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Die Physik - ein baufälliger Turm von Babel - Seite 2
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VeryApe



Anmeldungsdatum: 10.02.2008
Beiträge: 3252

Beitrag VeryApe Verfasst am: 14. Jan 2016 07:37    Titel: Antworten mit Zitat

jh8979 hat Folgendes geschrieben:

Jetzt magst Du einwenden, dass die Physik ja trotzdem ganz anders sein könnte. Das stimmt, allerdings stimmen die Beobachtungen mit der Annahme, dass die Kernphysik so funktioniert wie auf der Erde mit denselben Parametern sehr gut überein. Solange Du also kein gutes Gegenmodell liefern kannst, dass diese Werte genauso gut vorhersagt*, gibt es wenig Gründe diese Annahme zu verwerfen.


Ein neues Model würde für mich ja keinen Sinn machen, weil ein Model sich auf Experimente stützen muß und die Experimente sind leider lokal gebunden, daher können diese Modelle auch nur lokal gültig sein. Ob sie darüber hinaus gültig sind, sind doch wage Vermutung und nicht mehr als Geschichten.

Im Film Schiffbruch mit einem Tiger sagt der Inder zum Reporter.
Ich habe Ihnen jetzt 2 Geschichten erzählt einmal die mit den Tiger, Affen, Zebra Hyäne,, und einmal die mit den Menschen beide kommen zum selben Resultat und beide sind nicht überprüfbar, welche Geschichte ist die schönere... genauso ist es mit Gott.

Für mich macht es keinen Unterschied ob ich an den Urknall, das heilige Spaghettimonster oder Gott glauben soll.
Alles nicht mehr als Geschichten und Vermutungen.
In dieser Hinsicht sind doch Physiker auch nicht mehr als Geschichtenerzähler.
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8583

Beitrag jh8979 Verfasst am: 14. Jan 2016 07:51    Titel: Antworten mit Zitat

VeryApe hat Folgendes geschrieben:

Für mich macht es keinen Unterschied ob ich an den Urknall, das heilige Spaghettimonster oder Gott glauben soll.
Alles nicht mehr als Geschichten und Vermutungen.
In dieser Hinsicht sind doch Physiker auch nicht mehr als Geschichtenerzähler.

Wenn Du das ernsthaft denkst, hast Du offensichtlich das Wesen der Wissenschaft nicht verstanden.
Zufall oder Gott?
Gast





Beitrag Zufall oder Gott? Verfasst am: 14. Jan 2016 12:27    Titel: Antworten mit Zitat

Niemand erwartet von der Physik, die Ursache der physikalischen Wechselwirkungen auf Gott zurückzuführen, was jedoch die heutige Physik tut, in dem der Zufall letztlich für das Geschehen verantwortlich gemacht wird. Das ist eine naive komische religiöse Haltung, denn das Wort Zufall kann ohne weiteres durch „Gott“ ersetzt werden. Die Quantenmechanik funktioniert absolut deterministisch (unitäre Zeitentwicklung) und anschaulich. Zufall in Physik hat keinen Platz.
Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 14. Jan 2016 13:09    Titel: Antworten mit Zitat

@Zufall oder Gott: Es gibt einen Formalismus, der sehr gut funktioniert. Seine Interpretation ist Aufgabe der Philosophie, nicht der Physik. Wenn sich einige Physiker damit beschäftigen, so tun sie das aus Interesse.
Und nein, Zufall kann nicht durch Gott ersetzt werden. Nicht einmal Einstein hätte das gesagt!
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 14. Jan 2016 13:24    Titel: Antworten mit Zitat

Das heißt, das Funktionieren des Formalismus zu beurteilen ist Aufgabe der Philosophie? Oder woher weißt du wie gut er funktioniert ohne ihn zu interpretieren?
Gott oder Zufall
Gast





Beitrag Gott oder Zufall Verfasst am: 14. Jan 2016 13:27    Titel: Antworten mit Zitat

1-Was ist dann der Unterschied zwischen Gott und Zufall in diesem Kontext?

2-Ich habe behauptet, dass quantenmechanische Prozess absolut determiniert und anschaulich sind.
Ich kann mit absoluter Sicherheit diese Behauptung beweisen.Hast Du Fragen dazu?
as_string
Moderator


Anmeldungsdatum: 09.12.2005
Beiträge: 5789
Wohnort: Heidelberg

Beitrag as_string Verfasst am: 14. Jan 2016 13:35    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das heißt, das Funktionieren des Formalismus zu beurteilen ist Aufgabe der Philosophie? Oder woher weißt du wie gut er funktioniert ohne ihn zu interpretieren?

Na, ich dachte durch Experimente und deren Übereinstimmung mit der Theorie.

Gott oder Zufall hat Folgendes geschrieben:
1-Was ist dann der Unterschied zwischen Gott und Zufall in diesem Kontext?

Einmal hast Du eine Allmächtige Entität, die ein Bewusstsein hat und auch bewusst irgendetwas beeinflusst/tut, einmal eben nicht. Das ist schon ein Unterschied, denke ich.

Außerdem bist Du ja Zarathustra, also gesperrt. Alle weiteren Posts von Dir werden gelöscht.

Gruß
Marco
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 14. Jan 2016 13:43    Titel: Antworten mit Zitat

as_string hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das heißt, das Funktionieren des Formalismus zu beurteilen ist Aufgabe der Philosophie? Oder woher weißt du wie gut er funktioniert ohne ihn zu interpretieren?

Na, ich dachte durch Experimente und deren Übereinstimmung mit der Theorie.


Muß ich dazu nicht die Formeln interpretieren? Woher weiß ich sonst, ob so eine Übereinstimmung vorliegt? Wenn ich dir nur verrate, daß irgendeine Funktion, sagen wir Psi, an irgendeiner Stelle ihres Definitionsbereiches, sagen wir x, das Betragsquadrat 0.42 hat, wie willst du dann prüfen, ob das mit irgendeinem Experiment übereinstimmt?

Worauf ich hinaus will: Es ist, denke ich, eine Illusion zu denken, daß man sich auf einem "funktionierenden" Formalismus zurückziehen kann, und fundamentale Fragen wie der Bedeutung dieses Formalismus den Philosophen überläßt. Mit uninterpretierten Formalismen kann man nicht viel anfangen. Die Frage ist also nicht, ob man ihn interpretiert, sondern wie und wie explizit man dies tut.
as_string
Moderator


Anmeldungsdatum: 09.12.2005
Beiträge: 5789
Wohnort: Heidelberg

Beitrag as_string Verfasst am: 14. Jan 2016 15:48    Titel: Antworten mit Zitat

OK, vielleicht meinen wir verschiedene Dinge mit "Formalismus" und "Interpretation". Ich meine eben schon, dass Physik zumindest so weit geht, dass eine Theorie in der Natur überprüfbare Aussagen macht. Das "Formalismus" zu nennen ist aber auch nicht ausreichend, das gebe ich zu.
Umgekehrt ist für mich "Interpretation" eher so etwas wie Kopenhagener Deutung oder so, die nicht unbedingt nötig ist, um die Theorie korrekt anwenden zu können und falsifizierbare Ergebnisse zu bekommen.

Aber ich glaube, Du meinst mit "Interpretation" etwas anderes?

Gruß
Marco
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5049

Beitrag DrStupid Verfasst am: 14. Jan 2016 17:55    Titel: Antworten mit Zitat

VeryApe hat Folgendes geschrieben:
Für mich macht es keinen Unterschied ob ich an den Urknall, das heilige Spaghettimonster oder Gott glauben soll.


Deshalb hat Glaube in der Naturwissenschaft auch nichts verloren.
Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 14. Jan 2016 19:30    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das heißt, das Funktionieren des Formalismus zu beurteilen ist Aufgabe der Philosophie? Oder woher weißt du wie gut er funktioniert ohne ihn zu interpretieren?


Ein guter Einwand, danke! Hat mich erstmal in Schrecken versetzt beim Lesen.^^ Ich finde trotzdem, daß es einen Unterschied zwischen Interpretation im Sinne einer Verbindung zwischen Theorie und Experiment und Interpretation im Sinne z.B. der Many-Worlds-Interpretation oder der Bohmschen Mechanik gibt. Zwischen Theorie und Experiment muß ständig interpretiert werden: Eine Theorie kann Meßergebnisse interpretieren, aber z.B. die Bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpretation liefert eine Interpretation in die andere Richtung, die einem rein mathematischen "Feature" eine unmittelbare Bedeutung gegeben hat und die Theorie daher falsifizierbar macht (ich meinte aber mit "Formalismus" eigentlich den Formalismus mitsamt seiner experimentellen Interpretation; klar gab es auch Formalismen, deren Interpretation lange Zeit unklar oder gar falsch war, wie die Klein-Gordon- und Dirac-Gleichung, aber das meinte ich eigentlich nicht mit "Formalismus"). Bei den oben genannten Interpretationen gibt es aber keine Rückkopplung: Es handelt sich um theoretische Mechanismen, die einen mathematischen Formalismus über eine Meßvorschrift hinaus interpretieren. Sie sind Fortsätze einer Theorie, deren Falsifikation in ihrer jetzigen Form prinzipiell unmöglich ist. Sie sind nicht Gegenstand der Naturwissenschaften. Das ändert sich natürlich, falls sie jemals falsifizierbar werden sollten.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 14. Jan 2016 19:44    Titel: Antworten mit Zitat

as_string hat Folgendes geschrieben:
OK, vielleicht meinen wir verschiedene Dinge mit "Formalismus" und "Interpretation". Ich meine eben schon, dass Physik zumindest so weit geht, dass eine Theorie in der Natur überprüfbare Aussagen macht. Das "Formalismus" zu nennen ist aber auch nicht ausreichend, das gebe ich zu.


Ich nehme an die Aussage, nach der die Wahrscheinlichkeit pro Volumen ist, ein Teilchen am Ort x zu finden, gehört zu dieser Art in der Natur prüfbaren Aussagen. Würdest du sie aber zum Formalismus zählen? Born hat versucht den in Form der Wellenmechanik damals schon recht gut entwickelten Formalismus der Quantenmechanik auf Stoßprozesse anzuwenden und wurde so zu seiner Regel geführt. Vorher hat der Formalismus der QM allerdings auch schon "ganz gut funktioniert", z.B. bei der Erklärung von Atomspektren. Es war lediglich nicht klar, ob die Quantenmechanik überhaupt überprüfbare Aussagen über nichtstationäre Fälle, in denen sich der Zustand ändert, machen kann. Es erschien durchaus plausibel, daß man für die Beschreibung der "Quantensprünge" selbst, die zu den beobachtbaren Spektren führen, einen erweiterten Formalismus benötigt.

Erst wenn man die Wellenfunktion als Wahrscheinlichkeitsamplitude interpretiert, weiß man, welche Art von Daten aus Teilchenbeschleunigern man überhaupt mit der Theorie zu vergleichen hat.

Zitat:

Umgekehrt ist für mich "Interpretation" eher so etwas wie Kopenhagener Deutung oder so, die nicht unbedingt nötig ist, um die Theorie korrekt anwenden zu können und falsifizierbare Ergebnisse zu bekommen.

Aber ich glaube, Du meinst mit "Interpretation" etwas anderes?


Ich meine mit Interpretation etwas, was mir sagt, was die Formeln bedeuten, über welche Elemente der Realität sie etwas aussagen. (Bzw. wie die Realität als ganzes auszusehen hätte, damit die Formeln stimmen.) Insofern sehe ich die Kopenhagener Deutung schon als eine, allerdings falsche, Interpretation der Quantenmechanik an.

Jede moderne Interpretation akzeptiert in der einen oder anderen Form die Bornsche Regel oder sie ist empirisch unvollständig. Deswegen erscheinen Unterschiede in den einzelnen Interpretation wohl vergleichsweise irrelevant. Das liegt aber m.E. lediglich an der langen Gewöhnungsphase an deren gemeinsamen Nenner. Die QM wie sie heute praktisch verwendet wird, ist nicht frei von Interpretation. Es ist lediglich seit ihren Anfängen eine Menge über die Bedeutung ihres ursprünglich viel unklareren Formalismus in das Allgemeinwissen der Physiker übergegangen.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 14. Jan 2016 21:16    Titel: Antworten mit Zitat

Jayk hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das heißt, das Funktionieren des Formalismus zu beurteilen ist Aufgabe der Philosophie? Oder woher weißt du wie gut er funktioniert ohne ihn zu interpretieren?


Ein guter Einwand, danke! Hat mich erstmal in Schrecken versetzt beim Lesen.^^


In dem Fall: gern geschehen. ;-)

Wir scheinen uns gar nicht so uneinig zu sein. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich dich in allen Punkten verstehe. Ich glaube ich sehe zwischen dem, was du auf der einen Seite als "Verbindung zwischen Theorie und Experiment" bezeichnest und "Many-Worlds", bzw. "Bohmscher Mechanik" andererseits höchstens einen quantitativen Unterschied, keinen prinzipiellen. Ich meine, daß alle Interpretationen, die heute noch vertreten werden, die Gesamtheit aller allgemein akzeptierten experimentellen Ergebnisse im wesentlichen auf die gleiche Weise interpretieren, auch wenn sie sie vielleicht dramatisch anders formulieren. Dies aus naheliegenden Gründen: Interpretationen die nicht auf diesen gemeinsamen Nenner kommen, sind entweder weniger gehaltvoll oder bereits empirisch widerlegt, werden also von popperianisch denkenden Physikern zumindest gar nicht mehr in Betracht gezogen. Klar, die MWI mag statt von "Wahrscheinlichkeiten" lieber von irgendwelchen "Gewichten" auf "Zweigen" reden, aber irgendwie akzeptieren muß auch sie, daß die Präparation desselben zweigrelativen Zustands eine Häufigkeitsverteilung von Meßergebnissen liefert, die in ihrer Sprechweise der Gewichtung aller Zweige entspricht.

Zitat:

Zwischen Theorie und Experiment muß ständig interpretiert werden: Eine Theorie kann Meßergebnisse interpretieren, aber z.B. die Bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpretation liefert eine Interpretation in die andere Richtung, die einem rein mathematischen "Feature" eine unmittelbare Bedeutung gegeben hat und die Theorie daher falsifizierbar macht (ich meinte aber mit "Formalismus" eigentlich den Formalismus mitsamt seiner experimentellen Interpretation; klar gab es auch Formalismen, deren Interpretation lange Zeit unklar oder gar falsch war, wie die Klein-Gordon- und Dirac-Gleichung, aber das meinte ich eigentlich nicht mit "Formalismus").


Hier verstehe ich z.B. die Gegenüberstellung im ersten Satz nicht. Die Bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpration interpretiert doch auch Meßergebnisse. Sie interpretiert z.B. empirische Häufigkeiten in Steruexperimenten als Stichproben aus einer Grundgesamtheit mit Verteilung . Ist das nicht genau ein Fall, in dem "eine Theorie [aus der sich ja das Betragsquadrat ergibt] Meßergebnisse [wie differentielle Wirkungsquerschnitte, etc.] interpretiert"? Und ist eine derartige Interpretation nicht auch notwendig um die Theorie falsifizierbar zu machen? Wodurch sollte sie sonst falsifiziert werden, wenn nicht durch Experimente, für deren Ergebnisse sie eine Interpretation liefert?

Vielleicht kann man tatsächlich irgendwo eine Grenze zwischen "experimenteller Interpretation" und als Alternative "metaphysischer Interpretation" oder sowas ziehen, wie du es andeutest, und "Bohmsche Mechanik", "MWI", etc. ausschließlich in die letztere Kategorie einordnen. (Wahrscheinlich muß man so eine Unterscheidung sogar treffen, wenn man überhaupt den empirischen Gehalt verschiedener Theorien/Interpretationen vergleichen will.) Ich glaube aber eine solche Unterscheidung ist zumindest deutlich komplizierter zu präzisieren, als die zwischen "Formalismus" und "Interpretation im weiteren Sinne" (die beides umfaßt). Richtig nachgedacht, habe ich darüber aber nicht.

Zitat:

Bei den oben genannten Interpretationen gibt es aber keine Rückkopplung: Es handelt sich um theoretische Mechanismen, die einen mathematischen Formalismus über eine Meßvorschrift hinaus interpretieren. Sie sind Fortsätze einer Theorie, deren Falsifikation in ihrer jetzigen Form prinzipiell unmöglich ist. Sie sind nicht Gegenstand der Naturwissenschaften. Das ändert sich natürlich, falls sie jemals falsifizierbar werden sollten.


Hier sehe ich z.B. einige der Probleme, die ich eben angedeutet habe. Was sind "Meßvorschriften"? Meßvorschriften lassen sich m.E. in rein theoretischen Begriffen definieren: als Wechselwirkung zwischen zwei Systemen, durch die zwei Größen miteinander korreliert werden oder so ähnlich. Eine dieser Größen ist dann irgendwie "beobachtbar". Aber was macht sie beobachtbar, wenn nicht wieder irgendeine Form von "Meßvorschrift"? Worin besteht also genau dieses "über eine Meßvorschrift hinaus"? Hinter diesen Meßvorschriften stehen glaube ich lediglich Theorien (die das Verhalten einer der beiden Variablen beschreiben), deren empirische Interpretation irgendwie klar ist.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18132

Beitrag TomS Verfasst am: 15. Jan 2016 00:21    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich meine mit Interpretation etwas, was mir sagt, was die Formeln bedeuten, über welche Elemente der Realität sie etwas aussagen ...

Jede moderne Interpretation akzeptiert in der einen oder anderen Form die Bornsche Regel oder sie ist empirisch unvollständig. Deswegen erscheinen Unterschiede in den einzelnen Interpretation wohl vergleichsweise irrelevant.

Offensichtlich spricht man tatsächlich von zwei verschiedenen Bedeutungen von Interpretation.

Du sprichst zunächst von Interpretation als Bezug zwischen Formalismus und Realität. Da sind sich - denke ich - noch alle einig. Dann nimmst du Bezug auf Empirie, d.h. du sprichst von Interpretation als alleinigen Bezug zwischen Formalismus und Beobachtung, oder du setzt Realität mit empirisch erfahrbarer Realität gleich (oder irgendetwas anderes in der Richtung).

Wenn man jedoch Interpretation ontologisch statt rein empirisch versteht, und dabei zulässt, dass die Realität "mehr" sein kann als die rein empirisch erfahrbare Welt, dann ergeben sich massive Unterschiede zwischen den Interpretationen.

Am Beispiel Kollaps:
A) ich kann diesen rein instrumentalistisch verstehen, d.h. es handelt sich um eine Präzisierung in der Repräsentation meines Wissens über etwas Beobachtbares, und was "tatsächlich" stattfindet ist im Wesentlichen irrelevant;
B) ich kann diesen objektiv realistisch, ontologisch interpretieren, d.h. es findet "tatsächlich" ein Kollaps statt;
C) oder ich kann ihn als subjektiv interpretieren, d.h. rein empirisch nehme ich zwar einen Kollaps wahr, "tatsächlich" findet jedoch eine Verzweigung statt, wobei diese bis auf einen Zweig unsichtbar bleibt und deswegen als Kollaps erscheint.

Offensichtlich unterscheiden sich diese verschiedenen Auffassungen von Interpretation kaum hinsichtlich ihres empirischen Kerns, während sie grundsätzlich unterschiedliche Aussagen über das "tatsächliche Geschehen" machen:
A) keine;
B) Wahrnehmung und Realität stimmen im Wesentlichen überein;
C) Wahrnehmung kann auf einer Täuschung beruhen, der Formalismus ist dagegen immun;

Ich will jetzt keine Diskussion starten, welche Interpretation der QM du richtige ist; ich will lediglich darauf hinweisen, dass offenbar sogar der Begriff Interpretation unterschiedlich aufgefasst werden kann

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positive



Anmeldungsdatum: 06.12.2013
Beiträge: 494

Beitrag positive Verfasst am: 16. Jan 2016 12:29    Titel: Antworten mit Zitat

Was wären die Alternativen? Wie sähe eine richtige Interpretation konkret aus? Wie müssten physikalische Vorgänge beschrieben werden, damit sie glaubwürdig und "real" erscheinen?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18132

Beitrag TomS Verfasst am: 16. Jan 2016 13:33    Titel: Antworten mit Zitat

positive hat Folgendes geschrieben:
Was wären die Alternativen? Wie sähe eine richtige Interpretation konkret aus? Wie müssten physikalische Vorgänge beschrieben werden, damit sie glaubwürdig und "real" erscheinen?

Das ist keine Frage der Physik sondern der Metaphysik, also der Philosophie. Ob eine Beschreibung der "real existierenden Welt" sinnvoll, möglich oder überhaupt erwünscht ist, setzt bereits eine philosophische Grundhaltung voraus und ist seit über 2000 Jahren eine der zentralen Fragen der Philosophie (Parmenides, Heraklit, ... Platon, Aristoteles, ... Descartes, ..., Kant, ... Popper, ...)

Insbs. gibt es da kein "richtig" oder "falsch".

Die Physik kann sich auf einen gewissen Konsens einigen: die Mathematik stellt einen präzisen Formalismus bereit, der die Vorhersage und Berechnung experimentell überprüfbarer d.h. insbs. falsifizierbarer Phänomene erlaubt; im Sinne von "wen ich ein Experiment der Form XYZ durchführe, werde ich Messwerte A,B, C, ... erhalten, die ich mit den gemessen Werten a, b, c, ... vergleichen kann, so dass ich erkennen kann, ob die Vorhersagen mit den Experimenten bzw. Messungen verträglich sind oder nicht".

Das ist noch keine bzw. nur eine minimalistische "Interpretation", jedoch der Kern der Physik.

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positive



Anmeldungsdatum: 06.12.2013
Beiträge: 494

Beitrag positive Verfasst am: 16. Jan 2016 16:39    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:


Die Physik kann sich auf einen gewissen Konsens einigen:


Die Frage war mehr an die Diskussionsteilnehmer gerichtet, die eher unzufrieden mit diesem gewissen Konsens zu sein scheinen. Sprich Wellenfunktion bzw. Glaube, Zufall, usw.
Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 16. Jan 2016 17:00    Titel: Antworten mit Zitat

positive hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:


Die Physik kann sich auf einen gewissen Konsens einigen:


Die Frage war mehr an die Diskussionsteilnehmer gerichtet, die eher unzufrieden mit diesem gewissen Konsens zu sein scheinen. Sprich Wellenfunktion bzw. Glaube, Zufall, usw.


Ich glaube, so richtig wirklich zufrieden damit ist niemand.

Zwei sehr bekannte "Alternativen" habe ich weiter oben schon explizit genannt: Die Many-Worlds-Interpretation und die Bohmsche Mechanik.

Eine Übersicht findest Du hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Interpretationen_der_Quantenmechanik
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18132

Beitrag TomS Verfasst am: 16. Jan 2016 18:58    Titel: Antworten mit Zitat

Jayk hat Folgendes geschrieben:
positive hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:


Die Physik kann sich auf einen gewissen Konsens einigen:


Die Frage war mehr an die Diskussionsteilnehmer gerichtet, die eher unzufrieden mit diesem gewissen Konsens zu sein scheinen. Sprich Wellenfunktion bzw. Glaube, Zufall, usw.


Ich glaube, so richtig wirklich zufrieden damit ist niemand.

Das denke ich nicht.

Es gibt eine recht etablierte Ensemble-Interpretation, die zum Ersten explizit stochastisch ist, und die zum Zweiten explizit keine Aussage über das "reale" Verhalten einzelner Quantenobjekte machen möchte. Dann gibt es die sicher sehr verbreitete shut-up-and-calculate-Fraktion, die rein pragmatisch vorgehen und die QM einfach anwenden will. Und dann gibt es den Quanten-Bayesianismus und verwandte Schulen, die die Mathematik der QM als Repräsentant unseres Wissens auffassen und den Kollaps daher akzeptabel finden.

Ich gebe dir insofern recht, dass viele nicht zufrieden sind (ich z.B. nicht), aber viele andere stellen diese Fragen einfach nicht.

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Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 16. Jan 2016 19:35    Titel: Antworten mit Zitat

@TomS: Okay, kann gut sein, daß meine Einschätzung falsch war. Ich habe nicht umsonst "ich glaube" geschrieben.
Quanten-Bayesianismus hätte ich allerdings auch als Alternative gezählt.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18132

Beitrag TomS Verfasst am: 16. Jan 2016 19:59    Titel: Antworten mit Zitat

Es gibt da immer wieder mal Umfragen, natürlich nicht repräsentativ und nicht ganz ernst zu nehmen ...

http://arxiv.org/pdf/1301.1069v1.pdf
http://arxiv.org/pdf/quant-ph/9709032v1.pdf

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Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 16. Jan 2016 22:30    Titel: Antworten mit Zitat

Interessant... Was ist denn der Unterschied zwischen diesen beiden Aussagen?

a. The randomness is only apparent. (9%)
b. There is a hidden determinism. (0%)
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18132

Beitrag TomS Verfasst am: 16. Jan 2016 22:49    Titel: Antworten mit Zitat

Auf den ersten Blick keine, denke ich. Aber die Fragen sind schon bewusst unlogisch, oder?
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positive



Anmeldungsdatum: 06.12.2013
Beiträge: 494

Beitrag positive Verfasst am: 17. Jan 2016 01:26    Titel: Antworten mit Zitat

Jayk hat Folgendes geschrieben:
Interessant... Was ist denn der Unterschied zwischen diesen beiden Aussagen?

a. The randomness is only apparent. (9%)
b. There is a hidden determinism. (0%)


a. wird wahrscheinlich so eine abgeschwächte Version von Determinismus sein, nach dem Motto: Zufall ja, aber nach bestimmten Regeln, die wir herausfinden können, während b. eher nach Resignation klingt, so als würde man "hidden" nie herausfinden.
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8583

Beitrag jh8979 Verfasst am: 17. Jan 2016 06:55    Titel: Antworten mit Zitat

Jayk hat Folgendes geschrieben:
Interessant... Was ist denn der Unterschied zwischen diesen beiden Aussagen?

a. The randomness is only apparent. (9%)
b. There is a hidden determinism. (0%)

Steht doch direkt drunter:
Zitat:

"Although we did not elaborate on the meaning of the word “apparent” in the provided answer, the distinction between the first and the second answer becomes clear when one contrasts the Everett interpretation with hidden-variables theories such as the de Broglie–Bohm interpretation. In the Everett interpretation, randomness is an apparent effect relative to a branching observer, with the global wave function (containing all branches) evolving deterministically according to the Schr ̈odinger equation. This does not match the notion of a “hidden determinism,” which is commonly associated with ideas such as hidden variables, deterministic mechanisms underlying the occurrence of objective quantum events, and (as in the de Broglie–Bohm interpretation) the deterministic motion of physical constituents."
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18132

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Jan 2016 09:30    Titel: Antworten mit Zitat

Das ist schon seltsam.

Entweder meinen sie genau den Unterschwie zweier Repräsentationen, dann sollen sie's auch genau so abfragen. Oder sie meinen eine grobe Beschreibung, dann besteht kein Unterschied.

Diese Umfragen haben sicher keinen wissenschaftlichen oder repräsentativen Anspruch. Darum geht's letztlich auch gar nicht. Es geht darum die "Zerrissenheit" der Physiker, ihre eigene Unsicherheit und die unlogische Herangehensweise bzgl. dieser Frage zu zeigen.

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jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8583

Beitrag jh8979 Verfasst am: 17. Jan 2016 09:38    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Darum geht's letztlich auch gar nicht. Es geht darum die "Zerrissenheit" der Physiker, ihre eigene Unsicherheit und die unlogische Herangehensweise bzgl. dieser Frage zu zeigen.

Denk ich auch.
positive



Anmeldungsdatum: 06.12.2013
Beiträge: 494

Beitrag positive Verfasst am: 17. Jan 2016 12:00    Titel: Antworten mit Zitat

De-Broglie-Bohm verborgene Variablen wären nicht messbar. Das mochte wohl keiner der 33 Teilnehmer. In Frage 12 bekam De-B-B 0%. Viel mehr wird De-B-B wahrscheinlich auch nicht bekommen, ich denke, man kann das schon als representativ bezeichnen.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 17. Jan 2016 12:49    Titel: Antworten mit Zitat

positive hat Folgendes geschrieben:
De-Broglie-Bohm verborgene Variablen wären nicht messbar. Das mochte wohl keiner der 33 Teilnehmer. In Frage 12 bekam De-B-B 0%.


Ich vermute eine größere Rolle spielt dabei die Verletzung der Bellschen Ungleichungen und die sich ergebende Unvereinbarkeit von verborgenen Parametern mit der Einstein-Lokalität. Ansonsten gibt es in der Physik viele Konzepte, die allgemein als "nicht direkt beobachtbar" gelten, woran sich aber zu recht niemand stört.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18132

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Jan 2016 15:36    Titel: Antworten mit Zitat

dBB ist aber nicht-lokal; und als einige Interpretation arbeitet sie mit der Wellenfunktion und klassischen Teilchen
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
positive



Anmeldungsdatum: 06.12.2013
Beiträge: 494

Beitrag positive Verfasst am: 17. Jan 2016 15:38    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:


Ich vermute eine größere Rolle spielt dabei die Verletzung der Bellschen Ungleichungen und die sich ergebende Unvereinbarkeit von verborgenen Parametern mit der Einstein-Lokalität. Ansonsten gibt es in der Physik viele Konzepte, die allgemein als "nicht direkt beobachtbar" gelten, woran sich aber zu recht niemand stört.


Bin kein Experte für De-B-B, aber ich denke die Nichtlokalität der verborgenen Variablen wird in absehbarer Zeit nicht wirklich gelöst werden können. Vielleicht hat jemand so ein Paper zu De-Broglie-Bohm.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 17. Jan 2016 15:48    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
dBB ist aber nicht-lokal;


Eben, das meine ich ja. Wenn Einstein-Lokalität für die meisten Physiker von fundamentaler Bedeutung ist und nicht lediglich eine phänomenologische Kuriosität darstellt, erklärt das die geringe Popularität jeder Interpretation, die fundamental nicht-lokal ist (wie die BM). Nichtbeobachtbarkeit der verborgenen Parameter spielt, so vermute ich zumindest, da eher eine Nebenrolle.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 17. Jan 2016 15:57    Titel: Antworten mit Zitat

positive hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:


Ich vermute eine größere Rolle spielt dabei die Verletzung der Bellschen Ungleichungen und die sich ergebende Unvereinbarkeit von verborgenen Parametern mit der Einstein-Lokalität. Ansonsten gibt es in der Physik viele Konzepte, die allgemein als "nicht direkt beobachtbar" gelten, woran sich aber zu recht niemand stört.


Bin kein Experte für De-B-B, aber ich denke die Nichtlokalität der verborgenen Variablen wird in absehbarer Zeit nicht wirklich gelöst werden können. Vielleicht hat jemand so ein Paper zu De-Broglie-Bohm.


Eine brauchbare Theorie mit lokalen verborgenen Parametern ist wegen Bells Theorem in der Tat nicht zu erwarten.

Die Originalarbeit dazu ist:
Bell, J. S. "On the problem of hidden variables in quantum mechanics". , Rev. Mod. Phys. 38' 447: 1966.

Zur Bohmschen Mechanik selbst gibt es ein gut lesbares Buch von Bohm et al. "The Undivided Universe"
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 17. Jan 2016 16:26    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wenn Einstein-Lokalität für die meisten Physiker von fundamentaler Bedeutung ist ...

Lässt Bell überhaupt noch lokale Theorien bzw. Interpretationen zu?

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 19. Jan 2016 09:26    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wenn Einstein-Lokalität für die meisten Physiker von fundamentaler Bedeutung ist ...

Lässt Bell überhaupt noch lokale Theorien bzw. Interpretationen zu?


Würde ich schon sagen, ja. Der Beweis der Bellschen Ungleichung hat ja mindestens genauso viel mit verborgenen Parametern zu tun, wie mit Lokalität. Ich denke das liegt auch nicht zuletzt daran, daß der Begriff "Lokalität" so allgemein ist, daß sich seine Konsequenzen nicht so ohne weitere Charakterisierung der Theorien, auf die er sich beziehen soll, konkretisieren lassen.

Im Bellschen Theorem bedeutet "lokal" ja, daß es keine Korrelationen zwischen den Parametern über beliebig große Distanzen gibt. Das wäre z.B. eine Folge der Poincare-Invarianz der Gleichungen dieser Parameter, aber diese wäre nicht unbedingt notwendig um Lokalität zu erfüllen.

Quantenfeldtheorien arbeiten zwar nicht mit lokalen verborgenen Parametern, aber mit einem durchaus vergleichbaren Begriff von Lokalität bezogen auf die Dynamik der Felder. Die Lokalität ist hier letztendlich eine Folge der Transformationseigenschaften der Feldoperatoren und der sich daraus ergebenden relativistischen Feldgleichungen. Diese Eigenschaft der Lokalität ist nun fundamentaler als lediglich auf phänomenologischer Ebene. Um die Beobachtbarkeit nichtlokaler Effekte auszuschließen würde es ja reichen, Forderungen wie das Cluster-Zerlegungs-Prinzip an die S-Matrix zu erheben, welches mit Feldoperatoren und Darstellungen der Poincare-Gruppe erst mal nichts zu tun hat. Insofern würde ich Quantenfeldtheorien schon als auf fundamentaler Ebene lokale Theorie bezeichnen.

Das eigentliche Problem ist aber (und ich glaube darum ging es Bell auch), daß diese Theorie die Realität nicht vollständig beschreiben kann und das liegt genau an der Einstein-Lokalität. Genauer gesagt existiert eine Inkompatibilität zwischen Lokalität, Quantenmechanik und EPR-Realismus. Denn dieser erfordert ja, daß zu den sicher vorausgesagten Ergebnissen der Theorie ein Element der Realität gehört. Wenn dieses Element im Rahmen einer vollständigen Theorie beschreibbar wäre, dann muß es nichtlokal beinflußbar sein können (z.B. durch weit entfernte Messungen korrelierter Observablen), denn sonst wären die Bellschen Ungleichungen gültig. Oder andersrum: jede lokale Quantentheorie, wie die QFT z.B., ist nicht EPR-realistisch. Das ist natürlich ein bißchen unangenehm, wenn man mit Hilfe physikalischer Theorien eine vollständige Beschreibungen der Realität anstreben will.

Nun halten, denke ich, aber viele Physiker die Konsequenzen aus dem EPR-Realismus lediglich für Einsteins überholte philosophische Vorurteile gegen die Quantenmechanik. Andererseits sprechen sie der Einstein-Lokalität aber eine fundamentale Bedeutung zu. Damit sind nicht-realistische, aber lokale Interpretation sicher populärer, als realistische, nicht-lokale. Und andere gibt es nicht, wegen den Argumenten von EPR und Bell.
jh8979
Moderator


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Beitrag jh8979 Verfasst am: 25. Jan 2016 17:21    Titel: Antworten mit Zitat

Da die Diskussion interessant ist, allerdings -wie immer- gekapert wurde, habe ich die Beiträge ab hier verschoben. Wer weiterhin "positiv" diskutieren will, kann dies hier tun: http://www.physikerboard.de/ptopic,264765.html#264765
Alle anderen nicht-positiven, die gerne weiter vernünftig über den Artikel und seine Konsequenzen diskutieren wollen, sind natürlich weiterhin hier willkommen.
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