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Objektive Unsicherheit
 
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DerultimativeTrick



Anmeldungsdatum: 27.11.2016
Beiträge: 17

Beitrag DerultimativeTrick Verfasst am: 19. März 2017 08:45    Titel: Objektive Unsicherheit Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Ist es theoretisch möglich, in einer begrenzten Zeitspanne, mit begrenzter Rechenkapazität, alle möglichen künftigen Ereignisse und die dazugehörigen Wahrscheinlichkeiten zu bestimmen? Oder anders formuliert, gibt es eine objektive Unsicherheit, sodass es nicht möglich ist, die Zukunft (bzw. die statistisch möglichen Ausgänge) zu kennen?

Meine Ideen:
Dass man die Zukunft nicht deterministisch erfassen kann ist mir klar, da es ja etwas wie die Heisenbergsche Unschärferelation und andere Gesetze in der Quantenmechanik (je nach Deutung) gibt. Aber theoretisch müsste ich ja die Wahrscheinlichkeitsverteilung wissen.Ich frage mich nur, wie das ist, mein Messgerät hat ja auch eine gewisse Unschärfe - woher weiß ich, wie hoch diese ist? Denn dafür müsste ich ja wieder eine Messung vornehmen, die ihrerseits eine Unschärfe besitzt.

Ein anderes Problem ist doch auch, dass ich, wenn ich sukzessive Messungen vornehme, nach der Kopenhagener Deutung ja mit der Messung mein Ergebnis erst festlege. Denn wenn ich diese Gegenstände der Messung wieder unbeaufsichtigt lasse, dann kann es doch sein, dass diese Gegenstände durch Wechselwirkung wieder Zustände einnehmen, die erst durch meine Messung wieder festgelegt werden, sodass ich - wenn ich mit einer begrenzten Geschwindigkeit messe - das System gar nicht komplett erfassen kann.
Macht das Sinn?

Ich bin absoluter Laie, also wundert euch nicht, wenn meine Gedankengänge zuweilen etwas wirr sind.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 19. März 2017 09:31    Titel: Antworten mit Zitat

Zumindest theoretisch ist es möglich, den Zustand eines abgeschlossenen quantenmechanischen Systems exakt zu kennen bzw. zu präparieren, und damit den Zustand dieses Systems für die Zukunft exakt zu berechnen.

In diesem Zustand sind nicht-vertauschende Observable natürlich nicht beliebig scharf definiert, d.h. sobald ich beginne, Messungen durchzuführen, werden diese im Rahmen der Wahrscheinlichkeitsverteilung (in diesem Zustand) streuen.

So wie ich dich verstehe geht es dir jedoch darum, ob es grundsätzlich möglich ist, ein System beliebig präzise in einem Computer zu modellieren. Das ist prinzipbedingt für ein System, das durch (überabzählbar) unendlich viele Daten modelliert wird, auf einem Computer mit endlicher Speicher- und Rechenkapazität nicht möglich.
DerultimativeTrick



Anmeldungsdatum: 27.11.2016
Beiträge: 17

Beitrag DerultimativeTrick Verfasst am: 19. März 2017 14:03    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen Dank erstmal.

Dass man grundsätzlich ein abgeschlossenes System präparieren kann, sodass man den künftigen Zustand perfekt vorausberechnen kann, meine ich zu verstehen. Bei der Quantenverschränkung passiert doch im Prinzip nichts anderes!?

Das Universum z.B. wäre doch auch ein abgeschlossenes System, oder? Du schreibst, dass bei einem System mit überabzählbaren Variablen eine exakte Modellierung nicht möglich ist. Ist das hier der Fall?
So wie ich das sehe, wäre hier das Problem doch auch, dass der Beobachter ja Teil des Systems ist.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 19. März 2017 17:49    Titel: Antworten mit Zitat

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
Dass man grundsätzlich ein abgeschlossenes System präparieren kann, sodass man den künftigen Zustand perfekt vorausberechnen kann, meine ich zu verstehen. Bei der Quantenverschränkung passiert doch im Prinzip nichts anderes!?

Wann immer du vollständig kontrollierbare Freiheitsgrade hast passiert genau das. Ob das jetzt eine Quantenverschränkung oder die Absorption eines präzise präparierten Photons durch ein ebenfalls präzise präpariertes Atom ist, ist egal.

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
Dass Das Universum z.B. wäre doch auch ein abgeschlossenes System, oder?

Ja.

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
Du schreibst, dass bei einem System mit überabzählbaren Variablen eine exakte Modellierung nicht möglich ist. Ist das hier der Fall?

Im Falle des Universums hast du verschiedene Probleme.

Zwar ist das gesamte Universum abgeschlossen und kann theoretisch in einem reinen (und damit prinzipiell präzise bekannten) Zustand sein, da jedoch unbeobachtbare Bereiche existieren, und da keine präzise Präparation möglich ist, muss man das beobachtbare Universum praktisch durch einen gemischten Zustand, also einen Dichteoperator beschreiben, bei dessen Bildung man die unbeobachtbaren Freiheitsgrade ausspurt; außerdem ist das beobachtbare Universum kein abgeschlossenes System.

Bei der Modellierung meine ich noch etwas anderes: zur Modellierung des reinen Zustandes einen Quantensystems (auch eines kleineren als des Universums) benötigst du unendlich viele Daten, die du nicht in einen Computer mit endlicher Speicherkapazität eingeben kannst. D.h. du kannst das System zwar durch beliebig große Computer beliebig genau, aber eben nur exakt modellieren.

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
So wie ich das sehe, wäre hier das Problem doch auch, dass der Beobachter ja Teil des Systems ist.

Das ist eine schwierige Frage.

Die orthodoxe Interpretation scheitert genau daran, dass sie den Beobachter zwingend außerhalb des quantenmechanischen Systems ansetzt und dass sie die Beobachtung selbst nicht quantenmechanisch erklären kann.

Die Everettsche "Viele-Welten-Interpretation" hat dieses Problem nicht, sie beruht auf weniger Postulaten als die orthodoxe Interpretation, und sie kann prinzipiell auf das Universum als Ganzes angewandt werden. Viele Physikern stören sich jedoch an den daraus folgenden Implikationen.
DerultimativeTrick



Anmeldungsdatum: 27.11.2016
Beiträge: 17

Beitrag DerultimativeTrick Verfasst am: 19. März 2017 19:46    Titel: Antworten mit Zitat

Vielleicht erzähle ich mal ein bisschen, was mich zu dieser Frage führt, dann ist es leichter darauf einzugehen.

Ich bin aktuell noch in der Kursstufe der gymnasialen Oberstufe, habe entsprechend eine grobe Ahnung von den Interpretationen der Quantenmechanik, aber von den mathematisch-technischen Formulierungen keinen blassen Schimmer.
Neben der Physik bin ich u.a. in der Volkswirtschaftslehre interessiert. Dort gibt es einen Streit darüber, inwieweit eine Ökonomie ergodisch ist. Das bezeichnet in diesem Fall die Annahme, dass Marktdaten der Vergangenheit equivalent zu einer “Stichprobe aus der Zukunft“ ist; das Ganze nennt sich “rationale Erwartungen“.

Die Ergodizität hat natürlich mit meiner Frage erstmal wenig zu tun. Aber tatsächlich verhält sich eine Volkswirtschaft völlig anders als etwa ein Gas, wo die Ergodizitätshypothese ja normalerweise zur Anwendung kommt (sofern ich das richtig verstehe). Denn hier gibt es vielfältige Rückkopplungseffekte, sodass Erwartungen über die Zukunft die Zukunft beeinflussen und vice versa. Also ist das Messgerät eben wirklich Teil des Systems.

Meine Überlegung ist diese, dass es für die Ergodizitätshypothese von fundamentaler Bedeutung ist, ob es möglich ist das System - also die Erde o.Ä. - und seine zukünftige Entwicklung relativ adäquat zu beschreiben.

Ja, ich weiß, dass das alles noch nicht ganz durchdacht ist, aber deshalb bin ich ja hier.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 19. März 2017 21:27    Titel: Antworten mit Zitat

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
... habe entsprechend eine grobe Ahnung von den Interpretationen der Quantenmechanik, aber von den mathematisch-technischen Formulierungen keinen blassen Schimmer.

Du wirst nicht umhinkommen, den Formalismus zu verstehen, wenn du die Interpretationen diskutieren möchtest, denn im Kern sind es ja Interpretationen des Formalismus.

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
... Das bezeichnet in diesem Fall die Annahme, dass Marktdaten der Vergangenheit equivalent zu einer “Stichprobe aus der Zukunft“ ist; das Ganze nennt sich “rationale Erwartungen“.

Das muss man in den Wirtschaftswissenschaften natürlich annehmen, da sie ansonsten als Disziplin kollabieren. Andererseits wissen wir, dass der "Zustandsraum" bereits von einfachen Systemen wie den Börsenkursen riesig ist, und dass gleichzeitig auch chaotisches Verhalten vorliegt.

Es hilft ja nichts, wenn ich weiß, dass irgendeine Stichprobe aus der Vergangenheit zu irgendeiner Situation in der Zukunft passt, das ist in selbstähnlichen, jedoch chaotischen Systemen trivialerweise der Fall. Man muss das schon spezifisch festlegen können. Ich bin mir z.B. sicher, dass das Wetter in drei Wochen irgendeinem Wetter vor ca. einem Jahr entspricht. Das ist eine wichtige Erkenntnis, hat aber keine Vorhersagekraft.

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
Denn hier gibt es vielfältige Rückkopplungseffekte, sodass Erwartungen über die Zukunft die Zukunft beeinflussen und vice versa. Also ist das Messgerät eben wirklich Teil des Systems.

Deine Schlussfolgerung "also" verstehe ich nicht. Wenn das Mesgerät nicht Teil des Systems wäre, könnte man über Rückkopplungen nicht sprechen. Wenn das Messgerät jedoch Teil des quantenmechanischen Systems ist, dann ist dieses Gesamtsystems linear, und es gibt keine nicht-lineare Rückkopplung.

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
Meine Überlegung ist diese, dass es für die Ergodizitätshypothese von fundamentaler Bedeutung ist, ob es möglich ist das System - also die Erde o.Ä. - und seine zukünftige Entwicklung relativ adäquat zu beschreiben.

Wir müssen die Fragestellung noch von beser im Kontext der Quantenmechanik verstehen.
Brillant



Anmeldungsdatum: 12.02.2013
Beiträge: 1973
Wohnort: Hessen

Beitrag Brillant Verfasst am: 19. März 2017 22:07    Titel: Antworten mit Zitat

Ich denke, solange wir forschen, ist eine genaue Modellierung der Zukunft nicht möglich. Denn forschen bedeutet: Wir wissen (noch) nicht.

Nimm mal das Wetter. In einem minimalen Bereich unserer Erde bewegt sich Luft. Die Erde hat einen Radius von ca. 6300 km, die Luft mit dem Wetter so um 15 km. Und dennoch kann dieser winzige Teilbereich nur für die nächsten Tage einigermaßen abgeschätzt / berechnet werden.

Und dann die Vorausberechnung der Lottozahlen. Die Kugeln sind in Gewicht und Größe bekannt, das Ziehungsgerät ebenfalls. Dennoch gelingt es nicht. Ist es fehlende Information, müssen wir noch forschen? Was fehlt denn da?

_________________
Glaubt nicht dem Hörensagen ... oder eingewurzelten Anschauungen, auch nicht den Worten eines verehrten Meisters; sondern was ihr selbst gründlich geprüft und als euch selbst und anderen zum Wohle dienend erkannt habt, das nehmt an. Siddhartha Gautama
DerultimativeTrick



Anmeldungsdatum: 27.11.2016
Beiträge: 17

Beitrag DerultimativeTrick Verfasst am: 19. März 2017 23:07    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Du wirst nicht umhinkommen, den Formalismus zu verstehen, wenn du die Interpretationen diskutieren möchtest, denn im Kern sind es ja Interpretationen des Formalismus.


Klar. Mir fehlen eben v.a. noch die mathematischen Grundlagen.....

TomS hat Folgendes geschrieben:

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
... Das bezeichnet in diesem Fall die Annahme, dass Marktdaten der Vergangenheit equivalent zu einer “Stichprobe aus der Zukunft“ ist; das Ganze nennt sich “rationale Erwartungen“.

Das muss man in den Wirtschaftswissenschaften natürlich annehmen, da sie ansonsten als Disziplin kollabieren. Andererseits wissen wir, dass der "Zustandsraum" bereits von einfachen Systemen wie den Börsenkursen riesig ist, und dass gleichzeitig auch chaotisches Verhalten vorliegt.

Es hilft ja nichts, wenn ich weiß, dass irgendeine Stichprobe aus der Vergangenheit zu irgendeiner Situation in der Zukunft passt, das ist in selbstähnlichen, jedoch chaotischen Systemen trivialerweise der Fall. Man muss das schon spezifisch festlegen können. Ich bin mir z.B. sicher, dass das Wetter in drei Wochen irgendeinem Wetter vor ca. einem Jahr entspricht. Das ist eine wichtige Erkenntnis, hat aber keine Vorhersagekraft.


Noch einmal etwas ausführlicher:
In der sog. Neoklassik ist oftmals die Annahme die, dass die Akteure aus den Marktdaten perfekt auf alle relevanten zukünftigen Zustände der Wirtschaft schließen können. Dass Menschen nur über begrenzten Zugang zu Information verfügen und das die Rechenkapazität eingeschränkt ist, ist trivial. Aber eine viel fundamentalere Gegenkritik lautet, dass das ergodische Axiom eben nicht gilt, sodass man von “radical uncertainty“ spricht. Beispielsweise war die Entwicklung von Autos oder Computern mitsamt ihren Auswirkungen vorher schlicht unvorstellbar. Und damit lässt sich die Frage nach der Effizienz eines Marktes a priori auch nicht mehr eindeutig beantworten, da ja manche Märkte für zukünftige Produkte in diesem Sinne noch gar nicht existieren.

Das mit der Stichprobe wurde zwar nicht von mir so formuliert, ist aber trotzdem etwas missverständlich. Noch einmal etwas anders formuliert: Man nimmt an, Wahrscheinlichkeitsberechnungen aus vergangenen Statistiken seien mit Datenproben aus der Zukunft äquivalent. Etwas provokant ausgedrückt ist die Zukunft nicht mehr als ein statistischer Schatten der Vergangenheit.

Und tatsächlich braucht die Wirtschaftswissenschaft ein ergodisches Fundament, ebenso wie die Politikwissenschaft, nicht. Das eigentliche Charakteristikum einer Marktwirtschaft ist schließlich, dass sie Dynamiken entwicklelt, die nicht vorausgesehen werden können. Das bedeutet nicht, dass dadurch Wirtschftswissenschaften grundsätzlich obsolet wären, sondern dass die Quantifizierbarkeit oftmals nicht gegeben ist. Natürlich müssen Vereinfachungen immer durchgeführt werden, aber es ist ein Unterschied ob ich für die Beschreibung eines Raketentriebwerks das thermodynamische Verhalten von Gasen vereinfache, oder ob ich a priori Wirtschaftskrisen wegdefiniere. Selbst wenn chaotisches Verhalten vorliegt, lassen sich zugrundeliegende Mechanismen identifizieren. Nur weil das Wetter ein nonlineares System ist, ist ja nicht gleich die Forschung über den Klimawandel (und das vereinfachte Darstellen von diesem Prozess) nutzlos!?

TomS hat Folgendes geschrieben:

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
Denn hier gibt es vielfältige Rückkopplungseffekte, sodass Erwartungen über die Zukunft die Zukunft beeinflussen und vice versa. Also ist das Messgerät eben wirklich Teil des Systems.

Deine Schlussfolgerung "also" verstehe ich nicht. Wenn das Mesgerät nicht Teil des Systems wäre, könnte man über Rückkopplungen nicht sprechen. Wenn das Messgerät jedoch Teil des quantenmechanischen Systems ist, dann ist dieses Gesamtsystems linear, und es gibt keine nicht-lineare Rückkopplung.


Das verstehe ich meinerseits nicht. Wieso gibt es dann keine nicht-lineare Rückkopplung?


TomS hat Folgendes geschrieben:

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
Meine Überlegung ist diese, dass es für die Ergodizitätshypothese von fundamentaler Bedeutung ist, ob es möglich ist das System - also die Erde o.Ä. - und seine zukünftige Entwicklung relativ adäquat zu beschreiben.

Wir müssen die Fragestellung noch von beser im Kontext der Quantenmechanik verstehen.


Meine Idee war, grundsätzlich etwas über die Möglichkeiten, ein System zu modellieren, zu erfahren, um von dort aus über die Sinnhaftigkeit eines ergodischen Axioms weiterdenken zu können.
DerultimativeTrick



Anmeldungsdatum: 27.11.2016
Beiträge: 17

Beitrag DerultimativeTrick Verfasst am: 19. März 2017 23:15    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen Dank auch für diesen Beitrag.

Brillant hat Folgendes geschrieben:
Ich denke, solange wir forschen, ist eine genaue Modellierung der Zukunft nicht möglich. Denn forschen bedeutet: Wir wissen (noch) nicht.

Das stimmt natürlich. Aber mir geht es aber auch um die prinzipielle “Beschreibbarkeit“ eines Systems - sozusagen als Untergrenze des Machbaren.

Brillant hat Folgendes geschrieben:

Nimm mal das Wetter. In einem minimalen Bereich unserer Erde bewegt sich Luft. Die Erde hat einen Radius von ca. 6300 km, die Luft mit dem Wetter so um 15 km. Und dennoch kann dieser winzige Teilbereich nur für die nächsten Tage einigermaßen abgeschätzt / berechnet werden.

Stimmt. Darauf bin ich im Beitrag darüber eingegangen.

Brillant hat Folgendes geschrieben:

Und dann die Vorausberechnung der Lottozahlen. Die Kugeln sind in Gewicht und Größe bekannt, das Ziehungsgerät ebenfalls. Dennoch gelingt es nicht. Ist es fehlende Information, müssen wir noch forschen? Was fehlt denn da?

Naja, diese Beispiel beschreibt ja meine Problemstellungen nicht. Es gibt ja objektiven Zufall in der Quantenmechanik oder der Thermodynamik, wo der 2.HS nur im statistischen Sinne gilt.
Brillant



Anmeldungsdatum: 12.02.2013
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Wohnort: Hessen

Beitrag Brillant Verfasst am: 20. März 2017 00:01    Titel: Antworten mit Zitat

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
Aber mir geht es aber auch um die prinzipielle “Beschreibbarkeit“ eines Systems - sozusagen als Untergrenze des Machbaren.
Deinen Startbeitrag habe ich auf die Physik bezogen. Doch dir geht es um Betriebs- oder Volkswirtschaft.

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
Etwas provokant ausgedrückt ist die Zukunft nicht mehr als ein statistischer Schatten der Vergangenheit.
Habe ich auch mal gedacht. Wenn man die Formel für die Kurve eines Aktienkurses findet, müsste sich diese Kurve ja logisch fortsetzen. Ist das deine Erfahrung?

Ich denke, aus dem "Schwung", der betriebs- oder volkswirtschaftlichen Prozessen innewohnt, kann man für die nahe Zukunft extreme Ausreißer ausschließen. So wie ein PKW bei 100 km/h keinen Haken schlagen kann wird ein ausgabefreudiges Volk nicht über Nacht geizig.

Und dann vergisst man eine winzige Kleinigkeit, von der alles abhängt. Hungersnot bei Stromausfall? Wahrscheinlich, die Kassen funktionieren nicht mehr und kein Supermarkt rückt freiwillig Nahrungsmittel raus. Die Datenverbindung ist unterbrochen? Es kann nicht mehr bargeldlos gezahlt werden. Und so weiter.

_________________
Glaubt nicht dem Hörensagen ... oder eingewurzelten Anschauungen, auch nicht den Worten eines verehrten Meisters; sondern was ihr selbst gründlich geprüft und als euch selbst und anderen zum Wohle dienend erkannt habt, das nehmt an. Siddhartha Gautama
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 20. März 2017 07:17    Titel: Antworten mit Zitat

Ich weiß nicht, ob uns die Ergodenhypothese hier weiterhilft; das ist ein völlig anderes Thema im Rahmen der klassischen Mechanik.

Zur Rückkopplung: Eine solche ist ohne Messgerät als Bestandteil des Systems nicht beschreibbar; wie soll eine Rückkopplung mit etwas aussehen, wenn dieses etwas nicht modelliert wird? Und wenn man das Messgerät als Bestandteil des Systems selbst betrachtet, dann ist die Dynamik des Systems entsprechend der Schrödingergleichung linear.
DerultimativeTrick



Anmeldungsdatum: 27.11.2016
Beiträge: 17

Beitrag DerultimativeTrick Verfasst am: 20. März 2017 11:17    Titel: Antworten mit Zitat

Brillant hat Folgendes geschrieben:
DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
Aber mir geht es aber auch um die prinzipielle “Beschreibbarkeit“ eines Systems - sozusagen als Untergrenze des Machbaren.
Deinen Startbeitrag habe ich auf die Physik bezogen. Doch dir geht es um Betriebs- oder Volkswirtschaft.

Ich kann mich da nur wiederholen:
Meine Idee war es, generell etwas über die grundsätzliche Beschreibbarkeit von Systemen zu lernen, um mit diesem Werkzeug und meinen Erkenntnissen mir Gedanken über die Volkswirtschaft und die Realität machen zu können.

Brillant hat Folgendes geschrieben:
DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
t;]Etwas provokant ausgedrückt ist die Zukunft nicht mehr als ein statistischer Schatten der Vergangenheit.
Habe ich auch mal gedacht. Wenn man die Formel für die Kurve eines Aktienkurses findet, müsste sich diese Kurve ja logisch fortsetzen. Ist das deine Erfahrung?

Ich denke, aus dem "Schwung", der betriebs- oder volkswirtschaftlichen Prozessen innewohnt, kann man für die nahe Zukunft extreme Ausreißer ausschließen. So wie ein PKW bei 100 km/h keinen Haken schlagen kann wird ein ausgabefreudiges Volk nicht über Nacht geizig.

Und dann vergisst man eine winzige Kleinigkeit, von der alles abhängt. Hungersnot bei Stromausfall? Wahrscheinlich, die Kassen funktionieren nicht mehr und kein Supermarkt rückt freiwillig Nahrungsmittel raus. Die Datenverbindung ist unterbrochen? Es kann nicht mehr bargeldlos gezahlt werden. Und so weiter.


Absolut korrekt. Das interessante ist ja, dass eben doch langfristige Vorhersagen getroffen werden können. Dazu gehören auch “sudden shifts“ in einer Ausgabenfreude, wie von dir oben beschrieben, wenn beispielsweise die Zusammensetzung der Gesamtnachfrage vorher nicht nachhaltig war bzw. extrapolative Einkommenserwartungen vorherrschen.
Entsprechend kann kein Anspruch erhoben werden, die Welt in ihrer Gesamtheit zu erklären, aber Probleme und Mechanismen und die resultierenden Anpassungsprozesse können prognostiziert werden.


Zuletzt bearbeitet von DerultimativeTrick am 20. März 2017 20:53, insgesamt einmal bearbeitet
DerultimativeTrick



Anmeldungsdatum: 27.11.2016
Beiträge: 17

Beitrag DerultimativeTrick Verfasst am: 20. März 2017 11:42    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Zur Rückkopplung: Eine solche ist ohne Messgerät als Bestandteil des Systems nicht beschreibbar; wie soll eine Rückkopplung mit etwas aussehen, wenn dieses etwas nicht modelliert wird? Und wenn man das Messgerät als Bestandteil des Systems selbst betrachtet, dann ist die Dynamik des Systems entsprechend der Schrödingergleichung linear.


Kannst du für, die Dümmeren unter uns, nochmal erläutern warum ein Beobachter im System eine Linearität impliziert?


Vielleicht, um die Diskussion wieder in konstruktivere Bahnen zu lenken, modifiziere ich meine Frage ein wenig:
Wie sieht es mit der Beschreibbarkeit aus, wenn wir annehmen, dass das beobachtbare Universum sei ein abgeschlossenes System? Ist es dann theoretisch möglich die Zukunft bzw. alle möglichen Ausgänge und ihre dazugehörigen Wahrscheinlichkeiten in begrenzter Zeit und Rechenkapazität zu bestimmen?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 20. März 2017 16:06    Titel: Antworten mit Zitat

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
Kannst du für, die Dümmeren unter uns, nochmal erläutern warum ein Beobachter im System eine Linearität impliziert?

Wenn ich den Beobachter als Teil des quantenmechanischen Systems betrachte, dann muss ich ihn bzw. das gesamte System auch quantenmechanisch beschreiben. Die Quantenmechanik, d.h. deren Dynamik = die Zeitentwicklung auf Basis der Schrödingergleichung ist jedoch immer streng linear.

Man kann nun zwar im Kontext der Quantenfeldtheorie nicht-linearen Terme in den Feldoperatoren betrachten, die Zeitentwicklung der quantenmechanischen Zustände ist jedoch streng linear.

Bsp. QED: ich habe einen nicht-linearen Wechselwirkungsterm



zwischen zwei Fermionenfeldern psi und einem Eichfeld A.

Die Zeitentwicklung eines Zustandes erfolgt jedoch linear mittels des Hamiltonoperators H bzw. dem Zeitentwicklunsgoperator U(t)





Linear bedeutet, dass das Superpositionsprinzip für Zustände unter Zeitentwicklung gültig bleibt



In Worten: die Zeitentwicklung einer Summe von Zuständen entspricht der Summe der Zeitentwicklungen von Zuständen.

Insofern kennt die Quantenmechanik keine Nichtlinearitäten.
DerultimativeTrick



Anmeldungsdatum: 27.11.2016
Beiträge: 17

Beitrag DerultimativeTrick Verfasst am: 20. März 2017 22:16    Titel: Antworten mit Zitat

Dankeschön. Das leuchtet mir jetzt halbwegs ein.

Wie sieht's im Bezug darauf aus:

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:


Vielleicht, um die Diskussion wieder in konstruktivere Bahnen zu lenken, modifiziere ich meine Frage ein wenig:
Wie sieht es mit der Beschreibbarkeit aus, wenn wir annehmen, dass das beobachtbare Universum sei ein abgeschlossenes System? Ist es dann theoretisch möglich die Zukunft bzw. alle möglichen Ausgänge und ihre dazugehörigen Wahrscheinlichkeiten in begrenzter Zeit und Rechenkapazität zu bestimmen?


Das wäre ja eigentlich die ursprüngliche Frage.....
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 21. März 2017 06:33    Titel: Antworten mit Zitat

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
Wie sieht es mit der Beschreibbarkeit aus, wenn wir annehmen, dass das beobachtbare Universum sei ein abgeschlossenes System? Ist es dann theoretisch möglich die Zukunft bzw. alle möglichen Ausgänge und ihre dazugehörigen Wahrscheinlichkeiten in begrenzter Zeit und Rechenkapazität zu bestimmen?

Ein Computer hat eine endliche Speicherkapazität. Um den Zustand des Universums zu beschreiben benötigen wir unendlich viel Information.

Der Computer ist selbst Bestandteil des Universums und somit Teil des zu betrachtenden quantenmechanischen Systems. Er müsste also in endlicher Zeit seine eigene unendliche Zukunft berechnen. Und er müsste sich selbst plus den Rest des Universums als Daten enthalten.

Ich denke daher, dass selbst wenn wir einen Satz von Gleichungen einer umfassenden Theorie finden, die es uns erlaubt, diese Fragestellung prinzipiell mathematisch zu formulieren, dass wir dennoch praktisch nicht in der Lage sind, die Anfangsbedingungen vollständig ein einen Computer einzuspeichern.
DerultimativeTrick



Anmeldungsdatum: 27.11.2016
Beiträge: 17

Beitrag DerultimativeTrick Verfasst am: 21. März 2017 13:35    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
Wie sieht es mit der Beschreibbarkeit aus, wenn wir annehmen, dass das beobachtbare Universum sei ein abgeschlossenes System? Ist es dann theoretisch möglich die Zukunft bzw. alle möglichen Ausgänge und ihre dazugehörigen Wahrscheinlichkeiten in begrenzter Zeit und Rechenkapazität zu bestimmen?

Ein Computer hat eine endliche Speicherkapazität. Um den Zustand des Universums zu beschreiben benötigen wir unendlich viel Information.

Der Computer ist selbst Bestandteil des Universums und somit Teil des zu betrachtenden quantenmechanischen Systems. Er müsste also in endlicher Zeit seine eigene unendliche Zukunft berechnen. Und er müsste sich selbst plus den Rest des Universums als Daten enthalten.


Kannst du mir nochmal erklären, warum man für die Zustandsbeschreibung eines quantenmechanischen Systems unendlich viel Information benötigt?!

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich denke daher, dass selbst wenn wir einen Satz von Gleichungen einer umfassenden Theorie finden, die es uns erlaubt, diese Fragestellung prinzipiell mathematisch zu formulieren, dass wir dennoch praktisch nicht in der Lage sind, die Anfangsbedingungen vollständig ein einen Computer einzuspeichern.

Dass man praktisch dazu nicht in der Lage ist bzw. sein wird, ist natürlich trivial.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 25. März 2017 09:47    Titel: Antworten mit Zitat

DerultimativeTrick hat Folgendes geschrieben:
Kannst du mir nochmal erklären, warum man für die Zustandsbeschreibung eines quantenmechanischen Systems unendlich viel Information benötigt?

Nehmen wir als einfaches Beispiel einen ein-dim. harmonischen Oszillator mit Eigenzuständen |n>. Ein allgemeiner Zustand lautet



Bereits für dieses einfache System muss ich unendlich viele komplexe Zahlen psi_n angeben bzw. in einen klassischen Computer füttern, um den Quantenzustand psi eindeutig festlegen zu können. Damit könnte ich die Zeitentwicklung



eindeutig berechnen.

Der einzige Weg, diese Information kompakter zu speichern ist, den Zustand psi selbst in einen Quantencomputer zu füttern, also sozusagen direkt



zu berechnen. psi bzw. die gesamte Information ist dann in genau diesem einen quantenmechanischen Zustand gespeichert.

Wenn man das nun für das Universum tun wollte und dabei ohne einen klassischen Computer auskommen wollte, dann müsste psi dem Quantenzustand des Universum selbst entsprechen. Ich kann nicht erkennen, dass eine treue Abbildung des Universums auf ein einfacheres System existiert, das man in einen einfacheren Quantencomputer füttert (der im Universum selbst enthalten wäre) der die Zeitentwicklung des Universums exakt berechnet. Das effizienteste Quantensystem und der effizienteste Quantencomputer zur exakten Berechnung der Zeitentwicklung des Universums ist m.M.n. das Universum selbst.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
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