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Definition Mannigfaltigkeit
 
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Quantumdot
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Beitrag Quantumdot Verfasst am: 18. Apr 2023 10:43    Titel: Definition Mannigfaltigkeit Antworten mit Zitat

Hallo das ist zwar eine etwas mathematische Frage, aber ich beschäftige mich im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie damit.

Es wird gesagt, dass ein topologischer Raum eine Mannigfaltigkeit vorliegt, wenn zu jedem Punkt auf der Mannigfaltigkeit eine offene Umgebung existiert, die homöomorph zu einer offenen Umgebung des R^n ist.
Um aber im R^n von offenen Umgebungen zu sprechen, muss er mit einer Topologie ausgestattet sein. Davon wird in den Definitionen aber nichts erwähnt. Heißt das man geht implizit immer von der Standardtopoplogie aus.

Eine weitere Frage ist, wieso man in der Physik die Eigenschaften braucht dass es ein zweitabzählbarer Hausdorffraum ist.
Das Trennungsaxiom liefert ja die Eigenschaft, dass Grenzwerte eindeutig sind und die zweitabzählbarkeit, dass es dichte teilmengen (separabel) gibt. Sind das Gründe, warum man das gern in der Physik hätte?
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 18. Apr 2023 16:57    Titel: Re: Definition Mannigfaltigkeit Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:

Heißt das man geht implizit immer von der Standardtopoplogie aus.


Ja.

Zitat:

Eine weitere Frage ist, wieso man in der Physik die Eigenschaften braucht dass es ein zweitabzählbarer Hausdorffraum ist.
Das Trennungsaxiom liefert ja die Eigenschaft, dass Grenzwerte eindeutig sind und die zweitabzählbarkeit, dass es dichte teilmengen (separabel) gibt.


Separabilität bedeutet, daß es abzählbare dichte Teilmengen gibt. Eine dichte Teilmenge gibt es immer.

Von Mannigfaltigkeiten verlangt man oft, daß sie parakompakt sind, z.B. da dies die Existenz einer Zerlegung der Eins impliziert, was eine recht häufig benützte Eigenschaft ist. Aus dem zweiten Abzählbarkeitsaxiom folgt wiederum Parakompaktheit.

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Quantumdot
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Beitrag Quantumdot Verfasst am: 18. Apr 2023 21:40    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen dank
und wozu braucht man genau das Trennungsaxiom in der Physik?
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 18. Apr 2023 22:33    Titel: Antworten mit Zitat

Die Frage kann man so m.E. nicht beantworten. Nicht alle für die ART interessanten Modelle der Raumzeit sind hausdorffsch. Ansonsten hattest du ja eine wichtige Konsequenz des Trennungsaxioms schon genannt.
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Beitrag TomS Verfasst am: 18. Apr 2023 22:54    Titel: Antworten mit Zitat

Kein Physiker benötigt oder verwendet bewusst das zweite Trennungsaxiom. Aber es ist zunächst mal „anschaulich klar“, dass wenn zwei voneinander verschiedene Punkte A und B vorliegen, zu diesen beiden Punkten auch zwei disjunkte Umgebungen U(A) und U(B) existieren. Das entspricht unserer Anschauung von Orten, und es spielt eine Rolle für die Vorstellung einer Bewegung x(t) von A nach B mit x(0) = A und x(1) = B.

Man müsste sich umgekehrt überlegen, welche der wünschenswerten Eigenschaften einer Mannigfaltigkeit verloren gehen bzw. welche Konzepte ersetzt werden müssen, wenn der verwendete Raum nicht hausdorffsch wäre. Was tritt z.B. an die Stelle eines metrischen Raumrs? Wie kann man Analysis betreiben? Wie formuliert man die Newtonsche Bewegungsgleichung


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Beitrag index_razor Verfasst am: 19. Apr 2023 09:47    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Wie kann man Analysis betreiben? Wie formuliert man die Newtonsche Bewegungsgleichung



Dafür benötigt man eine differenzierbare Struktur und einen affinen Zusammenhang, aber nicht das Trennungsaxiom. Generell sehe ich kein Problem mit Komponenten, auf denen lediglich einzelne Punkte nicht getrennt werden können.

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Beitrag Quantumdot Verfasst am: 19. Apr 2023 10:11    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen Dank.
In der Literatur zur ART wird halt oft die topologische Mannigfaltigkeit mit den drei entsprechenden Axiomen eingeführt. Genutzt wird dann aber hinterher nur die lokale Euklidizität. Gibt es bei konkreten Rechnungen irgendwas, das nicht funktioniert, wenn man die anderen beiden Axiome nicht hat?


ich hätte noch ne Frage. Wenn man konkrete Rechnungen durchführt, verwendet man Koordinaten, ohne zu wissen wie die Karte aussieht, die Punkte der Raumzeit auf diese Koordinaten abbildet. Bspw schränkt man für die Schwarzschildlösung der Vakuum Feldgleichungen die Form der Komponenten des metrischen Tensors durch Symmetrieüberlegungen geeignet ein und dadurch erhält man Koordinaten, die ähnlich wie Kugelkoordingen (aber nicht dasselbe) sind. Woher weiß ich dann welcher Punkt der echten Raumzeit dem 4-Tupel, welches ich gerade betrachte, zugeordnet ist, wenn ich die Karte nicht kenne.
In Übungsaufgaben betrachtet man oft Untermannigfaltigkeiten des R^n. da kann man die Karte konkret als Term angeben und das kann ich mir vorstellen. Bei der Raumzeit kann man das aber nicht. Wie kann man dann von einer Bahnkurve in dem Koordinatenraum auf die Form der realen Bahnkurve in der Raumzeit schließen, wenn ich keinen expliziten Ausdruck für die Karte habe? Versteht ihr was ich meine?
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Beitrag TomS Verfasst am: 19. Apr 2023 11:11    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Wie kann man Analysis betreiben? Wie formuliert man die Newtonsche Bewegungsgleichung



Dafür benötigt man eine differenzierbare Struktur und einen affinen Zusammenhang, aber nicht das Trennungsaxiom.

Ok. Aber ohne das Trennungsaxiom liegt kein metrischer Raum vor, richtig? Dann fehlt doch ein Abstandsabgriff, oder?

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Generell sehe ich kein Problem mit Komponenten, auf denen lediglich einzelne Punkte nicht getrennt werden können.

Was genau meinst du damit?

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Beitrag TomS Verfasst am: 19. Apr 2023 11:14    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Gibt es bei konkreten Rechnungen irgendwas, das nicht funktioniert, wenn man die anderen beiden Axiome nicht hat?

Ich kenne die Aussage, dass jeder metrische Raum ein Hausdorff-Raum ist. Läge kein Hausdorff-Raum vor, dann auch kein metrischer Raum. Oder?

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Beitrag index_razor Verfasst am: 19. Apr 2023 11:42    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ok. Aber ohne das Trennungsaxiom liegt kein metrischer Raum vor, richtig? Dann fehlt doch ein Abstandsabgriff, oder?


Ja, die Topologie eines nicht-hausdorffschen Raums ist definitiv nicht durch eine Metrik erzeugt. Für die Raumzeit spielt das aber keine Rolle. Deren Topologie ist ohnehin nicht durch eine Metrik erzeugt, egal ob sie hausdorffsch ist oder nicht. (Zumindest spielt eine solche Metrik keine Rolle in der ART.)

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Generell sehe ich kein Problem mit Komponenten, auf denen lediglich einzelne Punkte nicht getrennt werden können.

Was genau meinst du damit?


Ich kann mir eine Raumzeit vorstellen, in der z.B. zwei verschiedene Punkte q und p keine disjunkten Umgebungen besitzen, alle anderen aber schon. Ich wüßte keinen Grund warum keine solche Mannigfaltigkeit physikalisch akzeptabel sein sollte.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 19. Apr 2023 17:54    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:

In der Literatur zur ART wird halt oft die topologische Mannigfaltigkeit mit den drei entsprechenden Axiomen eingeführt. Genutzt wird dann aber hinterher nur die lokale Euklidizität. Gibt es bei konkreten Rechnungen irgendwas, das nicht funktioniert, wenn man die anderen beiden Axiome nicht hat?


Ja, wie gesagt,



mit glatten Funktionen funktioniert im allgemeinen nicht. Und das wird oft benutzt, z.B. wenn man das Integral einer Funktion auf der Raumzeit definieren will.

Zitat:

Wenn man konkrete Rechnungen durchführt, verwendet man Koordinaten, ohne zu wissen wie die Karte aussieht, die Punkte der Raumzeit auf diese Koordinaten abbildet. [...] Versteht ihr was ich meine?


Nein, eigentlich nicht. Welche Information genau fehlt dir denn um die Karte zu spezifizieren? Woher weißt du welcher Punkt, sagen wir, auf der Sphäre mit den Koordinaten gemeint ist; oder in der Ebene mit ?

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Beitrag Quantumdot Verfasst am: 19. Apr 2023 22:13    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:


Nein, eigentlich nicht. Welche Information genau fehlt dir denn um die Karte zu spezifizieren? Woher weißt du welcher Punkt, sagen wir, auf der Sphäre mit den Koordinaten gemeint ist; oder in der Ebene mit ?


Den kann ich mir als Untermannigfaltigkeit vom vorstellen.
Dann kann ich z.B. die Zuordnung mit festem r definieren.
Und wenn ich das invertiere (und dabei die Wertebereiche von theta und phi entsprechend einschränke) hab ich ne Karte von der Kugeloberfläche in den .
Bei der gekrümmten Raumzeit werden solche Karten nicht angegeben. Es wird nur gesagt, dass es eine Karte gibt und man bekommt die Funktionswerte der Karte (Koordinaten) geliefert. Eigentlich weiß ich nicht einmal was die Punkte der Raumzeit aus denen ich auf die Koordinaten abbilde, sein sollen. Man beschreibt die eigentliche Raumzeit irgendwie nur sehr implizit. Da ist halt irgendwas auf das man Karten definieren kann. Was das was da ist eigentlich ist und wie die Karten explizit aussehen, bekommt man aber nicht gesagt und man hat nur irgendwelche Funktionswerte von Karten (Koordinaten) explizit gegeben.
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Beitrag TomS Verfasst am: 19. Apr 2023 22:36    Titel: Antworten mit Zitat

Ich verstehe den Unterschied nicht.

Der Physiker gibt z.B. für den flachen Minkowski-Raum normalerweise einfach die Metrik an, also z.B.



Alternativ auch



Das ist natürlich nur sehr skizzenhaft formuliert, aber damit wird die Metrik auf der Raumzeit exakt so angegeben, wie man dies auch für eine Kugeloberfläche mit festem Radius R tun würde:



Was man in der ART nie betrachtet ist eine Einbettung in einen höherdimensionalen Raum.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 19. Apr 2023 22:47, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag index_razor Verfasst am: 19. Apr 2023 22:37    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:


Nein, eigentlich nicht. Welche Information genau fehlt dir denn um die Karte zu spezifizieren? Woher weißt du welcher Punkt, sagen wir, auf der Sphäre mit den Koordinaten gemeint ist; oder in der Ebene mit ?


Den kann ich mir als Untermannigfaltigkeit vom vorstellen.


Na und? Du kannst dir auf beliebig viele verschiedene Weisen als Untermannigfaltigkeit von vorstellen. Wie soll das dein Problem lösen, den Punkt auf der Sphäre zu identifizieren, der zu den Koordinaten gehört? Und andererseits, wenn du die Definition von Karten auf und der Ebene für unproblematisch hältst, warum dann nicht auf der Schwarzschildraumzeit ?

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Beitrag TomS Verfasst am: 20. Apr 2023 00:19    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ja, die Topologie eines nicht-hausdorffschen Raums ist definitiv nicht durch eine Metrik erzeugt. Für die Raumzeit spielt das aber keine Rolle. Deren Topologie ist ohnehin nicht durch eine Metrik erzeugt, egal ob sie hausdorffsch ist oder nicht. (Zumindest spielt eine solche Metrik keine Rolle in der ART.)

Deswegen hatte ich bewusst die Newtonsche Mechanik als Beispiel gewählt ;-)

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Beitrag index_razor Verfasst am: 20. Apr 2023 08:02    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ja, die Topologie eines nicht-hausdorffschen Raums ist definitiv nicht durch eine Metrik erzeugt. Für die Raumzeit spielt das aber keine Rolle. Deren Topologie ist ohnehin nicht durch eine Metrik erzeugt, egal ob sie hausdorffsch ist oder nicht. (Zumindest spielt eine solche Metrik keine Rolle in der ART.)

Deswegen hatte ich bewusst die Newtonsche Mechanik als Beispiel gewählt ;-)


Meine Aussagen bezogen sich aber auf die Topologie der Raumzeit. Die ist in der Newtonschen Mechanik auch nicht metrisch. Für den Raum sieht die Sache natürlich anders aus.

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Beitrag TomS Verfasst am: 20. Apr 2023 08:46    Titel: Antworten mit Zitat

Das ist mir schon klar.

Wobei auch die Raumzeit lokal isomorph zu einem metrischen Raum ist, wenn auch dessen Metrik und die pseudo-Metrik auf einem Minkowski-Raum oder einer Riemannschen Mannigfaltigkeit wohl nichts (?) miteinander zu tun haben. Jedenfalls kann ich lichtartige Ereignisse an unterschiedlichen Punkten der Raumzeit unterscheiden, obwohl ich dazu mittels des „Abstandsbegriffes“ der pseudo-Metrik und der kausalen Topologie alleine nicht in der Lage bin. Das Aussenden P und das Empfangen Q eines Lichtsignals können klar voneinander verschiedene Ereignisse sein. Dies wird aber natürlich nicht von der pseudo-Metrik geleistet, für die d(P, Q) = 0 gilt. Deswegen - siehe auch mein (?) - bin ich mir nicht sicher, ob das Konzept eines metrischen Raumes bzw. eines Hausdorff-Raumes in der ART wirklich irrelevant ist.

Ich hatte aber bewusst den Newtonschen Raum als Beispiel gewählt. Mir ging es darum, dass beim Verzicht auf die Hausdorff-Eigenschaften etwas verloren geht, ohne das man nicht in bekannter Weise Physik betreiben kann. Ich sehe zunächst nicht, wie ich die Newtonsche Mechanik formulieren sollte.

Und wie gesagt, ich sehe das auch im Falle der ART als wichtig an. Wie willst du unter ausschließlicher Verwendung der pseudo-Metrik die Fälle





denn unterscheiden? Du kannst es nicht. Andererseits unterscheiden wir die beiden Fälle physikalisch ganz selbstverständlich voneinander, und ich denke, dass hier auch das Trennungsaxiom und die Hausdorff-Topologie implizit eine Rolle spielt (wir tun dies übrigens ganz unbewusst physikalisch-schlampig, indem wir P und Q voneinander unterscheiden, wenn sie unterschiedliche Koordinaten bzgl. der selben Karte haben).

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Beitrag index_razor Verfasst am: 20. Apr 2023 09:28    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich hatte aber bewusst den Newtonschen Raum als Beispiel gewählt. Mir ging es darum, dass beim Verzicht auf die Hausdorff-Eigenschaften etwas verloren geht, ohne das man nicht in bekannter Weise Physik betreiben kann.


Beim Verlust der Hausdorff-Eigenschaft des Raumes geht die metrische Eigenschaft des Raumes verloren. Das hat nichts mit der Topologie der Raumzeit zu tun.

Zitat:

Und wie gesagt, ich sehe das auch im Falle der ART als wichtig an. Wie willst du unter ausschließlicher Verwendung der pseudo-Metrik die Fälle





denn unterscheiden?


Darum geht es nicht. Zwei verschiedene Punkte sind verschieden egal, ob ihr Minkowskiabstand null ist oder ob sie in der Topologie der Raumzeit in disjunkten Umgebungen liegen. Meine Aussage war lediglich, daß es für die Topologie der Raumzeit keine Rolle spielt ob sie metrisierbar ist oder nicht, weil die Raumzeit ohnehin nicht metrisch ist.

Zitat:

Du kannst es nicht. Andererseits unterscheiden wir die beiden Fälle physikalisch ganz selbstverständlich voneinander, und ich denke, dass hier auch das Trennungsaxiom und die Hausdorff-Topologie implizit eine Rolle spielt


Natürlich unterscheidet man verschiedene Punkte. Das tut man auch in nicht-hausdorffschen Räumen. Das hat mit dem Trennungsaxiom doch nichts zu tun.

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Beitrag TomS Verfasst am: 20. Apr 2023 09:41    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Beim Verlust der Hausdorff-Eigenschaft des Raumes geht die metrische Eigenschaft des Raumes verloren. Das hat nichts mit der Topologie der Raumzeit zu tun.

Ich hatte oben schon geschrieben, dass mir das klar ist.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Darum geht es nicht. Zwei verschiedene Punkte sind verschieden egal, ob ihr Minkowskiabstand null ist oder ob sie in der Topologie der Raumzeit in disjunkten Umgebungen liegen. Meine Aussage war lediglich, daß es für die Topologie der Raumzeit keine Rolle spielt ob sie metrisierbar ist oder nicht, weil die Raumzeit ohnehin nicht metrisch ist.

Doch, darum geht es. Wie legst du fest, ob zwei Punkt P und Q verschieden sind? Und wie unterscheidest du die beiden Fälle? Du nutzt eine Eigenschaft, die nicht durch die pseudo-Metrik gegeben ist.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Natürlich unterscheidet man verschieden Punkte. Das tut man auch in nicht-hausdorffschen Räumen. Das hat mit dem Trennungsaxiom doch nichts zu tun.

Das glaube ich in unserem Fall nicht.

Betrachten wir eine kausale Struktur mit



wobei P, Q durch eine Geodäte verbunden sind und lambda den affinen Parameter entlang der Geodäte bezeichnet.

Dann ist



Damit ist diese Struktur m.E. Hausdorffsch.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 20. Apr 2023 09:50    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich hatte oben schon geschrieben, dass mir das klar ist.


Dann müßte dir auch klar sein, daß die Metrik und Topologie des Raumes irrelevant ist.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Darum geht es nicht. Zwei verschiedene Punkte sind verschieden egal, ob ihr Minkowskiabstand null ist oder ob sie in der Topologie der Raumzeit in disjunkten Umgebungen liegen. Meine Aussage war lediglich, daß es für die Topologie der Raumzeit keine Rolle spielt ob sie metrisierbar ist oder nicht, weil die Raumzeit ohnehin nicht metrisch ist.

Doch, darum geht es. Wie legst du fest, ob zwei Punkt P und Q verschieden sind? Und wie unterscheidest du die beiden Fälle? Du nutzt eine Eigenschaft, die nicht durch die pseudo-Metrik gegeben ist.


Natürlich, für die Unterscheidung der beiden Punkte nutze ich aber auch nicht die Topologie und schon gar nicht das Trennungsaxiom. Denn ich unterschiede verschiedene Punkte auch in nicht-hausdorffschen Räumen.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Natürlich unterscheidet man verschieden Punkte. Das tut man auch in nicht-hausdorffschen Räumen. Das hat mit dem Trennungsaxiom doch nichts zu tun.

Das glaube ich in unserem Fall nicht.

Betrachten wir eine kausale Struktur mit




Das definiert keine Metrik auf der Raumzeit und auch keinen Hausdorff-Raum.

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Beitrag TomS Verfasst am: 20. Apr 2023 11:45    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Dann müßte dir auch klar sein, daß die Metrik und Topologie des Raumes irrelevant ist.

Nö.

Die Newtonschen Mechanik wird üblicherweise auf einem euklidischen bzw. R³-Raum formuliert, mit der bekannten Metrik.

In der ART kann ich nicht-triviale Topologien M³ * R betrachten, wobei M³ z.B. Singularitäten aufweist oder mehrfach zusammenhängend ist.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:

Das definiert keine Metrik auf der Raumzeit und auch keinen Hausdorff-Raum.

Ob das keine Metrik definiert ist erst noch die Frage. Es definiert sicher nicht die übliche Riemannsche pseudo-Metrik, aber das habe ich auch nicht behauptet.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 20. Apr 2023 12:18    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Dann müßte dir auch klar sein, daß die Metrik und Topologie des Raumes irrelevant ist.

Nö.

Die Newtonschen Mechanik wird üblicherweise auf einem euklidischen bzw. R³-Raum formuliert, mit der bekannten Metrik.


Nochmal, die Metrik des Raumes erzeugt eine Hausdorff-Topologie auf dem Raum, aber nicht auf der Raumzeit. Meine Aussage bezog sich auf die Raumzeit.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:

Das definiert keine Metrik auf der Raumzeit und auch keinen Hausdorff-Raum.

Ob das keine Metrik definiert ist erst noch die Frage.


Du hast gefragt ob ohne das Trennungsaxiom die Mannigfaltigkeit nicht metrisierbar ist. Ich habe das bejaht, aber darauf hingewiesen, daß dies für die Raumzeit egal ist, da sie ohnehin kein metrischer Raum ist, weder in der ART noch in der Newtonschen Mechanik. Ich weiß nicht, was daran jetzt noch "die Frage" sein soll. Es spielt absolut keine Rolle ob eine bestimmte Topologie der Raumzeit durch irgendeine Metrik erzeugt wird. Also spricht auch erstmal nichts gegen Topologien auf der Raumzeit, die das Trennungsaxiom verletzen.

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Beitrag TomS Verfasst am: 20. Apr 2023 12:58    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Du hast gefragt ob ohne das Trennungsaxiom der Raum nicht metrisierbar ist. Ich habe das bejaht, aber darauf hingewiesen, daß dies für die Raumzeit egal ist, da sie ohnehin kein metrischer Raum ist, weder in der ART noch in der Newtonschen Mechanik. Ich weiß nicht, was daran jetzt noch "die Frage" sein soll. Es spielt absolut keine Rolle ob eine bestimmte Topologie der Raumzeit durch irgendeine Metrik erzeugt wird. Also spricht auch erstmal nichts gegen Topologien auf der Raumzeit, die das Trennungsaxiom verletzen.

Ok.

Trotzdem nochmal ganz praktisch:

Die Riemannsche pseudo-Metrik mit zeit-, raum- und lichtartigen Abständen zweier voneinander verschiedener Punkte P und Q lässt es nicht zu, eine Hausdorffsche Mannigfaltigkeit zu definieren, da mittels d(P, Q) = 0 keine disjunkten, offenen Umgebungen U(P) und U(Q) definiert werden können.

OK?

Nun unterscheiden wir jedoch intuitiv die Umgebungen zweier lichtartiger Ereignisse P und Q. Wir unterscheiden auch disjunkte Umgebungen für raumartig getrennte Punkte P und Q mit d(P, Q) < 0.

D.h. wir denken in gewisser Weise so, als ob es da eine Hausdorffsche Struktur gäbe.

Inwiefern sind beide Überlegungen miteinander verträglich? Und in wie weit spielt letztere eine Rolle? (nicht in Lehrbüchern, schon klar).

Lokal ist jede Raumzeit homöomorph zu einem M³ * R; und damit habe ich sofort eine Hausdorffsche Mannigfaltigkeit, mit den selben Karten, jedoch einer anderen Metrik. Also liegt Homöomorphie vor, nicht jedoch Isometrie.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 20. Apr 2023 13:28    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:

Du hast gefragt ob ohne das Trennungsaxiom der Raum nicht metrisierbar ist. Ich habe das bejaht, aber darauf hingewiesen, daß dies für die Raumzeit egal ist, da sie ohnehin kein metrischer Raum ist, weder in der ART noch in der Newtonschen Mechanik. Ich weiß nicht, was daran jetzt noch "die Frage" sein soll. Es spielt absolut keine Rolle ob eine bestimmte Topologie der Raumzeit durch irgendeine Metrik erzeugt wird. Also spricht auch erstmal nichts gegen Topologien auf der Raumzeit, die das Trennungsaxiom verletzen.

Ok.

Trotzdem nochmal ganz praktisch:

Die Riemannsche pseudo-Metrik mit zeit-, raum- und lichtartigen Abständen zweier voneinander verschiedener Punkte P und Q lässt es nicht zu, eine Hausdorffsche Mannigfaltigkeit zu definieren, da mittels d(P, Q) = 0 keine disjunkten, offenen Umgebungen U(P) und U(Q) definiert werden können.


Ja, die Abstände sind ja sogar manchmal negativ, d.h. man kann nicht mal irgendeine sinnvolle Topologie auf Basis von Epsilon-Kugeln definieren. Dazu benötigt man eine echte Metrik.

Zitat:

Nun unterscheiden wir jedoch intuitiv die Umgebungen zweier lichtartiger Ereignisse P und Q. Wir unterscheiden auch disjunkte Umgebungen für raumartig getrennte Punkte P und Q mit d(P, Q) < 0.

D.h. wir denken in gewisser Weise so, als ob es da eine Hausdorffsche Struktur gäbe.


Auf dem Raum? Ja, da tun wir das. Auf der Raumzeit können wir das natürlich auch tun (und viele Autoren tun das ja auch). Aber es gibt keine Metrik, die uns dazu zwingt. Und mir fallen im Augenblick auch keine anderen zwingenden Gründe dafür ein, außer daß einem die Eigenschaft auch ohne Metrik recht natürlich vorkommt.

Zitat:

Inwiefern sind beide Überlegungen miteinander verträglich? Und in wie weit spielt letztere eine Rolle? (nicht in Lehrbüchern, schon klar).

Lokal ist jede Raumzeit homöomorph zu einem M³ * R; und damit habe ich sofort eine Hausdorffsche Mannigfaltigkeit, mit den selben Karten, jedoch einer anderen Metrik. Also liegt Homöomorphie vor, nicht jedoch Isometrie.


Ja, lokal ist wohl jede Mannigfaltigkeit hausdorffsch. Aber das heißt noch nicht, daß schon die Topologie der gesamten Mannigfaltigkeit hausdorffsch ist. Es gibt nichthausdorffsche Mannigfaltigkeiten, und die sind natürlich trotzdem lokal homöomorph zum .

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Beitrag TomS Verfasst am: 20. Apr 2023 14:07    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ja, lokal ist wohl jede Mannigfaltigkeit hausdorffsch. Aber das heißt noch nicht, daß schon die Topologie der gesamten Mannigfaltigkeit hausdorffsch ist. Es gibt nichthausdorffsche Mannigfaltigkeiten, und die sind natürlich trotzdem lokal homöomorph zum .

Was wären denn solche Gegenbeispiele?

EDIT: um präzise zu sein: es geht um nicht-metrisierbare topologische Räume, die lokal homöomorph zum R^n sind, also "lokal metrisierbar".

Mir ging es darum, was die konkreten Voraussetzungen sind, um Physik betreiben zu können. Dabei ist das einfachste Beispiel wohl der eindimensionale, absolute Raum. Was man zwingend benötigt sind ein Abstandsbegriff sowie Differentialrechnung, andernfalls bleibt von der Newtonschen Mechanik nichts mehr übrig.

Zunächst war ja die Frage, wozu man das zweite Trennungsaxiom in der Physik benötigt. Ich habe es nie in der Physik verwendet, aber wenn die Aussage ist, dass jeder metrische Raum ein Hausdorff-Raum ist, und wenn ich (in der Newtonschen Mechanik) einen Abstandsbegriff benötige, dann ist rein logisch das zweite Trennungsaxiom nicht verzichtbar (auch wenn man es nie explizit verwendet).

Auf mehr wollte ich eigentlich gar nicht raus.

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Beitrag TomS Verfasst am: 20. Apr 2023 15:42    Titel: Antworten mit Zitat

Siehe hier:

https://en.wikipedia.org/wiki/Lower_limit_topology
https://en.wikipedia.org/wiki/Metrizable_space
https://en.wikipedia.org/wiki/Long_line_(topology)

Locally metrizable but not metrizable
The Line with two origins, also called the bug-eyed line is a non-Hausdorff manifold (and thus cannot be metrizable). Like all manifolds, it is locally homeomorphic to Euclidean space and thus locally metrizable (but not metrizable) and locally Hausdorff (but not Hausdorff). It is also a T1 locally regular space but not a semiregular space.

Damit wäre Hausdorffsch nicht ausreichend, man müsste direkt die Metrisierbarkeit fordern.

Oder die Topologie "im Großen" wird ignoriert, und man beschränkt sich auf die lokalen Eigenschaften. Dann gibt es keine Gegenbeispiele, alles ist gut.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 20. Apr 2023 16:00    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Zunächst war ja die Frage, wozu man das zweite Trennungsaxiom in der Physik benötigt. Ich habe es nie in der Physik verwendet, aber wenn die Aussage ist, dass jeder metrische Raum ein Hausdorff-Raum ist, und wenn ich (in der Newtonschen Mechanik) einen Abstandsbegriff benötige, dann ist rein logisch das zweite Trennungsaxiom nicht verzichtbar (auch wenn man es nie explizit verwendet).


Der Anlaß des Threads war ja die Beschäftigung mit der allgemeinen Relativitätstheorie. Deswegen denke ich es ging um die Frage, ob es physikalische Gründe gibt, von der Raumzeit zu fordern das 2. Trennungsaxiom zu erfüllen. Mir fällt kein zwingender Grund ein.

Hier findet sich neben den schon genannten Beispielen für nicht-hausdorffsche Mannigfaltigkeiten auch ein sehr knapper Hinweis in welchem Zusammenhang nicht-hausdorffsche Räume in der ART relevant sein könnten. Leider steht nichts genaueres dazu, und die Quellen habe ich nicht gelesen.

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Beitrag TomS Verfasst am: 20. Apr 2023 17:16    Titel: Antworten mit Zitat

Danke, werde ich mir anschauen.
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Beitrag Quantumdot Verfasst am: 20. Apr 2023 22:33    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:



Was man in der ART nie betrachtet ist eine Einbettung in einen höherdimensionalen Raum.


Kannst du explizit eine Karte hinschreiben, ohne dabei Bezug zum zu nehmen?

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Der Anlaß des Threads war ja die Beschäftigung mit der allgemeinen Relativitätstheorie. Deswegen denke ich es ging um die Frage, ob es physikalische Gründe gibt, von der Raumzeit zu fordern das 2. Trennungsaxiom zu erfüllen. Mir fällt kein zwingender Grund ein.


Ist denn dann die Mannigfaltigkeit überhaupt die geeignete Struktur auf die man in Lehrbüchern zur ART hinarbeiten sollte? Die wesentliche Eigenschaft einer Mannigfaltigkeit, die man in der ART exzessiv nutzt, ist die lokale Euklidizität, d.h. man will Karten haben. Warum nimmt man also nicht einfach einen (zweit abzählbar?) lokal euklidischen topologischen Raum statt einer Mannigfaltigkeit? Man verzichtet auf Voraussetzungen, die man vielleicht nicht braucht.

Ich hätte noch eine Frage, die vielleicht auch philosophisch ist. Karten haben mit der Realität nichts zu tun, sondern sind nur ein Hilfsmittel und Physik sollte kartenunabhängig sein. Meine Frage ist nun warum wir überhaupt den Umweg über Karten gehen müssen, um konkrete Rechnungen durchführen zu können. Karten scheinen ja irgendwie nicht real zu sein, aber wir brauchen sie damit wir einen Zugang zur Raumzeit bekommen. Warum ist es nicht möglich das physikalische Objekt direkt zu betrachten?
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Beitrag TomS Verfasst am: 20. Apr 2023 23:43    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:



Was man in der ART nie betrachtet ist eine Einbettung in einen höherdimensionalen Raum.


Kannst du explizit eine Karte hinschreiben, ohne dabei Bezug zum zu nehmen?

Was genau meinst du? Eine Karte auf einer 2-dim. Mannigfaltigkeit, ohne deren Einbettung in einen höherdimensionalen Raum zu betrachten?

Klar.

Für die 2-Sphäre S² und die Abbildung auf den R² lauten die Metriken





mit kartesischen bzw. Polarkoordinaten



sowie den bekannten sphärischen Koordinaten.

Die Karte f lautet dann:





(letztlich benötigt man zwei Karten für die S²)

Dazu benötige ich keine Einbettung in den R³ - obwohl sie natürlich möglich und hinlänglich bekannt ist. In der ART wäre die Einbettung auch möglich - Einbettungstheoreme nach Nash - jedoch wird sie nie betrachtet oder gar explizit berechnet.

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Ich hätte noch eine Frage, die vielleicht auch philosophisch ist. Karten haben mit der Realität nichts zu tun, sondern sind nur ein Hilfsmittel und Physik sollte kartenunabhängig sein. Meine Frage ist nun warum wir überhaupt den Umweg über Karten gehen müssen, um konkrete Rechnungen durchführen zu können. Karten scheinen ja irgendwie nicht real zu sein, aber wir brauchen sie damit wir einen Zugang zur Raumzeit bekommen. Warum ist es nicht möglich das physikalische Objekt direkt zu betrachten?

Weil es nicht möglich ist, das mathematische Objekt direkt zu betrachten.

Beispiel: Die Weltlinie eines Teilchens rein unter dem Einfluss der Gravitation entspricht einer Geodäten auf einer pseudo-Riemannschen Mannigfaltigkeit.

Aufgabe: Berechne die erstmals von Einstein korrekt hergeleitete Ablenkung eines Lichtstrahls für einen sehr weit entfernten Stern, d.h. den Streuwinkel; oder schreibe zumindest die Lösung an. Verwende dazu keine Koordinaten Big Laugh

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Beitrag TomS Verfasst am: 21. Apr 2023 08:02    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Ist denn dann die Mannigfaltigkeit überhaupt die geeignete Struktur auf die man in Lehrbüchern zur ART hinarbeiten sollte? Die wesentliche Eigenschaft einer Mannigfaltigkeit, die man in der ART exzessiv nutzt, ist die lokale Euklidizität, d.h. man will Karten haben. Warum nimmt man also nicht einfach einen (zweit abzählbar?) lokal euklidischen topologischen Raum statt einer Mannigfaltigkeit? Man verzichtet auf Voraussetzungen, die man vielleicht nicht braucht.

Es handelt sich nicht um die lokale Homöomorphie zum Euklidischen sondern zum Minkowski-Raum.

Unabhängig davon: Auf welche Eigenschaften einer Mannigfaltigkeit glaubst du verzichten zu können? Wir benötigen zunächst die Möglichkeit, klassische Feldtheorie zu betrachten, d.h. wir benötigen eine Differenzierbarkeitsstruktur. Anstelle einer pseudo-Riemannschen Mannigfaltigkeit, bei der das Gravitationsfeld in der Riemannschen Krümmung kodiert ist, kann eine physikalisch äquivalente Formulierung auf Basis einer flachen Weitzenböck-Mannigfaltigkeit mit nicht-verschwindender Torsion verwendet werden (teleparallelism).

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Beitrag index_razor Verfasst am: 21. Apr 2023 10:17    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Der Anlaß des Threads war ja die Beschäftigung mit der allgemeinen Relativitätstheorie. Deswegen denke ich es ging um die Frage, ob es physikalische Gründe gibt, von der Raumzeit zu fordern das 2. Trennungsaxiom zu erfüllen. Mir fällt kein zwingender Grund ein.


Ist denn dann die Mannigfaltigkeit überhaupt die geeignete Struktur auf die man in Lehrbüchern zur ART hinarbeiten sollte? Die wesentliche Eigenschaft einer Mannigfaltigkeit, die man in der ART exzessiv nutzt, ist die lokale Euklidizität, d.h. man will Karten haben. Warum nimmt man also nicht einfach einen (zweit abzählbar?) lokal euklidischen topologischen Raum statt einer Mannigfaltigkeit? Man verzichtet auf Voraussetzungen, die man vielleicht nicht braucht.


Ich sehe es eher anders rum. Lokal hausdorffsch ist die Raumzeit ohnehin. Die Frage ist also vermutlich nur, an welchen Aussagen über globale topologische Eigenschaften der Raumzeit man interessiert ist. Außerdem, nur weil mir kein Grund einfällt, heißt das nicht, daß es keinen gibt. Meine Aussage basiert nur auf der Bemerkung (aus dem oben zitierten Artikel), daß nicht-hausdorffsche Mannigfaltigkeiten in der Allgemeinen Relativitätstheorie vorkommen können. Sie scheinen aber auch nicht gerade häufig zu sein, und ich sehe auch keinen Anlaß in die Grundannahmen alle exotischen Fälle aufzunehmen, wenn die Behandlung des Normalfalls dann unnötig kompliziert oder unanschaulich wird.

Zitat:

Ich hätte noch eine Frage, die vielleicht auch philosophisch ist. Karten haben mit der Realität nichts zu tun, sondern sind nur ein Hilfsmittel und Physik sollte kartenunabhängig sein. Meine Frage ist nun warum wir überhaupt den Umweg über Karten gehen müssen, um konkrete Rechnungen durchführen zu können. Karten scheinen ja irgendwie nicht real zu sein, aber wir brauchen sie damit wir einen Zugang zur Raumzeit bekommen. Warum ist es nicht möglich das physikalische Objekt direkt zu betrachten?


Auch hier sehe ich es genau anders rum. Koordinaten von Ereignissen sind Werte von Längen- und Zeitmessungen oder glatte Funktionen davon. Nur weil man individuellen Ereignissen umkehrbar eindeutig solche Meßwerte zuordnen kann, hat man einen Grund die Raumzeit als Mannigfaltigkeit zu modellieren. Wenn man dies nicht könnte, könnte man auch einen allgemeinen topologischen Raum verwenden und nur qualitative Aussagen machen.

Ich weiß auch nicht was du damit meinst "das physikalische Objekt direkt zu betrachten". Du kannst immer die Karte vergessen und nur abstrakt Kurven oder Vektorfelder etc. betrachten. Das ist wohl eher eine Frage der Zweckmäßigkeit.

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Zuletzt bearbeitet von index_razor am 22. Apr 2023 08:01, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag TomS Verfasst am: 21. Apr 2023 10:49    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die Frage ist also vermutlich nur, an welchen Aussagen über globale topologische Eigenschaften der Raumzeit man interessiert ist.

... und welche man überhaupt empirisch untersuchen kann. Bereits einfache Alternativen wie die Topologien R * R³ vs. R * T³ kann man nicht unterscheiden, wenn die Abmessungen des 3-Torus genügend groß und die Effekte daher genügend klein sind. Zugänglich sind uns ja immer nur Beobachtungsdaten aus unserem Vergangenheitslichtkegel, d.h. aus einem endlichem räumlichen Bereich.

https://en.wikipedia.org/wiki/Shape_of_the_universe

Ist aber eine interessante Frage: zu welchen globalen Eigenschaften der Topologie können wir etwas sagen?

Mir fällt nur ein, dass die Mannigfaltigkeit orientierbar sein muss, da nicht-orientierbare Mannigfaltigkeiten die Existenz einer Spinstruktur ausschließen; wir beobachten jedoch Fermionen, die wir mittels Spinorfeldern beschreiben.

Zur Existenz geschlossener zeitartiger Kurven kann man m.W.n. nichts sagen; sie können allenfalls per Konstruktion ausgeschlossen werden.


index_razor hat Folgendes geschrieben:
Du kannst immer die Karte vergessen und nur abstrakt Kurven oder Vektorfelder etc. betrachten. Das ist wohl eher eine Frage der Zweckmäßigkeit.

Die Physiker wissen doch sehr genau, dass Karten bzw. Koordinaten letztlich nur unphysikalische Artefakte sind (Stichwort Diffeomorphismeninvarianz). Trotzdem ist es uns nicht möglich, die notwendigen Berechnungen der Werte von Observablen ohne die Einführung von Koordinaten vorzunehmen. Wir können allgemeine Aussagen treffen (beispielsweise Newtonsche Mechanik: z.B. Noether-Theorem und Erhaltungsgrößen wie Energie, Impuls, und Drehimpulserhaltung; ART: Killing-Vektorfelder und Erhaltungsgrößen sowie Hawking-Penrose-Theoreme). Aber ich sehe nicht, wie man ein konkretes Problem koordinatenfrei formulieren sollte.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 22. Apr 2023 08:26, insgesamt einmal bearbeitet
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 22. Apr 2023 07:58    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:

Ich hätte noch eine Frage, die vielleicht auch philosophisch ist. Karten haben mit der Realität nichts zu tun, sondern sind nur ein Hilfsmittel und Physik sollte kartenunabhängig sein. Meine Frage ist nun warum wir überhaupt den Umweg über Karten gehen müssen, um konkrete Rechnungen durchführen zu können. Karten scheinen ja irgendwie nicht real zu sein, aber wir brauchen sie damit wir einen Zugang zur Raumzeit bekommen. Warum ist es nicht möglich das physikalische Objekt direkt zu betrachten?


Auch hier sehe ich es genau anders rum. Koordinaten von Ereignissen sind Werte von Längen- und Zeitmessungen oder glatte Funktionen davon. Nur weil man individuellen Ereignissen umkehrbar eindeutig solche Meßwerte zuordnen kann, hat man einen Grund die Raumzeit als Mannigfaltigkeit zu modellieren.


Betrachte zur Illustration das Beispiel eines Inertialsystems. Das ist eine globale Karte auf dem Minkowskiraum. Die "Zeitachse" ist die Weltlinie eines geradlinig-gleichförmig bewegten Beobachters, wobei der zeitartige Vektor ist, der die Vierergeschwindigkeit des Beobachters darstellt. Der räumliche Abstand eines Ereignisses entspricht der halben Lichtlaufzeit vom Ort des Beobachters aus und zurück. Die Richtungen im Raum bezieht der Beobachter auf drehungsfrei mitgeführte räumliche Basisvektoren, die durch den Drehimpuls von Gyroskopen physikalisch realisiert sein können. Die Eigenschaft der "Drehungsfreiheit" ist geometrisch durch die Bedingung für den Fermi-Walker-Transport definiert.

Hier habe ich zuerst "das physikalische Objekt" selbst betrachtet, also den Beobachter in der Raumzeit und seine Weltlinie. Ich habe nur geometrische Strukturen in der Raumzeit verwendet (den metrischen Tensor, den affinen Zusammenhang, den Lichtkegel) und daraus die Karte konstruiert. Dieselbe Konstruktion funktioniert auch für das lokale Koordinatensystem eines beschleunigten Beobachters oder in der gekrümmten Raumzeit. Die Koordinaten sind physikalische Meßwerte und haben eine geometrische Bedeutung.

Auch die Schwarzschildkoordinaten haben zumindest eine geometrische Interpretation, wenn auch die direkte Messung deutlich schwieriger sein dürfte: ist die Eigenzeit eines in großer Entfernung ruhenden Beobachters, ergibt sich aus der Eigenfläche einer Sphäre um den Ursprung nach der üblichen Formel , etc.

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