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Heisenbergsche Unschärferelation im Alltag
 
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phyaot



Anmeldungsdatum: 02.12.2020
Beiträge: 2

Beitrag phyaot Verfasst am: 02. Dez 2020 13:12    Titel: Heisenbergsche Unschärferelation im Alltag Antworten mit Zitat

Hallo,

ich habe eine Frage zur Heisenbergschen Unschärferelation.

Eines vorweg, ich bin kein Physiker (sondern Informatiker), darum bitte ich meine vielleicht unkonkrete Ausdrucksweise zu entschuldigen.

Ich lese gerade das Buch "kurze Anworten auf große Fragen" von Stephen Hawking. Dort kommt auch mehrfach die heisenbergsche Unschärferelation vor. Sie wird dort mit dem folgenden Satz auf den Punkt gebracht: "..., dass man nicht gleichzeitig die exakte Position und die Geschwindigkeit eines atomaren Teilchens messen kann."

Dies scheint eine bahnbrechende Erkenntnis zu sein. Meine Frage ist nun, weshalb.

Ich glaube, dass diese Erkenntnis immer gilt, auch im Makrokosmos, dort aber natürlich keine wirkliche Relevanz hat, da hier die Zeitspannen zu groß sind. Das Problem ist meiner Meinung nach der Begriff "gleichzeitig" bzw. die Zeit an sich. Ich möchte dies verdeutlichen und gebe deshalb auch ein Beispiel aus dem Makrokosmos, um zu zeigen, dass meiner Meinung nach die heisenbergsche Unschärferelation auch dort gilt bzw. im Alltag erlebbar ist.

Mit "gleichzeitig" können meiner Meinung nach nur zwei verschiedene Ausprägungen gemeint sein:
1.) ein Zeitpunkt (etwas findet zum exakt gleichen Zeitpunkt)
2.) eine Zeitspanne (etwas findet in der exakt gleichen Zeitspanne statt.)

Ich möchte beide Punkte genauer beleuchten:

zu 1.) Man nimmt hier an, dass mit gleichzeitig ein bestimmter Zeitpunkt gemeint ist. Ich meine hier tatsächlich einen ZeitPUNKT, also nicht nur eine sehr, sehr kleine Zeitspanne. An solch einem Zeitpunkt, kann ich die Position eines Objektes genau bestimmen.
Allerdings hat man dann meiner Meinung nach ein Problem mit der Geschwindigkeit, da diese ja als Strecke dividiert durch Zeit definiert ist (und Zeit ist hier als Zeitdauer gemeint und nicht als Zeitpunkt). Die Geschwindigkeit ist also ein Durchschnittswert. Nun betrachtet man ja allerdings einen Zeitpunkt. Ein Zeitpunkt hat aber, sofern ich das beurteilen kann, keine Zeit(dauer). Die Zeit kann nur zwischen zwei Zeitpunkten ermittelt werden.
Die Frage nach der Geschwindigkeit (= Weg dividiert durch Zeitdauer) zu einem Zeitpunkt müsste daher nicht definiert sein, da man die Zeitdauer mit 0 ansetzten müsste und eine Division durch Null nicht definiert ist.

Anschaulich würde ich das folgendermaßen erklären: Wenn alles "erstarrt" ist, wie z. B. auf einem Foto, kann man keine Geschwindigkeiten ermitteln (da ja keine Bewegung vorhanden ist). Von einem Foto, auf dem ein Auto abgebildet ist, kann auch nicht die Geschwindigkeit des abgebildeten Autos ermittelt werden.
(Der Vergleich mit dem Foto hinkt natürlich etwas, da ein Foto ja eine Belichtungszeit hat, aber ich hoffe, man weiß worauf ich hinaus will.)

Als einzigen Ausweg aus diesem Dilemma kann ich mir nur erklären, dass die Zeit niemals erstarren kann, also niemals Null wird. Das würde aber bedeuten, dass die Zeit nicht kontinuierlich abläuft, sondern in diskreten (winzig kleinen) Stückchen, vergleichbar mit dem Takt eines Computers. Aber selbst dann hat der Takt ja eine Zeitspanne und ist kein Zeitpunkt.

zu 2.) Nimmt man dagegen an, dass mit gleichzeitig eine Zeitspanne gemeint ist, ist die Argumentation etwas anders. Wenn man eine gegebene Zeitspanne hat, und auch weiß, welche Strecke ein Teilchen zurückgelegt hat, kann daraus recht einfach die genaue Geschwindigkeit errechnet werden (als Strecke dividiert durch Zeitdauer). Diese Geschwindigkeit ist aber ein Durchschnittswert.
Aus diesem Durchschnittswert lässt sich aber eben nicht die exakte Position eines Teilchens auf der bekannten Strecke ermitteln. Es könnte ja sein, dass die erste Hälfte der Strecke mit der doppelten Durchschnittsgeschwindigkeit zurückgelegt wurde und die zweite Hälfte mit der halben Durchschnittsgeschwindigkeit.

Anschaulich würde ich das wie folgt erklären: Wenn ich von Hamburg nach München mit der exakt gemessenen (Durchschnitts-)Geschwindigkeit von 100 Km/h gefahren bin (dafür muss ich auch schon in München angekommen sein), kann eben nicht exakt meine Position angegeben werden und zwar, weil ich ja den ersten Teil schneller und den letzten Teil langsamer gefahren sein könnte. Und "messen" (bzw. den Standpunkt orten) könnte ich auch nicht, da man ja bereits in München angekommen ist (man kennt ja die Durchschnittsgeschwindigkeit für diese Strecke) und daher ist jetzt nicht mehr messbar, wo man vor einer gewissen Zeit einmal war.

Für mich sind beide Punkte nachvollziehbar, aber es scheint ja irgendeinen Denkfehler meinerseits zu geben, denn sonst wäre die heisenbergsche Unschärferelation ja nicht so ein großes Ding (sondern bereits aus dem Alltag erklärbar). Kann jemand sagen, wo ich falsch liege und weshalb meine Makrokosmos Beispiele nicht passen?

phyaot
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 02. Dez 2020 14:13    Titel: Antworten mit Zitat

Die Geschwindigkeit zu einem Zeitpunkt t ist als Differentialquotient



definiert, nicht als ein Durchschnittswert über eine endliche Zeitspanne. Somit kann klassisch ein Teilchen zu jedem Zeitpunkt sowohl einen definierten Ort als auch eine Geschwindigkeit haben.

In der Quantenmechanik besitzen die physikalischen Größen Ort und Impuls außerdem in jedem Zustand eine Streuung. Diese beiden Streuungen können nicht gleichzeitig beliebig klein sein, weil ihr Produkt mindestens ergeben muß. Das besagt die Heisenbergsche Unschärferelation. Diese Streuungen könnte man im Prinzip experimentell als Standardabweichungen je einer Meßreihe für Ort und Impuls an einer Gesamtheit von Systemen im selben Zustand bestimmen. Man interpretiert das normalerweise so, daß der quantenmechanische Zustand Ort und Impuls nicht genau bestimmt, sondern jeweils nur Wahrscheinlichkeiten für Meßwerte bei Ort- und Impulsmessungen. Im Grenzfall kann sich die Wahrscheinlichkeit für eine der Größen um einen einzelnen Wert konzentrieren. Dann muß wegen der Unschärferelation die Verteilung der anderen Größe eine entsprechend große Breite aufweisen.

Das ist ein drastischer Unterschied zur klassischen Situation.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18027

Beitrag TomS Verfasst am: 02. Dez 2020 15:46    Titel: Re: Heisenbergsche Unschärferelation im Alltag Antworten mit Zitat

phyaot hat Folgendes geschrieben:
Dort kommt auch mehrfach die heisenbergsche Unschärferelation vor. Sie wird dort mit dem folgenden Satz auf den Punkt gebracht: "..., dass man nicht gleichzeitig die exakte Position und die Geschwindigkeit eines atomaren Teilchens messen kann."

Ich denke, diese Herangehensweise ist zwar historisch betrachtet zentral, jedoch bzgl. des generellen Verständnisses eher irreführend.

Warum?

Sie suggeriert, dass das Teilchen sowohl eine exakte Position als auch eine exakte Geschwindigkeit haben kann, wir dies lediglich nicht messen können. Tatsächlich verbietet uns die Quantenmechanik jedoch, überhaupt von Teilchen zu reden, und sie verbietet uns, den Entitäten oder Quantenenobjekten - ich vermeide den Begriff Teilchen - derartige exakt definierte Eigenschaften zuzuschreiben.

Wenn du das zu Ende denkst, dann ist bereits deine Herangehensweise unmöglich. Die simple Formel



beschreibt keine Beziehung zwischen Eigenschaften von Quantenenobjekten.

Oder anders herum, Quantenenobjekte kommen nicht die dir vertrauten klassische Eigenschaften zu.

Letzteres ist das "ganz große Ding", die heisenbergsche Unschärfenrelation für Ort und Geschwindigkeit ist eine Konsequenz daraus, und die nicht gleichzeitige Messbarkeit eine Trivialität, denn was nicht vorliegt, kann auch nicht gemessen werden.

Der Nachteil meiner Argumentation ist, dass sie sehr abstrakt ist und letztlich auf dem mathematischen Formalismus der Quantenmechanik aufsetzt. Nun ist es gefährlich, von dem mathematischen Formalismus zur Beschreibung der Natur auf das Wesen der Natur zu schließen. Es hat jedoch insofern seine Berechtigung, als die Quantenmechanik unter Vermeidung des Teilchenbildes und unter Verwendung von Entitäten, denen diese Eigenschaften so nicht zukommen, zu korrekten Vorhersagen gelangt. Die Quantenmechanik erfasst also zumindest gewisse Aspekte der Natur in zutreffender Weise.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Steffen Bühler
Moderator


Anmeldungsdatum: 13.01.2012
Beiträge: 7242

Beitrag Steffen Bühler Verfasst am: 02. Dez 2020 16:34    Titel: Re: Heisenbergsche Unschärferelation im Alltag Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Tatsächlich verbietet uns die Quantenmechanik jedoch, überhaupt von Teilchen zu reden

Dann versteht ein Physiker diesen Witz gar nicht?
Zitat:
Heisenberg wird von der Polizei angehalten. Der Polizist zu ihm: "Wissen Sie, wie schnell Sie waren?" Heisenberg: "Nein, aber ich kann Ihnen sagen, wo ich gewesen bin."

Ok, bin ja schon wieder ruhig.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18027

Beitrag TomS Verfasst am: 02. Dez 2020 16:44    Titel: Re: Heisenbergsche Unschärferelation im Alltag Antworten mit Zitat

Steffen Bühler hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Tatsächlich verbietet uns die Quantenmechanik jedoch, überhaupt von Teilchen zu reden

Dann versteht ein Physiker diesen Witz gar nicht?

Ok, ich präzisiere: die Quantenmechanik verbietet uns, von Teilchen als fundamentalen Entitäten zu reden, denen wir klassische Eigenschaften zuschreiben können.

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Steffen Bühler
Moderator


Anmeldungsdatum: 13.01.2012
Beiträge: 7242

Beitrag Steffen Bühler Verfasst am: 02. Dez 2020 16:59    Titel: Antworten mit Zitat

Aber Heisenberg ist ja eine fundamentale Entität mit klassischen Eigenschaften, daher funktioniert der Witz also gar nicht.
Qubit



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Beiträge: 829

Beitrag Qubit Verfasst am: 02. Dez 2020 18:00    Titel: Antworten mit Zitat

Steffen Bühler hat Folgendes geschrieben:
Aber Heisenberg ist ja eine fundamentale Entität mit klassischen Eigenschaften, daher funktioniert der Witz also gar nicht.


Wie sagte schon Pauli zutreffend:
„Man kann die Welt mit dem p-Auge und man kann sie mit dem q-Auge ansehen, aber wenn man beide Augen zugleich aufmachen will, dann wird man irre.“
phyaot



Anmeldungsdatum: 02.12.2020
Beiträge: 2

Beitrag phyaot Verfasst am: 02. Dez 2020 18:07    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen Dank für eure Antworten. Jetzt verstehe ich den Denkfehler. Ich bin tatsächlich von Teilchen ausgegangen, die eine exakte Position und Geschwindigkeit besitzen, man diese aber nicht messen kann.

Nochmals vielen Dank.
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