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Annäherung an Schwarzes Loch
 
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c0cllc



Anmeldungsdatum: 08.03.2022
Beiträge: 31

Beitrag c0cllc Verfasst am: 03. Jan 2024 09:00    Titel: Annäherung an Schwarzes Loch Antworten mit Zitat

Zunächst wünsche Allen ich ein frohes Neues Jahr!

Mich interessiert Eure Expertise zu einer besonderen Konstellation, die ich zunächst kurz beschreibe.

Beobachtet man aus der Entfernung ein Objekt, das sich dem Ereignishorizont eines Schwarzen Loches nähert, so heisst es, dass für den entfernten Beobachter irgendwann der Eindruck entstehen wird, es würde langsamer werden - obwohl es sogar beschleunigt. Der Grund dafür ist die zunehmende Zeitdilatation - soweit klingt Alles plausibel.

Da das Ganze jedoch wie ein Bremsvorgang erscheint, stellt sich folgende Frage bezüglich eines idealisierten, nicht rotierenden Schwarzen Loches:

Wenn das Objekt beginnen sollte, entgegengesetzt zu beschleunigen und auf diese Weise den Punkt erreichen könnte, an dem es relativ zum Schwarzen Loch ruht - was passiert dann aus Sicht des entfernten Beobachters, sobald es vom Gaspedal wieder runter geht? Langsamer kann es ja nicht mehr werden, wie äußert sich die Zeitdilatation für den beobachteten Bewegungsvorgang jetzt? Das Objekt würde ja wieder in Richtung Ereignishorizont beschleunigen und der externe Beobachter müsste das ebenfalls sehen. Gleichzeitig wäre das paradox, denn Alles andere, was sich auf den Ereignishorizont zubewegt, nimmt er in abbremsender Form wahr.

Oder würde das Objekt aus Sicht des Beobachters einfach in dem entsprechenden Abstand vom Ereignishorizont stehenbleiben, bei dem es die Beschleunigungswirkung des Schwarzen Loches anhand der eigenen Beschleunigung aufgehoben hatte? Das wäre ebenfalls paradox, da es aus der eigenen Perspektive dem Ereignishorizont schließlich wieder näherkommt. Der externe Beobachter würde diese Information nicht mehr erhalten - was ja eigentlich so ähnlich wäre, als hätte sich der Ereignishorizont an den Punkt verschoben, wo das Objekt zum Stillstand kam.

Ich bin sehr neugierig auf Eure Antwort!
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18080

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Jan 2024 16:44    Titel: Antworten mit Zitat

Man muss präzise definieren, was "aus Sicht des externen Beobachters" genau bedeutet.

1. Was du üblicherweise liest, bezieht sich auf den Zeitverlauf des externen Beobachters, d.h. dessen Eigenzeit, mathematisch extrapoliert hin zum Schwarzen Loch (singulär am Ereignishorizont). Das ist nichts, was der externe Beobachter tatsächlich beobachtet, es ist lediglich das, was er in seinen Koordinaten berechnet.

2. Was du üblicherweise nicht liest, ist das was der externe Beobachter tatsächlich beobachtet, also Lichtsignale ausgehend vom Objekt. Dabei gibt es drei Effekte:
a) Lichtsignale, i) ausgesandt näher am Ereignishorizont sowie ii) bei zunehmender Geschwindigkeit werden vom externen Beobachter zunehmend rotverschoben wahrgenommen; beide Effekte i) und ii) überlagern sich
b) zeitlich äquidistante Lichtsignale (bzgl. der Eigenzeit des Objektes, also gemessen auf dessen Borduhr), i) ausgesandt näher am Ereignishorizont sowie ii) bei zunehmender Geschwindigkeit werden vom externen Beobachter in immer größeren zeitlichen Abständen wahrgenommen; beide Effekte i) und ii) überlagern sich
c) das Objekt erscheint wie üblich zunehmend verkleinert

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.


Zuletzt bearbeitet von TomS am 03. Jan 2024 17:31, insgesamt 4-mal bearbeitet
c0cllc



Anmeldungsdatum: 08.03.2022
Beiträge: 31

Beitrag c0cllc Verfasst am: 03. Jan 2024 17:19    Titel: Antworten mit Zitat

Gemeint habe ich die übliche Wahrnehmung des Beobachters hinsichtlich der Bewegungsabläufe, unabhängig von der Rotverschiebung und Verformung:

1. Ein Beobachter, der sich gegenüber einem entfernten Schwarzen Loch im Ruhezustand befindet, sieht ein Objekt, dass sich (gravitationsbedingt) beschleunigend in dessen Richtung bewegt.

2. Er beobachtet irgendwann, wie die Beschleunigung beginnt abzunehmen.

3. Er beobachtet irgendwann, wie die Geschwindigkeit beginnt abzunehmen.

4. Er beobachtet irgendwann, dass sich das Objekt nicht mehr in Richtung des SLs bewegt. Denn es beschleunigt aktiv in die entgegengesetzte Richtung. Diese Information erreicht den Beobachter natürlich stark zeitversetzt, das spielt jedoch keine Rolle.

5. Er sieht ein zweites Objekt in der Nähe des Ersten, dass ebenfalls in Richtung des SL unterwegs ist und immer langsamer wird.

6. Was sieht er - natürlich wieder stark zeitversetzt - nachdem das erste Objekt wieder vom Gas geht? Nehmen wir doch mal an, dass dies genau dann erfolgt, wenn das zweite Objekt direkt neben Objekt 1 ist (im gleichen Abstand vom SL, wie es selbst). Wird er das Erste beschleunigen und das Zweite abbremsen sehen?


Zuletzt bearbeitet von c0cllc am 03. Jan 2024 17:44, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18080

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Jan 2024 17:43    Titel: Antworten mit Zitat

c0cllc hat Folgendes geschrieben:
Gemeint habe ich die übliche Wahrnehmung des Beobachters, unabhängig von der Rotverschiebung

Ok, also dann meine Option 2b)

c0cllc hat Folgendes geschrieben:
1. Ein Beobachter, der sich gegenüber einem entfernten Schwarzen Loch im Ruhezustand befindet, sieht ein Objekt, dass sich (gravitationsbedingt) beschleunigend in dessen Richtung bewegt …

Nein. Er sieht keine Geschwindigkeit oder Beschleunigung; er sieht immer nur Lichtsignale. Daraus kann er Geschwindigkeit und Beschleunigung berechnen, aber das ist ein theoretisches Konstrukt.

Eine Geschwindigkeit ist immer eine Geschwindigkeit bzgl. eines Bezugsystems, letztlich bzgl. eines konkreten Beobachters. Nun kannst du einen zweiten, stationären Beobachter einführen, an dem das Objekt sehr nahe vorbeifliegt. Dann ist die Berechnung einer Relativgeschwindigkeit sinnvoll, aber das ist nicht das, was du fragst.

Du legst hingegen fest, dass aus Sicht eines weiter entfernten stationären Beobachters argumentiert wird. Dann ist das Konzept der Relativgeschwindigkeit für ein weit entferntes Objekt mathematisch fragwürdig, und es ist ohnehin nicht das, was der Beobachter beobachtet; er sieht Lichtsignale bzw. Bilder, die a) röter werden, b) zeitlich weiter auseinander liegen, und c) kleiner erscheinen.

Nochmal: er sieht keine Geschwindigkeit oder Beschleunigung. Auch du siehst das z.B. im Straßenverkehr nicht; dein Gehirn – genauer: dein Sehzentrum – berechnet es aufgrund der Strahlensätze der euklidischen Geometrie, unter Zuhilfenahme eines stationären Hintergrundes wie einer Landschaft. Nichts davon trifft auf deinen Fall zu.

Um das Problem zu vereinfachen, lässt man das Sehzentrum außen vor und berechnet für 2b) und für zeitlich äquidistant ausgesandte Signale (bzgl. der Eigenzeit des Senders) die zeitlichen Abstände bzgl. der Eigenzeit des Empfängers.

Und das betrachtet man nochmals vereinfacht für die flache Raumzeit ohne Schwarzes Loch, weil man bereits da eine erstaunliche Entdeckung macht.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 03. Jan 2024 23:41, insgesamt 2-mal bearbeitet
c0cllc



Anmeldungsdatum: 08.03.2022
Beiträge: 31

Beitrag c0cllc Verfasst am: 03. Jan 2024 17:47    Titel: Antworten mit Zitat

Ok - mir ist bewusst, dass wir nur Lichtsignale empfangen und unser Gehirn daraus ein Bild zaubert.

Deshalb formuliere ich es folgendermaßen:

Was würde mir eine Person erzählen, die das Ganze mit einem Teleskop beobachtet?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18080

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Jan 2024 18:00    Titel: Antworten mit Zitat

c0cllc hat Folgendes geschrieben:
Was würde mir eine Person erzählen, die das Ganze mit einem Teleskop beobachtet?

Siehe oben …
TomS hat Folgendes geschrieben:
… sie [die Person] sieht Lichtsignale bzw. Bilder, die a) röter werden, b) zeitlich weiter auseinander liegen, und c) kleiner erscheinen.

Lass' es uns 2b) bitte durchrechnen, aber erst am Sonntag, bis dahin bin ich noch im Urlaub. Und lass' uns bitte erst den Fall ohne Schwarzes Loch betrachten.

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c0cllc



Anmeldungsdatum: 08.03.2022
Beiträge: 31

Beitrag c0cllc Verfasst am: 03. Jan 2024 20:33    Titel: Antworten mit Zitat

Danke Dir! Thumbs up!
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 06. Jan 2024 16:41    Titel: Re: Annäherung an Schwarzes Loch Antworten mit Zitat

c0cllc hat Folgendes geschrieben:

Wenn das Objekt beginnen sollte, entgegengesetzt zu beschleunigen und auf diese Weise den Punkt erreichen könnte, an dem es relativ zum Schwarzen Loch ruht - was passiert dann aus Sicht des entfernten Beobachters, sobald es vom Gaspedal wieder runter geht?

Qualitativ betrachtet gilt:

Der entfernte Beobachter sieht ein stationäres Objekt (r=const.) mit einer konstanten Rotverschiebung, die vom Abstand dieses Objekts vom Ereignishorizont abhängig ist.

Geht das Objekt in den freien Fall über, sieht der entfernte Beobachter eine zunehmende Rotverschiebung des Objekts, da zur gravitativen Zeit Dilatation eine Doppler-Rotverschiebung hinzu kommt.

Die interessante Frage ist, wie stellt sich das aus der Sicht des Objekts dar?

Das stationäre Objekt sieht die Außenwelt blauverschoben, im freien Fall jedoch rotverschoben! Hier muss die gravitative Blauverschiebung mit der Doppler-Rotverschiebung verrechnet werden. Beim Durchgang durch den Ereignishorizont erhält man die Rotverschiebung z=1.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18080

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Jan 2024 10:08    Titel: Antworten mit Zitat

Um die Annäherung eines Objektes an ein SL aus Sicht eines stationären Beobachters zu beschreiben, muss man zwei Dinge tun:
1) Zeitverlauf des zum SL hin bewegten Beobachters vs. des stationären Beobachters
2) Empfang von Lichtstrahlen beim stationären Beobachter, ausgesandt vom bewegten Beobachter

Ich demonstriere mal kurz, wie das für einen beschleunigten Beobachter in einer flachen Raumzeit aus. Die Eigenzeit dieses Beobachters sei tau, die Beschleunigung sei a. Die Weltlinie (t,x) des beschleunigten Beobachters in Minkowski-Koordinaten lautet (das ist ein etwas vereinfachter Fall, der aber das wesentliche zeigt)



Man betrachtet nun aus Sicht des beschleunigten Beobachters in dessen Eigenzeit Ticks



zu Zeiten



Zu diesen Zeiten werden Lichtsignale vom beschleunigten Beobachter an Raumzeitpunkten mit Koordinaten



an den bei x=0 ruhenden Beobachter ausgesandt. Die Weltlinien dieser Lichtsignale lauten:



Die Empfangszeitpunkte folgen aus x=0 zu



D.h. letztlich, dass die zunehmende Zeitdilatation für den beschleunigten Beobachter zu immer längeren zeitlichen Abständen zwischen dem Empfang zweier Signale in der Zeit t d.h. der Eigenzeit des bei x=0 ruhenden Beobachters entspricht.

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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18080

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Jan 2024 12:05    Titel: Antworten mit Zitat

Am besten zeichnest du mal Graphen in ein Minkowski-Diagramm.

Der nächste Schritt wäre der umgekehrte Fall, dass der stationäre Beobachter die Signale aussendet und der beschleunigte Beobachter empfängt. Man erkennt, dass ein Horizont vorliegt, "hinter dem" der stationäre Beobachter "verschwindet", d.h. in einen Bereich gelangt, aus dem der beschleunigte Beobachter keine Signale empfangen kann; der Horizont verschwindet, wenn der Beobachter nicht mehr beschleunigt. Du kannst nun beliebige Weltlinien aus konstanten und beschleunigten Abschnitten konstruieren.

Die Rechnungen kannst du evtl. selbst durchführen. Excel hilft ebenfalls.

Das ist natürlich nicht vergleichbar mit dem Fall in ein SL, aber es zeigt die Idee, was es bedeutet, dieses "aus Sicht eines Beobachters" zu interpretieren.

Was hilft das jetzt? Sehr viel, wenn man Penrose-Diagramme betrachtet.

https://tikz.net/relativity_penrose_diagram/

Diese sind mathematisch so konstruiert, dass die wichtigsten Eigenschaften der Minkowski-Diagramme erhalten bleiben: Lichtstrahlen haben 45°-Winkel, Beobachter bewegen sich immer im lokalen Vorwärts-Lichtkegel. D.h. die Konstruktion beliebiger Weltlinien aus konstanten und beschleunigten Abschnitten von oben funktioniert (fast) identisch (fast, denn was nicht gilt ist, dass unbeschleunigte Beobachter Geraden folgen, und dass man die in Eigenzeit äquidistanten Punkte auf einer Weltlinie einfach findet).

Kannst du deine Frage mal im Kontext eines Penrose-Diagramms formulieren?



IMG_3654.png
 Beschreibung:
Penrose diagram Schwarzschild black hole

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TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18080

Beitrag TomS Verfasst am: 12. Jan 2024 19:15    Titel: Antworten mit Zitat

Ein Kommentar zum Diagramm:

Die violetten, vertikal verlaufenden gekrümmten Linien außerhalb des Horizontes bezeichnen konstanten Radius. Ein Raumschiff A auf einer derartigen Linie würde stillstehen und in unendlich ferner Zukunft i+ erreichen; ein Raumschiff B auf der grünen Linie nähert sich dem EH und überquert diesen.

Der außenstehende stationäre Beobachter auf einer weiter außen liegenden violetten Linien empfängt Lichtsignale von beiden Raumschiffen. Raumschiff A ist ebenfalls stationär, Raumschiff B entfernt sich. Die Argumentation mit zeitlich äqudistanten Lichtsignalen ist aufgrund der Zeitdilatation für A und B ziemlich undurchsichtig. Jedenfalls erscheint Raumschiff B zunehmend kleiner, Raumschiff A dagegen nicht.

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