Was ist eine Phase? (Materialwissenschaften, Werkstoffkunde)

Aaron1606 · Anmeldungsdatum: 03.03.2021 Beiträge: 4

Wunderschönen guten Tag,

ich bin in Werkstofftechnik auf folgende Frage gestoßen: "Was sind Phasen und welche Arten kennen Sie?"
Je mehr ich recherchiere und nachlese, desto mehr verwirrt mich diese Frage allerdings. Überall steht, eine Phase ist eine in sich homogene Struktur, die ein bestimmte Atomordnung oder eine bestimmte Zusammensetzung hat.
Dann liest man außerdem: In Metallen sind die Körner somit die Phasen und die Korngrenzen entsprechend die Phasengrenzen.
Bis hier alles kein Thema und erstmal verständlich (könnte man meinen). Aber dann geht es weiter...
Woanders steht dann wiederum, dass viele Stoffe einphasig (=homogen) sind, z.B. Austenit sei einphasig. Aber Austensit besteht doch auch aus mehreren Kristalliten, somit aus mehreren Körnern und damit aus verschiedenen Phasen und Phasengrenzen- sonst wäre es ja ein Einkristall und diese sind ja eher selten.
Oder eine Legierung aus zwei Metallen besteht im festen Zustand aus zwei Phasen (der Phase A und der Phase B). Aber besteht die Phase A nicht auch wiederum aus mehreren Kristalliten (also Körnern), die sich von einander abgrenzen und somit aus mehreren Phasen?

Also was ist denn jetzt die Phase? Ist jedes Korn eine Phase für sich? Sind alle Körner eines Stoffes zusammen eine Phase?

Ich wäre echt dankbar, wenn mir jemand weiterhelfen könnte!!! grübelnd

Beste Grüße

Aaron

TomS · Moderator Anmeldungsdatum: 20.03.2009 Beiträge: 18062

Da wird viel durcheinandergemischt.

Fangen wir mal mit dem Aggregatzustand an: fest, flüssig, gasförmig, Plasma sowie eher exotisch wie superfluid, supraleitend (natürlich weiterhin ein Festkörper, jedoch verhalten sich die Elektronen völlig anders) u.a.m.

Und da erkennt man schon, dass das nicht unbedingt trennscharf ist.

Typischerweise unterscheiden sich verschiedenen Aggregatszustände (sprunghaft) durch Eigenschaften wie Dichte (bei gegebenem Druck) Beweglichkeiten von Atomen und Molekülen, Viskosität, spezifische Wärme, Leitfähigkeit u.a.m.

Der Begriff Phase führt zwei weitere Merkmale ein:

1) Zunächst die Unterscheidung aufgrund derartiger Eigenschaften im selben Aggregatzustand, z.B. unterschiedliche Modifikationen (z.B. verschiedene Kristallstrukturen wie bei Eisen(III)-oxid, trigonales α-Fe2O3 bzw. kubisches γ-Fe2O3), ggf. wieder verbunden mit unterschiedlichen Eigenschaften (z.B. ist α-Fe2O3 antiferromagnetisch, γ-Fe2O3 dagegen ferromagnetisch).

2) Die räumliche Homogenität bzw. den Bereich, innerhalb dessen eine einzige Phase vorliegt. Z.B. spricht man von einer Phasengrenze zwischen dem Wasser und dem darüber befindlichen Wasserdampf (also zwischen zwei Aggregatzuständen). Natürlich kann es das auch für verschiedenen Phasen bei identischem Aggregatzustand geben. Phasengrenzen sind zu unterscheiden von Phasenübergängen.

Dieses Herumreiten auf den räumlichen Bereichen und den Phasengrenzen als definierendes Merkmal der Phasen ist aber letztlich Quatsch. Z.B. liegt in einem Supraleiter bei Temperatur > 0 immer ein Teil der Elektronen als supraleitendes Bose-Einstein-Kondensat vor, ein anderer Teil als "gewöhnliches Elektronengas" im Leiter. Es gibt also sehr wohl eine Koexistenz dieser beiden Phasen, jedoch ohne räumliche Phasengrenze.

Die Begriffe 'Phase' und 'Aggregatzustand' werden teilweise synonym verwendet. Betrachtet man Grenzflächen so spielen diese eine Rolle, diskutiert man Phasenübergänge geht man oft von unendlich ausgedehnten Systemen aus und die Grenzflächen sind irrelevant. Die Bedeutung von 'Phase' muss letztlich aus dem Kontext erschlossen werden.

willyengland · Anmeldungsdatum: 01.05.2016 Beiträge: 677