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Können Quanten verschiedenes gleichzeitig?
 
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Studentu



Anmeldungsdatum: 11.06.2019
Beiträge: 4

Beitrag Studentu Verfasst am: 11. Jun 2019 01:50    Titel: Können Quanten verschiedenes gleichzeitig? Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Hallo allerseits,
ich bin neu hier und komme nicht aus der Physik, aber ich beschäftige mich schon seit Jahren (mal mehr, mal weniger intensiv) mit Quantenphysik.
Es gibt da jedoch einen wichtigen Punkt, wo ich mir nicht sicher bin ihn richtig verstanden zu haben, u.a., weil ich darauf von Physikern schon unterschiedlichen Antworten bekommen habe bzw. in diversen Artikeln über Quantenphysik unterschiedlich darüber geschrieben wurde:
Mir ist klar, dass die Superposition ein probabilistisches Modell ist, das sich aus den Wahrscheinlichkeiten, die Messungen ergeben haben, herausgebildet hat.
Zum Beispiel hat man bei einem Messung der Polarisierung eines Photons in der Basis von 0 Grad und 90 Grad jeweils 50% Wahrscheinlichkeit, dass 0 Grad oder 90 Grad gemessen wird (und das Photon wird durch die Messung tatsächlich so polarisiert), wenn das Photon vorher 45 Grad polarisiert war.

So wie ich es verstanden habe, wird durch ungenaue bzw. vereinfachende Sprache da häufig eine Misinterpretation suggeriert, nämlich, dass die beispielhaft angeführte Superposition bedeutet, dass das Photon gleichzeitig 0 Grad und 90 Grad Polarisierung hat (obwohl es ja weder 0 Grad noch 90 Grad, sondern 45 Grad Polarisierung hat).

Nun ist meine Frage aber: Abseits vom probabilistischen Modell der Superposition, können Quanten denn an mehreren Orten gleichzeitig sein oder unterschiedliche Spins oder Polarisierungen gleichzeitig haben, währen wir sie nicht beobachten? (Kann zum Beispiel ein als Quant aufgefasstes Kartendeck sowohl Herz als auch Eichel, Laub und Schelle gleichzeitig als oberste Karte liegen haben, während wir nicht hinschauen?) Oder ist das etwas, was man einfach (noch) nicht weiß, weil man ja nur die beobachteten Zustände kennt, aber nicht weiß, was die Quanten machen, während man sie nicht beobachtet oder ist es experimentell bereits ausgeschlossen, dass Quanten eine derartige Eigenschaft haben können?


Und eine zweite, damit zusammenhängende Frage:
Wenn wir zum Beispiel (als theoretische Überlegung, damit klarer wird, was ich meine) ein Experiment quasi unendlich oft durchführen und wissen, dass alle der quasi unendlich vielen gemessenen Photonen vorher die gleiche Polarisierung haben (und nicht verschränkt sind) und wir beobachten genau in 50 Prozent der Fälle Polarisierung 0 und in 50 Prozent Polarisierung 90 Grad, können wir daraus schließen, dass die Photonen vorher alle 45 Grad polarisiert waren? Oder könnte es auch sein, dass sie alle einen "Zustand" gehabt haben, in dem sie gar keine Polarisierung oder alle möglichen Polarisierungen gleichzeitig oder Polarisierung 0 Grad und 90 Grad gleichzeitig etc. gehabt haben?

Ich hoffe, es ist klar, was ich meine, ansonsten gebt bitte Bescheid, dann versuche ich, meine Frage noch anders zu formulieren.

Meine Ideen:
Habe ich bei der Frage schon ausgeführt.

Danke an alle sich Beteiligenden im Voraus!
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18010

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Jun 2019 08:20    Titel: Re: Können Quanten verschiedenes gleichzeitig oder ist das n Antworten mit Zitat

Studentu hat Folgendes geschrieben:
Mir ist klar, dass die Superposition ein probabilistisches Modell ist, das sich aus den Wahrscheinlichkeiten, die Messungen ergeben haben, herausgebildet hat.

...

So wie ich es verstanden habe, wird durch ungenaue bzw. vereinfachende Sprache da häufig eine Misinterpretation suggeriert, nämlich, dass die beispielhaft angeführte Superposition bedeutet, dass das Photon gleichzeitig 0 Grad und 90 Grad Polarisierung hat (obwohl es ja weder 0 Grad noch 90 Grad, sondern 45 Grad Polarisierung hat).

Man muss zwischen dem mathematischen Formalismus und der Interpretation desselben unterscheiden. Du kannst den Formalismus i) als reines Instrument zur Berechnung von Messergebnissen betrachten, oder du kannst ihn ii) als Beschreibung dessen, was tatsächlich real existiert, auffassen.

Studentu hat Folgendes geschrieben:
Nun ist meine Frage aber: Abseits vom probabilistischen Modell der Superposition, können Quanten denn an mehreren Orten gleichzeitig sein oder unterschiedliche Spins oder Polarisierungen gleichzeitig haben, während wir sie nicht beobachten?

Wenn die Position (ii) einnimmst, dann wäre dies der Fall.

Wenn du jedoch mit (i) zufrieden bist, dann wirst du nie über das reden, was ist, sondern immer nur über das, was du beobachtest. Dann ist die Superposition sozusagen eine mathematische Notwendigkeit, um diese Beobachtungen vorherzusagen.

Der Zustand im Sinne von (ii) sagt dir jedoch ganz klar, dass sich ein Photon, das einen Strahlteiler passiert hat, gleichzeitig in beiden möglichen Wegen befindet.

Zu deiner zweiten Frage später mehr.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Studentu



Anmeldungsdatum: 11.06.2019
Beiträge: 4

Beitrag Studentu Verfasst am: 11. Jun 2019 16:24    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für deine Antwort!

Zitat:
Wenn du die Position (ii) einnimmst, dann wäre dies der Fall. [...] Der Zustand im Sinne von (ii) sagt dir jedoch ganz klar, dass sich ein Photon, das einen Strahlteiler passiert hat, gleichzeitig in beiden möglichen Wegen befindet.

Also dann ist das Photon wirklich im Zustand der gleichzeitigen Polarisierung von 0 Grad und 90 Grad (zwei verschiedene Karten liegen gleichzeitig als oberste Karte beim Kartendeck auf) und das ist nicht nur eine Interpretation der Messergebniswahrscheinlichkeiten und der Formel, die wir für die Superposition hinschreiben und letztere bedeutet nicht eine Polarisierung von 45 Grad?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18010

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Jun 2019 22:02    Titel: Antworten mit Zitat

Studentu hat Folgendes geschrieben:
Danke für deine Antwort!

Zitat:
Wenn du die Position (ii) einnimmst, dann wäre dies der Fall. [...] Der Zustand im Sinne von (ii) sagt dir jedoch ganz klar, dass sich ein Photon, das einen Strahlteiler passiert hat, gleichzeitig in beiden möglichen Wegen befindet.

Also dann ist das Photon wirklich im Zustand der gleichzeitigen Polarisierung von 0 Grad und 90 Grad (zwei verschiedene Karten liegen gleichzeitig als oberste Karte beim Kartendeck auf) und das ist nicht nur eine Interpretation der Messergebniswahrscheinlichkeiten und der Formel, die wir für die Superposition hinschreiben und letztere bedeutet nicht eine Polarisierung von 45 Grad?

Wenn du die Position (ii) einnimmst.

Niemand zwingt dich dazu, den Zustandsvektor als “treues Abbild der tatsächlich existierenden Realität” zu interpretieren. Du kannst auch die Position (i) einnehmen.

Und im vorliegenden Fall ist der Unterschied zwischen “Polarisierung 0 Grad und 90 Grad” und “Polarisierung 45 Grad” eher unerheblich - nicht jedoch im Fall “Photon hier und auf dem Mond”.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Studentu



Anmeldungsdatum: 11.06.2019
Beiträge: 4

Beitrag Studentu Verfasst am: 12. Jun 2019 02:11    Titel: Antworten mit Zitat

Okay, und wenn ich Position i) annehme, gibt es dann abgesehen von der mathematischen Beschreibung mittels Zustandsvektor, Erkenntnisse darüber, was das Photon real wirklich macht, während wir es nicht beobachten? (Z.B. ob es auf magische Weise etwas Abenteuerliches macht wie unbeobachtet zu einer Welle zu werden oder sich zu "verdoppeln" und an zwei Orten (mit z.B. einem Meter Entfernung dazwischen) gleichzeitig zu sein (und damit meine ich nicht die Viele-Welten-Theorie, sondern EINE der evtl. vielen Welten, in denen es an den zwei Orten gleichzeitig ist) oder gleichzeitig Spin Up und Spin Down zu haben?

Noch einmal: Wenn ich unterscheide zwischen dem was ist, und dem was ich beobachte, und wir uns jetzt nicht fragen, wie man die beobachteten Messergebnisse und die Superposition interpretieren könnte, sondern, ob man vlt. experimentell oder mithilfe anderer physikalischer Gesetze bereits Kenntnisse darüber gewonnen hat, was das Quantenteilchen wirklich real macht, während wir es nicht beobachten, also, wie dieser Zustand des Quants, den wir nicht beobachten können, "aussieht" (ich meine mit "aussieht" einfach, was los ist) oder sicher nicht aussieht?

Position ii) macht für mich irgendwie wenig Sinn. Man kann doch nicht einfach schließen, "in 50% der Fälle habe ich blau gemessen, in 50% der Fälle gelb, also muss es vor der Messung gleichzeitig blau und gelb gewesen sein" und genausowenig "... also muss es vor der Messung grün gewesen sein" und genausowenig "...also muss es vor der Messung entweder blau oder gelb gewesen sein". Man weiß ja nur die Messergebnisse, aber nicht, was vorher war.
Oder kann man aus irgendwelchen anderen physikalischen Gesetzen sicher schließen, dass es z.B. aufgrund der Messergebnisse vorher sicher gelb gewesen ist, weil....
(Das Bsp. mit den Farben habe ich nur gewählt, weil Polarisierung ein schlechtes Beispiel war, nicht weil mir bekannt wäre, dass man derartige Farben bei Quantenteilchen gemessen hätte.)
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18010

Beitrag TomS Verfasst am: 12. Jun 2019 11:37    Titel: Antworten mit Zitat

Studentu hat Folgendes geschrieben:
Okay, und wenn ich Position i) annehme, gibt es dann abgesehen von der mathematischen Beschreibung mittels Zustandsvektor, Erkenntnisse darüber, was das Photon real wirklich macht, während wir es nicht beobachten?

Nein.

Wenn du dem einzigen Werkzeug - dem Formalismus der Quantenmechanik - absprichst, etwas über die Realität ohne Messung/Beobachtung auszusagen, dann kannst du darüber nichts aussagen.

Physiker, die diese Position einnehmen, behaupten von sich, darüber nichts aussagen zu können und nichts aussagen zu wollen.

Studentu hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich unterscheide zwischen dem was ist, und dem was ich beobachte, und [wir uns fragen], ob man vlt. experimentell oder mithilfe anderer physikalischer Gesetze bereits Kenntnisse darüber gewonnen hat, was das Quantenteilchen wirklich real macht, während wir es nicht beobachten ...

Wie willst du rein mittels eines Experimentes etwas aussagen über eine Situation, in der wir kein Experiment durchführen?

Rein empirisch ist das, was empirisch nicht zugänglich ist, weil keine Beobachtung stattfindet, nicht empirisch zugänglich.

Studentu hat Folgendes geschrieben:
Position ii) macht für mich irgendwie wenig Sinn. Man kann doch nicht einfach schließen, "in 50% der Fälle habe ich blau gemessen, in 50% der Fälle gelb, also muss es vor der Messung gleichzeitig blau und gelb gewesen sein"

Du missverstehst Position (ii).

Position (i) bleibt strikt empirisch (positivistisch, instrumentalistisch) und vermeidet die Schlussfolgerung von beobachtbaren Tatsachen auf nicht-beobachtbare Entitäten oder Prozesse. Position (ii) geht über die Empirie hinaus, setzt den mathematischen Formalisms als Repräsentant der Realität auch ohne Messung/Beobachtung und schlussfolgert dann von nicht-Beobachtbarem auf nicht-Beobachtbares - unter strikter Beachtung empirischer Tatsachen.

EDIT:

Position (i) besagt, dass ich mittels des Formalismus vorhersagen kann, zu 50% blau sowie gelb zu messen, dass ich dies tatsächlich messe, und deswegen der Schluss, der Formalismus treffe korrekte Vorhersagen, nicht falsifiziert wurde (bzw. verifiziert wurde) und daher die Hypothese, der Formalismus treffe korrekte Vorhersagen, gestützt wird.

Position (ii) besagt - über Position (i) hinaus - dass der Formalismus, in dem ein mathematisches Objekt der Form



auftritt, nahelegt, daran zu glauben, dass dies einem Abbild der Realität entspricht, in der daher eine derartige Superposition unabhängig von einer Messung tatsächlich existiert (das Beispiel der Farben ist etwas irreführend).

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Studentu



Anmeldungsdatum: 11.06.2019
Beiträge: 4

Beitrag Studentu Verfasst am: 13. Jun 2019 02:53    Titel: Antworten mit Zitat

Herzlichen Dank für deine Antwort, TomS! Das ist die bislang beste und verständlichste, die ich zu dem Thema bekommen habe (und ich habe wirklich schon einige Leute gefragt)! smile

Eine Frage hätte ich noch: Wurde beim Doppelspaltexperiment mit einem einzelnen Photon auch bewiesen, dass es durch beide Spalten gleichzeitig geht oder hat man nur das Interferenzmuster auf der Auftrefffläche gesehen und Leute der Position ii) schließen daraus, dass es durch beide Spalten gegangen ist, was aber für Leute mit Position i) noch fraglich ist?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18010

Beitrag TomS Verfasst am: 13. Jun 2019 09:17    Titel: Antworten mit Zitat

Studentu hat Folgendes geschrieben:
Herzlichen Dank für deine Antwort, TomS! Das ist die bislang beste und verständlichste, die ich zu dem Thema bekommen habe (und ich habe wirklich schon einige Leute gefragt.

Danke, das freut mich.

Studentu hat Folgendes geschrieben:
Wurde beim Doppelspaltexperiment mit einem einzelnen Photon auch bewiesen, dass es durch beide Spalten gleichzeitig geht oder hat man nur das Interferenzmuster auf der Auftrefffläche gesehen und Leute der Position ii) schließen daraus, dass es durch beide Spalten gegangen ist, was aber für Leute mit Position i) noch fraglich ist?

Zunächst: was meinst du mit “beweisen”?

Im mathematischen Sinne besagt der Formalismus, dass für zwei Wege A und B wieder ein mathematisches Objekt der o.g. Form vorliegt. Aber physikalisch geht es nicht ums beweisen, sondern um die Vorhersage experimentell überprüfbarer Fakten.

1) Letztere zeigen uns, dass wenn keine Messung erfolgt, aus der A und/oder B direkt ermittelt werden kann, dass dann ein Interferenzmuster auftritt. Dies besagt nach (ii), dass das Photon sich tatsächlich in dem Überlagerungszustand befunden hat; nach (i) besagt es dies nicht, der tatsächliche Vorgang ohne Messung bleibt unbekannt.

2) Zudem zeigen uns diese Fakten, dass wenn eine Messung erfolgt, aus der A und/oder B direkt ermittelt wird, dass dann immer entweder A oder B gemessen wird und außerdem kein Interferenzmuster auftritt. Dies besagt nach (ii) wiederum, dass das Photon sich tatsächlich in dem Überlagerungszustand befunden hat; nach (i) besagt es dies nicht, der tatsächliche Vorgang ohne Messung bleibt unbekannt.

Genauer: für Photonen würde man einen Strahlteiler benutzen und die Schlussfolgerung im Sinne von (ii) durch mehrfache Wiederholung und Kombination von (1) und (2) an identisch präparierten Photonen motivieren.

In beiden Fällen (1,2) wird nie ein Photon direkt in A und B delektiert. Es wird entweder nicht detektiert, oder es wird in A oder B detektiert. Daher wird gemäß (i) nie auf “A und B” geschlossen, denn die Fakten zeigen uns dies nicht. Gemäß (ii) wird auf “A und B” geschlossen, jedoch nicht auf Basis der Fakten, sondern aufgrund des mathematischen Formalismus; dies ist jedoch kein Beweis im physikalischen Sinne, denn dazu gehört imme eine experimentelle Überprüfung (und auch das wäre kein Beweis im mathematischen Sinn).

EDIT: in vielen Diskussionen wirst du nur unpräzise Antworten erhalten, weil sich viele Physiker nicht ausreichend und nicht sorgfältig mit diesen Fragen der Interpretation auseinander setzen; zudem ist der Sprachgebrauch oft unsauber, z.B. denken viele Physiker nicht darüber nach, was es bedeutet, wenn sie sagen “das Photon befindet sich in einem Überlagerungszustand”; das reale Photon? der mathematische Zustand? wie wird dann der sogenannte Kollaps aus dem Überlagerungszustand im Zuge der Messung interpretiert? findet der Kollaps real statt? ist es nur ein mathematisches Hilfsmittel? was ist eine Messung? was unterscheidet sie von einer gewöhnlichen Wechselwirkung?

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