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Interpretation der Quantenmechanik in der Kosmologie - Seite 7
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TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 30. Aug 2022 10:00    Titel: Antworten mit Zitat

Was heißt “Das steht da nicht”? Doch, das steht da.

What decoherence does is consider a vastly reduced space only, where the reduced density operator acts on. Therefore all talk about superpositions is completely spurious and can be dropped without loss of physical information.

Und das ist schon im ersten Satz falsch. Dekohärenz bedeutet gerade nicht dasselbe wie Spurbildung; das schreibst du selbst. Deswegen - und auch aus keinem anderen Grund - bedeutet Dekohärenz auch nicht “a vastly reduced space only”. Aber genau das schreibt er, ich kann es nicht ändern.

Nach Auffassung von Zeh et al. ist Dekohärenz ein Prozess unter Einbeziehung aller Freiheitsgrade. Partielle Spurbildung ist dann lediglich eine Näherung, die benötigt wird, um zu erkennen, was in einem Subsystem geschieht; es geschieht aber - nach Auffassung von Zeh et al. - immer, auch ohne partielle Spurbildung, nur eben nicht erkennbar. Und es geschieht in jedem einzelnen Prozess. Dass die partielle Dichtematrix so aussieht, als würde sie ein Ensemble beschreiben, ist irrelevant; niemand zwingt einen zu dieser Interpretation.

Nach Neumaier liefert Dekohärenz irgendwelche Artefakte, die es sich lohnt zu interpretieren. Das mag ja mathematisch sogar richtig sein, nur wäre die Ursache dann sicher diffiziler und nicht so platt, wie er schreibt. Umgekehrt ist sein Gegenargument auch eher schwach, da er zwar annimmt, er könne zu einem eindeutigen Messergebnis gelangen, jedoch andererseits schreibt, dass genau dies außerhalb dessen liegt, was die TI ggw. leisten kann.

Ich denke aber nicht, dass das der zentrale Punkt der Diskussion sein sollte. Die Ansätze von Neumaier et al. müssen ja nicht bzgl. der jeweiligen Glaubenssätze oder Überzeugungen gegen andere Interpretationen konkurrieren, sondern rein mathematisch. Wenn es für eine große Klasse von Systemen mathematisch plausibel ist, dass eindeutige Messergebnisse folgen, dann ist der Ansatz extrem wertvoll, auch wenn er andere Interpretationen aufgrund von Missverständnissen kritisiert. Von daher ist mir das inzwischen relativ egal.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 30. Aug 2022 10:05, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 30. Aug 2022 10:03    Titel: Antworten mit Zitat

@Sonnenwind - die zentrale Frage ist, welche Wellenfunktion du verwendest und welches Quantenpotential daraus folgt; ob und wie man das graphisch darstellt, ist doch zweitrangig.
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Beitrag index_razor Verfasst am: 30. Aug 2022 10:12    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Was heißt “Das steht da nicht”? Doch, das steht da.

What decoherence does is consider a vastly reduced space only, where the reduced density operator acts on. Therefore all talk about superpositions is completely spurious and can be dropped without loss of physical information.

Und das ist schon im ersten Satz falsch. Dekohärenz bedeutet gerade nicht dasselbe wie Spurbildung; das schreibst du selbst.


Und das besagt der erste Satz auch nicht.

Zitat:

Deswegen - und auch aus keinem anderen Grund - bedeutet Dekohärenz auch nicht “a vastly reduced space only”. Aber genau das schreibt er, ich kann es nicht ändern.


Du könntest endlich mal versuchen zu verstehen, was es bedeutet.

Das Zitat bezieht sich auf eine Situation, in der der Umgebungszustand von einer Zufallsvariable abhängt. Damit wird auch der Systemzustand (im Schrödingerbild) mittels unitärer Zeitentwickung von dieser Zufallsvariable abhängig. Die Variable , nicht die Spurbildung, ist der einzige Grund warum hier von einem Mittelwert die Rede ist. Für jede einzelne Realisierung dieser Zufallsvariable liefert partielle Spurbildung den exakten Zustand eines einzelnen Teilsystems.

Dekohärenz ist nicht dasselbe wie partielle Spurbildung. Partielle Spurbildung liefert nur den Zustand eines Teilsystems. Zufällige Umgebungseinflüsse auf dieses Teilsystem führen zu einer Dichtematrix, die im Mittel genau dieselben Ergebnisse liefert wie Dekohärenz. Darum geht es in dem Zitat. Details stehen in Teil IV, 3.3, 3.4 und auch in Abschnitt 10.5 Relations to Decoherence aus Coherent Quantum Physics.

Warum ignorierst du das?

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dass die partielle Dichtematrix so aussieht, als würde sie ein Ensemble beschreiben, ist irrelevant; niemand zwingt einen zu dieser Interpretation.


Es ist keine Interpretation. Und es geht nicht darum wie die partielle Dichtematrix "aussieht". Es geht um die Folgerungen aus einem stochastischen Modell für den Umgebungszustand. Nimm das doch bitte endlich mal zur Kenntnis. Hinterher können wir uns darüber unterhalten ob Neumaiers Auffassung von Dekohärenz allgemeingültig ist, oder ob es für das Meßproblem relevante Situationen gibt, in denen man Effekte von Dekohärenz vom Einfluß des Umgebungsrauschens unterscheiden kann und wie die TI mit ihnen umgeht. Aber der zufällige Einfluß der Umgebung ist das, wovon er hier redet und er stellt fest, daß dies im Mittel eine dekohärente reduzierte Dichtematrix erzeugt.

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Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 30. Aug 2022 14:31    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
@Sonnenwind - die zentrale Frage ist, welche Wellenfunktion du verwendest und welches Quantenpotential daraus folgt; ob und wie man das graphisch darstellt, ist doch zweitrangig.

Das Bild habe ich gezeichnet, um Laien, Amateuren und möglicherweise auch Profis zu zeigen, was die de-Broglie-Bohm-Interpretation leisten kann.

Demnach ist es NICHT so, dass Signale mit Überlichtgeschwindigkeit übertragen werden, sondern jeder Raumpunkt ist mit jedem anderen Raumpunkt verbunden, allerdings nur für das Quantenpotential.

Es ist wie beim Rennen von Hase und Igel, der Igel ist schon da.

Beim Quantenpotential genügt es, wenn es keine einfache Summe über die Quantenpotentiale der einzelnen Teilchen ist, was so gut wie immer der Fall sein dürfte. Wenn ich mal viel Zeit habe, versuche ich ein konkretes Beispiel durchzurechnen.

@index_razor: Was sagt die TI zur Verschränkung?

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Beitrag TomS Verfasst am: 30. Aug 2022 14:45    Titel: Antworten mit Zitat

Ich nehme das alles zur Kenntnis und ich ignoriere das keineswegs. Aber du bemerkst offenbar nicht, dass das wohl gar nicht der strittige Punkt zwischen uns ist.


index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das Zitat bezieht sich auf eine Situation, in der der Umgebungszustand von einer Zufallsvariable abhängt.

Das glaube ich nicht, ähnlichen Aussagen finden man an anderen Stellen, ohne dass dabei eine Zufallsvariable genannt würde.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die Variable , nicht die Spurbildung, ist der einzige Grund warum hier von einem Mittelwert die Rede ist.

Dass mag in diesem speziellen Fall so sein, aber selbst wenn, dann führt eine Zufallsvariable nicht zu einem "vastly reduced space"

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Dekohärenz ist nicht dasselbe wie partielle Spurbildung.

Ich habe nie etwas anderes behauptet:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Dekohärenz bedeutet gerade nicht dasselbe wie Spurbildung.


index_razor hat Folgendes geschrieben:
Hinterher können wir uns darüber unterhalten ob Neumaiers Auffassung von Dekohärenz allgemeingültig ist …

Nachdem ich alles zur Kenntnis genommen habe, können wir uns nun darüber unterhalten ;-).


Also lass‘ uns mal Zeh nachlesen:

https://arxiv.org/pdf/quant-ph/9506020.pdf
According to a universal Schrödinger equation, quantum correlations with the environment are permanently created with great efficiency for all macroscopic systems, thus leading to decoherence, defined as the irreversible dislocalization of phase relations. The apparent (!) ensembles, obtained for subsystems in this way, often led to claims that …

In the theory of decoherence, apparent events in the detector are described dynamically by the universal Schrödinger equation … Similarly, “particles” appear in the form of narrow wave packets in space as a consequence of decoherence in the detector. This identification of observable events with a decoherence process …


https://arxiv.org/pdf/quant-ph/9610014.pdf
WHAT IS MEANT BY DECOHERENCE?
There seems to be some confusion in the literature not only on what may actually be achieved by decoherence, but also on how this concept has to be defined. I will here “consistently” use it in terms of wave functions … since state vectors represent the established kinematical concept of quantum theory, while events … Therefore, by decoherence I mean the practically irreversible and practically unavoidable (in general approximate) disappearance of certain phase relations from the states of local systems by interaction with their environment according to the Schrödinger equation. Since phase relations cannot absolutely disappear in a unitary evolution, this disappearance can only represent a delocalization …



Neumaier schreibt allgemein – an ganz anderer Stelle, ich zitiere nochmals.

What decoherence does is consider a vastly reduced space only, where the reduced density operator acts on. Therefore all talk about superpositions is completely spurious and can be dropped without loss of physical information.

Neumaier behauptet – Deepl-Übersetzer – bei der Dekohärenz werde nur ein stark reduzierter Raum betrachtet, auf dem der reduzierte Dichteoperator wirkt. Daher sei alles Gerede über Überlagerungen völlig unangebracht.

Das ist ja wohl etwas anderes, als das, was Zeh schreibt.

Das mag seine persönliche Auffassung sein, ist aber IMHO alles andere als Konsens – insbs. der erste Satz (über den zweiten müssen wir hier nicht diskutieren).

MMn findet ein realer Prozess „Dekohärenz“ in einem vollständigen und abgeschlossenen System statt. Es wird zunächst kein reduzierter Raum betrachtet, auf dem der reduzierte Dichteoperator wirkt, sondern es wird der vollständige Hilbertraum des Systems betrachtet, auf dem die unitäre Zeitentwicklung der Schrödingergleichung für einen reinen Zustand gültig ist.

Es gibt also zunächst keinen "vastly reduced space". Und es existiert keine Zufallsvariable.

(ja, zuletzt wird im Sinne einer Näherung die Umgebung ausgespurt; und ja, technisch erscheint der reduzierte Prozess stochastisch zu sein; aber diese beiden Punkte sind technisch, und sie produzieren nach Meinung von Zeh et al. keine Artefakte, die man besser nicht interpretieren solle; ja, man könnte argumentieren, dass alle mathematischen Modelle zur Dekohärenz in der Praxis von einem genügend „kleinen“ Hilbertraum ausgehen, insbs. auch für die Zeigerzustände, und dass dieser "vastly reduced space" unzureichend ist bzw. dass die Modelle Artefakte produzieren; aber das wäre ein Vorwurf an die Modelle, nicht an die Dekohärenz im Allgemeinen)

Hier https://arxiv.org/pdf/1902.10782.pdf schreibt Neumaier:

Decoherencee (see, e.g., Schlosshauer [64, 65]) is a typical phenomenon arising in coarse-grained models of detailed quantum systems involving a large environment. It shows that in a suitable reduced description, the density operators soon get very close to diagonal, recovering after a very short decoherence time a Koopman picture of classical mechanics. Thus decoherence provides in principle (though only few people think of it in these terms) a reduction of the quantum physics of an open system to a highly nonlinear classical stochastic process.

Das klingt für mich wiederum so, als ob er von coarse-graining ausginge, und daraus folge dann Dekohärenz.

„Compton scattering is a typical phenomenon arising in low-order perturbation theory of QED …“

Nee!

„Compton scattering is the scattering of a high frequency photon after an interaction with a charged particle … and can be described in low-order perturbation theory of QED …“

Besser, oder?

Neumaier verwechselt entweder Phänomen und Methode, oder seine Kritik reduziert sich auf die unzureichende Modellierung.

Aber wie gesagt, das ist alles herzlich egal, wenn es der TI und verwandten Ansätzen gelingt, das Problem der Eindeutigkeit der Messergebnisse mathematisch zu lösen. Dann verschwinden die vielen Welten wie der Lichtäther, und die Dekohärenz wird eben eine Näherung wie die Netwonsche Mechanik.


Bis es soweit ist hier mein Gegenentwurf

Decoherence is a deterministic process in sufficiently large and therefore never perfectly isolated subsystems; this process is approximately described by integrating / tracing out certain d.o.fs., leading to a mathematical model in which the imprint of these d.o.fs. on the remaining ones is an apparently stochastic dynamics. Proponents of the many-worlds interpretation take the view that the structure of the reduced density matrix – which looks like that of an ensemble – is not an artifact of the model, but reveals a structure that carries relevant physical information for individual systems – not just ensembles.

zu

What decoherence does is consider a vastly reduced space only, where the reduced density operator acts on. Therefore all talk about superpositions is completely spurious and can be dropped without loss of physical information.


Ich denke, das folgende hast du nur etwas knapp formuliert.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Aber der zufällige Einfluß der Umgebung ist das, wovon er hier redet und er stellt fest, daß dies im Mittel eine dekohärente reduzierte Dichtematrix erzeugt.

Der „zufällige Einfluss der Umgebung“ ist eine Konsequenz des reduzierten Modells. In der Realität gehen wir davon aus, dass die Umgebung als Teil des Gesamtsystems eben gerade nicht irgendwie zufällige oder stochastische Eigenschaften aufweist, sondern dass das Gesamtsystems einer deterministischen Zeitentwicklung folgt.

Ja, im Rahmen dieses Modells resultiert ein zufälliger Einfluss der Umgebung und eine (in einer bestimmten Basis) näherungsweise diagonalen reduzierte Dichtematrix. Aber das ist nicht die Dekohärenz als physikalischer Prozess, sondern eine mathematische Methode, diesen näherungsweise zu beschreiben. Genau das, worauf Zeh ständig hingewiesen hat: die Dekohärenz immer durch die Brille „Ausspuren, reduzierte Dichtematrix …“ zu betrachten, ist Quelle vieler und großer Missverständnisse.

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Beitrag TomS Verfasst am: 30. Aug 2022 15:01    Titel: Antworten mit Zitat

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Beim Quantenpotential genügt es, wenn es keine einfache Summe über die Quantenpotentiale der einzelnen Teilchen ist, was so gut wie immer der Fall sein dürfte. Wenn ich mal viel Zeit habe, versuche ich ein konkretes Beispiel durchzurechnen.

Dann fang' mal mit zwei freien, verschränkten Teilchen an ;-)



Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Was sagt die TI zur Verschränkung?

Auf fundamentaler Ebene nichts besonderes, das ist einfach Standard.

Die Frage ist - allerdings an ein konkretes Modell - wie man z.B. zwei verschränkte Teilchen in zwei Stern-Gerlach-Experimenten modelliert, so dass man zwei eindeutige und perfekt korrelierte Messungen erhält.

Der klassische Startpunkt für zwei Elektronen 1,2 in zwei Zuständen a, b wäre



wobei z.B.



d.h. zwei Wellenpakete u, wobei die Indizes a (b) anzeigen, dass sich der Schwerpunkt mit Impuls k in positive (negative) Richtung bewegt und dass der Spin nach oben (unten) zeigt.

Das inkl. der beiden Detektoren wäre in den Kontext der TI zu übersetzen und zu modellieren.

Aus den q-Erwartungswerten müssten dann je Run n = 1, 2, 3 ... Ereignisse folgen, die abgesehen von einer gewissen Unschärfe eindeutig die Orte der Detektion liefern, d.h. z.B. eine Folge von Paaren



also (+A, -A) = "Registrierung eines Ereignisses durch Detektor 1 (2) im Bereich +A (-A)".

Neumaier beschreibt die Detektortheorie in https://arxiv.org/pdf/2110.05294.pdf - sagt allerdings nichts zur Messung an verschränkten Zuständen (wohl weil ihm das nicht notwendig erscheint, da Verschränkung ohnehin allgegenwärtig ist). Trotzdem wäre eine explizite Betrachtung natürlich wünschenswert.

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Beitrag TomS Verfasst am: 30. Aug 2022 15:50    Titel: Antworten mit Zitat

Ich erlaube mir nochmal, darauf hinzuweisen, dass das evtgl. auf eine recht grundsätzliche Kritik an der Dekohärenz hinausläuft.

2.7. Decoherence theory
in
https://arxiv.org/abs/1107.2138
Understanding quantum measurement from the solution of dynamical models
Armen E. Allahverdyan, Roger Balian, Theo M. Nieuwenhuizen

2 The Decoherence by Environment Concept
in
https://arxiv.org/abs/1009.1220
An Alternative to Decoherence by Environment and the Appearance of a Classical World
Manfred Requardt

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Beitrag index_razor Verfasst am: 30. Aug 2022 16:18    Titel: Antworten mit Zitat

TomS, ich denke du bist einfach zu fixiert darauf, Neumaier in drei Sätzen irgendwelche Mißverständnisse von Dekohärenz nachzuweisen, daß du vollkommen das längliche Argument ignorierst, auf das sich diese Sätze beziehen.

Wir reden hier vom Meßproblem, insbesondere der Ableitung der Bornschen Regel aus Sicht der TI. Also koppeln wir ein "kleines" System an ein "großes" System (Detektor, Umgebung) und modellieren die Dichtematrix des großen Systems als Zufallsvariable . Nur in diesem Kontext haben wir nun überhaupt irgendeinen Anlaß über "Dekohärenz" zu reden. Nun untersucht Neumaier eine Bedingung Gl. (16) aus Teil IV, die er "decoherence condition" nennt, und stellt fest, daß damit die Vorhersage eines Modells im Mittel über mit denen eines dekohärenten Systemzustands übereinstimmen. Das ist alles. Daraus zieht er das Fazit Dekohärenz sage dasselbe wie die TI im Mittel über .

Das muß man nicht als allgemeingültige "Interpretation" von Dekohärenz auffassen. Ich weiß nicht mal ob Neumaier das tut, aber es ist vollkommen ohne Belang für sein Argument. Es bedeutet auch nicht, daß er Spurbildung als Mittelwertbildung auffaßt, wie du ihm fälschlich unterstellt hast, und was du langsam mal ausdrücklich anerkennen könntest. Sondern es ist einfach ein mathematischer Fakt über sein Modell.

Die Diskussion dieses Modells inklusive seines Zusammenhangs mit Dekohärenz findet sich in den genannten Abschnitten Teil IV. Diese stimmen inhaltlich mit den Abschnitten 10.3, 10.4 aus "Coherent Quantum Physics" überein. Der anschließende Abschnitt 10.5 "Relation to decoherence" enthält das Zitat: "Thus, decoherence tells roughly the same story as the thermal interpretation, but only in statistical terms, whereas the thermal interpretation refines this to a different, more detailed story for each single case." Das ist eine modifizierte Version von dem, was du ein paar Beiträge früher zitiert hast. Es bezieht sich genau auf die allgemeinen Eigenschaften dieses Modells. Das kannst du also schon glauben.

Deine eigene Darstellung von Dekohärenz finde ich -- und fand ich schon bei früheren Diskussionen -- allerdings auch etwas seltsam. Vielleicht ist das auch ein Grund warum ich deine Kritik an Neumaier nicht nachvollziehen kann. Aber es bringt m.E. nichts dieses Thema mit der Diskussion über die TI zu verbinden.

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Beitrag TomS Verfasst am: 30. Aug 2022 16:41    Titel: Antworten mit Zitat

Natürlich, wie ich schon schrieb ist seine Auffassung der Dekohärenz ohne Belang für die TI (bzw. die Punkte, die ich anders sehe, tangieren die TI nicht).

Nachdem ich aber einige andere Diskussionsbeiträge zur Dekohärenz ohne Bezug zur TI von ihm gelesen habe, glaube ich, dass es ihm tatsächlich um eine grundsätzlich andere Auffassung geht. Aber auch das ist dann im Kontext der TI wieder irrelevant.

Artikel anderer Autoren - siehe mein letzter Beitrag - deuten auch darauf hin, dass sie die Dekohärenz eher grundsätzlich kritisch sehen.

Und nein, ich unterstelle ihm damit keine Missverständnisse, ich sehe eher Missverständnisse zwischen verschiedenen Gruppen, die unter Dekohärenz jeweils etwas anderes verstehen, die es aber teilweise versäumen, das an entsprechender Stelle klarzustellen (oder die davon ausgehen, dass ihre jeweilige Interpretation von Dekohärenz klar wäre - und wahrscheinlich ist sie das auch für diejenigen, die aktiv auf dem Gebiet arbeiten).

Neumaier hat bestimmt gute Gründe.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Deine eigene Darstellung von Dekohärenz finde ich -- und fand ich schon bei früheren Diskussionen -- allerdings auch etwas seltsam.

Warum eigentlich genau? Ich dachte immer, es ging eher um Missverständnisse bzgl. einer - teilweise zu sehr verkürzten - Darstellung.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wir reden hier vom Meßproblem, insbesondere der Ableitung der Bornschen Regel aus Sicht der TI. Also koppeln wir ein "kleines" System an ein "großes" System (Detektor, Umgebung) und modellieren die Dichtematrix des großen Systems als Zufallsvariable . Nur in diesem Kontext haben wir nun überhaupt irgendeinen Anlaß über "Dekohärenz" zu reden.

Das ist nicht die allgemeine Idee von Zeh et al., lediglich eine spezielle Anwendung.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Sep 2022 15:07    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Neumaier hat bestimmt gute Gründe.


Klar, die Gründe finden sich in Teil IV, 3.3, 3.4. Dort steht im wesentlichen sein Beweis für die Behauptung, die du die ganze Zeit kritisiert hast.

TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Deine eigene Darstellung von Dekohärenz finde ich -- und fand ich schon bei früheren Diskussionen -- allerdings auch etwas seltsam.

Warum eigentlich genau? Ich dachte immer, es ging eher um Missverständnisse bzgl. einer - teilweise zu sehr verkürzten - Darstellung.


Sämtliche mir bekannte Literatur definiert Dekohärenz als den Verlust der Phaseninformation/Interferenzfähigkeit innerhalb eines Teilsystems als Folge der Wechselwirkung mit seiner Umgebung. (Selbst eines deiner seltsam elliptischen Zeh-Zitate weiter oben definiert das so.) Die Umgebung ist typischerweise makroskopisch, also "vast"; das ist zumindest die für das Meßproblem relevante Situation. Ich denke deshalb Neumaiers Auffassung ist prinzipiell näher dran, als dein obiger "Gegenentwurf". In diesem fehlt nicht nur die wesentliche Eigenschaft des Verlusts der Interferenzterme, die Neumaier ausdrücklich erwähnt. Du behauptest dort auch, Dekohärenz werde näherungsweise durch partielle Spurbildung beschrieben. Das ist falsch. Partielle Spurbildung definiert prinzipiell exakt den Zustand eines Teilsystems. Das ist erstmal alles. Die einzige Näherung, die hier involviert ist, betrifft die Beschreibung des Gesamtzustands, nicht die Spurbildung. Das Verschwinden der Diagonalelemente der reduzierten Dichtematrix ist hingegen praktisch das namensgebende Merkmal von Dekohärenz.

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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Sep 2022 15:30    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Klar, die Gründe finden sich in Teil IV, 3.3, 3.4. Dort steht im wesentlichen sein Beweis für die Behauptung, die du die ganze Zeit kritisiert hast.

Welche Behauptung genau?

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Sämtliche mir bekannte Literatur definiert Dekohärenz als den Verlust der Phaseninformation/Interferenzfähigkeit innerhalb eines Teilsystems als Folge der Wechselwirkung mit seiner Umgebung …

Alles erst mal richtig.

Ich behaupte lediglich - mit Zeh und im Gegensatz zu Neumaier - dass Dekohärenz kein Effekt ist oder dass die Mathematik dazu keine Methode darstellt, die einen zu einer stochastischen Auffassung zwingt.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich denke deshalb Neumaiers Auffassung ist prinzipiell näher dran, als dein obiger "Gegenentwurf". In diesem fehlt nicht nur die wesentliche Eigenschaft des Verlusts der Interferenzterme, die Neumaier ausdrücklich erwähnt.

Ok, meine Darstellung ist verkürzt.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Du behauptest dort auch, Dekohärenz werde näherungsweise durch partielle Spurbildung beschrieben. Das ist falsch. Partielle Spurbildung definiert prinzipiell exakt den Zustand eines Teilsystems. Das ist erstmal alles..

Ich behaupte - mit Zeh - dass Dekohärenz ein Prozess im Gesamtsystem ist, den man mathematisch durch partielle Spurbildung erkennt / herauspräpariert / … Die partielle Spurbildung ist dabei ein Werkzeug, das bestimmte Aspekte des Gesamtsystems näherungsweise erfasst - mehr nicht.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das Verschwinden der Diagonalelemente der reduzierten Dichtematrix ist hingegen praktisch das namensgebende Merkmal von Dekohärenz.

Siehe hingegen
http://www.bourbaphy.fr/zeh.pdf
This unitary dynamical process causes the non-diagonal elements of the reduced density matrices of all dynamically involved local systems … to gradually vanish. These indicators of dislocalized superpositions are therefore often used to define decoherence. However, subsystems and their density matrices are no more than convenient conceptual tools, useful because of the locality of all interactions and the causal structure of our world … In contradistinction to a nonlocal superposition, the concept of a density matrix presumes the probability interpretation.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 12. Sep 2022 12:08    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Klar, die Gründe finden sich in Teil IV, 3.3, 3.4. Dort steht im wesentlichen sein Beweis für die Behauptung, die du die ganze Zeit kritisiert hast.

Welche Behauptung genau?


Die Behauptung Dekohärenz beschreibe was im beim Meßprozeß im Mittel über ein klassisches Ensemble von Umgebungszuständen passiert. Fasse diese Aussage einfach so auf, als behaupte sie Gleichheit zweier Dichtematrizen . (Die Gl. steht dort so nicht, weil Neumaier im Heisenbergbild rechnet. Aber es läuft auf dasselbe hinaus.)

(EDIT: hier siehst du übrigens auch noch mal, daß Spurbildung und Ensemblemittel absolut gar nichts miteinander zu tun haben. Es sind zwei völlig unabhängige Operationen.)

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Sämtliche mir bekannte Literatur definiert Dekohärenz als den Verlust der Phaseninformation/Interferenzfähigkeit innerhalb eines Teilsystems als Folge der Wechselwirkung mit seiner Umgebung …

Alles erst mal richtig.

Ich behaupte lediglich - mit Zeh und im Gegensatz zu Neumaier - dass Dekohärenz kein Effekt ist oder dass die Mathematik dazu keine Methode darstellt, die einen zu einer stochastischen Auffassung zwingt.


Neumaier behauptet gar nicht, daß Dekohärenz zu einer stochastischen Auffassung zwingt. Da liegt also wohl immer noch ein Mißverständnis vor. (Ich weiß nicht was du damit meinst, daß "Dekohärenz kein Effekt ist". Aber ich bezweifle auch, daß dies relevant ist.)

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Du behauptest dort auch, Dekohärenz werde näherungsweise durch partielle Spurbildung beschrieben. Das ist falsch. Partielle Spurbildung definiert prinzipiell exakt den Zustand eines Teilsystems. Das ist erstmal alles..

Ich behaupte - mit Zeh - dass Dekohärenz ein Prozess im Gesamtsystem ist, den man mathematisch durch partielle Spurbildung erkennt / herauspräpariert / … Die partielle Spurbildung ist dabei ein Werkzeug, das bestimmte Aspekte des Gesamtsystems näherungsweise erfasst - mehr nicht.


Der Prozeß im Gesamtsystem ist nichts anderes als Verschränkung. Das Ergebnis ist ein "kohärenter" Zustand, d.h. in ihm sind sämtliche Phaseninformation komplett erhalten geblieben. Das steht natürlich auch genauso bei Zeh selbst (deine eigene Quelle):

"Therefore, by decoherence I mean the practically irreversible and practically unavoidable (in general approximate) disappearance of certain phase relations from the states of local systems by interaction with their environment according to the Schrödinger equation. Since phase relations cannot absolutely disappear in a unitary evolution, this disappearance can only represent a delocalization, which means that the phases “are not there” any more, neither in the system nor in the environment, although they still exist in the total state that describes both of them in accordance with quantum nonlocality"

Also, "Dekohärenz" = Verschwinden der Phaseninformation aus dem "lokalen Zustand". Im Gesamtzustand ist sie aber nicht verschwunden.

Man kann natürlich jeden beliebigen Prozeß innerhalb eines Teilsystems (also auch Dekohärenz) auf die unitäre Zeitentwicklung des Gesamtsystems zurückführen. Das bestreitet niemand.

Und die partielle Spurbildung erfaßt nicht bestimmte Aspekte des Gesamtsystems näherungsweise, sondern definiert den Zustand eines Teilsystems. Dieses Teilsystem hat seine eigenen Observablen, die sich exakt aus diesem Zustand berechnen lassen und sie können je nach Situation entweder Interferenz zeigen oder auch nicht.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das Verschwinden der Diagonalelemente der reduzierten Dichtematrix ist hingegen praktisch das namensgebende Merkmal von Dekohärenz.

Siehe hingegen
http://www.bourbaphy.fr/zeh.pdf
This unitary dynamical process causes the non-diagonal elements of the reduced density matrices of all dynamically involved local systems … to gradually vanish. These indicators of dislocalized superpositions are therefore often used to define decoherence.


Diese Definition ist absolut äquivalent zu seiner eigenen Definition in dem Zitat oben. (siehe auch seine Gl. (1) dort.)

Zitat:

However, subsystems and their density matrices are no more than convenient conceptual tools, useful because of the locality of all interactions and the causal structure of our world … In contradistinction to a nonlocal superposition, the concept of a density matrix presumes the probability interpretation.


Das Konzept der Dichtematrix setzt überhaupt keine Wahrscheinlichkeitsinterpretation voraus. Von mir aus kannst du Dichtematrizen als bloße "konzeptionelle Werkzeuge" ansehen (auch wenn du oben scheinbar etwas anderes behauptet hast). Neumaier tut das ausdrücklich nicht. Aber das ist ein völlig anderes Argument, und Zehs Auffassung in dieser Frage widerlegt nicht im geringsten Neumaiers Aussagen zur Dekohärenz.

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Beitrag TomS Verfasst am: 12. Sep 2022 17:30    Titel: Antworten mit Zitat

Wir kreisen ewig um die selben Themen. So schwer kann das doch nicht sein.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Klar, die Gründe finden sich in Teil IV, 3.3, 3.4. Dort steht im wesentlichen sein Beweis für die Behauptung, die du die ganze Zeit kritisiert hast.

Welche Behauptung genau?

Die Behauptung Dekohärenz beschreibe was beim Meßprozeß im Mittel über ein klassisches Ensemble von Umgebungszuständen passiert.

Ok, verstanden.

Und ich behaupte, das genau dies nicht in allen Interpretationen der QM zutrifft. Zeh et al. behaupten, die Dekohärenz beschreibt, was je einzelnem Messprozess geschieht. Und Zeh et al. behaupten, dass das Ausspuren keine Artefakte produziert, sondern dass die resultierende Dichtematrix die tatsächlich resultierende Realität mit mehrere Zweigen je Einzelmessung korrekt beschreibt.

Da Neumaier jedoch darauf hinauswill, dass nur "ein einzelner Zweig realisiert ist" - ohne dass er uns bereits verraten kann, wie genau das geschehen soll - muss er die selbe Dichtematrix logischerweise anders interpretieren als Zeh.

"Die Behauptung Dekohärenz beschreibe was beim Meßprozeß im Mittel über ein klassisches Ensemble von Umgebungszuständen passiert" kann er gar nicht beweisen. Er kann ein mathematisches Ergebnis beweisen, jedoch nicht, wie man das zu interpretieren hat.

Jedenfalls wird Neumaier ja ganz sicher nicht die MWI akzeptieren, und irgendwo muss er diesen Unterschied in den Interpretationen ja verorten. Er muss also die partielle Dichtematrix anders interpretieren als Zeh.

https://arxiv.org/pdf/2110.05294.pdf
"From a mathematical perspective (cf. Neumaier [125, Section 10,5]), decoherence tells roughly the same story as the thermal interpretation, but only in terms of averages, whereas the thermal interpretation refines this to a different, more detailed story for each single case."

Also nochmal: laut Neumaier liefert Dekohärenz eine Aussage im Mittel, laut Zeh in jedem Einzelfall.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Neumaier behauptet gar nicht, daß Dekohärenz zu einer stochastischen Auffassung zwingt. Da liegt also wohl immer noch ein Mißverständnis vor.

Nochmal, wie interpretierst du dann

"From a mathematical perspective decoherence tells roughly the same story as the thermal interpretation, but only in terms of averages."

Nenne es wie du willst - ein Ensemble-Begriff, im Mittel - jedenfalls liegt eine abweichende Interpretation der (Mathematik der) Dekohärenz vor.


Das folgende sind m.E. kleinere Missverständnisse, jedoch keine wirklichen Knackpunkte.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich weiß nicht was du damit meinst, daß "Dekohärenz kein Effekt ist".

Ich schrieb
Zitat:
Ich behaupte lediglich - mit Zeh und im Gegensatz zu Neumaier - dass Dekohärenz kein Effekt ist ... die [der] einen zu einer stochastischen Auffassung zwingt.

Das war meinerseits unklar formuliert. Natürlich ist Dekohärenz ein Effekt, nur zwingt er nicht zu einer stochastischen Interpretation.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das Konzept der Dichtematrix setzt überhaupt keine Wahrscheinlichkeitsinterpretation voraus.

Gut.

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Beitrag TomS Verfasst am: 12. Sep 2022 17:58    Titel: Antworten mit Zitat

Ich fasse das nochmal zusammen:

Reales System → mathematische Modellierung / Näherung → mathematisches Ergebnis → Intepretation.

Für die selbe Modellierung, die selbe Berechnung mittels partieller Spurbildung und das selbe mathematische Ergebnis einer Dichtematrix mit einer "inkohärenten Superposition":

a) Zeh und andere: ... → Many Worlds Interpretation

b) Neumaier und andere: ... → lediglich eine Beschreibung im Mittel, d.h. bessere Modellierungen oder mathematische Methoden liefern keine "Vielen Welten" sondern "eine Welt" mit einem einzelnen Messergebnis.

Konkret anhand der Einstein-Box oder eines Stern-Gerlach-Experimentes, die reduzierte Dichtematrix besagt mathematisch "Maximum im Ortsraum bei x=a und x=b":

Zeh und andere: ... → die Welt und das ein Messgerät verzweigen; in jedem Zweig wird ein Teilchen detektiert

Neumaier und andere: ... → lediglich eine Beschreibung im Mittel, d.h. bessere Modellierungen oder mathematische Methoden liefern genau eine Detektion, die wir auch berechnen könnten, falls wir den Eingangszustand genügend genau kennen und die Gleichungen genügend präzise lösen können

Irgendwo zwischen dem selben realen System und der unterschiedlichen Interpretation der Dichtematrix muss Neumaier ja anders abgebogen sein als Zeh et al. - unabhängig davon, ob ich jetzt exakt verstehe, wo genau.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 12. Sep 2022 19:05    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Klar, die Gründe finden sich in Teil IV, 3.3, 3.4. Dort steht im wesentlichen sein Beweis für die Behauptung, die du die ganze Zeit kritisiert hast.

Welche Behauptung genau?

Die Behauptung Dekohärenz beschreibe was beim Meßprozeß im Mittel über ein klassisches Ensemble von Umgebungszuständen passiert.

Ok, verstanden.

Und ich behaupte, das genau dies nicht in allen Interpretationen der QM zutrifft.


Diese Aussage wird (für eine spezielle Situation) in 3.3. und 3.4 innerhalb des Formalismus bewiesen. Der Beweis ist unabhängig von der Interpretation. Also trifft sie in allen Interpretationen zu. Ich weiß auch nicht, was daran so schwer ist.

Lies doch bitte mal diese Abschnitte durch und gib, wenn möglich, die erste Stelle an, der du widersprichst.

Zitat:

Da Neumaier jedoch darauf hinauswill, dass nur "ein einzelner Zweig realisiert ist" - ohne dass er uns bereits verraten kann, wie genau das geschehen soll - muss er die selbe Dichtematrix logischerweise anders interpretieren als Zeh.


Es geht nicht um die Interpretation irgendeiner Dichtematrix, sondern um ihre Abhängigkeit von . Wie diese Abhängigkeit aussieht, hängt wiederum davon ab, welchen Prozeß wir betrachten und wie wir genau das System S definieren, dessen Zustand ist. Betrachten wir z.B. eine ideale störungsfreie Messung und definieren S als unser Quantensystem, dann ist unabhängig von und der Mittelwert folglich gleich dem exakten mikroskopischen Zustand in jedem Einzelfall. Dieser Zustand enthält dann allerdings keine Information mehr über den Meßwert. (Das ist aber nicht die Situation, die Neumaier betrachtet. Auch der mikroskopische Zustand kann natürlich von abhängen, wenn die Messung den Zustand des Systems ändert. So eine Situation ist in Teil IV beschrieben.)

Wenn S auch noch die Freiheitsgrade enthält, die den makroskopischen Meßwert bestimmen, dann gilt das Argument von eben selbst für störungsfreie ideale Messungen nicht mehr. In diesem Fall ist der Zustand eines makroskopischen Systems, und wir müssen alle Effekte des klassischen oder halbklassischen Grenzfalls in Betracht ziehen, insbesondere das im allgemeinen chaotische Verhalten dieser makrokopischen Variablen. Die Behauptung ist dann, daß der q-Erwartungswert der Zeigervariable wesentlich von , d.h. von unkontrollierbaren Freiheitsgrade der Umgebung, abhängt. Der mittlere makroskopische Zustand ist also im allgemeinen sehr verschieden von dem Zustand einer einzelnen Realisierung von . Dies ist der einzige Fall, in dem Neumaier darauf hinauswill, daß nur ein Zweig realisiert ist. Und es gibt kein formales Argument der Welt, weder mit noch ohne Dekohärenz, das dies widerlegt.

Natürlich mußt du nicht den Gesamtzustand als Zufallsvariable modellieren. Niemand verbietet dir in deiner Phantasie Gott zu spielen und so zu tun als kennest du den exakten Zustand des Universums ohne irgendwelche unkontrollierbaren Freiheitsgrade. Das scheint die ganze Zeit deine Strategie zu sein. Allerdings wirst du damit natürlich nicht Neumaiers Argument widerlegen, sondern argumentierst lediglich an ihm vorbei. Denn, nochmal, ein klassisches makroskpisches Ensemble ist genau die Situation, auf die sich die Behauptung bezieht, die du kritisierst. Wenn du fortfährst, die Voraussetzungen zu ignorieren, auf denen sie beruht, geht deine Kritik vollkommen ins leere. Die Annahme eines solchen Ensembles erfordert weder eine spezielle Interpretation der Quantenmechanik, noch stellt sie eine eigene Interpretation dar. Diese Annahme ist kompatibel mit allen Interpretationen, auch der MWI.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Neumaier behauptet gar nicht, daß Dekohärenz zu einer stochastischen Auffassung zwingt. Da liegt also wohl immer noch ein Mißverständnis vor.

Nochmal, wie interpretierst du dann

"From a mathematical perspective decoherence tells roughly the same story as the thermal interpretation, but only in terms of averages."


Als Zusammenfassung der Resultate der Abschnitte 3.3. und 3.4 aus Teil IV. Das habe ich oben schon geschrieben. Da steht auch warum ich mir sicher bin, daß genau dies gemeint ist. Siehe nochmal hier den vorletzten Abschnitt. Abschnitte 3.3. und 3.4. setzen ein stochastisches Modell für die Umgebung voraus und folgern nicht, daß eins verwendet werden muß. Du bestehst offenbar darauf, daß etwas anders gemeint sein muß. Warum weiß ich nicht.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 13. Sep 2022 10:53    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Für die selbe Modellierung, die selbe Berechnung mittels partieller Spurbildung und das selbe mathematische Ergebnis einer Dichtematrix mit einer "inkohärenten Superposition":

a) Zeh und andere: ... → Many Worlds Interpretation

b) Neumaier und andere: ... → lediglich eine Beschreibung im Mittel, d.h. bessere Modellierungen oder mathematische Methoden liefern keine "Vielen Welten" sondern "eine Welt" mit einem einzelnen Messergebnis.


Beinhaltet dieses Modell den Zustand eines makroskopischen Systems? Wie genau ist der bekannt? Gibt es irgendwelche Unsicherheiten in Bezug auf den Gesamtzustand? Wenn ja, wie werden sie quantifiziert und welchen Einfluß haben sie auf die Dynamik der Zeigervariable?

TomS hat Folgendes geschrieben:

Zeh und andere: ... → die Welt und das ein Messgerät verzweigen; in jedem Zweig wird ein Teilchen detektiert

Neumaier und andere: ... → lediglich eine Beschreibung im Mittel, d.h. bessere Modellierungen oder mathematische Methoden liefern genau eine Detektion, die wir auch berechnen könnten, falls wir den Eingangszustand genügend genau kennen und die Gleichungen genügend präzise lösen können

Irgendwo zwischen dem selben realen System und der unterschiedlichen Interpretation der Dichtematrix muss Neumaier ja anders abgebogen sein als Zeh et al. - unabhängig davon, ob ich jetzt exakt verstehe, wo genau.


Beides sind doch nichts anderes als Allwissenheitsphantasien über die Zeitentwicklung des exakten Zustands des Universums. In Neumaiers Phantasie läuft diese Zeitentwicklung nun offenbar anders ab als in deiner. Aber beide beweisen für sich allein genommen gar nichts. Neumaier behauptet dies auch nicht. Er weist lediglich darauf hin, daß seine Phantasie konsistent ist mit gewissen Resultaten des klassischen und halbklassischen Grenzwerts. Vielleicht ist das Problem ja, daß du deine eigene Phantasie zu ernst nimmst und denkst es sei formal bewiesen, daß ein einzelnes Meßgerät in einen Mischzustand aus makroskopisch verschiedenen Zeigerwerten übergeht. Das ist natürlich nicht so.

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Beitrag TomS Verfasst am: 13. Sep 2022 11:29    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Klar, die Gründe finden sich in Teil IV, 3.3, 3.4. Dort steht im wesentlichen sein Beweis für die Behauptung, die du die ganze Zeit kritisiert hast.

Welche Behauptung genau?

Die Behauptung Dekohärenz beschreibe was beim Meßprozeß im Mittel über ein klassisches Ensemble von Umgebungszuständen passiert.

Ok, verstanden.

Und ich behaupte, das genau dies nicht in allen Interpretationen der QM zutrifft.

Diese Aussage wird (für eine spezielle Situation) in 3.3. und 3.4 innerhalb des Formalismus bewiesen. Der Beweis ist unabhängig von der Interpretation. Also trifft sie in allen Interpretationen zu. Ich weiß auch nicht, was daran so schwer ist.

Schwer scheint für dich zu sein, den Unterschied zwischen dem Formalismus und den möglichen Interpretationen zu sehen.

Ich zweifle sicher keinen mathematischen Beweis an. Richtig, ein mathematischer Beweis ist zunächst unabhängig von der Interpretation. Aber dennoch interpretiert die MWI das Ergebnis anders - sie interpretiert die Dekohärenz nicht als etwas, was beim Messprozess im Mittel über ein klassisches Ensemble von Umgebungszuständen passiert, sondern als etwas, was je Einzelmessung passiert.


index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wenn S auch noch die Freiheitsgrade enthält, die den makroskopischen Meßwert bestimmen, dann gilt das Argument von eben selbst für störungsfreie ideale Messungen nicht mehr. In diesem Fall ist der Zustand eines makroskopischen Systems, und wir müssen alle Effekte des klassischen oder halbklassischen Grenzfalls in Betracht ziehen, insbesondere das im allgemeinen chaotische Verhalten dieser makrokopischen Variablen. Die Behauptung ist dann, daß der q-Erwartungswert der Zeigervariable wesentlich von , d.h. von unkontrollierbaren Freiheitsgrade der Umgebung, abhängt. Der mittlere makroskopische Zustand ist also im allgemeinen sehr verschieden von dem Zustand einer einzelnen Realisierung von . Dies ist der einzige Fall, in dem Neumaier darauf hinauswill, daß nur ein Zweig realisiert ist.

Erkläre mir dich bitte, wie das ganz darauf hinauslaufen soll, dass nur ein Zweig realisiert ist, wenn diese Werkzeuge genau das nicht hergeben.


index_razor hat Folgendes geschrieben:
Siehe nochmal hier den vorletzten Abschnitt. Abschnitte 3.3. und 3.4. setzen ein stochastisches Modell für die Umgebung voraus und folgern nicht, daß eins verwendet werden muß. Du bestehst offenbar darauf, daß etwas anders gemeint sein muß. Warum weiß ich nicht.

Ok, hab’s nochmal durchgelesen.
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Daraus zieht er das Fazit Dekohärenz sage dasselbe wie die TI im Mittel über omega.

Das muß man nicht als allgemeingültige "Interpretation" von Dekohärenz auffassen. Ich weiß nicht mal ob Neumaier das tut, aber es ist vollkommen ohne Belang für sein Argument.

Ja, für sein Argument in 3.3. und 3.4 ist das ohne Belang.

Ich denke jedoch weiterhin, dass seine Meinung zur Dekohärenz eine andere sein muss als die Zehs, denn Zeh folgert aus der Dekohärenz multiple Messergebnisse je Einzelmessung, Neumaier will genau das vermeiden. Er kann also dieselben mathematischen Formalismen und Ergebnisse nicht identisch interpretieren wie Zeh – eigentlich einfach.


index_razor hat Folgendes geschrieben:
Niemand verbietet dir in deiner Phantasie Gott zu spielen und so zu tun als kennest du den exakten Zustand des Universums ohne irgendwelche unkontrollierbaren Freiheitsgrade. Das scheint die ganze Zeit deine Strategie zu sein.

Es ist nicht meine Strategie, sondern, die Grundhaltung zu einer ontischen Interpretation der Wellenfunktion des Universums. Neumaier spricht das auch selbst an.


index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
… wie interpretierst du dann

"From a mathematical perspective decoherence tells roughly the same story as the thermal interpretation, but only in terms of averages."

Als Zusammenfassung der Resultate der Abschnitte 3.3. und 3.4 aus Teil IV. Das habe ich oben schon geschrieben. Da steht auch warum ich mir sicher bin, daß genau dies gemeint ist.

Und genau das glaube ich nicht.

Erstens stammt der Abschnitt aus einem anderen Paper https://arxiv.org/pdf/2110.05294.pdf

Und zweitens lautet der Kontext dort wie folgt:

All traditional foundations of quantum mechanics depend heavily – far too heavily – on the concept of (hypothetical, idealized) measurements exactly satisfying Born’s rule, a nontrivial technical rule far from being intuitive. This – almost generally assumed – exact validity without a precise definition of the meaning of the term measurement is probably the main reason why, nearly 100 years after the discovery of the basic formal setting for modern quantum mechanics, these foundations are still unsettled. No other scientific theory has such controversial foundations that persisted for so long.

The source of this poor state of affairs is that Born’s rule for projective measurements, the starting point of the usual interpretations, constitutes a severe idealization of measurement processes in general. Except in a few very simple cases, it is too far removed from experimental practice to tell much about real measurements, and hence about how quantum physics is used in real applications. Foundations that provide a safe ground for interpreting reality cannot start with idealized concepts only. Thus it is worthwhile to reconsider the measurement problem in terms of the new foundations presented in this paper, which apply without any idealization.

In a measurement we extract within some measurement tolerance an unambiguous value from an environment and simultaneously make a claim that this value reveals a property of the system at the measurment time. Here unambiguous means that the uncertainty is significantly smaller than the error tolerance claimed for the measurement.

The measurement problem is the problem to show convincingly how Born’s rule (11) can be justified entirely in terms of the unitary dynamics of a larger quantum model containing a measured quantum system and a quantum detector measuring it.


Das ist natürlich nur ein Teilaspekt des tatsächlichen Messproblems – siehe unten.

Based on the present approach we may give a reasonably precise formulation. A complete solution of the measurement problem would consist of

1. A derivation of the states ρ and the operators Pk from the microscopic description of typical macroscopic quantum systems that serve as sources and detectors. This is the classicality problem of quantum measurement.

2. A description of a single measurement, deriving from the state and dynamics of the composite quantum system – formed by a measured system and a detector – the measurement result and its accuracy. This is the definite outcome problem of quantum measurement.

3. To show that a single particle moving along a beam triggers at most one of an array of detection elements. This is the unique outcome problem of quantum measurement.

The first part is solved in principle by decoherence (Zurek [172], Schlosshauer [143]). In an extremely short decoherence time, density operators of macroscopic systems tend to become essentially diagonal in a preferred basis selected by the environment. Mathematically (Tegmark [155]), this is a consequence of the Riemann–Lebesgue Lemma, which asserts that time integrals over signals with a purely continuous spectrum vanish in the limit where the time span gets arbitrarily large.

The second part is solved in principle by the thermal interpretation of quantum physics (Neumaier [125]). Outcomes of experiments are observations (or results computed from these) of macroscopic detectors. This are given by the extensive and intensive quantities of their description in terms of local equilibrium thermodynamics. The extensive quantities are quantum expectations of appropriate quantum field operators, while the intensive quantities are determined by the extensive quantities through the machinery of local equilibrium thermodynamics. In particular, the outcomes are automatically definite, determined by the state.

From a mathematical perspective (cf. Neumaier [125, Section 10,5]), decoherence tells roughly the same story as the thermal interpretation, but only in terms of averages, whereas the thermal interpretation refines this to a different, more detailed story for each single case.


Es ging also bisher um den zweiten Teil des Messproblems, nämlich “a description of a single measurement … the definite outcome problem of quantum measurement“ . Ein Verweis auf irgendein Ensemble, Mittel ist m.E. völlig fehl am Platz. Natürlich kann man dies betrachten, aber es trägt nicht zur Lösung des Problems bei – außer Neumaier wäre jetzt inkonsequent und würde wieder nur auf “the measurement problem is the problem to show convincingly how Born’s rule can be justified“ meinen, was eben gerade nicht das Messproblem in Gänze adressiert.

Informally, the third part is a simple consequence of the conservation of energy. However, due to the highly nonstationary situation alluded to in the formulation, the problem raised in point 3 is effectively unsolved. Within quantum field theory, which should provide the setting for answering the question, the formulated assertion can currently not even be precisely stated. A proper solution would first require to give, within a model describing an experiment exclusively in terms of quantum fields, a precise meaning to the notion of a single particle moving at a particular time in a given single-particle state along a beam. This is a question on the borderline between quantum mechanics and quantum field theory touched in discussions on the preparation of photons on demand (see, e.g., Keller et al. [93] and Neumaier [121]) but it is nowhere clearly resolved.

Und das ist der dritte Teil des Messproblems, nämlich dass von mehreren möglichen Messergebnissen, die gemäß der Mathematik der Dekohärenz auch mathematisch im Zustand codiert sind, nur genau einer tatsächlich realisiert ist. Und dazu sagt Neumaier hier explizit, dass er dafür keine Lösung sieht.

Sorry, für mich bleibt's dabei, Neumaier hat eine andere Auffassung als Zeh, wie die Ergebnisse der Dekohärenz zu interpretieren sind. Das entwertet nicht seine mathematischen Argumente oder die Thermal Interpretation. Diese hat das Problem, dass Teil 3 des Mesproblems nicht gelöst ist. Dass es dazu anderer Werkzeuge bedarf als der Mathematik der Dekohärenz, ist klar; wenn Teil 3 im Sinne eines unique outcomes zu lösen ist, dann leistet die Mathematik der Dekohärenz dies nicht.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 13. Sep 2022 11:56    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zitat:

Als Zusammenfassung der Resultate der Abschnitte 3.3. und 3.4 aus Teil IV. Das habe ich oben schon geschrieben. Da steht auch warum ich mir sicher bin, daß genau dies gemeint ist.

Und genau das glaube ich nicht.

Erstens stammt der Abschnitt aus einem anderen Paper https://arxiv.org/pdf/2110.05294.pdf



Die ursprüngliche Version dieser Aussage stammt aus Coherent Quantum Physics Abschnitt 10.5. Der ist in diesem Paper sogar als Quelle angegeben. Es ist ein Kommentar zur Rechnung aus den beiden Abschnitten 10.3, 10.4 davor, die inhaltlich mit den Abschnitten 3.3. und 3.4 aus Teil IV übereinstimmen. Und ja, der Kontext ist lediglich die Ableitung der Bornschen Regel. Nichts weiter. Das Problem ist also anscheinend nur, daß du unbedingt mehr in die Aussage hineininterpretieren willst als gemeint ist. Unten schreibst du wieder ein Verweis auf ein Ensemble sei fehl am Platz, obwohl es genau um diese Situation geht. Es geht an keiner Stelle darum mathematisch zu beweisen, daß genau ein Meßwert auftritt. Das ist praktisch unmöglich. (Das ist im Kontext des Arguments eher eine legitime Grundannahme.)

EDIT: Zitat aus 10.5 im Kontext:

"To see the relationship of our development with decoherence, let us review what we obtained in the previous section [im wesentlichen 3.4. aus Teil IV]. In each experiment , the density operator will be different, and the sign of the q-expectation (10.15) [der Meßwert] depends chaotically on the details, hence appears random.

Instead of modelling the individual case, decoherence works within the traditional interpretation, which describes everything only in statistical terms. [Etwas überraschende Behauptung, aber die Begründung ist wie folgt] In particular, ensembles of many identically prepared systems are considered, and the density operator used in the decoherence approach is assumed to be an exact equilibrium state, which es the case only in the mean over many experiments.[...]

Effectively, (10.9) [Gl (13) aus Teil IV] is averaged over the ensemble, and [Gl. (16), Teil IV] is replaced by the well-known effect of decoherence, the decay of the off-diagonal entries of the reduced density operator. As a result, decoherence analysis reproduces the average results obtained from the analysis in terms of the thermal interpretation.

Thus, decoherence tells roughly the same story as the thermal interpretation, but only in statistical terms, whereas the thermal interpretation refines this to a different, more detailed story for each single case."


Die Aussage basiert also auf einem physikalischen Argument, welches den Zusammenhang zwischen Realität und Modell betrifft. Es geht u.a. darum wie genau genau der Dichteoperator der Umgebung modelliert ist. Das "refinement" von dem die Rede ist besteht hier darin, den Gleichgewichtszustand der Umgebung durch ein Ensemble zu ersetzen. Das ist nicht "fehl am Platz", sondern der ganze Zweck der Übung.

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Zuletzt bearbeitet von index_razor am 13. Sep 2022 12:42, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag TomS Verfasst am: 13. Sep 2022 12:40    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die ursprüngliche Version dieser Aussage stammt aus Coherent Quantum Physics Abschnitt 10.5. Der ist in diesem Paper sogar als Quelle angegeben. Es ist ein Kommentar zur Rechnung aus den beiden Abschnitten 10.3, 10.4 davor, die inhaltlich mit den Abschnitten 3.3. und 3.4 aus Teil IV übereinstimmen. Und ja, der Kontext ist lediglich die Ableitung der Bornschen Regel. Nichts weiter.

Ok, dann nehme ich das so zur Kenntnis.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das Problem ist also anscheinend nur, daß du unbedingt mehr in die Aussage hineininterpretieren willst als gemeint ist.

Das wäre dann ja vom Tisch.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Unten schreibst du wieder ein Verweis auf ein Ensemble sei fehl am Platz, obwohl es genau um diese Situation geht.

Ich sage nicht, "ein Ensemble sei fehl am Platz, obwohl es genau um diese Situation [des Ensembles] geht". Ich sage vielmehr, ein Ensemble sei fehl am Platz, denn "es ging um den zweiten Teil des Messproblems, nämlich 'a description of a single measurement … the definite outcome problem' sowie natürlich der dritte Teil des Messproblems. Und dazu sagt ein Ensemble eben nix.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Es geht an keiner Stelle darum mathematisch zu beweisen, daß genau ein Meßwert auftritt. Das ist praktisch unmöglich. (Das ist im Kontext des Arguments eher eine legitime Grundannahme.)

Dass es nicht um diesen Beweis geht, stellt ja Neumaier selbst klar.

Aber angesichts der Tatsache, dass ein Beweis fehlt und dass es andere mathematische Methoden gibt, die gerade nicht auf einen einzelnen Messwert hinauslaufen, halte ich es eben für keine legitime Grundannahme.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Instead of modelling the individual case, decoherence works within the traditional interpretation, which describes everything only in statistical terms. [Etwas überraschende Behauptung, aber die Begründung ist wie folgt] In particular, ensembles of many identically prepared systems are considered, and the density operator used in the decoherence approach is assumed to be an exact equilibrium state, which es the case only in the mean over many experiments.

Jetzt behaupte bitte nie mehr, Neumaier hätte keine andere Auffassung zur Dekohärenz als Zeh et al. Er schränkt das an keiner Stelle irgendwie ein sondern stellt das sehr absolut dar.

Ich habe ja nichts gegen die eine oder die andere Auffassung, beide sind legitim, aber beide sind eben verschieden.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das ist nicht "fehl am Platz", sondern der ganze Zweck der Übung.

Es ist im Kontext dieses von dir genannten Argumentes nicht fehl am Platz, sicher jedoch im von mir zitierten Kontext der Diskussion der drei Punkte des Messproblems, von denen er den zweiten und dritten mit seiner Auffassung der Dekohärenz gerade nicht adressiert, bzw. wo er bzgl. Punkt drei nur eine Vermutung anstellen kann.

Also Ok, in Teil IV völlig klar und nicht zu kritisieren. In https://arxiv.org/abs/2110.05294 im Kontext des Messproblems leider deplatziert.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 13. Sep 2022 12:59, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag TomS Verfasst am: 13. Sep 2022 12:58    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:

Zeh und andere: ... → die Welt und das ein Messgerät verzweigen; in jedem Zweig wird ein Teilchen detektiert

Neumaier und andere: ... → lediglich eine Beschreibung im Mittel, d.h. bessere Modellierungen oder mathematische Methoden liefern genau eine Detektion, die wir auch berechnen könnten, falls wir den Eingangszustand genügend genau kennen und die Gleichungen genügend präzise lösen können

Irgendwo zwischen dem selben realen System und der unterschiedlichen Interpretation der Dichtematrix muss Neumaier ja anders abgebogen sein als Zeh et al. - unabhängig davon, ob ich jetzt exakt verstehe, wo genau.

Beides sind doch nichts anderes als Allwissenheitsphantasien über die Zeitentwicklung des exakten Zustands des Universums. In Neumaiers Phantasie läuft diese Zeitentwicklung nun offenbar anders ab als in deiner. Aber beide beweisen für sich allein genommen gar nichts. Neumaier behauptet dies auch nicht. Er weist lediglich darauf hin, daß seine Phantasie konsistent ist mit gewissen Resultaten des klassischen und halbklassischen Grenzwerts.

Warum polemisieren? Warum Allwissenheitsphantasien?

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Vielleicht ist das Problem ja, daß du deine eigene Phantasie zu ernst nimmst und denkst es sei formal bewiesen, daß ein einzelnes Meßgerät in einen Mischzustand aus makroskopisch verschiedenen Zeigerwerten übergeht. Das ist natürlich nicht so.

Danke, dass du mir erklärst, das Messproblem sei nicht gelöst. Das weiß ich, und ich denke nichts dergleichen über einen derartigen vermeintlichen Beweis. Und du weißt, dass ich das weiß.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 13. Sep 2022 13:00, insgesamt einmal bearbeitet
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 13. Sep 2022 13:00    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Unten schreibst du wieder ein Verweis auf ein Ensemble sei fehl am Platz, obwohl es genau um diese Situation geht.

Ich sage nicht, "ein Ensemble sei fehl am Platz, obwohl es genau um diese Situation [des Ensembles] geht". Ich sage vielmehr, ein Ensemble sei fehl am Platz, denn "es ging um den zweiten Teil des Messproblems, nämlich 'a description of a single measurement … the definite outcome problem' sowie natürlich der dritte Teil des Messproblems. Und dazu sagt ein Ensemble eben nix.


Nein, darum geht es eben nicht. Es ging um die Ableitung der Bornschen Regel, insbesondere darum, daß diese nicht irgendeine "intrinsische Quantenzufälligkeit" beschreibt, sondern als Eigenschaft eines klassischen Ensembles verstanden werden kann, für welches eine "Dekohärenzbedingung" (Gl. (16) Teil IV) gilt. Dies ist notwendige Voraussetzung dafür, um überhaupt in Erwägung ziehen zu können, daß der quantenmechanische Formalismus allein in der Lage ist individuelle Meßergebnisse ohne viele Welten zu beschreiben und auf diese Weise Teil 2 des Meßrproblems zu lösen. Deswegen ist das Argument sehr relevant für die TI.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Es geht an keiner Stelle darum mathematisch zu beweisen, daß genau ein Meßwert auftritt. Das ist praktisch unmöglich. (Das ist im Kontext des Arguments eher eine legitime Grundannahme.)

Dass es nicht um diesen Beweis geht, stellt ja Neumaier selbst klar.

Aber angesichts der Tatsache, dass ein Beweis fehlt und dass es andere mathematische Methoden gibt, die gerade nicht auf einen einzelnen Messwert hinauslaufen, halte ich es eben für keine legitime Grundannahme.


Das hängt davon ab wie solide die Voraussetzungen dieser "alternativen Methoden" sind. Siehe auch das Ende meines vorigen Beitrags. Und das ein formaler Beweis fehlt, heißt nicht, daß die Behauptung völlig aus der Luft gegriffen ist. Letztlich ist das Meßrproblem nur ein Spezialfall des klassischen Grenzfalls. Und dort sind alle Ergebnisse eindeutig, wenn auch teilweise chaotisch.

TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Instead of modelling the individual case, decoherence works within the traditional interpretation, which describes everything only in statistical terms. [Etwas überraschende Behauptung, aber die Begründung ist wie folgt] In particular, ensembles of many identically prepared systems are considered, and the density operator used in the decoherence approach is assumed to be an exact equilibrium state, which es the case only in the mean over many experiments.

Jetzt behaupte bitte nie mehr, Neumaier hätte keine andere Auffassung zur Dekohärenz als Zeh et al. Er schränkt das an keiner Stelle irgendwie ein sondern stellt das sehr absolut dar.


Was schränkt er nicht ein? Wovon redest du? Außerdem habe ich nicht behauptet, er hätte keine andere Auffassung von Dekohärenz als Zeh. Ich habe behauptet, daß du seine Auffassung mißverstanden hast.

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Beitrag TomS Verfasst am: 13. Sep 2022 13:07    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Letztlich ist das Meßproblem nur ein Spezialfall des klassischen Grenzfalls.

Das ist doch lediglich eine Vermutung.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 13. Sep 2022 13:08    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:

Zeh und andere: ... → die Welt und das ein Messgerät verzweigen; in jedem Zweig wird ein Teilchen detektiert

Neumaier und andere: ... → lediglich eine Beschreibung im Mittel, d.h. bessere Modellierungen oder mathematische Methoden liefern genau eine Detektion, die wir auch berechnen könnten, falls wir den Eingangszustand genügend genau kennen und die Gleichungen genügend präzise lösen können

Irgendwo zwischen dem selben realen System und der unterschiedlichen Interpretation der Dichtematrix muss Neumaier ja anders abgebogen sein als Zeh et al. - unabhängig davon, ob ich jetzt exakt verstehe, wo genau.

Beides sind doch nichts anderes als Allwissenheitsphantasien über die Zeitentwicklung des exakten Zustands des Universums. In Neumaiers Phantasie läuft diese Zeitentwicklung nun offenbar anders ab als in deiner. Aber beide beweisen für sich allein genommen gar nichts. Neumaier behauptet dies auch nicht. Er weist lediglich darauf hin, daß seine Phantasie konsistent ist mit gewissen Resultaten des klassischen und halbklassischen Grenzwerts.

Warum polemisieren? Warum Allwissenheitsphantasien?


Das ist keine Polemik. Aber die Vorstellung die unitäre Zeitentwicklung des gesamten Universums zu beschreiben ist nun mal reine Phantasie. Dasselbe gilt also auch für die Endzustände dieser Zeitentwicklung. Kein Mensch weiß mit Sicherheit welche Eigenschaften sie haben und ob sie eine Zeigervariablen mit makrokopischer q-Unsicherheit beschreiben. Das heißt nicht, daß es nicht konzeptionell nützlich sein kann solche Phantasien zu entwickeln. Aber beweisen kann man mit ihnen allein eben nichts.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Vielleicht ist das Problem ja, daß du deine eigene Phantasie zu ernst nimmst und denkst es sei formal bewiesen, daß ein einzelnes Meßgerät in einen Mischzustand aus makroskopisch verschiedenen Zeigerwerten übergeht. Das ist natürlich nicht so.

Danke, dass du mir erklärst, das Messproblem sei nicht gelöst. Das weiß ich, und ich denke nichts dergleichen über einen derartigen vermeintlichen Beweis. Und du weißt, dass ich das weiß.


Dann müßtest du ja zumindest gegenüber Neumaiers Behauptung agnostisch sein. Bisher schienst du ihm aber immer Widersprüche zu Dekohärenzmodellen nachweisen zu wollen. Diese Modelle beschreiben aber makroskopische Systeme nicht exakt. Das paßt also nicht zusammen.

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Zuletzt bearbeitet von index_razor am 13. Sep 2022 13:19, insgesamt einmal bearbeitet
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 13. Sep 2022 13:15    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Letztlich ist das Meßproblem nur ein Spezialfall des klassischen Grenzfalls.

Das ist doch lediglich eine Vermutung.


Man kann seine Skepsis auch übertreiben. Die Alternative wäre, daß Meßprozesse physikalisch fundamental verschieden von anderen Prozessen innerhalb makroskopischer Systeme sind. Dafür gibt es meines Wissens keine ernsthaften Ansätze. Die Auffassung das Meßproblem sei ein Spezialfall der "Quantum-to-Classical-Transition" ist in der Literatur zur Dekohärenz anscheinend auch gängige Auffassung (siehe z.B. Schlosshauers Buch über Dekohärenz).

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Beitrag TomS Verfasst am: 13. Sep 2022 13:18    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Aber die Vorstellung die unitäre Zeitentwicklung des gesamten Universums zu beschreiben ist nun mal reine Phantasie. Dasselbe gilt also auch für die Endzustände dieser Zeitentwicklung. Kein Mensch weiß mit Sicherheit welche Eigenschaften sie haben und ob sie eine Zeigervariablen mit makrokopischer q-Unsicherheit beschreiben.

Ich habe nie behauptet, dass dies möglich wäre (andere schon, m.W.n. verkauft von Neumann uns seinen Messprozess als Theorem).

Aber das ist irrelevant. Es geht einfach darum, dass ich über nichts anderes nachdenke als jeder andere, der sich mit dem Messprozess im Rahmen der unitären Zeitentwicklung befasst; da bin ich nicht ganz alleine ;-)


index_razor hat Folgendes geschrieben:
Dann müßtest du ja zumindest gegenüber Neumaiers Behauptung agnostisch sein.

Ich würde gerne nicht agnosrtisch sein und eher zu seiner Behauptung tendieren.

Alleine, da ist diesbzgl. wenig Substanz.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Bisher schienst du ihm aber immer Widersprüche zu Dekohärenzmodellen nachweisen zu wollen.

Nein, keine Widersprüche, sondern eine andere Auffassung der selben Mathematik. Verstehst du den Unterschied wirklich nicht?

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Diese Modelle beschreiben aber makroskopische Systeme nicht exakt.

Und? Kein konkretes Modell beschreibt makroskopische Systeme exakt.

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Beitrag TomS Verfasst am: 13. Sep 2022 13:22    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Letztlich ist das Meßproblem nur ein Spezialfall des klassischen Grenzfalls.

Das ist doch lediglich eine Vermutung.

Man kann seine Skepsis auch übertreiben. Die Alternative wäre, daß Meßprozesse physikalisch fundamental verschieden von anderen Prozessen innerhalb makroskopischer Systeme sind. Dafür gibt es meines Wissens keine ernsthaften Ansätze. Die Auffassung das Meßproblem sei ein Spezialfall der "Quantum-to-Classical-Transition" ist in der Literatur zur Dekohärenz anscheinend auch gängige Auffassung (siehe z.B. Schlosshauers Buch über Dekohärenz).

Natürlich vermute ich nicht, dass Messprozesse fundamental verschieden von anderen Prozessen innerhalb makroskopischer Systeme sind.

Ok, streiche das, du hast recht, das Messproblem ist tatsächlich ein Spezialfall der "Quantum-to-Classical-Transition".

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Beitrag index_razor Verfasst am: 13. Sep 2022 13:45    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Dann müßtest du ja zumindest gegenüber Neumaiers Behauptung agnostisch sein.

Ich würde gerne nicht agnosrtisch sein und eher zu seiner Behauptung tendieren.

Alleine, da ist diesbzgl. wenig Substanz.


Klassische Observablen erhält man im makroskopischen Grenzfall aus den q-Erwartungswerten des Quantensystems, also genau den Größen, die laut TI real sind. Und diese haben typischerweise genau die Eigenschaften, die die TI benötigt: kleine q-Unsicherheit wegen des thermodynamischen Grenzwerts und chaotische Dynamik, um die scheinbare Zufälligkeit zu erklären. Kein Beweis, aber wenig Substanz würde ich das auch nicht gerade nennen.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Bisher schienst du ihm aber immer Widersprüche zu Dekohärenzmodellen nachweisen zu wollen.

Nein, keine Widersprüche, sondern eine andere Auffassung der selben Mathematik. Verstehst du den Unterschied wirklich nicht?


Natürlich verstehe ich den Unterschied. Ich habe nicht behauptet Neumaier hätte dieselbe Auffassung derselben Mathematik wie alle anderen. Ich habe behauptet, du hast seine Auffassung mißverstanden. Und du hältst Unterschiede in den Voraussetzungen für Unterschiede in den Schlußfolgerungen oder der Interpretation. (Deswegen behaupte ich natürlich nicht, es gäbe gar keine Unterschiede in der Interpretation.)

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Diese Modelle beschreiben aber makroskopische Systeme nicht exakt.

Und? Kein konkretes Modell beschreibt makroskopische Systeme exakt.


Das ist doch genau der Punkt. Wenn sie ihn nicht exakt beschreiben, enthält das Modell eine theoretische Unsicherheit. Diese kann man mittels Wahrscheinlichkeiten modellieren, m.a.W. mittels eines klassischen Ensembles von Dichteoperatoren. Genau deshalb diskutiert Neumaier im Zusammenhang mit dem Meßproblem ein klassisches Ensemble. Und nur von diesem Ausgangspunkt interessiert ihn dann der Zusammenhang mit Dekohärenz. Und eben weil die relevanten Dekohärenzmodelle makroskopische Systeme modellieren, handelt es sich bei diesem Ensemble nicht um eine andere Auffassung derselben Mathematik, sondern lediglich um eine detailliertere Form der Modellierung (exaktes thermodynamisches Gleichgewicht in jedem Einzelfall vs. vom Einzelfall abhängige Schwankungen um dieses Gleichgewicht).

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Beitrag TomS Verfasst am: 13. Sep 2022 16:18    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Klassische Observablen erhält man im makroskopischen Grenzfall aus den q-Erwartungswerten des Quantensystems, also genau den Größen, die laut TI real sind. Und diese haben typischerweise genau die Eigenschaften, die die TI benötigt: kleine q-Unsicherheit wegen des thermodynamischen Grenzwerts und chaotische Dynamik, um die scheinbare Zufälligkeit zu erklären.

Aber genau da liegt doch der Hase im Pfeffer.

Welche q-Erwartungswerte haben denn in welchem konkreten Fall die notwendige Eigenschaft der kleinen q-Unsicherheit??

Wenn dies im Falle von Stern-Gerlach, der Einstein-Box ... tatsächlich gegeben wäre, dann wäre für diese Fälle das Messproblem gelöst. Aber so einfach kann es ja wohl nicht sein, also muss doch gerade hier eine weitere Annahme eingehen. Wenn die beiden Detektoren beim Stern-Gerlach-Experiment einige Meter voneinander getrennt sind, woraus folgt dann im Einzelfall eine kleine q-Unschärfe im Millimeter- oder Zentimeter-Bereich d.h. ein kleiner Fleck in genau einem Detektor?

Qubit hat das als "... bewegen sich QM-Systeme raumzeitlich-real in einem Tube ..." beschrieben. Woraus genau folgt denn nun, dass im Einzelfall eben nicht zwei sondern nur ein relativ enger Tube existiert? Wie sieht das genau im Falle verschränkter spinbehafteter Teilchen aus, die in zwei räumlich getrennten Stern-Gerlach-Experimenten detektiert werden?

Solange das nicht irgendwo gezeigt wird, bleibt die Aussage, die q-Unsicherheiten wären klein, nur eine Annahme.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Und du hältst Unterschiede in den Voraussetzungen für Unterschiede in den Schlußfolgerungen oder der Interpretation.

Ok, das mag sein.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wenn sie ihn nicht exakt beschreiben, enthält das Modell eine theoretische Unsicherheit. Diese kann man mittels Wahrscheinlichkeiten modellieren, m.a.W. mittels eines klassischen Ensembles von Dichteoperatoren. Genau deshalb diskutiert Neumaier im Zusammenhang mit dem Meßproblem ein klassisches Ensemble. Und nur von diesem Ausgangspunkt interessiert ihn dann der Zusammenhang mit Dekohärenz. Und eben weil die relevanten Dekohärenzmodelle makroskopische Systeme modellieren, handelt es sich bei diesem Ensemble nicht um eine andere Auffassung derselben Mathematik ...

Doch, natürlich, ich verstehe nicht, dass du das nicht siehst.

Zeh (u.a. Anhänger der MWI) betrachten eine Dichtematrix als eine (näherungsweise) Repräsentation eines einzelnen Systems in einem Einzelfall.

Teil IV, Abschnitt 3.2 ff: Nach (12) geht es um die omega-Abhängigkeit, d.h. "we now consider multiple preparations in the quibit state, but in multiple contexts". Das betrachtet Zeh m.W.n. nie.

In Abschnitt 3.1 schreibt Neumaier

"In the covariant Schrödinger picture introduced in Part II [12], the universe has at each spacetime position x a universal density operator ... Each standard physical system has a corresponding reduced density operator, We call the reduced density operators ... the state of the physical system ... These are the only states the thermal interpretation is concerned with at all – because these are the states containing precisely the information about the q-expectations of operators of the universe attached to the system S."

Die Aussage zum "universal density operator" würde Zeh wohl unterschreiben, die Auffassung, dass ausschließlich der reduzierte Dichteroperator zu betrachten ist, nicht. Auch dass dieser die Information zu den q-Erwartungswerten enthält, ist in der TI sicher richtig, jedoch würde Zeh wohl nicht zustimmen, dass dies ausreichend ist.

Aber diese Unterschiede sind - wie schon öfters einvernehmlich festgestellt - nicht problematisch für die TI. Problematisch - oder positiv formuliert herausfordernd - ist m.E. nur die Annahme des "unique outcomes" je makroskopischer Einzelmessung.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 14. Sep 2022 07:35    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Klassische Observablen erhält man im makroskopischen Grenzfall aus den q-Erwartungswerten des Quantensystems, also genau den Größen, die laut TI real sind. Und diese haben typischerweise genau die Eigenschaften, die die TI benötigt: kleine q-Unsicherheit wegen des thermodynamischen Grenzwerts und chaotische Dynamik, um die scheinbare Zufälligkeit zu erklären.

Aber genau da liegt doch der Hase im Pfeffer.

[Wieder mal "definite outcomes"]

Solange das nicht irgendwo gezeigt wird, bleibt die Aussage, die q-Unsicherheiten wären klein, nur eine Annahme.


Oben haben wir ja geklärt, daß dies eine Frage ist, die im Rahmen des klassischen Grenzfalls beantwortet werden muß. Wir sind uns anscheinend nicht einig darüber, wie wir die Evidenz zugunsten dieser Annahme bewerten. Ich habe aber auch nicht mehr dazu zu sagen als Neumaier. Daß dir das nicht reicht, nehme ich gern zur Kenntnis.

TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wenn sie ihn nicht exakt beschreiben, enthält das Modell eine theoretische Unsicherheit. Diese kann man mittels Wahrscheinlichkeiten modellieren, m.a.W. mittels eines klassischen Ensembles von Dichteoperatoren. Genau deshalb diskutiert Neumaier im Zusammenhang mit dem Meßproblem ein klassisches Ensemble. Und nur von diesem Ausgangspunkt interessiert ihn dann der Zusammenhang mit Dekohärenz. Und eben weil die relevanten Dekohärenzmodelle makroskopische Systeme modellieren, handelt es sich bei diesem Ensemble nicht um eine andere Auffassung derselben Mathematik ...

Doch, natürlich, ich verstehe nicht, dass du das nicht siehst.

Zeh (u.a. Anhänger der MWI) betrachten eine Dichtematrix als eine (näherungsweise) Repräsentation eines einzelnen Systems in einem Einzelfall.


Diese Aussage gilt wortwörtlich in der TI. Es kann doch eigentlich nicht sein, daß du das immer noch nicht verstanden hast. Warum erwähnst du es also in einem Zusammenhang, in dem ich irgendeinen Unterschied sehen soll?

Zitat:

Teil IV, Abschnitt 3.2 ff: Nach (12) geht es um die omega-Abhängigkeit, d.h. "we now consider multiple preparations in the quibit state, but in multiple contexts". Das betrachtet Zeh m.W.n. nie.


Neumaier betrachtet eine Menge von Systemen ("multiple preparartions") parametrisiert durch , die real leicht unterschiedliche Zustände einnehmen. Da zu jedem individuellen System genau eine Dichtematrix gehört, muß er also jeder dieser Präparationen eine eigene Dichtematrix zuzuordnen. Ob Zeh irgendwann mal dieselbe Situation betrachtet hat oder nicht, ist vollkommen irrelevant. Das ganze hat schlicht nicht das geringste damit zu tun wie man Dichtematrizen interpretiert oder wie man die "Mathematik auffaßt". Es geht hier darum, daß in der Realität die betrachteten Systeme verschiedene Zustände haben sollen und welche Schlüsse man daraus ziehen kann.

Zitat:

"In the covariant Schrödinger picture introduced in Part II [12], the universe has at each spacetime position x a universal density operator ... Each standard physical system has a corresponding reduced density operator, We call the reduced density operators ... the state of the physical system ... These are the only states the thermal interpretation is concerned with at all – because these are the states containing precisely the information about the q-expectations of operators of the universe attached to the system S."

Die Aussage zum "universal density operator" würde Zeh wohl unterschreiben, die Auffassung, dass ausschließlich der reduzierte Dichteroperator zu betrachten ist, nicht. Auch dass dieser die Information zu den q-Erwartungswerten enthält, ist in der TI sicher richtig, jedoch würde Zeh wohl nicht zustimmen, dass dies ausreichend ist.


Nein, auch das stimmt so nicht. Zeh bezeichnet die reduzierte Dichtematrix als "bloß konzeptionelles Werkzeug". (Was auch immer das genau bedeuten soll.) Aber er bietet ja keine Größe des Formalismus als Ersatz für den objektiven Zustand eines Teilsystems an. Er würde vielleicht (ähnlich wie Schlosshauer) sagen, daß es im Fall von Verschränkung nicht möglich ist, Teilsystemen definitive Zustände zuzuordnen, und sagen, daß nur dem Gesamtzustand objektive Bedeutung zukommt. In der TI gibt es diesen künstlichen Unterschied nicht. Der Gesamtzustand des Universums und alle seine Teilzustände werden auf exakt die gleiche Weise interpretiert.

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Beitrag TomS Verfasst am: 14. Sep 2022 08:59    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Solange das nicht irgendwo gezeigt wird, bleibt die Aussage, die q-Unsicherheiten wären klein, nur eine Annahme.

Oben haben wir ja geklärt, daß dies eine Frage ist, die im Rahmen des klassischen Grenzfalls beantwortet werden muß. Wir sind uns anscheinend nicht einig darüber, wie wir die Evidenz zugunsten dieser Annahme bewerten. Ich habe aber auch nicht mehr dazu zu sagen als Neumaier. Daß dir das nicht reicht, nehme ich gern zur Kenntnis.

Es ist ja nicht deine Schuld, wenn Neumaier da nicht gerade viel zu sagen hat.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Zeh (u.a. Anhänger der MWI) betrachten eine Dichtematrix als eine (näherungsweise) Repräsentation eines einzelnen Systems in einem Einzelfall.

Diese Aussage gilt wortwörtlich in der TI. Es kann doch eigentlich nicht sein, daß du das immer noch nicht verstanden hast. Warum erwähnst du es also in einem Zusammenhang, in dem ich irgendeinen Unterschied sehen soll

Dieser Punkt ist unstrittig, das habe ich längst verstanden, hier sollst du keinen Unterschied sehen - siehe
Zitat:
Die Aussage zum "universal density operator" würde Zeh wohl unterschreiben …


index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
"In the covariant Schrödinger picture introduced in Part II [12], the universe has at each spacetime position x a universal density operator ... Each standard physical system has a corresponding reduced density operator, We call the reduced density operators ... the state of the physical system ... These are the only states the thermal interpretation is concerned with at all – because these are the states containing precisely the information about the q-expectations of operators of the universe attached to the system S."

Die Aussage zum "universal density operator" würde Zeh wohl unterschreiben, die Auffassung, dass ausschließlich der reduzierte Dichteroperator zu betrachten ist, nicht. Auch dass dieser die Information zu den q-Erwartungswerten enthält, ist in der TI sicher richtig, jedoch würde Zeh wohl nicht zustimmen, dass dies ausreichend ist.

Nein, auch das stimmt so nicht.

Doch, natürlich, denn wie du selbst sagst
index_razor hat Folgendes geschrieben:
… würde [er] vielleicht (ähnlich wie Schlosshauer) sagen, daß es im Fall von Verschränkung nicht möglich ist, Teilsystemen definitive Zustände zuzuordnen, und sagen, daß nur dem Gesamtzustand objektive Bedeutung zukommt.

und genau diesen Unterschied
index_razor hat Folgendes geschrieben:
In der TI gibt es diesen künstlichen Unterschied nicht. Der Gesamtzustand des Universums und alle seine Teilzustände werden auf exakt die gleiche Weise interpretiert.

bestätigst du selbst.

Aber um das nochmal klarzustellen, diese Unterschiede sind irrelevant für Neumaiers Argumentation.

Der einzig wirklich spannende Punkt ist die Hypothese, dass die unitäre Dynamik der Quantenmechanik für typische Messprozesse in makroskopischen Systemen einen definite and unique outcome liefert.

Ich verstehe nach wie vor nicht, warum Neumaier diese Hypothese nicht explizit an die Spitze seiner Überlegungen stellt und sie quasi im Kleingedruckten versteckt.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 17. Sep 2022 16:47    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Solange das nicht irgendwo gezeigt wird, bleibt die Aussage, die q-Unsicherheiten wären klein, nur eine Annahme.

Oben haben wir ja geklärt, daß dies eine Frage ist, die im Rahmen des klassischen Grenzfalls beantwortet werden muß. Wir sind uns anscheinend nicht einig darüber, wie wir die Evidenz zugunsten dieser Annahme bewerten. Ich habe aber auch nicht mehr dazu zu sagen als Neumaier. Daß dir das nicht reicht, nehme ich gern zur Kenntnis.

Es ist ja nicht deine Schuld, wenn Neumaier da nicht gerade viel zu sagen hat.


Das Meßproblem ist ein Spezialfall des klassischen Grenzfalls. (Soweit waren wir ja schon.) Klassische Zustände sind solche mit relativ kleinen q-Unschärfen. Deine Fragen laufen also auf nichts weiter hinaus als auf das recht alte Problem unter welchen Bedingungen sich Quantensysteme klassisch verhalten und welcher Art dieses Verhalten ist. Neumaier muß dazu nicht mehr sagen, als bereits in der Literatur zu den Eigenschaften des klassischen Grenzwerts steht. Am meisten wirst du dazu vermutlich über das EM-Feld finden. Ich empfehle Duncan, The Conceptual Framework of Quantum Field Theory Kapitel 8 als Einstieg. Da ist ganz gut erklärt was das ganze mit "kleinen" Unschärfen zu tun hat. Zum vollständigen Verständnis des Meßproblems gehören natürlich noch ein paar weitere Eigenschaften, die man zwar normalerweise nicht mit dem klassischen EM-Feld assoziiert, die aber Phänomene klassischer Teilchen und Felder sein können, wie Bistabilität und Chaos. Das sind die Eigenschaften, auf die sich Neumaiers Diskussion konzentriert, und er gibt ja auch noch ein paar Quellen an, die Systeme mit diesen Eigenschaften diskutieren.

(Vermutlich wirst du jetzt erwidern, daß dir das alles wohlbekannt ist, dann aber fortfahren den Zusammenhang dieser Tatsachen zu deinen Fragen zu ignorieren und bei nächster Gelegenheit wieder behaupten, Neumaier hätte "nichts substanzielles" zu dem Problem zu sagen, woher kleine q-Unschärfen kommen sollen. Dann kann ich dich wieder darauf hinweisen, daß es hier ja in erster Linie um die Dynamik der q-Erwartungswerte im klassischen Grenzfall geht, und alles geht von vorn los. Das haben wir aber jetzt vermutlich oft genug durchiteriert.)

TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Zeh (u.a. Anhänger der MWI) betrachten eine Dichtematrix als eine (näherungsweise) Repräsentation eines einzelnen Systems in einem Einzelfall.

Diese Aussage gilt wortwörtlich in der TI. Es kann doch eigentlich nicht sein, daß du das immer noch nicht verstanden hast. Warum erwähnst du es also in einem Zusammenhang, in dem ich irgendeinen Unterschied sehen soll

Dieser Punkt ist unstrittig, das habe ich längst verstanden, hier sollst du keinen Unterschied sehen - siehe


Dann ist mir zwar nach wie vor schleierhaft, worauf du eigentlich hinauswolltest. (Ursprünglich ging es ja um die -Abhängigkeit von .) Aber da du das nun mehrfach als unwichtig bezeichnet hast, können wir es wohl dabei belassen.

Zitat:

Ich verstehe nach wie vor nicht, warum Neumaier diese Hypothese nicht explizit an die Spitze seiner Überlegungen stellt und sie quasi im Kleingedruckten versteckt.


Er hat der Frage praktisch ein eigenes Paper gewidmet "Foundations of quantum physics III. Measurement". Ich habe eher den Eindruck du siehst den Zusammenhang zwischen dem was Neumaier dort schreibt und deiner Frage nicht ganz.

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Beitrag TomS Verfasst am: 23. Nov 2022 08:16    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Ich verstehe nach wie vor nicht, warum Neumaier diese Hypothese nicht explizit an die Spitze seiner Überlegungen stellt und sie quasi im Kleingedruckten versteckt.

Er hat der Frage praktisch ein eigenes Paper gewidmet "Foundations of quantum physics III. Measurement". Ich habe eher den Eindruck du siehst den Zusammenhang zwischen dem was Neumaier dort schreibt und deiner Frage nicht ganz.

Ich würde gerne diesen Punkt wieder aufgreifen - allerdings sollten wir dazu einen eigenen Thread starten.

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