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Verlassen des Inertialsystems (spezielle Relativitätstheorie
 
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abd3



Anmeldungsdatum: 10.03.2020
Beiträge: 1

Beitrag abd3 Verfasst am: 10. März 2020 14:53    Titel: Verlassen des Inertialsystems (spezielle Relativitätstheorie Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Hallo allerseits,
gleich vorweg: Ich bin kein Physiker und meine Kenntnisse der Relativitätstheorie beschränken sich auf den Physik-LK in der Schule und ein paar populärwissenschaftliche Bücher, grundlegende bis weiterführende Physikkenntnisse darf man allerdings schon voraussetzen (ich studiere Maschinenbau).
Häufig wird zur Verdeutlichung der freien Wahl des Bezugssystems das Beispiel zweier sich geradlinig bewegender Beobachter gebraucht, die die Uhr des jeweils anderen langsamer als die ihre gehen sehen. Paradox, so heißt es dann, wird es erst ab jenem Punkt, ab dem die beiden Uhren zu einander gebracht werden und eine von beiden mehr Zeit verstreichen gemessen haben muss.
Und um diesen Zustand herbeizuführen müsste einer der Beobachter seinen Status als Inertialsystem verlassen und beschleunigen, worauf die Gesetze der Relativitätstheorie nicht mehr gültig würden.
Meine Frage ist in diesem Kontext recht simpel: Was genau passiert denn wenn einer der beiden Beobachter beschleunigt und seine Uhr damit die langsamer gehende war? Wird diese dann in exakt diesem Moment um die Zeitdifferenz zwischen den beiden nach hinten springen?

Meine Ideen:
Mir ist klar dass ich da etwas grundsätzlich falsch verstehe, ich hoffe einfach auf eure Geduld und euer Verständnis smile so wie ich es mir Momentan vorstelle sind daraus ja aberwitzige Szenarien denkbar... Ich stehe einfach komplett auf dem Schlauch und möchte mich jetzt schon für alle Antworten bedanken!
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 982

Beitrag Frankx Verfasst am: 10. März 2020 15:01    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Was genau passiert denn wenn einer der beiden Beobachter beschleunigt und seine Uhr damit die langsamer gehende war?


Schau dir mal ein Minkowski-Diagramm an. Da sieht man recht leicht, wie und woher sich die Zeitdifferenzen ergeben.

https://de.wikipedia.org/wiki/Minkowski-Diagramm


.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5041

Beitrag DrStupid Verfasst am: 10. März 2020 18:20    Titel: Re: Verlassen des Inertialsystems (spezielle Relativitätsthe Antworten mit Zitat

abd3 hat Folgendes geschrieben:
Was genau passiert denn wenn einer der beiden Beobachter beschleunigt und seine Uhr damit die langsamer gehende war? Wird diese dann in exakt diesem Moment um die Zeitdifferenz zwischen den beiden nach hinten springen?


Da die beiden Uhren sich zu diesem Zeitpunkt nicht am gleichen Ort befinden, ist "exakt dieser Moment" nicht eindeutig definiert. Gleichzeitigkeit ist in der Realtivitätstheorie relativ. Unterschiedliche Beobachter sind sich nicht darüber einig, wann dieser Moment ist und was die beiden Uhren dann anzeigen.

Anstatt die Uhren direkt miteinander zu vergleichen, kann man sie höchstens lokal mit Uhren vergleichen, die mit der jeweils anderen in deren Inertialsystem synchron sind. Dabei macht die ruhende Uhr während der Beschleunigung der bewegten Uhr am Umkehrpunkt gegenüber deren synchronen Kollegen tatsächlich einen Sprung nach vorn, der so groß ist, dass die bewegte Uhr ihn auf dem Rückweg nicht mehr einholt.

Allerings hängt dieses Ergebnis von der willkürlichen Wahl des Ortes ab, an dem man diesen Vergleich durchführt. Objektiv ist nur die finale Zeitdifferenz am Ende der Reise.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18026

Beitrag TomS Verfasst am: 10. März 2020 18:27    Titel: Re: Verlassen des Inertialsystems (spezielle Relativitätsthe Antworten mit Zitat

abd3 hat Folgendes geschrieben:
Und um diesen Zustand herbeizuführen müsste einer der Beobachter seinen Status als Inertialsystem verlassen und beschleunigen, worauf die Gesetze der Relativitätstheorie nicht mehr gültig würden.

Die spezielle Relativitätstheorie kann durchaus auf Beschleunigungsvorgänge angewendet werden.

abd3 hat Folgendes geschrieben:
Paradox, so heißt es dann, wird es erst ab jenem Punkt, ab dem die beiden Uhren zu einander gebracht werden und eine von beiden mehr Zeit verstreichen gemessen haben muss.

Und gerade die Berechnungen der Relativitätstheorie zeigen, dass es nicht paradox wird. Jede Uhr zeigt für den mitbewegten Beobachter immer eine eindeutige Zeit an; diese Zeigerstellung könnte man natürlich auch ein anderer, beliebig bewegter Beobachter sehen. Wenn beide Uhren wieder zusammengebracht werden, können diese eindeutigen Zeigerstellungen verglichen werden.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Ich



Anmeldungsdatum: 11.05.2006
Beiträge: 913
Wohnort: Mintraching

Beitrag Ich Verfasst am: 11. März 2020 11:00    Titel: Antworten mit Zitat

1. Die individuelle Zeit, die eine funktionierende Uhr zeigt, nennt man "Eigenzeit". Die Linie, die eine Uhr in einem Weg-Zeit-Diagramm repräsentiert, heißt Weltlinie. Punkte in einem einem Weg-Zeit-Diagramm nennt man "Ereignisse".
2. Die verstrichene Eigenzeit auf einer geraden Weltlinie zwischen zwei Ereignissen entspricht der "Länge" dieses Weltlininenstücks τ (tau). Diese berechnet man nicht mit dem normalen Pythagoras τ²=t²+x², sondern mittels τ²=t²-x².
3. Der Rest ist einfache Geometrie, abgewandelt wegen des Minuszeichens im Pythagoras. Beispiel:
Zwei Uhren starten an Ereignis A und treffen sich wieder bei C. Die eine behält ihre Geschwindigkeit immer bei, bewegt sich also auf einer geraden Linie. Die andere fliegt weg und kehrt bei Ereignis B um, damit sie bei C wieder auf die erste Uhr trifft. Wir habe im Diagramm also ein Dreieck, wo Uhr 1 die Strecke AC zurücklegt und Uhr zwei die beiden Strecken AB und BC. Wegen des Minuszeichens ist die Summe der Strecken AB + BC kürzer als AC, es verstreicht also weniger Zeit bei Uhr 2 als bei Uhr 1.
4. Diese geometrische Situation ist immer gleich, egal, in welchem Bezugssystem man sie betrachtet. Es liegt ein definiertes Dreieck vor, und wenn ich das in einem anderen Bezugssystem anschaue, ist es immer noch dasselbe Dreieck, nur mit anderen Koordinatenwerten für die Ereinisse A, B und C. Genau so, wie wenn ich in euklidischer Geometrie ein Dreieck in einem gedrehten Koordinatensystem zeichne.

5. Du kannst beliebig beschleunigte Bewegungen betrachten, das ist kein Problem. Such dir zur Beschreibung ein Inertialsystem aus und bleibe dabei. Wenn du meinst, mittendrin das Koordinatensystem wechseln zu müssen, dann springen deine Koordinatenwerte hin und her. Das ist eigentlich kein großes Problem, wenn man weiß, was man tut. In der SRT wird so etwas aber schnell mystisch verbrämt. Wenn man z.B. bei B (also mit B im Ursprung der KS) in ein anderes System wechselt, dann hat natürlich ein anderes Ereignis auf Weltlinie 1 dieselbe Zeitkoordinate wie Ereignis B, da ist nichts dabei. Katastrophal fürs Verständnis wird es erst, wenn man stattdessen sagt, dass Uhr 1 "in diesem Moment in der Zeit nach hinten gesprungen" sei. Leider wird in Schule und Populärwissenschaft fast ausschließlich solch esoterische Sprache gebraucht, die man beim besten Willen nicht verstehen kann. Dass eine Uhr langsamer gehe als die andere ist ein weiteres Beispiel für ungeeignete Begriffe, die nur verwirren.

6. Wenn man rumprobieren will, wie eine Situation in verschiedenen Bezugssystemen aussieht: Einfach die Koordinaten mittels Lorentztransformationen umrechnen. Das ist wie gesagt ziemlich dasselbe wie eine Drehung, nur hyperbolisch.
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