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Die Dekohärenz ersetzt den Kollaps... oder doch nicht?
 
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manuel459



Anmeldungsdatum: 11.10.2016
Beiträge: 263

Beitrag manuel459 Verfasst am: 27. Feb 2022 20:48    Titel: Die Dekohärenz ersetzt den Kollaps... oder doch nicht? Antworten mit Zitat

... so zumindest Silvia Arroyo Camejo in ihrem Buch "Skurrile Quantenwelt" (ISBN-10 3-540-29720-0):

"Der markanteste Unterschied der Theorie der Dekohärenz zur altherhergebrachten Kopenhagener Deutung ist, dass der als abstraktes Hilfspostulat fungierende unangenehme, da instantane Kollaps der Wellenfunktion überflüssig und daher verworfen wird." (S. 153).

Aus meiner Sicht ist das schlicht und ergreifend falsch - ebenso der Hintergrundton, die Dekohärenz wäre eine Deutung. Aus meiner Sicht bedient sich die Dekohärenz (heutzutage) nur dem quantenmechanischen Formalismus und ist eine experimentell bestätigte Folgerung dieses Formalismus - unabhängig einer Interpretation. Ich möchte fragen, ob ihr das genauso seht und, ob die Aussage oben falsch ist Aus meiner Sicht "ja", aber womöglich habe ich hier eine andere Definition für den "Kollaps" als Arroyo Cemjo im Kopf. Mir wäre aber nicht bekannt, welche Definition von "Kollaps" mit dem oben genannten Zitat funktioniert.

Danke und LG
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 27. Feb 2022 21:34    Titel: Re: Die Dekohärenz ersetzt den Kollaps... oder doch nicht? Antworten mit Zitat

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
... so zumindest Silvia Arroyo Camejo in ihrem Buch "Skurrile Quantenwelt" (ISBN-10 3-540-29720-0):

"Der markanteste Unterschied der Theorie der Dekohärenz zur altherhergebrachten Kopenhagener Deutung ist, dass der als abstraktes Hilfspostulat fungierende unangenehme, da instantane Kollaps der Wellenfunktion überflüssig und daher verworfen wird." (S. 153).

Aus meiner Sicht ist das schlicht und ergreifend falsch - ebenso der Hintergrundton, die Dekohärenz wäre eine Deutung. Aus meiner Sicht bedient sich die Dekohärenz (heutzutage) nur dem quantenmechanischen Formalismus und ist eine experimentell bestätigte Folgerung dieses Formalismus - unabhängig einer Interpretation. Ich möchte fragen, ob ihr das genauso seht und, ob die Aussage oben falsch ist


Ja, ich sehe das genau so wie du. Dekohärenz bedeutet einfach das Verschwinden der Interferenzterme, d.h der Nichtdiagonalelemente der Dichtematrix in irgendeiner ausgezeichneten Basis . Das ist ein rein dynamischer Effekt und hat nichts mit der Interpretation des Zustands selbst zu tun. Es hat auch nichts mit dem Kollaps der Wellenfunktion zu tun, worunter man normalerweise die Reduktion auf einen der Eigenzustände versteht, nicht lediglich eine dekohärente Überlagerung solcher Eigenzustände.

Ich denke allerdings trotzdem, aus anderen Gründen, daß der Kollaps überflüssig ist. Das hatten wir vor einer Weile mal in diesem Thread ausführlicher diskutiert. Es gibt ein recht interessantes Paper von Ballentine, Limitations of the Projection Postulate zu dem Thema, das wir in dem Thread auch diskutieren.
manuel459



Anmeldungsdatum: 11.10.2016
Beiträge: 263

Beitrag manuel459 Verfasst am: 27. Feb 2022 21:42    Titel: Antworten mit Zitat

Interessant - das sehe ich mir bei der nächsten Gelegenheit an! Danke smile
curious
Gast





Beitrag curious Verfasst am: 27. Feb 2022 23:51    Titel: Re: Die Dekohärenz ersetzt den Kollaps... oder doch nicht? Antworten mit Zitat

manuel459 hat Folgendes geschrieben:

Aus meiner Sicht ist das schlicht und ergreifend falsch - ebenso der Hintergrundton, die Dekohärenz wäre eine Deutung. Aus meiner Sicht bedient sich die Dekohärenz (heutzutage) nur dem quantenmechanischen Formalismus und ist eine experimentell bestätigte Folgerung dieses Formalismus - unabhängig einer Interpretation.


Heinz-Dieter Zeh schrieb:

"Dekohärenz beschreibt also einen scheinbaren Kollaps in quasi-klassische Zustände.
Die Frage ist: Genügt das, wenn wir nur beschreiben wollen, was wir beobachten? Dazu müssen wir zwar akzeptieren, daß wir nur eine der n-Komponenten wahrnehmen, aber ob und
wann die übrigen durch einen Kollaps aus der Realität verschwinden, bleibt uns verborgen.
Das Postulat irgendeines (späteren) Kollaps-Prozesses dient somit nur der Vermeidung der
ansonsten unvermeidbaren aber ungeliebten Everettschen Konsequenz “Vieler Welten”, während sich die Dekohärenz aus der unitären Dynamik ergab, die diese gerade verlangen."


rzuser.uni-heidelberg.de/~as3/KarlsruheText.pdf
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 28. Feb 2022 10:16    Titel: Re: Die Dekohärenz ersetzt den Kollaps... oder doch nicht? Antworten mit Zitat

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
... so zumindest Silvia Arroyo Camejo in ihrem Buch "Skurrile Quantenwelt" (ISBN-10 3-540-29720-0):

"Der markanteste Unterschied der Theorie der Dekohärenz zur altherhergebrachten Kopenhagener Deutung ist, dass der als abstraktes Hilfspostulat fungierende unangenehme, da instantane Kollaps der Wellenfunktion überflüssig und daher verworfen wird." (S. 153).

Aus meiner Sicht ist das schlicht und ergreifend falsch.

Ja, das ist falsch.

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
- ebenso [falsch] der Hintergrundton, die Dekohärenz wäre eine Deutung.

Ja, auch das ist falsch.

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
Aus meiner Sicht bedient sich die Dekohärenz (heutzutage) nur dem quantenmechanischen Formalismus und ist eine experimentell bestätigte Folgerung dieses Formalismus - unabhängig einer Interpretation.

So sehe ich das auch.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 28. Feb 2022 10:22    Titel: Re: Die Dekohärenz ersetzt den Kollaps... oder doch nicht? Antworten mit Zitat

curious hat Folgendes geschrieben:
Heinz-Dieter Zeh schrieb:

"Dekohärenz beschreibt also einen scheinbaren Kollaps in quasi-klassische Zustände.
Die Frage ist: Genügt das, wenn wir nur beschreiben wollen, was wir beobachten? Dazu müssen wir zwar akzeptieren, daß wir nur eine der n-Komponenten wahrnehmen, aber ob und
wann die übrigen durch einen Kollaps aus der Realität verschwinden, bleibt uns verborgen.
Das Postulat irgendeines (späteren) Kollaps-Prozesses dient somit nur der Vermeidung der
ansonsten unvermeidbaren aber ungeliebten Everettschen Konsequenz “Vieler Welten”, während sich die Dekohärenz aus der unitären Dynamik ergab, die diese gerade verlangen."

Zeh stellt das Thema immer wieder etwas anders und manchmal nicht wirklich klar dar.

Ich denke, Minimalkonsens ist, dass die Dekohärenz a) eine inkohärente Überlagerung mehrerer "coarse-grained" Zustände liefert, wobei jeder einzelne derartige Zustand einem bekannten klassischen Zustand entspricht, dass sie jedoch b) nicht liefert, welcher eine dieser Zustände tatsächlich realisiert ist bzw. beobachtet wird.

Und (b) ist genau der Grund, warum die oben kritisierte Aussage falsch ist.

Und Zeh hat recht, dass wenn man die aus der Dekohärenz resultierende Dichtematrix als Repräsentation der tatsächlich realen Vorgänge auffasst, dass dies dann zur Viele-Welten-Interpretation führt. D.h. auch dass letztere nicht automatisch oder gar zwingend folgt, sondern nur dann, wenn man eine realistische Interpretation anstrebt.

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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 28. Feb 2022 10:41    Titel: Re: Die Dekohärenz ersetzt den Kollaps... oder doch nicht? Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Und Zeh hat recht, dass wenn man die aus der Dekohärenz resultierende Dichtematrix als Repräsentation der tatsächlich realen Vorgänge auffasst, dass dies dann zur Viele-Welten-Interpretation führt. D.h. auch dass letztere nicht automatisch oder gar zwingend folgt, sondern nur dann, wenn man eine realistische Interpretation anstrebt.


Es gibt noch die Alternative, daß die resultierende Dichtematrix lediglich der mittlere Zustand eines klassischen Ensembles aus verschiedenen Hilbertraumzuständen ist. Dies wäre immer noch eine Repräsentation der "tatsächlich realen Vorgänge", nur eben eine etwas ungenaue, die aus der ungenauen Kenntnis des Umgebungszustands resultiert.

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It is just this lack of connection to a concern with truth -- this indifference to how things really are -- that I regard as of the essence of bullshit. -- Harry G. Frankfurt
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