RegistrierenRegistrieren   LoginLogin   FAQFAQ    SuchenSuchen   
Wigners Freund/ objektive Realität
 
Neue Frage »
Antworten »
    Foren-Übersicht -> Quantenphysik
Autor Nachricht
Rätselnder
Gast





Beitrag Rätselnder Verfasst am: 22. Apr 2022 17:42    Titel: Wigners Freund/ objektive Realität Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Hallo liebe Physiker,

ich hätte eine Frage zur Quantenphysik. Und zwar bezüglich Wigners Freund. In verschiedenen Artikeln habe ich gelesen, dass dieses Gedankenexperiment nahe legen würde, dass es keine objektive Realität geben würde (teilweise habe ich auch schon gelesen, dass die Realität nur eine Illusion sei). Teilweise wird davon berichtet, dass sowohl Vergangenheit als auch Zukunft nicht real seien würden.
Begründet wird dies mit sich widersprechenden Wellenfunktionen von Wigner und seinem Freund.
(Quellen:www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/quanteneffekte/das-beobachtete-ist-nicht-objektiv
www.businessinsider.de/wissenschaft/studie-objektive-realitaet-existiert-womoeglich-nicht-2019-11
www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/quanteneffekte/das-beobachtete-ist-nicht-objektiv)

Meine Ideen:
Doch was heißt das jetzt genau? im Alltag sind doch Beobachtungen auch objektiv. Wenn ich Wasser auf dem Herd koche, wird das jeder andere, der mit mir den Kochtopf beobachtet, bestätigen können. Oder bin ich auch hier auf dem Holzweg? Und auch die Annahme, dass sowohl Vergangenheit als auch Zukunft nicht real sein sollen, finde ich irgendwie doch befremdlich. Immerhin habe ich die Vergangenheit selbst erlebt....

Falls hier jemand mit fundiertem Wissen dazu Stellung nehmen könnte, wäre ich ihm dankbar dafür. Meine Quellen, mit den Artikeln, stehen oben im Text. Ich hoffe, sie sind seriös.
Sonnenwind



Anmeldungsdatum: 25.04.2022
Beiträge: 677

Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 25. Apr 2022 12:42    Titel: Antworten mit Zitat

Vielleicht hilft das weiter: https://www.spektrum.de/magazin/eine-neue-quantentheorie/1201696 .

Witzig an der gesamten Diskussion ist, das es unwiderlegbar ist, dass das eigene Bewusstsein den Kollaps auslöst.

Bei mehreren Bewusstseinen hat jeder seine eigene Wellenfunktion, es gibt also nicht nur die globale (unbeobachtete) Wellenfunktion, sondern auch lokale Wellenfunktionen, die aber alle miteinander konsistent sind.

Tipp: Überlege dasselbe mal mit klassischen Wahrscheinlichkeiten, die sind auch je nach Wissensstand für jeden Menschen verschieden.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18067

Beitrag TomS Verfasst am: 25. Apr 2022 14:40    Titel: Antworten mit Zitat

Man muss mal ganz grundsätzlich unterscheiden, was die Wellenfunktion bzw. der Zustandsvektor beschreibt bzw. kodiert.

Nach Ansicht der Realisten (Einstein, Schrödinger, Bell u.a.) muss eine physikalische Theorie eine Beschreibung der Realität liefern; tut sie dies nicht, ist sie - gemessen an diesem Kriterium - unvollständig.

Nach Ansicht der Instrumentalisten (insbs. Bohr, auch Pauli, Heisenberg u.a.) muss und kann insbs. die Quantenmechanik keine Beschreibung der liefern, sondern lediglich ein Werkzeug zur Berechnung von Messergebnissen; Wellenfunktion bzw. Kollaps sind dann lediglich Information bzw. Update auf Basis der uns (neu) vorliegenden Information. Der QBismus fällt dann in diese Kategorie und ist in meinen Augen nichts wirklich Neues.

Zieht man sich auf agnostische Sichtweise der Instrumentalisten zurück, besteht zwischen verschiedenen "privaten" Wellenfunktionen kein Widerspruch, solange keine widersprüchlichen Vorhersagen folgen - und das war bisher nie der Fall. Verwendet man dagegen Wellenfunktion und deren Kollaps, um zu einer realistischen Sichtweise zu gelangen, so führt dies auf Widersprüche - aber diesen Weg verfolgt niemand.

Soweit ich die Diskussionen gelesen habe, wirft niemand der Quantenmechanik vor, sie sei in irgendeiner Weise inkonsistent. Die Argumente, die zu derartigen Inkonsistenzen führen, sollen lediglich zeigen, dass eben kein naiver Realismus möglich und die Quantenmechanik (inkl. Kollaps) daher in diesem Sinne unvollständig ist.

Der eigentliche Streitpunkt sind daher nicht diese (scheinbaren) Widersprüche, sondern der Anspruch, den man an eine physikalische Theorie hat.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 795

Beitrag Aruna Verfasst am: 26. Apr 2022 07:11    Titel: Re: Wigners Freund/ objektive Realität Antworten mit Zitat

Rätselnder hat Folgendes geschrieben:

Doch was heißt das jetzt genau? im Alltag sind doch Beobachtungen auch objektiv. Wenn ich Wasser auf dem Herd koche, wird das jeder andere, der mit mir den Kochtopf beobachtet, bestätigen können. Oder bin ich auch hier auf dem Holzweg? Und auch die Annahme, dass sowohl Vergangenheit als auch Zukunft nicht real sein sollen, finde ich irgendwie doch befremdlich. Immerhin habe ich die Vergangenheit selbst erlebt....

Falls hier jemand mit fundiertem Wissen dazu Stellung nehmen könnte, wäre ich ihm dankbar dafür. Meine Quellen, mit den Artikeln, stehen oben im Text. Ich hoffe, sie sind seriös.


Ich sag mal was dazu, auch wenn ich nicht weiß, ob mein überschaubares Wissen Deinen Ansprüchen genügt:
die verlinkten Artikel finde ich relativ nichts sagend, da müsste man sich IMO die dort verlinkten Artikel genauer anschauen, z.B.

https://theconversation.com/quantum-physics-our-study-suggests-objective-reality-doesnt-exist-126805

Zitat:
Im Jahr 1961 schlug der Physiker Eugene Wigner ein provokantes Gedankenexperiment vor. Er fragte sich, was passieren würde, wenn man die Quantenmechanik auf einen Beobachter anwendet, der selbst beobachtet wird. Stellen Sie sich vor, ein Freund von Wigner wirft eine Quantenmünze - die sich in einer Überlagerung von Kopf und Zahl befindet - in einem geschlossenen Labor. Jedes Mal, wenn der Freund die Münze wirft, beobachtet er ein bestimmtes Ergebnis. Wir können sagen, dass Wigners Freund eine Tatsache feststellt: Das Ergebnis des Münzwurfs ist eindeutig Kopf oder Zahl.

Wigner hat von außen keinen Zugang zu dieser Tatsache und muss gemäß der Quantenmechanik beschreiben, dass sich der Freund und die Münze in einer Überlagerung aller möglichen Ergebnisse des Experiments befinden. Das liegt daran, dass sie "verschränkt" sind - gespenstisch verbunden, so dass, wenn man das eine manipuliert, man auch das andere manipuliert. Wigner kann diese Überlagerung nun im Prinzip mit einem so genannten "Interferenzexperiment" nachweisen - einer Art Quantenmessung, mit der man die Überlagerung eines ganzen Systems auflösen kann, was bestätigt, dass zwei Objekte verschränkt sind.

Wenn Wigner und sein Freund später ihre Notizen vergleichen, wird der Freund darauf bestehen, dass sie bei jedem Münzwurf ein bestimmtes Ergebnis gesehen haben. Wigner wird jedoch immer dann widersprechen, wenn er Freund und Münze in einer Überlagerung beobachtet hat.

Dies stellt ein Rätsel dar. Die vom Freund wahrgenommene Realität kann nicht mit der äußeren Realität in Einklang gebracht werden. Ursprünglich hielt Wigner dies nicht für ein großes Paradoxon, da er argumentierte, es sei absurd, einen bewussten Beobachter als Quantenobjekt zu beschreiben. Später wich er jedoch von dieser Ansicht ab, und nach den formalen Lehrbüchern der Quantenmechanik ist diese Beschreibung vollkommen gültig.

Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)


Die Subjektivität besteht also darin, dass Wigner seinen Freund, solange der in der im Labor ist, in einer Superpostion zweier Freunde annimmt (bzw. theoretisch messen kann), von denen einer Kopf und einer Zahl misst.
Der Freund selbst, nimmt sich und die Münze als eindeutig wahr.
Der Knackpunkt liegt nun IMO hier:

Zitat:
Wenn Wigner und sein Freund später ihre Notizen vergleichen, wird der Freund darauf bestehen, dass sie bei jedem Münzwurf ein bestimmtes Ergebnis gesehen haben. Wigner wird jedoch immer dann widersprechen, wenn er Freund und Münze in einer Überlagerung beobachtet hat.


Wenn Wigner mit seinem Freund die Notizen vergleich, wurde er inzwischen selbst mit dem System Freund-Münze verschränkt.
Damit ist er nun selbst mit der von ihm vorher beobachteten Superposition verschränkt und ein weiterer Beobachter könnte einen Wigner beobachten, der sich in einer Superposition befindet:
Aus einem Wigner, dessen Freund darauf besteht, dass die Münze eindeutig Kopf gezeigt hätte und einem Wiegner, dessen Freund darauf besteht, dass die Münze eindeutig Zahl gezeigt hätte.
D.h. durch die Verschränkung mit der Superposition wird er selbst Teil der Superposition und damit lokaler Beobachter in einem Zweig der Wellenfunktion
in dem eben eindeutig Kopf oder Zahl geworfen wurde.
Das scheinbare(?) Rätsel ergibt sich dadurch, dass er sich an den Zustand seines Freundes erinnert, bevor er selbst mit diesem verschränkt und wurde und die Superposition des Freundes auf einen Teilzustand festgelegt.
Im Moment sehe ich keinen prinzipiellen Unterschied zu dem gewöhnlichen Messproblem bei dem man durch eine Messung eine Superposition (scheinbar?) zerstört bzw mit dieser verschränkt wird und dann nach der Messung nur noch eine Komponente der Superposition wahrnehmen kann, obwohl man sich erinnert, dass da vorher mehrere waren.

Das zumindest mein Eindruck von der Beschreibung, ohne den Teil mit dem Experiment, bzw. diese Arbeit durchgelesen zu haben:

https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.aaw9832

Rätselnder hat Folgendes geschrieben:

Doch was heißt das jetzt genau? im Alltag sind doch Beobachtungen auch objektiv. Wenn ich Wasser auf dem Herd koche, wird das jeder andere, der mit mir den Kochtopf beobachtet, bestätigen können. Oder bin ich auch hier auf dem Holzweg?


Im Alltag wirst Du wohl eher keine Superpositionen von sich widersprechenden Zuständen wahrnehmen.
Das Wasser wird kochen, oder es wird nicht kochen. Es wird nicht "kochen und nicht kochen" und erst auf einen Zustand festgelegt, wenn Du danach schaust.
Durch die dauernde Wechselwirkung bist Du mit Deiner Umgebung verschränkt und ebenso Deine Freunde, daher werden die dich auch nicht in einer Superposition von einem Rätselnden der das Wasser kochen sieht und einem, der das Wasser nicht kochen sieht, beobachten.
Um so was zu beobachten muss man Systeme speziell präparieren und eben von der Wechselwirkung (und Verschränkung) mit der Umgebung isolieren.
Das gelingt inzwischen wohl mit "größeren" Objekten, aber immer noch vergleichsweise klein gegenüber Katzen und Wassertöpfen (inklusive Herd).
Neue Frage »
Antworten »
    Foren-Übersicht -> Quantenphysik