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Definition von Kohärenz [und Dekohärenz]
 
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manuel459



Anmeldungsdatum: 11.10.2016
Beiträge: 263

Beitrag manuel459 Verfasst am: 03. Mai 2022 14:14    Titel: Definition von Kohärenz [und Dekohärenz] Antworten mit Zitat

Hi, ich versuche gerade dem Begriff der Dekohärenz auf die Schliche zu kommen und möchte dafür bei "klassischen" Kohärenzen anfangen.

Leider ist es mir bislang unmöglich gewesen, eine gute Definition zu finden. Demtröder und Halliday sagen nur so nebenbei etwas und meist auch sehr schwammig - Halliday sagt nichts von gleicher Frequenz, Demtröder nur von räumlicher Kohärenz.

Kann mir jemand ein gutes Buch/einen guten (zitierbaren) Artikel empfehlen, wo Kohärenz sauber definiert bzw. erklärt wird?

Danke!!
willyengland



Anmeldungsdatum: 01.05.2016
Beiträge: 673

Beitrag willyengland Verfasst am: 03. Mai 2022 16:49    Titel: Antworten mit Zitat

Ich erinnere mich da an einen Professor aus meinem Studium.
Die Horrorfrage, bei der man schon so gut wie durchgefallen war:
"Was ist denn eigentlich Kohärenz?"

_________________
Gruß Willy
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Mai 2022 18:21    Titel: Antworten mit Zitat

Kohärenz kann man in diesem Kontext auffassen als Interferenzfähigkeit. Dekohärenz ist ein Prozess, der zum Verlust der Interferenzfähigkeit führt.
_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
manuel459



Anmeldungsdatum: 11.10.2016
Beiträge: 263

Beitrag manuel459 Verfasst am: 03. Mai 2022 18:38    Titel: Antworten mit Zitat

Ich möchte eine Definition in einer wissenschaftlichen Arbeit zitieren und bräuchte daher Bücher oder Zeitschriftenartikel (aus Fachzeitschriften), die eine möglichst klare Definition verwenden. Hätte da jemand einen Vorschlag?

Idealerweise etwas in der Kragenweite der englischen Wikipediaseite: "Coherence is an ideal property of waves that enables stationary (i.e. temporally and spatially constant) interference.". Klarerweise kann ich das so nicht zitieren.
Nils Hoppenstedt



Anmeldungsdatum: 08.01.2020
Beiträge: 2019

Beitrag Nils Hoppenstedt Verfasst am: 03. Mai 2022 19:17    Titel: Antworten mit Zitat

willyengland hat Folgendes geschrieben:
Ich erinnere mich da an einen Professor aus meinem Studium.
Die Horrorfrage, bei der man schon so gut wie durchgefallen war:
"Was ist denn eigentlich Kohärenz?"


Das spricht aber nicht gerade für seine didaktischen Fähigkeiten.

@ Manuel:

Schau mal hier:

http://cem01.ucsd.edu/courses/ece182/182-06_files/4coherence.pdf

Da ist die exakte mathematische Definition (Stichwort: Kohärenzfunktion)

Viele Grüße,
Nils

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Ihr da Ohm macht doch Watt ihr Volt!
manuel459



Anmeldungsdatum: 11.10.2016
Beiträge: 263

Beitrag manuel459 Verfasst am: 03. Mai 2022 19:51    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo nochmals an alle,

danke Nils für die mathematische Definition. Ich habe es nun leider aufgegeben eine für mich passende (einfache) Definition zu finden und verweise einfach auf Demtröder 1&2. Kann mir jemand sagen, ob die folgende Charakterisierung angebracht ist? Die entsprechenden Seiten aus dem Demtröder, die mich zu dieser Charakterisierung bringen, habe ich unten angehängt.

"Im Kontext von Wellen in der klassischen Physik beschreibt Kohärenz eine Eigenschaft von Wellen, durch die Interferenzen der Wellen beobachtbar sind."

Ich habe auch angedacht, das "stationäre Interferenzstrukturen" zu übernehmen, leider habe ich keine Ahnung, was mit "stationär" gemeint sein soll und was der Mehrwert von "Strukturen" ist.

Danke!!

PS: Auch interessant ist, dass die Definition im Demtröder 2 "lockerer" ist - in dem Sinn, dass die Phasendifferenz nicht mehr "ganz" konstant sein muss.



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TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 03. Mai 2022 20:37    Titel: Antworten mit Zitat

Ich präferiere die Vorgehensweise von Nils.

Siehe auch

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Coherence_(physics)
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Degree_of_coherence

Ein gutes Buch zu Optik oder Quantenoptik sollte weiterhelfen.

Die Auszüge aus dem Demtröder sind erwartungsgemäß wirr.

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Beitrag manuel459 Verfasst am: 03. Mai 2022 20:49    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Also ich als Prof wäre damit, und auch mit dem Rest deines Beitrages, nicht einverstanden.
Er zeigt nämlich das du es wohl noch nicht verstanden hast.


Mein Ziel ist es, den Begriff Dekohärenz in seiner "wörtlichen" Bedeutung zu motivieren.

Kohärenz in der Quantenmechanik beschreibt ja die Eigenschaft von Zuständen, in Superpositionen von Basiszuständen vorzukommen, siehe dazu https://arxiv.org/pdf/1502.05876.pdf auf Seite 2 bei "Charakterizing coherence".

Dementsprechend bin ich an einer groben Definition der klassischen Verwendung von Kohärenz interessiert, die nicht zu technisch ist, aber den Grundgedanken trifft.

Ist denn meine "Beschreibung" vor diesem Hintergrund so grundlegend falsch? Auch das englische Wikipedia schreibt schließlich "Coherence is an ideal property of waves that enables stationary (i.e. temporally and spatially constant) interference", was inhaltlich meiner Beschreibung gleicht...
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 03. Mai 2022 20:55    Titel: Antworten mit Zitat

Wieder ein Thread, aus dem Kurt rausfliegt.

@Manuel: ignoriere ihn.

Worauf willst du nun hinaus? Kohärenz in der Optik oder Dekohärenz in der Quantenmechanik?

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Beitrag manuel459 Verfasst am: 03. Mai 2022 20:57    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dekohärenz in der Quantenmechanik


Da ich mich damit in meiner Arbeit beschäftige, befand ich es als notwendig zu wissen, was mit Kohärenz (in der QM und der klassischen Physik) gemeint ist. Dabei war es für mich (aufgrund der vielen verwirrenden Charakterisierungen für mechanische und EM Wellen) ausreichend, den Grundgedanken für den klassischen Teil anzusprechen, den ich aus meiner Sicht aus den ganzen Charakterisierungen extrahieren konnte - beobachtbare Interferenzeffekte.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 03. Mai 2022 20:59    Titel: Antworten mit Zitat

Dann würde ich tatsächlich wie folgt anfangen:

Kohärenz kann man in diesem Kontext auffassen als Interferenzfähigkeit. Dekohärenz ist ein Prozess, der zum Verlust der Interferenzfähigkeit führt.

Ich wüsste nicht, dass die Definition aus der Optik eine Rolle spielt.

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Beitrag manuel459 Verfasst am: 03. Mai 2022 21:02    Titel: Antworten mit Zitat

Nur damit ich das richtig verstanden habe: Du würdest direkt die Quantenmechanische Bedeutung ansprechen und die klassische Bedeutung des Begriffs weglassen?


In der QM würde ich mich auf folgende Definition von Baumgratz et al. https://arxiv.org/pdf/1502.05876.pdf stützen:

"Zustände sind inkohärent, wenn sie durch mit einer Basis dargestellt werden können."

Ich schließe daraus, dass alles andere kohärente Zustände sind. Diese sind dann offensichtlich auch solche, die Superpositionen von Zuständen erlauben. Daher ist Kohärenz eine Eigenschaft von Zuständen, dass sie Superpositionen der Basiszustände enthalten (immerhin ist das genau der Unterschied der hier angesprochen wird - nämlich jener von "perfekt gemischten" Zuständen und reinen Zuständen)


Zuletzt bearbeitet von manuel459 am 03. Mai 2022 21:14, insgesamt 6-mal bearbeitet
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 03. Mai 2022 21:06    Titel: Antworten mit Zitat

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
Nur damit ich das richtig verstanden habe: Du würdest direkt die Quantenmechanische Bedeutung ansprechen und die klassische Bedeutung des Begriffs weglassen?

Jein.

„Kohärenz kann man auffassen als Interferenzfähigkeit“ ist m.E. eine allgemeingültige Aussage.

Die quantitativen Definitionen aus der Optik würde ich tatsächlich weglassen, weil sie m.E. irrelevant sind. In der Optik betrachtet man Wellen über dem Ortsraum, in der Quantenmechanik dagegen über dem Konfigurationsraum. Ich sehe nicht, wie sich ersteres einfach übertragen lässt.

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manuel459



Anmeldungsdatum: 11.10.2016
Beiträge: 263

Beitrag manuel459 Verfasst am: 03. Mai 2022 21:09    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

„Kohärenz kann man auffassen als Interferenzfähigkeit“


Ist das nicht dasselbe wie "Im Kontext von Wellen in der klassischen Physik beschreibt Kohärenz eine Eigenschaft von Wellen, durch die Interferenzen der Wellen beobachtbar sind." aus meinem vorigen Vorschlag?

PS: Gratuliere zum 15.000. Beitrag!
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 03. Mai 2022 21:16    Titel: Antworten mit Zitat

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
In der QM würde ich mich auf folgende Definition von Baumgratz et al. https://arxiv.org/pdf/1502.05876.pdf stützen:

"Zustände sind inkohärent, wenn sie durch mit einer Basis dargestellt werden können."

… Daher ist Kohärenz eine Eigenschaft von Zuständen, dass sie Superpositionen der Basiszustände enthalten.

Auch da bin ich nicht sicher, ob du dir damit einen Gefallen tust.

Das beginnt damit, dass es Inkohärenz vs. Dekohärenz geht. Die letzte Schlussfolgerung ist ebenfalls nicht korrekt. Deine Dichtematrix ist keine „Superpositionen der Basiszustände“.

Ist dir der Unterschied zwischen



und



klar?


manuel459 hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
„Kohärenz kann man auffassen als Interferenzfähigkeit“

Ist das nicht dasselbe wie "Im Kontext von Wellen in der klassischen Physik beschreibt Kohärenz eine Eigenschaft von Wellen, durch die Interferenzen der Wellen beobachtbar sind." aus meinem vorigen Vorschlag?

Ziemlich ähnlich, ja ;-)

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
PS: Gratuliere zum 15.000. Beitrag!

Danke

Prost

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 03. Mai 2022 21:29, insgesamt 2-mal bearbeitet
manuel459



Anmeldungsdatum: 11.10.2016
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Beitrag manuel459 Verfasst am: 03. Mai 2022 21:30    Titel: Antworten mit Zitat

Ich formuliere es nochmal präziser:

Aus der Definition inkohärenter Zustände nach Baumgratz folgt, dass sich alle Systeme, deren Zustände nicht auf diese (der Definition entsprechenden) Weise angeschrieben werden können, in kohärenten Zuständen befinden.

Nun: Das sind offensichtlich all jene Zustände, deren Dichtematrix (bzgl. der Basis ) nicht diagonal ist, also wo Außerdiagonaleinträge ungleich 0 sind.

Die Außerdiagonaleinträge geben aber Aufschluss darüber, dass (im Sinne eines gemischten Zustandes) mit einer Wahrscheinlichkeit ungleich 0 ein Superpositionszustand vorliegt.

Ein Zustand heißt also kohärent, sobald es nicht ausgeschlossen ist, dass bei Messung herauskommt, dass sich das System "tatsächlich" in einem Superpositionszustand befunden hat (in dem Sinn das bei gemischten Zuständen ja unbekannt ist, in welchem Zustand sich ein System wirklich befindet).

Okay... nun wird mir klar was du vermutlich gemeint hast. In diesem Fall (mit dieser Definition) sind kohärente Zustände nicht dasselbe wie reine Zustände. Also bedeutet "kohärenter Zustand" nicht zwingend, dass eine Superposition vorliegt (sondern nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit, mit einer anderen Wahrscheinlichkeit kann aber genauso kein Superpositionszustand vorliegen).
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Mai 2022 22:05    Titel: Antworten mit Zitat

Wie gesagt, zunächst mal will der Autor nichts zu Dekohärenz sagen; daher würde ich mich damit überhaupt nicht befassen.

Das Paper hat den Titel "Measuring Quantum Coherence with Entanglement". Ob aus diesem Maß für Kohärenz auch ein Maß für Dekohärenz folgt, bezweifle ich.

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
Aus der Definition inkohärenter Zustände nach Baumgratz folgt, dass sich alle Systeme, deren Zustände nicht auf diese (der Definition entsprechenden) Weise angeschrieben werden können, in kohärenten Zuständen befinden. .

Das "können" ist wichtig, aber ich halte die Definition dennoch für unpräzise. Die Schreibweise lässt einen Zustand



zu. Das ist ein reiner Zustand, also nicht "inkohärent".


Dann folgen aus dem Prozess der Dekohärenz Zustände, mit extrem kleinen jedoch nicht-verschwindenden Nebendiagonalelemente.


Außerdem kann man eine (näherungsweise) Diagonalmatrix durch Basistransformation in eine nicht-Diagonalmatrix verwandeln. Einfach nur auf die Nebendiagonalelemente zu schauen, ist nicht m.E. ausreichend


Wahrscheinlich meint der Autor die Eigenschaften



bzw.




manuel459 hat Folgendes geschrieben:
Ein Zustand heißt also kohärent, sobald es nicht ausgeschlossen ist, dass bei Messung herauskommt, dass sich das System "tatsächlich" in einem Superpositionszustand befunden hat (in dem Sinn das bei gemischten Zuständen ja unbekannt ist, in welchem Zustand sich ein System wirklich befindet).

Da verstehe ich dich nicht wirklich.


Ein Punkt noch zur Dekohärenz.

Es ist wichtig, zu verstehen, dass im Falle der Dekohärenz das Gesamtsystem, immer in einem reinen Zustand ist und bleibt. Das ist trivialerweise deswegen der Fall, weil die unitäre Zeitentwicklung reine Zustände in reine Zustände überführt:





Aus einem reinen kann also kein gemischter Zustand resultieren.

Der gemischte Zustand resultiert durch Ausspuren der im Experiment unbeobachtbaren bzw. nicht betrachteten Umgebungsfreiheitsgraden. D.h. aber, im Gesamtsystem liegt Dekohärenz bei reinen Zuständen vor; die partielle Spurbildung führt zwar auf eine (näherungsweise) diagonale Dichtematrix, aber dies ist nicht die fundamentale Beschreibung des Gesamtsystems sondern nur eines Teilsystems.

Mir gefällt der Zugang über die Dichtematrix des Teilsystems nicht, weil er sozusagen mitten reinspringt und nicht motiviert, wie diese überhaupt ins Spiel kommt.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 03. Mai 2022 22:26, insgesamt einmal bearbeitet
manuel459



Anmeldungsdatum: 11.10.2016
Beiträge: 263

Beitrag manuel459 Verfasst am: 03. Mai 2022 22:17    Titel: Antworten mit Zitat

Ich verstehe... nun - vieles was du sagst ist mir bewusst bzw. klar.

Ich habe den Artikel verwendet, da sämtliche Literatur zu Dekohärenz stillschweigend die Bedeutung von "Kohärenz" voraussetzt. Nur Schlosshauer (https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-540-35775-9) definiert es als "Maß für die quantumness eines Zustands", was nicht wirklich hilfreich ist.

Die Definition von Baumgratz ist in diesem Sinn falsch (oder zumindest unpräzise). Das stimmt und wird mir damit endlich bewusst. Man müsste verlangen, dass es mindestens zwei ungleich 0 gibt.

Dass die Betrachtung der Außerdiagonaleinträge an die Basis gebunden ist ist mir klar. Wenn man jedoch von vorne herein nur die Pointerbasis betrachtet (und das aus Gründen der Einfachheit so deklariert) entsteht dadurch aber keine Verwirrung.

Dass die reduzierte Dichtematrix lediglich die Wahrnehmung eines Beobachters beschreibt, der nur auf ein Teilsystem des Gesamtsystems (das sich nach wie vor in einem reinen, meist verschränkten Zustand befindet), ist mir klar.

Ich danke dir für deine Mühe. Scheint so, als muss ich den Versuch zu erklären, warum es gerade "Dekohärenz" heißt, auf Eis legen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Mai 2022 22:40    Titel: Antworten mit Zitat

Ich würde anders an die Sache rangehen.

Man betrachtet ein Spielzeugsystem, in dem ein Freiheitsgrad an eine Umgebung aus 1, 2 … N Freiheitsgraden gekoppelt wird, wobei die Stärke der Kopplung variiert.

Dann kann man die Umgebung ausspuren, und die partielle Dichtematrix auf Interferenzterme untersuchen. Das Verschwinden der Interferenzterme mit zunehmender Kopplung bzw. zunehmender Zahl der Freiheitsgrade ist gerade Dekohärenz.

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manuel459



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Beiträge: 263

Beitrag manuel459 Verfasst am: 03. Mai 2022 22:47    Titel: Antworten mit Zitat

Ich arbeite dabei komplett im diskreten Bereich - also mit Qubits. Ich habe daran gedacht, die Umgebung mit Qubits zu modellieren. Durch die unitäre Entwicklung kann ich die Dämpfung der Außerdiagonaleinträge direkt als Funktion der Zeit darstellen.
Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 787

Beitrag Aruna Verfasst am: 04. Mai 2022 07:04    Titel: Antworten mit Zitat

manuel459 hat Folgendes geschrieben:

Ich danke dir für deine Mühe. Scheint so, als muss ich den Versuch zu erklären, warum es gerade "Dekohärenz" heißt, auf Eis legen.


Auf welcher Ebene willst Du das "erklären"?
Bzw. in welcher Disziplin schreibst Du Deine Arbeit?
Philosophie? Informatik?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 04. Mai 2022 07:57    Titel: Antworten mit Zitat

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
Ich arbeite dabei komplett im diskreten Bereich - also mit Qubits. Ich habe daran gedacht, die Umgebung mit Qubits zu modellieren. Durch die unitäre Entwicklung kann ich die Dämpfung der Außerdiagonaleinträge direkt als Funktion der Zeit darstellen.

Ich hatte in die Richtung Spinsysteme gedacht.

Ohne Erfahrung mit dem Thema ist es schwer, geeignete Systeme zu konstruieren, die einerseits den wesentlichen Effekt zeigen, andererseits jedoch noch analytisch oder zumindest in einer sehr guter Näherung lösbar sind.

Eine grobe Idee ist, dass ein Spin (Quantensystem) an einen zweiten Spin (Messgerät) koppelt, und zwar so, dass (asymptotisch für genügend große Zeiten) eine Spinorientierung +1 oder -1 vom ersten auf den zweiten Spin übertragen wird. Das entspricht nicht unbedingt der idealen Messung, bei der der zu messende Aspekt in einem entsprechenden Eigenzustandes Quantensystems nicht verändert wird; aber das wäre mir egal, da das in vielen realen Fällen ohnehin nicht gegeben ist; z.B. werden Photonen bei einer Messung absorbiert. Das System störst du dann durch die Kopplung des Messgerätes an weitere Spins, wobei deren bevorzugte Spinorientierung je Spin zufällig ist. Das Beispiele kannst du evtl. vereinfachen, indem du auf den ersten oder den zweiten Spin (das Messgerät) verzichtest.

Bevor du jetzt aber loslegst, würde ich erst mal recherchieren. Mit solchen Spielzeugsystemen kann man Tage und Wochen verbringen, da ist es besser, zum Einstieg ein bereits durchgerechnetes Beispiel aus der Literatur zu nehmen.

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TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 04. Mai 2022 08:52    Titel: Antworten mit Zitat

Schau mal,. das habe ich zufällig gefunden:

https://arxiv.org/pdf/quant-ph/0612118.pdf
Introduction to decoherence theory
Klaus Hornberger
This is an introduction to the theory of decoherence with an emphasis on its microscopic origins and on a dynamic description. The text corresponds to a chapter soon to be published in: A. Buchleitner, C. Viviescas, and M. Tiersch (Eds.), Entanglement and Decoherence. Foundations and Modern Trends, Lecture Notes in Physics, Vol 768, Springer, Berlin (2009)

Bietet einen guten Überblick, enthält ein kleines Beispiel (allerdings mit bosonischer Umgebung) und diverser Literatur.

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manuel459



Anmeldungsdatum: 11.10.2016
Beiträge: 263

Beitrag manuel459 Verfasst am: 04. Mai 2022 11:13    Titel: Antworten mit Zitat

Aruna hat Folgendes geschrieben:
manuel459 hat Folgendes geschrieben:

Ich danke dir für deine Mühe. Scheint so, als muss ich den Versuch zu erklären, warum es gerade "Dekohärenz" heißt, auf Eis legen.


Auf welcher Ebene willst Du das "erklären"?
Bzw. in welcher Disziplin schreibst Du Deine Arbeit?
Philosophie? Informatik?


Ich schreibe meine Arbeit im Fach Physik (Lehramt). Mein Ziel ist es einfach, dass klar ist, warum es gerade "De-Kohärenz" heißt. Ich möchte also (möglichst einfach) klären, was Kohärenz ist.
manuel459



Anmeldungsdatum: 11.10.2016
Beiträge: 263

Beitrag manuel459 Verfasst am: 04. Mai 2022 11:16    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich hatte in die Richtung Spinsysteme gedacht.

Spinsysteme kann man ja Qubit-Systemen unterordnen. Qubits sind praktisch eine Abstrahierung davon.

Eine erste Begegnung mit dem Thema (um die Grundideen herauszustreichen) scheint entlang https://homepage.univie.ac.at/franz.embacher/Quantentheorie/Dekohaerenz/ für mich besonders fruchtbar zu sein. Eine genauere Modellierung mit Qubits und einem Hamiltonoperator für die Interaktion, der "vom Himmel fällt" ist doch ausreichend als Modellsystem. Davon gibt Beispiele wie Sand am Meer Big Laugh

Und Danke für die Literaturempfehlung. Ich habe zwar bereits mehr als 6 brauchbare Bücher gefunden, aber das scheint auch sehr nützlich für mich zu sein! smile
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 04. Mai 2022 13:21    Titel: Antworten mit Zitat

Die verlinkte Einführung ist wirklich gelungen. Ein Spielzeugsystem modelliert dann genau soetwas.

Zurück zu deiner Eingangsfrage zu Kohärenz vs. Dekohärenz: es sollte inzwischen klar sein, dass ein räumliches oder zeitliches Maß der Kohärenz hier völlig irrelevant ist, da der Effekt der Dekohärenz hier überhaupt nicht auf den Ortsraum Bezug nimmt.

Evtl. hilft das hier:

https://arxiv.org/abs/cond-mat/0303158v2
Measures of Decoherence
Leonid Fedichkin, Arkady Fedorov, Vladimir Privman
Methods for quantifying environmentally induced decoherence in quantum systems are investigated. We formulate criteria for measuring the degree of decoherence and consider several representative examples, including a spin interacting with the modes of a bosonic, e.g., phonon, bath. We formulate an approach based on the operator norm measuring the deviation of the actual density matrix from the ideal one which would describe the system without environmental interactions.

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manuel459



Anmeldungsdatum: 11.10.2016
Beiträge: 263

Beitrag manuel459 Verfasst am: 04. Mai 2022 14:16    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
...da der Effekt der Dekohärenz hier überhaupt nicht auf den Ortsraum Bezug nimmt.


Wenn ich als Qubit zwei diskrete Positionen von Objekten verstehe - womöglich gar den Zustand einer Katze als "lebendig" und "tot", bin ich schon wieder im Ortsraum oder?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 04. Mai 2022 14:47    Titel: Antworten mit Zitat

Nee.

Spin-Raum, d.h. 2er-Spinoren:



Ortsraum, d.h. Wellenfunktionen:


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Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 787

Beitrag Aruna Verfasst am: 05. Mai 2022 07:18    Titel: Antworten mit Zitat

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
...da der Effekt der Dekohärenz hier überhaupt nicht auf den Ortsraum Bezug nimmt.


Wenn ich als Qubit zwei diskrete Positionen von Objekten verstehe - womöglich gar den Zustand einer Katze als "lebendig" und "tot", bin ich schon wieder im Ortsraum oder?


In dem "Spielzeugsytem" ( https://homepage.univie.ac.at/franz.embacher/Quantentheorie/Dekohaerenz/ ) ist von Zuständen und die Rede, das könnte man IMO durchaus als diskrete Zustände im Ortsraum bezeichnen.
Im Text steht ja auch:

Zitat:
Angenommen, ein großes Objekt kann sich in zwei (normierten Quanten-)Zuständen befinden, die zwei makroskopisch unterscheidbaren Orten entsprechen (bezeichnen wir sie mit L für links und R für rechts):


Der Zustand der Katze wird IMO allerdings in einem Zustandsraum mit den Zuständen und beschrieben.
Auch wenn sich dieser Zustand dann mittelbar auf die Ortsverteilung der Katzenfunktion auswirkt (Katze fällt um), beschreibt die für die Überlegung Schrödingers relevante Quanteneigenschaft nicht den räumlichen Zustand der Katze.

Wenn ich richtig verstanden habe, willst Du die Verwendung des Begriffes "Dekohärenz" bei Quantenzuständen ausgehend von der Kohärenz von klassischen Wellen motivieren.
Dazu müsste man IMO 1.) die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Begriffes Kohärenz in den beiden Bereichen herausarbeiten.
Bzw. 2.) mal schauen, wer diesen Begriff Dekohärenz zum ersten Mal verwendete und ob er das irgendwie begründet hat, bzw. wie die weitere Begriffsgeschichte aussah.

@1.) scheint eine Gemeinsamkeit der von Dir angegeben Definitionen, dass im klassischen mit Kohärenz der zeitliche oder räumliche "Zusammenhang" (siehe lateinische Wortherkunft) zweier "Wellenzüge" gemeint ist, der sich dann in der Fähigkeit zur Interferenz ausdrückt. Interferenz hat wieder was mit der Superposition dieser Wellenzüge zu tun.
Siehe auch diese Quelle, ein Link aus dem englischsprachigen Wikipediaartikel zu "Coherence":

https://skullsinthestars.com/2008/09/03/optics-basics-coherence/

Zitat:
Optical coherence refers to the ability of a light wave to produce interference patterns,


im Folgenden wird dann genauer darauf eingegangen, wie das zusammenhängt z.B. auf die unterschiedlichen Kohärenzeigenschaften unterschiedlicher Lichtquellen.
Meinem Physiklehrer in der Oberstufe war das Thema irgendwie wichtig und
das hat er uns insbesondere praktisch am Doppelspaltversuch mit Licht gezeigt.
Da braucht man für ein Interferenzmuster ja ausreichend kohärentes Licht.
Würde man den Doppelspaltversuch mit Elektronen durchführen, bräuchte man ausreichend kohärente Elektronen.
Da könnte man sich nun überlegen, inwiefern sich die Eigenschaften gleichen oder unterscheiden.
Inwieweit so ein Zugang über eine Verteilung im Ortsraum in die Irre führen könnte, kann eventuell TomS erklären.
In http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~as3/Teilchen+Wellen.pdf schreibt einer Dieter Zeh, einer der Pioniere der Dekohärenz:

Zitat:
Da Schrödinger aber das reale Elektron beschreiben wollte und fest von einer Realität
in Raum und Zeit überzeugt war, beschränkte er sich anfangs mit großem Erfolg auf stationäre Einteilchenprobleme (einzelne Massenpunkte), bei denen der Konfigurationsraum mit dem
Ortsraum identisch ist. Er sprach daher auch zunächst von einem „ψ-Feld“. Damit ließen sich
auch Streuprobleme behandeln, die dreidimensionale Wellenfunktionen entweder für die
Schwerpunkte der Streuobjekte in einem äußeren Potential oder für die Relativkoordinaten in
einem Zweikörperproblem erfordern. Hier ist Borns Wahrscheinlichkeitsinterpretation wegen
der das Experiment normalerweise abschließenden Ortsmessungen im Detektor besonders
nützlich, so daß gewöhnlich diese dreidimensionale Welle gemeint ist, wenn vom „WelleTeilchen-Dualismus“ die Rede ist. Leider folgen viele Lehrbücher und Vorlesungen aus vermeintlich didaktischen, aber eigentlich grob irreführenden Gründen auch heute noch diesem
suggestiven Programm, indem sie etwa das Doppelspaltexperiment als den Generalschlüssel
zur Quantenmechanik darstellen.

Der Übergang – oder besser die Rückkehr – zum Konfigurationsraum, der entscheidende Konsequenzen für die Anwendung der Theorie hat, geschah im allgemeinen Durcheinander der frühen Quantentheorie (und für manchen Physiker bis heute) fast unbemerkt.


Damit wären wir IMO auch schon bei @2.) da in diesem Text ein Abriss über die historische Entwicklung gegeben wird und Bezeichnungen, die "kohärenz" enthalten häufig vorkommen.
Siehe z.B. Beschreibung zu der Darstellung von Wellenpaketen auf Seite 6:

Zitat:
Schon bei atomaren
Massen und thermisch bedingten Geschwindigkeiten sind die deBroglie-Wellenlängen deutlich kleiner als der
Radius eines Wasserstoffatoms, so daß sich sehr schmale Pakete für die Schwerpunktswellenfunktion konstruieren lassen. Die „Dispersion“ des Wellenpaketes (sein Auseinanderlaufen) nimmt zwar mit kleiner werdenden
Wellenlängen (also größer werdender Masse) deutlich ab, bleibt aber auch für schwere Partikel (also bei sehr
kleiner deBroglie-Wellenlänge) über längere Zeiten nicht mehr vernachlässigbar, weshalb die durch das Paket
definierten „Kohärenzlängen“ bei Ortsmessungen entsprechend der jeweiligen Meßgenauigkeit ständig durch
einen neuartigen Mechanismus wieder eingeschränkt werden müßten, um weiterhin eine teilchenähnliche Erscheinung zu beschreiben (s. dazu Abschnitt 4 unter „Dekohärenz“)


Also Kohärenz hier Welleneigenschaft, die räumliche "Verschmierung" oder Verteilung eine Wellenpakets, durch Dispersion. Decohärenz => "teilchenähnliche Erscheinungen durch Einschränkung der Kohärenzlänge und damit räumlichen Unbestimmtheit.
(In diskreten Konfigurationsräumen wird dann die Analogie zu klassischen Wellen eventuell schwerer.
Hier könnte man vielleicht auf die vohandenen oder fehlenden Superpositionstherme abheben.)

Zur Begriffsgeschichte von "Dekohärenz" steht auf Seite 15:

Zitat:
Wegen der Vielzahl der beitragenden Freiheitsgrade einer realistischen Umgebung
wäre eine vollständige Beschreibung dieser Situation zwar viel zu komplex, jedoch läßt sich
im Prinzip sehr gut verstehen, wie hierdurch ein ständiger Übergang von Wellenfunktionen
lokaler Systeme zu „effektiven“ statistischen Verteilungen aus schmalen Wellenpaketen im
Konfigurationsraum zustande kommt, die jeweils, wie in der Figur angedeutet, klassische Eigenschaften, wie etwa Teilchenorte, imitieren können.6
Einem lokalen Beobachter ist das verschränkte Gesamtsystem einschließlich seiner unkontrollierbaren Umgebung nicht zugänglich, während sich das beobachtete individuelle Meßergebnis nur im Everettschen Sinne verstehen läßt. Man bezeichnet diese Konsequenz der Schrödingergleichung als Dekohärenz,7 da die unzugänglich gewordenen Aspekte der Wellenfunktion im wesentlichen durch Phasenbeziehungen zwischen seinen faktorisierenden Partialwellen gegeben sind.†
Die irreversible Dislokalisierung entspricht einer sich retardiert ausbreitenden Welle im Konfigurationsraum.


Lustigerweise habe ich in der Quelle 7 den Begriff "Decoherence" nicht gefunden und nur einmal den Begriff "coherent states".

Zitat:
The dynamical stability appears also to be the cause why microscopic oscillators are observed in energy eigenstates, whereas macroscopic ones occur in "coherent states. '


http://www.rzuser.uni-hd.de/~as3/FP70.pdf
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 05. Mai 2022 10:46    Titel: Antworten mit Zitat

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Lustigerweise habe ich in der Quelle 7 den Begriff "Decoherence" nicht gefunden und nur einmal den Begriff "coherent states".

Kohärente Zustände haben wiederum nichts mit dem hier diskutierten Phänomen der Dekohärenz zu tun

Nochmal: unter Dekohärenz versteht man den Verlust der Interferenzfähigkeit - und zwar aufgrund deines ganz bestimmten Mechanismus, der für quantenmechanische Systeme in Kontakt mit einer "Umgebung" zutrifft.

Diskussionen zur Kohärenz - jeweils aus einem anderen Kontext - bringen uns da nicht wirklich weiter.

@Aruna - wie richtig du schreibst, der Zustand der Katze wird in einem Zustandsraum beschrieben, nicht im Ortsraum.

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Inwieweit so ein Zugang über eine Verteilung im Ortsraum in die Irre führen könnte, kann eventuell TomS erklären.

Ich versuch's.

Der klassische Kohärenzbegriff beschreibt Eigenschaften oder Voraussetzungen für die Orts- und Zeitabhängigkeit von Wellen, so dass Interferenz möglich ist; Kohärenz ist dabei ein Maß im Ortsraum.

Die Beschreibung von Vielteilchensystemen erfolgt jedoch im Konfigurationsraum, d.h. mittels Wellenfunktionen nicht als Funktionen eines Ortsvektors sondern aller Ortsvektoren. Dafür kenne ich kein Maß für Dekohärenz.


Dekohärenz kann nicht an Eigenschaften im Ortsraum festgemacht werden.

Betrachten wir zwei Teilwellenfunktionen i = 1,2, die untereinander eine feste Phasenbeziehung haben, d.h. für die Interferenz möglich ist. Dann erhalten wir (für feste Zeit) so etwas wie



phi bezeichnet die Formen der Wellenpakete. Dafür erhalten wir typische Wellenphänomene wie Interferenz, Schwebung etc.

Nun betrachten wir die abstrakten Zustandsvektoren mit den entsprechenden Projektoren







sowie zwei partielle Dichteoperatoren





Im Dichteoperator "c" sind die Interferenzterme enthalten, in "dc" jedoch nicht.

Der Dichteoperator "c" ist ein Projektor, in seiner Eigenbasis enthält die Dichtematrix genau ein Hauptdiagonalelement ungleich Null, und in diesem steht die Summe zweier Terme, d.h. insbs. Interferenzterme



Der Dichteoperator "dc" ist kein Projektor, in seiner Eigenbasis stehen die beiden Komponenten i=1 und i=2 an unterschiedliche Stellen in der 2*2 Dichtematrix, d.h. hier steht nirgendwo eine Summe und somit keine Interferenzterme.



Das Vorhandensein von Interferenz oder nicht ist demnach keine Eigenschaft über dem Ortsraum sondern eine algebraische Eigenschaft der Struktur des Dichteoperators. Zwischen den beiden Elementen i=1 und i=2 der Dichtematrix "dc" findet keine Interferenz statt, obwohl beide Komponenten an der selben Stelle im Ortsraum lokalisiert sein können, und obwohl für beide sowie untereinander eine geeignete Phasenbeziehung vorliegt.


Betrachten wir ein makroskopisches Quantensystem wie einen Supraleiter oder eine Supraflüssigkeit. Dann beschreibt "c" einen Superpositionszustand zweier bosonischer Anregung i=1 und i=2, "dc" ein Ensemble, in dem beide Komponenten i=1 und i=2 mit einer entsprechenden klassischen Wahrscheinlichkeit vorliegen.

Betrachten wir beides als Ergebnis einer Messung, d.h. nutzen wir das makroskopische Quantensystem als "Zeiger" eines Messgerätes.

Der erste Zustand "c" entstehe dadurch, dass ein anderes Quantensystem gemessen werde und dessen Superpositionszustand dem makroskopischen Quantensystem eingeprägt werde. Das makroskopisches Quantensystem befinde sich bei Temperatur = Null, d.h. es liege ein perfekter Supraleiter / eine perfekte Supraflüssigkeit ohne thermische Anregung vor; außerdem sei das System perfekt von der Umgebung isoliert, d.h. weder mit Luft, thermischer Strahlung o.ä. in Kontakt, noch beobachtet worden.

Der zweite Zustand "dc" entstehe dadurch, dass das makroskopische Quantensystem zunächst im Zustand "c" ist und nun a) real mit einer Umgebung in Kontakt kommt, wodurch Dekohärenz wirksam wird, sowie b) mathematisch die Umgebungsfreiheitsgrade ausgespurt werden.

Beobachten wir den Supraleiter oder die Superflüssigkeit, so sehen wir im Falle "c" tatsächlich Interferenzterme, im Falle "dc" jedoch nicht. Wie oben beschrieben liegt die Ursache in der algebraischen Struktur des Dichteoperators begründet.


Der erste Zustand "c" entspricht dem Superpositionszustand der lebenden und der toten Katze, der zweite "dc" einem Ensemble beider Katzen mit den entsprechenden klassischen Wahrscheinlichkeiten; man erkennt, dass die Dekohärenz das Problem der Katze nicht löst, da in der mathematischen Beschreibung "dc" weiterhin beide Katzen vorhanden sind. Die Dekohärenz führt also auf ein Ensemble mehrerer jeweils klassischer Zustände. Sie erklärt damit das Auftreten von klassischen Zuständen, jedoch nicht, welches klassischen Zustandes.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Aruna



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Beitrag Aruna Verfasst am: 06. Mai 2022 03:38    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Aruna hat Folgendes geschrieben:
Lustigerweise habe ich in der Quelle 7 den Begriff "Decoherence" nicht gefunden und nur einmal den Begriff "coherent states".

Kohärente Zustände haben wiederum nichts mit dem hier diskutierten Phänomen der Dekohärenz zu tun


Kohärente Zustände haben insofern mit dem hier diskutierten Phänomen der Dekohärenz zu tun, dass die in einem Artikel genannt werden, den einer der - zumindest z.B. laut Wikipedia - "Begründer der Theorie der Dekohärenz" als Quelle dafür nennt, dass man das Phänomen als "Dekohärenz" bezeichnet.
Der Artikel selbst wiederum wird als Quelle der Einführung dieses Begriffes genannt.

Zitat:
Decoherence was first introduced in 1970 by the German physicist H. Dieter Zeh[1]


Mehr habe zunächst nicht ausgesagt.
Aruna



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Beiträge: 787

Beitrag Aruna Verfasst am: 06. Mai 2022 05:03    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Aruna hat Folgendes geschrieben:
Inwieweit so ein Zugang über eine Verteilung im Ortsraum in die Irre führen könnte, kann eventuell TomS erklären.

Ich versuch's.

Danke.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Der klassische Kohärenzbegriff beschreibt Eigenschaften oder Voraussetzungen für die Orts- und Zeitabhängigkeit von Wellen, so dass Interferenz möglich ist; Kohärenz ist dabei ein Maß im Ortsraum.

Die Beschreibung von Vielteilchensystemen erfolgt jedoch im Konfigurationsraum, d.h. mittels Wellenfunktionen nicht als Funktionen eines Ortsvektors sondern aller Ortsvektoren. Dafür kenne ich kein Maß für Dekohärenz.


Okay, das verstehe ich nun so, als dass einer der möglichen Irrtümer sei,
es gäbe auch in der QT allgemein ein Maß für Kohärenz, analog zu der klassischen Kohärenzlänge oder -Zeit?

TomS hat Folgendes geschrieben:

Dekohärenz kann nicht an Eigenschaften im Ortsraum festgemacht werden.

Betrachten wir zwei Teilwellenfunktionen i = 1,2, die untereinander eine feste Phasenbeziehung haben, d.h. für die Interferenz möglich ist. Dann erhalten wir (für feste Zeit) so etwas wie



phi bezeichnet die Formen der Wellenpakete. Dafür erhalten wir typische Wellenphänomene wie Interferenz, Schwebung etc.


und für diese Wellenpakete gäbe es dann auch Kohärenzlängen und Zeiten?
Ein einzelnes Elektron nach dem Doppelspalt könnte man doch mittels einer solchen Wellenfunktion beschreiben und das Interferenzmuster erklären?
Würde man den Versuch weniger isoliert von der Umgebung durchführen, verschwände das Interferenzmuster aufgrund der Wechselwirkung des Elektrons mit der Umgebung für einen lokalen Beobachter, der mit der gleichen Umgebung wechselwirkt.
Das ist dann durchaus ein Beispiel für ein Phänomen, das als "Dekohärenz" bezeichnet wird, aber das Phänomen umfasst mehr, als quasiklassische Lokation von Quantenobjekten als "Teilchen" im Ortsraum durch Wechselwirkung mit der Umgebung (?)
Ein Maß in dem Zusammenhang ist die "Dekoheränzzeit", die in Abhängigkeit vom Objekt und Umgebung angibt, wie lange - für einen lokalen Beobachter - die Kohärenz im Sinne von beobachtbaren Superpositionen bestehen bleibt. (?)

TomS hat Folgendes geschrieben:

Nun betrachten wir die abstrakten Zustandsvektoren mit den entsprechenden Projektoren








ist hier



mit als beliebige Quantenzahlen?

TomS hat Folgendes geschrieben:

sowie zwei partielle Dichteoperatoren





Im Dichteoperator "c" sind die Interferenzterme enthalten, in "dc" jedoch nicht.

Der Dichteoperator "c" ist ein Projektor, in seiner Eigenbasis enthält die Dichtematrix genau ein Hauptdiagonalelement ungleich Null, und in diesem steht die Summe zweier Terme, d.h. insbs. Interferenzterme



Der Dichteoperator "dc" ist kein Projektor, in seiner Eigenbasis stehen die beiden Komponenten i=1 und i=2 an unterschiedliche Stellen in der 2*2 Dichtematrix, d.h. hier steht nirgendwo eine Summe und somit keine Interferenzterme.



Das Vorhandensein von Interferenz oder nicht ist demnach keine Eigenschaft über dem Ortsraum sondern eine algebraische Eigenschaft der Struktur des Dichteoperators.


D.h. in Bezug auf meine Frage:
Ein Irrtum, der entstehen könnte, wäre, Kohärenz (=Vorhandensein von Interferenz(termen)) stets als eine Eigenschaft im Ortsraum zu verstehen und die Abstraktion zu einer "algebraischen Eigenschaft der Struktur des Dichteoperators"(in beliebigen Konfigurationsräumen?) nicht zu vollziehen (?).

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zwischen den beiden Elementen i=1 und i=2 der Dichtematrix "dc" findet keine Interferenz statt, obwohl beide Komponenten an der selben Stelle im Ortsraum lokalisiert sein können, und obwohl für beide sowie untereinander eine geeignete Phasenbeziehung vorliegt.


den von mir markierten Teil habe ich noch nicht verstanden, aber dazu müsste ich eventuell erstmal die Darstellung genau nachvollziehen.
(Mit dem oben ist wahrscheinlich kein Ort gemeint, sondern das ist eine allgemeine Variable?)
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 06. Mai 2022 06:36    Titel: Antworten mit Zitat

Hi,

Nein, es ist kein Irrtum, anzunehmen, es gäbe auch in der Quantenmechanik ein Maß für Kohärenz, analog zu der klassischen Kohärenzlänge oder -Zeit. Es ist ein Irrtum, Kohärenz vs. Inkohärenz zu verwechseln mit Dekohärenz.

Und ja, es ist ein Irrtum, dies rein als Eigenschaft im Ortsraum zu verstehen und die Struktur des Dichteoperators zu ignorieren.

Ein einzelnes isoliertes Quantensystem kann man natürlich mittels einer solchen Wellenfunktion oder einer Dichtematrix „c“ beschreiben und so das Interferenzmuster erklären. Aber eben kein nicht-isoliertes Quantensystem! Dieses wird beschrieben durch eine Wellenfunktion für alle Teilchen inkl. Luft, thermische Photonen etc. über dem Konfigurationsraum aller Orte - oder in einer Einteilchen-Näherung durch die Dichtematrix „dc“.

Und ja, die dabei sichtbar werdende Dekohärenz ist mehr als nur ein Effekt im Ortsraum. Für ein Quantensystem in einer Superposition zweier Wellenpakete i = 1,2 entspräche das



Und dabei verschwinden die Interferenzterme mathematisch schon deswegen, weil die Dichtematrix „cd“ keine Summe über beide Wellenpakete i = 1,2 enthält, da diese in verschiedenen Einträgen der Dichtematrix stehen. Jedes Wellenpaket für sich bleibt dabei möglicherweise interferenzähig (Phasenbeziehung) jedoch nicht beide untereinander (algebraische Struktur).

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