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FAQ - zur Interpretation des photoelektrischen Effektes
 
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TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18068

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Apr 2017 10:45    Titel: FAQ - zur Interpretation des photoelektrischen Effektes Antworten mit Zitat

Der Photoeffekt wird gerne - wie ich zeigen möchte fälschlicherweise - als Beweis für die Quantennatur der elektromagnetischen Strahlung angeführt.

Zur Erinnerung: bei der Bestrahlung eines Metalls mit Licht der Wellenlänge omega werden aus dem Metall Elektronen der kinetischen Energie



ausgelöst, wobei W die sogenannte Austrittsarbeit bezeichnet; diese muss mindestens aufgebracht werden, damit überhaupt Elektronen austreten.

Die Beobachtungen stehen im Widerspruch zur Interpretation von Licht als klassischer elektromagnetischer Welle plus klassischen Elektronen. Nach dieser Vorstellung hängt die Energie einer Welle allein von ihrer Amplitude, nicht jedoch von ihrer Frequenz ab.

Einstein postulierte nun, dass Licht in Form diskreter Quanten, sogenannter Photonen, aufritt, und dass diese Photonen jeweils eine Energie



tragen. Der Photoeffekt kann dann interpretiert werden als Stoß eines Photons mit einem Elektron, wobei das Photon absorbiert und die Energie vollständig auf das Elektron übertragen wird.

Während die Aussage, dass der Effekt nicht vollständig klassisch verstanden werden kann, korrekt ist, stellt die Lichtquantenhypothese Einsteins zwar eine mögliche Lösung dar, ist jedoch keine zwingende Schlussfolgerung aus den o.g. experimentellen Ergebnissen – auch wenn dies gerne, jedoch fälschlicherweise, so dargestellt wird.

Tatsache ist, dass der Photoeffekt vollständig im Rahmen der nicht-relativistischen Quantenmechanik, d.h. unter Anwendung der Schrödingergleichung plus einem klassischen elektromagnetischen Feld verstanden werden kann.

In A. Sommerfelds „Atombau und Spektrallinien, Bd. II“ findet sich dazu ein Artikel von H. Bethe: „Über die nichtstationäre Behandlung des Photoeffekts“, Ann. d. Phys. 4, 443 (1930).

Weitere Physiker haben auf dieses Missverständnis hingewiesen, so z.B. W.E. Lamb

Zitat:
A misconception which most physicists acquire in their formative years is that the photoelectric effect requires the quantization of the electromagnetic field for its explanation. [...] In fact we shall see that the photoelectric effect may be completely explained without invoking the concept of "light quanta."


in „The photoelectric effect without photons“, Presses Universitaires de France (1969).

Grund für dieses Missverständnis dürfte sein, dass die Hypothese Einsteins sich natürlich im Nachhinein als korrekt herausstellte, und dass die notwendige Berechnungsmethoden der Quantenmechanik im Jahre 1905 noch nicht zur Verfügung standen (Schrödingergleichung 1926; „Fermis goldene Regel“, im Wesentlichen jedoch von Dirac in 1927; Bethe 1930, s.o.).

Vergessen wir mal die historische Reihenfolge der Ereignisse und betrachten wir die Berechnung im Rahmen der nicht-relativistischen Quantenmechanik:

Man betrachtet zunächst das Elektron (die Elektronen) in einem endlich-tiefen Potentialtopf. Dies führt zu einem diskreten Spektrum gebundener Elektronzustände mit Energien



sowie einem Kontinuum nicht-gebundener Zustände mit



Das elektromagnetische Feld wird als zeitabhängige Störung mit Vektorpotential



modelliert.

Der Wechselwirkungsterm im Hamiltonian lautet dann



Das Übergangsmatrixelement zwischen dem gebundenen Zustand i und dem Streuzustand f des Elektrons lautet in erster Ordnung Störungstheorie



Für die Übergangsrate pro Zeit (im Grenzfall unendlicher langer Bestrahlungszeit) folgt



Daraus folgt zunächst, dass die erlaubte Energie der Photoelektronen durch das Argument der delta-Funktion zu



festgelegt ist; d.h. das elektromagnetische Feld überträgt diskrete Energiequanten auf ein einzelnes Elektron; die negative Bindungsenergie des Elektrons entspricht der Austrittsarbeit



Die Energie der Photoelektronen hängt entgegen der rein klassischen Betrachtung nicht von der Bestrahlungsintensität ab.

Die Wahrscheinlichkeit skaliert mit dem Quadrat der Feldstärke, d.h.



Daraus folgt die Zahl der Photoelektronen als Funktion der Bestrahlungsintensität in Übereinstimmung mit dem Experiment.

Insgesamt werden die wesentlichen Charakteristika des Photoeffektes durch ein klassisches elektromagnetisches Feld im Rahmen der nicht-relativistischen Quantenmechanik korrekt reproduziert.

In der o.g. Berechnung wird keine Quantisierung des elektromagnetischen Feldes verwendet; es treten insbs. keine Photonen auf, lediglich ein quantisierter Energieübertrag auf das Elektron. Die wesentliche Schlussfolgerung ist demnach, dass der Photoeffekt zwar als ein Indiz für die Quantennatur der elektromagnetischen Strahlung gewertet werden kann, keinesfalls jedoch als zwingender Beweis.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
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