehen, dass man in diesen Zusammenhängen trotzdem von "Lichtstrahlen" spricht, um sich sprachlich auszudrücken.

Beispiele hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Optischer_Resonator
https://de.wikipedia.org/wiki/Laser

ML hat Folgendes geschrieben:

Ich muss mich leider wiederholen, aber vielleicht versteht es TomS, der irgendwie aufgegeben zu haben scheint, dann, worüber ich mich natürlich freuen würde, da mir mittlerweile klar geworden ist, dass das der eintrainierten Denkweise von Physikern etwas zuwider läuft:

Du kritisierst mit großer Spitzfindigkeit sprachliche Ungenauigkeiten, Du nimmst aber anscheinend nicht zur Kenntnis, dass ausschließlich die mathematische Beschreibung die "amtliche" Formulierung der etablierten Theorie ist. In dieser Beschreibung ist kein Wahlprozess formuliert.

Es ist in der Physik ohnehin weithin bekannt und akzeptiert, dass sprachliche Formulierungen der Physik oft mehr oder weniger große Unschärfen enthalten.

Daher ganz konkret: Welche Aussage zum schnellsten Laufweg über Licht wird durch welches Experiment widerlegt?

Wenn Du darauf antworten kannst, können wir uns ganz konkret über Physik unterhalten.


Viele Grüße
Michael
Lehramtsstudent



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Beitrag Lehramtsstudent Verfasst am: 14. März 2018 09:45    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für Euer geduldiges Eingehen auf meine Gedankengänge. Ich habe es jetzt selber eingesehen, dass ich einen Denkfehler gemacht habe. Tatsächlich habe ich irrtümlicherweise angenommen, dass man dem Licht eine "Wahl" zuschreiben würde, Ihr lagt also komplett richtig. Komisch trotzdem, dass ich mich überhaupt so verzwickt in so einen Gedankengang verzettelt habe…
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 14. März 2018 17:17    Titel: Antworten mit Zitat

Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
Danke für Euer geduldiges Eingehen auf meine Gedankengänge.

Gerne.

Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
Ich habe es jetzt selber eingesehen, dass ich einen Denkfehler gemacht habe. Tatsächlich habe ich irrtümlicherweise angenommen, dass man dem Licht eine "Wahl" zuschreiben würde, Ihr lagt also komplett richtig. Komisch trotzdem, dass ich mich überhaupt so verzwickt in so einen Gedankengang verzettelt habe…

Wir können gerne nochmal auf einige Argumente näher eingehen.

Ich bin nämlich durchaus deiner Meinung, dass bei manchen anschaulichen Darstellungen mehr Verwirrung als Nutzen gestiftet wird, was sich z.B. darin äußerst, dass man mühsam und wortreich Bilder erklärt, nur um diese später als falsch zu kritisieren oder zu revidieren.

Ich habe für mich die Entscheidung getroffen, lieber auf intrinsische Unanschaulich hinzuweisen als irreführenderweise Anschaulichkeit zu suggerieren.

Würde mich interessieren, wie du dazu stehst.

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Anmeldungsdatum: 11.03.2018
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Beitrag Lehramtsstudent Verfasst am: 15. März 2018 00:16    Titel: Antworten mit Zitat

Ich bin mir nicht sicher, ob ich Dich richtig verstehe. Meinst Du, Du weist darauf hin, dass man grundsätzlich keine wirkliche Anschauung haben sollte? (Das interpretiere ich jetzt so krass, weil Du weiter oben ja auch die mathematischen Modelle gegenüber den »Begriffen« betont hast.)

Grundsätzlich kann ich noch nur wenig sagen, da für mich erst im 4. Semester, in das ich nun komme, die Fähigkeit erwächst, mich mit Physik auseinanderzusetzen, wie es meiner Natur entspricht (ich habe große Probleme damit, Konzepte einfach so hinzunehmen), aber freilich auch zu lernen, diszipliniert zu lernen, was man im Studium notgedrungen natürlich lernt. In letzter Zeit setze ich mich also intensiver mit Physik auseinander und kann aus dieser intensiveren Auseinandersetzung zwei Beispiele nennen, wo mir etwas zum Problem der Anschaulichkeit bzw. der Didaktik aufgefallen ist:

1. In einem Lehrbuch war eine veranschaulichende Zeichnung enthalten von einem See, über dessen Oberfläche direkt die Luft wärmer war als weiter oben und wie sich das Licht dort brechen würde. Gezeichnet wurde einfach nur eine Parabel, also sehr »anschaulich«. Das Problem hierbei ist aber, und gerade als angehender Lehrer interessieren mich ja die möglichen Gedankengänge/-fehler, dass direkt über der Oberfläche die Parabel ihr Minimum hat, das Licht also eigentlich parallel zur Wasseroberfläche laufen müsste. So etwas macht sich aber, meine ich, der Schüler nicht unbedingt klar, und dann hat er eine Verwirrung und ist verwirrt, weiß aber nicht warum, denn die Zeichnung sagt doch jedem ins Gesicht: Ich bin einfach und du bist dumm, wenn Du mich nicht verstehst. Aber der Schüler ist gar nicht dumm, er kann sich nur nicht klar machen, warum er da stockt.
Was hier wesentlich ausgelassen wird, ist: Der Weg, den das Licht beschreiben soll, kann erst wieder nach »oben gebogen« werden, wenn das Licht eine zufällig wärmere Schicht auf gleicher Höhe wie das Minimum der (bisher) beschriebenen »Halbparabel« passiert. Aber es kann freilich auch eine kältere Partei passieren und dann wird es ins Wasser hinein gebrochen und beim Beobachter kommt nichts an.

Wenn man beim Schreiben eines Lehrbuchs, auch für Studenten, auf solche »Kleinigkeiten«, aber doch Wesentlichkeiten, nicht hinweist, dann macht mich das skeptisch bzgl. der Denkweise eines solchen Autoren. Vielleicht zeigt es ja einfach, wie anders, nicht unbedingt »schwierig« im Sinne einer halben Unmöglichkeit, eine phänomenologische Herangehensweise an die Physik(-didaktik) ist. Damit will ich sagen: Man würde ein Lehrbuch unnötig verkomplizieren, wenn man auf all solche Spitzfindigkeiten eingehen würde, wie diejenige, die ich hier beschrieben habe, aber womöglich kann man ja andere Erklärungswege finden, wo man gar nicht angewiesen ist, noch extra auf derlei Feines hinzuweisen…

2. Ich finde es auch bemerkenswert, wie salopp man über die einfachsten Bewegungsgleichungen hinweg geht. Entweder man lernt einfach die Formel, oder, an der Uni, dann die Herleitung. Aber auch an der Uni wird dann etwas ausgelassen. (Hiermit sage ich wieder nicht, es soll zu dem Jetzigen das von mir Gesagte hinzugefügt werden, sondern will erst einmal nur unbefangen auf Dinge hinweisen, die mir problematisch und stillschweigend hingenommen erscheinen.) Nämlich kann man einmal, wie man es lernt, die Formel s = at^2/2 aus dem Integrieren herleiten, wo man dann die additiven Konstanten erhält, die physikalisch interpretiert werden (als + v0*t + x0), aber man kann auch ohne Integration darauf kommen.
Den Faktor 1/2 kriegt man dann, indem man die Durchschnittsgeschwindigkeit v[Strich] = (v0+v)/2 benutzt. Das ist dann gleich viel intuitiver als das Integrieren.
Also mir geht es hierbei nicht darum, dass so etwas prinzipiell unbekannt wäre, sondern einfach nur um die Denkweise, die ich wahrnehme, dass man einfach solchen Dingen irgendwie keinen Wert beizumessen scheint.

Ich denke jedenfalls, dass es gerade diese Kleinigkeiten sind, die man eben wegen ihrer Kleinigkeit gerne bloß unterbewusst mit sich herumträgt, die zur »Anschaulichkeit« in der Physik beitragen könnten. Aber ich bin auch nicht viel zu unerfahren und ungelehrt, um hier wirklich etwas sagen zu können. Das ist jetzt nur aus meiner Empfindung heraus gesprochen.
ML



Anmeldungsdatum: 17.04.2013
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Beitrag ML Verfasst am: 15. März 2018 02:19    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
Ich bin mir nicht sicher, ob ich Dich richtig verstehe. Meinst Du, Du weist darauf hin, dass man grundsätzlich keine wirkliche Anschauung haben sollte? (Das interpretiere ich jetzt so krass, weil Du weiter oben ja auch die mathematischen Modelle gegenüber den »Begriffen« betont hast.)

So, nun bin ich gar nicht TomS. Vielleicht interessiert Dich auch mein Herangehen.

Ich bin immer ganz gut damit gefahren, mir bei Problemen über die Anschauung (Skizzen, Vereinfachungen, usw.) Ideen zu holen und dann zu versuchen, die gefundene Lösungsidee anderweitig durch Messungen oder Herleitungen zu verifizieren.

Zitat:

1. In einem Lehrbuch war eine veranschaulichende Zeichnung enthalten von einem See, über dessen Oberfläche direkt die Luft wärmer war als weiter oben und wie sich das Licht dort brechen würde. Gezeichnet wurde einfach nur eine Parabel, also sehr »anschaulich«. Das Problem hierbei ist aber, und gerade als angehender Lehrer interessieren mich ja die möglichen Gedankengänge/-fehler, dass direkt über der Oberfläche die Parabel ihr Minimum hat, das Licht also eigentlich parallel zur Wasseroberfläche laufen müsste. So etwas macht sich aber, meine ich, der Schüler nicht unbedingt klar, und dann hat er eine Verwirrung und ist verwirrt, weiß aber nicht warum, denn die Zeichnung sagt doch jedem ins Gesicht: Ich bin einfach und du bist dumm, wenn Du mich nicht verstehst.

Die Zeichnung war sicher nur qualitativ gedacht.

Quantitativ ist das nämlich gar nicht so einfach herauszubekommen -- zumindest nicht analytisch. Mit vollnumerischen Simulationen wie FEM sollte es besser gehen.

Ein Kollege von mir hat während meiner Unizeit ein analoges Problem für Ultraschall behandelt. Es ging darum, welchen Weg ein Ultraschallstrahl verfolgt, der sich schräg durch ein temperaturgeschichtetes Medium bewegt. Diese Überlegungen sollten bei der Verbesserung eines halbanalytischen Simulationsalgorithmus helfen.

Er saß eine ganze Weile an dem Problem und hat mit nichtlinearen partiellen DGL herumhantiert und diese für verschiedene vereinfachte Annahmen (linearer Tempeaturgradient, nur kleiner Gradient, nur kleiner Winkel u. ä.) angenähert, weil man sonst nicht vernünftig eine Wellengleichung aufschreiben konnte.

In der Diskussion war, ob man sich bei diesem Problem mit einem "Bauerntrick" behelfen kann. Dieser besteht darin, dass man sich das Medium als Schichtung der Art
- 1mm Wasser mit 8°C
- 1mm Wasser mit 8,1°C
usw
vorstellt und dann für jede einzelne Schicht das Brechungsgesetz separat ansetzt. (Das könnte man dann auch noch für Schichtdicken mit unendlich kleinen Schichtdicken dz verfeinern).
Leider weiß ich nicht mehr genau, was am Ende herauskam, weil die präsentierten Lösungen am Anfang noch nicht "stabil" (fehlerfrei) waren und die Diskussionen vielfache Probleme aufwarfen. Niemand wusste beispielsweise so recht, ob bei der Vereinfachung mit der Schichtung Mehrfachreflexionen an den Schichten relevant sind, und wie sehr es auf die Dicke der einzelnen Schichten ankommt.
Ich erzähle das auch nur, um Deinen Eindruck zu bestätigen, dass manche komplizierten Probleme zunächst sehr leicht erscheinen.


Viele Grüße
Michael
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 15. März 2018 07:08    Titel: Antworten mit Zitat

Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
Ich bin mir nicht sicher, ob ich Dich richtig verstehe. Meinst Du, Du weist darauf hin, dass man grundsätzlich keine wirkliche Anschauung haben sollte? (Das interpretiere ich jetzt so krass, weil Du weiter oben ja auch die mathematischen Modelle gegenüber den »Begriffen« betont hast.)

Nein, ich bin absolut für die Anschaulichkeit - wenn möglich. Für Schüler ist das essentiell.

Ich bin aber strikt gegen irreführende oder falsche Anschaulichkeit, zumindest immer mit einem warnenden Hinweis bzgl. versteckter Fallen oder späterer Probleme. Und das ist für Studenten essentiell, denn ein Großteil der Physik ist leider unanschaulich.

Oder andersherum: dem Physiker muss es gelingen, die Ebene der trivialen Bildchen hinter sich zu lassen und für sich selbst verständliche Muster in der an sich unanschaulichen Mathematik zu finden.

Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
... kann aus dieser intensiveren Auseinandersetzung zwei Beispiele nennen, wo mir etwas zum Problem der Anschaulichkeit bzw. der Didaktik aufgefallen ist ... der Schüler ist gar nicht dumm, er kann sich nur nicht klar machen, warum er da stockt.

Das ist genau dieser Spagat: warum läuft der Schüler gegen einen Poller? Weil ich ihm kein anschauliches Bild angeboten habe? Oder weil ich ihm früher ein anschauliches Bild angeboten habe, das ihn jetzt in die Irre führt?


Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:
Wenn man beim Schreiben eines Lehrbuchs, auch für Studenten, auf solche »Kleinigkeiten«, aber doch Wesentlichkeiten, nicht hinweist, dann macht mich das skeptisch bzgl. der Denkweise eines solchen Autoren ... Damit will ich sagen: Man würde ein Lehrbuch unnötig verkomplizieren, wenn man auf all solche Spitzfindigkeiten eingehen würde ...

Ja, wiederum der o.g. Spagat: wie kann es gelingen, komplizierte Sachverhalte einfach und dennoch genügend präzise darzustellen?


Lehramtsstudent hat Folgendes geschrieben:

Ich finde es auch bemerkenswert, wie salopp man über die einfachsten Bewegungsgleichungen hinweg geht ... Das ist dann gleich viel intuitiver als das Integrieren.

Aber leider haben wir sehr häufig keine derart intuitives Vorgehen zur Hand.

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Beitrag Lehramtsstudent Verfasst am: 27. März 2018 22:28    Titel: Antworten mit Zitat

@ML: Sehr interessant und guter Einwand! Solche Erfahrungen bringen einen bestimmt auch nochmal weiter! Als Lehrer sollte man ja auch irgendwie naturwissenschaftliche Forschung in der Praxis erlebt haben.

@Toms: Mir scheint, trotz der Tatsache, dass man eben immer einen Spagat, also Abstriche machen muss, dass man dafür eine bestimmte Denkweise verantwortlich machen kann. Eine solche des farbenblinden (»daltonistischen«) einäugigen Zuschauerbewusstseins, die bspw. auch in jedem Lehrbuch das natürliche Wärmeempfinden geißelt, weil zwei Hände im gleichen Wasser unterschiedliche Empfindungen hervorrufen, wenn man sie jeweils in kaltes und Wasser vorher getaucht hat. (Das gleiche macht ja auch ein Thermometer, nur dass es Quantitäten anzeigt, wobei das bei Galileis Thermoskop ja auch noch nicht möglich war, soweit ich weiß.)
Quantenphysik
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Beitrag Quantenphysik Verfasst am: 27. März 2018 23:42    Titel: Antworten mit Zitat

@Lehramtsstudent
Ein Beispiel für eine meiner Meinung nach sehr misslungene Veranschaulichung ist die Veranschaulichung der Raumzeitkrümmung mit einem gespannten Gummituch und einem Ball in der Mitte (selbst so mehrfach gesehen).

Das Gummituch ist durch die Anziehung zwischen Erde und Ball eingedellt. Man versucht hier also Gravitation mit Gravitation zu erklären. Zudem gibt es einen Unterschied zwischen einer Raumkrümmung und einer Raumzeitkrümmung.

Wir müssen uns damit abfinden, dass sich unsere Gehirne so entwickelt haben, um in der Natur zu überleben, nicht aber um sie zu verstehen. Jedoch haben wir mit der Mathematik eine sehr präzise Sprache zur Verfügung, die sich als geeignet erwiesen hat die Natur zu beschreiben. Mit der Mathematik beschreibt man die Natur nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ.
Bei den Postulaten der Quantenmechanik handelt es sich u.a. um Zuordnungen zwischen physikalischen Objekten und mathematischen Objekten.
Lehramtsstudent



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Beitrag Lehramtsstudent Verfasst am: 28. März 2018 00:28    Titel: Antworten mit Zitat

@Quantenphysik: Gutes Beispiel! Aber die Aussage über die Gehirne und das Verstehen würde ich so nicht unterschreiben. Erst einmal ist sie ja eh unvollständig, weil das Gehirn offenbar materieller Träger dieser mathematischen Tätigkeit ist, aber auch, weil eben dieser Kantische Mathematismus einseitig ist. Diese Aussage ist ja gleichbedeutend mit Kants Ausspruch, in jedem wissenschaftlichen Bemühen stecke nur so viel Wissenschaft, wie auch Mathematik in ihr enthalten ist. Das hat zu allerlei Auswüchsen in der Pädagogik und Psychologie geführt, wo man seelische Zustände durch Proportionen und andere mathematische Ausdrücke zu verstehen suchte, oder wo man das Verhalten wie eine Funktion auszudrücken versuchte (Behaviorismus). Davon ist man ja glücklicherweise mittlerweile abgekommen. Diese Naivität ist zwar nicht mehr vorhanden, dafür die Denkweise auch nicht mehr so klar herauszukristallisieren.

Man sollte die Mathematik in allen ihren Verdiensten ehren, aber sie nicht so eng fassen wie die Kantische Denkweise. Dann ist man bei Goethe und Steiner, die die mathematische Denkweise beibehalten wollen im Kreis der Naturbeobachtung, in voller Anerkennung der Mathematik als solchen.

Auch solch namhafte Physiker wie Heisenberg haben gemerkt, dass man sich mit dem einäugigen farbenblinden Zuschauerbewusstsein in eine Einseitigkeit begibt:

»Fast jeder Fortschritt der Naturwissenschaft ist mit einem Verzicht erkauft worden, fast für jede neue Erkenntnis müssen früher wichtige Fragestellungen und Begriffsbildungen aufgeopfert werden. Mit der Mehrung der Kenntnisse und Erkenntnisse werden so in gewisser Weise die Ansprüche der Naturforscher auf ein Verständnis der Welt immer geringer.«
Dafür, »dass es gelungen ist, die unendlich mannigfaltigen Erscheinungen der Natur auf der Erde und auf den Sternen nach einem verhältnismäßig so einfachen Schema von Gesetzen zu ordnen«, sollte nicht die Tatsache außer Acht gelassen werden, dass diese Errungenschaft erkauft ist »durch den Verzicht, die Phänomene der Natur unserem Denken durch die Naturwissenschaft unmittelbar lebendig zu machen.«
(W. Heisenberg, »Zur Geschichte der physikalischen Naturerklärung«. In »Wandlungen in den Grundlagen der Naturwissenschaft«. S. Hirzel.)
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 28. März 2018 08:53    Titel: Antworten mit Zitat

Dieser Verzicht ist offensichtlich.

In den vergangenen Jahrzehnten hat jedoch niemand eine Alternative entwickeln können, mittels derer quantitative Erklärung und zugleich anschauliches Verständnis möglich war.

Wir werden uns wohl damit abfinden müssen, dass die Natur sich nicht unserer Anschauung anpasst.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Lehramtsstudent



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Beitrag Lehramtsstudent Verfasst am: 28. März 2018 23:55    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn man so ein Buch wie "Grand Design" von Stephen Hawking liest, bekommt man aber auch nicht wirklich den Eindruck, als gäbe es Bemühungen, nach anderen Seiten zur empfundenen "Ein-Seitigkeit" zu suchen. Auch kenne ich keinen namhaften Physiker, der sich mal ernsthaft mit Goethe oder Steiner beschäftigt hätte. Es gibt da (über Goethe) natürlich immer wieder mal Äußerungen von Physikern, wie z.B. Helmholtz, aber meistens doch nicht gründend auf ernsthafter Beschäftigung mit dessen Forschungsart. Erschwert wird es sicherlich durch die Geschichte mit der Kirche, aber auch durch allerlei Gefühlsmystik und ernstlos betriebener Esoterik, die jeglichen anderen Weg, als den rein mathematisch-abstrakten (dessen Gültigkeit als solche nicht verkannt werden soll im Sinne Goethes!), in Verruf bringt.
jh8979
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Beitrag jh8979 Verfasst am: 01. Apr 2018 02:18    Titel: Antworten mit Zitat

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