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The trouble with many worlds - wirklich oder vermeintlich? - Seite 2
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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Okt 2019 08:04    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:

EDIT: Ein Punkt stört mich außerdem noch - Shor hat das ebenfalls dargestellt:

Sie geht an keiner Stelle substantiell auf die Annahmen ein;


Doch das tut sie: Sie behauptet die Zusatzannahmen der MWI seien logisch äquivalent zum Kollapspostulat. Darauf beruht ihr Argument. Es ist völlig egal -- für ihr Argument -- ob eine Interpretation eine einfache und die andere Interpretation zehn komplizierte Zusatzannahmen einführt, solange sie logisch äquivalent sind.

Diese Behauptung ist schlicht falsch!

Dass zwei Formeln identisch sind, bedeutet nicht, dass die Interpretationen identisch sind.


Letzteres ist zwar richtig, macht aber die vorige Aussage nicht falsch. Es geht nämlich explizit nicht um die Interpretation der Aussagen, sondern nur um ihre logische Beziehung. Ob eine Annahme im Widerspruch zur Schrödingergleichung steht, hältst du hoffentlich nicht für eine Frage der Interpretation.

Zitat:

Während die Kollapsinterpretation entweder einen tatsächlichen Kollaps postuliert und dadurch in Widerspruch zur SGL gerät, oder einen Kollaps als mathematisches Instrument ohne weitere Begründung postuliert, postuliert die MWI, dass real kein Kollaps stattfindet, dass jedoch für Wechselwirkungen mit speziellen makroskopischen Systemen eine analoge Formel näherungsweise anwendbar ist.


Das ist eben falsch. Daß etwas wesentlich verschiedenes rauskommt, hättest du z.B. an meiner Beispielrechnung weiter oben nachvollziehen können, die du dir noch ansehen wolltest. Eine Wechselwirkung kann niemals eine nichtlineare Änderung der Wellenfunktion bewirken, wie sie der Kollaps fordert.

Zitat:

Während die Bornsche Regel in Kollapsinterpretation Bestandteil der Postulate oder Axiome ist, resultiert sie in der MWI für Spezialfälle näherungsweise aus komplizierten Argumentationen mittels rational agents usw. Damit hat die Bornsche Regel einen völlig anderen Status.


Es geht nicht um die Bornsche Regel, sondern um den Kollaps der Wellenfunktion.

Zitat:

Last but not least fordert eine Kollapsinterpretation das von Neumannsche Projektionspostulat, die MWI gerade nicht.


Der Kollaps ist dasselbe wie das Projektionspostulat. Und das Argument will ja gerade zeigen, daß die MWI es benötigt, genauso wie die Kopenhagener Interpretation.

Zitat:

Sorry, das ist alles andere als logische Äquivalenz auf Ebene der Interpretationen, nur weil eine isolierte Formel identisch ist.


Deswegen behauptet sie ja auch nur, es sei äquivalent "up to interpretation", also abgesehen von der Interpretation. Nur darauf kommt es in ihrem Argument an.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Keine Ahnung was ich dazu jetzt noch sagen soll. Ich habe gerade den Eindruck gegen eine Wand zu reden, sorry.

Dito.

Doch, eines kann man noch sagen: wir sollten uns hier darauf konzentrieren, die Argumentation zu verstehen, nicht gleich den zweiten Schritt zu gehen, und sie für richtig zu halten und zu verteidigen. Sie ist m.E. nämlich eher konfus als falsch.


Ich halte sie ja für falsch und habe ihre Voraussetzungen bereits in meinem ersten Beitrag in diesem Thread kritisiert. Verteidigen würde ich das Argument höchstens gegen solche Kritik, die m.E. auf komplettem Unverständnis beruht. Ihr Argument ist absolut nicht konfus und ich glaube auch, daß ich es verstanden habe.

P.S: Ich habe gerade schon deinen nächsten Beitrag überflogen und ich glaube du kommst der Sache darin näher. Mal sehen...
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Okt 2019 08:45    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Weil sie behauptet, daß man -- Dekohärenz hin oder her -- am Ende sowieso mit dem kollabierten Zustand 1) weiterrechnen muß.

Das ist natürlich eine falsche oder zumindest irreführende Behauptung.


Das ist genau meine Vermutung, bereits seit meinem ersten Beitrag. Kurz gesagt: Es ist zwar richtig, daß eine Messung i.A. ein Wahrscheinlichkeitsupdate erfordert. Aber dies muß nicht nichtlinear in psi sein. Das wirft natürlich die Frage auf, wie ein korrektes Update aussieht. Das ist, glaube ich, eine spannende Frage mit interessanten Implikationen darüber welche Zusatzinformation uns prinzipiell eine Messung über den Zustand geben kann.

Zitat:

Wenn ich nach Messung das Messergebnis a erhalte, muss ich nach von Neumann die Projektion auf |a> durchführen und damit die weitere Zeitentwicklung berechnen. Für eine folgende Messung mit Ergebnis b muss ich wiederum auf |b> projizieren usw. Die selbe Projektion wird für die Berechnung der jeweiligen Wahrscheinlichkeiten berechnet.

Nach der MWI führe ich diese Projektion zwar für die Berechnung von relativen Wahrscheinlichkeiten aus, jedoch nie für den Zustand zur Berechnung der weiteren Zeitentwicklung.


Wenn du das machst, erhältst laut Sabine Hossenfelder falsche bedingte Wahrscheinlichkeiten für zukünftige Messungen.

Kollaps:

MWI:

Hierbei ist der Zustand, der sich durch die erste Messung laut Schrödingergleichung ergeben hat.

Die bedingte Wahrscheinlichkeit für die folgende Messung laut MWI ist unabhängig vom Ergebnis der ersten und hängt nur vom Anfangszustand ab. Beim Kollaps ist es genau anders rum. Die bedingte Wahrscheinlichkeit für die zweite Messung hängt nur vom Meßergebnis der ersten und überhaupt nicht vom Anfangszustand ab.

Höchstens eine Variante kann im Einklang mit allen Beobachtungen stehen. Sabine Hossenfelder behauptet, die erste ist korrekt und die zweite falsch.

Zitat:

Kollaps und MWI stimmen bzgl. der Wahrscheinlichkeiten überein, nicht jedoch bzgl. des Zustandes Systems. S.H. ignoriert dies völlig, wenn sie eine logische Äquivalenz behauptet.


Sie ignoriert das nicht. Du übersiehst, daß MWI und Kollaps nicht in ihren Vorhersagen für die Wahrscheinlichkeiten von nachfolgenden Messungen übereinstimmen werden, wenn man die MWI so anwendet wie du und nicht den kollabierten Zustand als neue Anfangsbedingung verwendet.

Und sie behauptet ausdrücklich, daß man den kollabierten Zustand als Anfangsbedingung verwenden muß.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Das bedeutet: Wenn du in der MWI mit den bedingten Wahrscheinlichkeiten, die ein bereits erhaltenes Meßergebnis berücksichtigen, weiterrechnen willst, was du -- so ist Sabine Hossenfelders Behauptung -- aus empirischen Gründen tun mußt, dann erfordert dies eine nichtlineare (also nichtunitäre) Modifikation des Zustands; und zwar genau dieselbe wie durch den Kollaps und ergibt damit einen Widerspruch zur Schrödingergleichung.

Wie schon gesagt, wenn sie dies behaupten würde, wäre es grotesk falsch.


Das wirst du eben zeigen müssen.

Zitat:

Für die Wahrscheinlichkeiten gilt dies näherungsweise je Messung. Für die weitere Zeitentwicklung gilt dies nicht.


Wenn es für die weitere Zeitentwicklung nicht gilt, dann gilt es auch nicht für die Wahrscheinlichkeiten weiterer Messungen. Schließlich ergeben sich diese allein aus dem Zustand und hängen folglich von dessen Anfangsbedingung seit der letzten Messung ab.

Zitat:

Glaubst du wirklich, dass du sie richtig verstanden hast und dass dies ihre Aussage ist? Auch bzgl. der Zeitentwicklung?


Ja, im Augenblick glaube ich das schon.
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 10. Okt 2019 11:21    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Und sie behauptet ausdrücklich, daß man den kollabierten Zustand als Anfangsbedingung verwenden muß.

Kannst du das bitte zitieren?

EDIT Meinst du das:

Some people have a problem with the branching because it’s not clear just exactly when or where it should take place, but I do not think this is a serious problem, it’s just a matter of definition. No, the real problem is that after throwing out the measurement postulate, the many worlds interpretation needs another assumption, that brings the measurement problem back.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Okt 2019 12:21    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Und sie behauptet ausdrücklich, daß man den kollabierten Zustand als Anfangsbedingung verwenden muß.

Kannst du das bitte zitieren?


Nicht wörtlich, weil sie nicht das Wort "Anfangsbedingungen" verwendet. Aber ziemlich am Anfang finden wir diese Aussage:

"But – and that’s the important point – once you have measured the particle, you know with 100% probability where it is. This means that you have to update your probability and with it the wave-function. This update is also called the wave-function collapse.

The wave-function collapse, I have to emphasize, is not optional. It is an observational requirement."


Also nach der Messung von a haben wir notwendigerweise den Zustand . Danach wird bis zur nächsten Messung der Zustand ausschließlich gemäß der Schrödingergleichung geändert. Denn:

" We have an equation that tells us what the wave-function does as long as you do not measure it. It’s called the Schrödinger equation."

Also unmittelbar vor der nächsten Messung haben wir dann folglich den Zustand , was nichts anderes bedeutet, als daß wir den kollabierten Zustand |a> als Anfangsbedingung für t=0 (dem Zeitpunkt der ersten Messung) verwendet haben.

Zitat:

EDIT Meinst du das:

Some people have a problem with the branching because it’s not clear just exactly when or where it should take place, but I do not think this is a serious problem, it’s just a matter of definition. No, the real problem is that after throwing out the measurement postulate, the many worlds interpretation needs another assumption, that brings the measurement problem back.


Die Aussage bezieht sich nicht speziell auf die MWI. Es handelt sich um ein "observational requirement", d.h. sie muß in allen Interpretationen gelten. (So zumindest ihre Behauptung.)
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18000

Beitrag TomS Verfasst am: 10. Okt 2019 12:50    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
The wave-function collapse, I have to emphasize, is not optional. It is an observational requirement."[/i]

Da spricht sie noch nicht von MWI, und das steht nicht im Widerspruch zur MWI, denn sie sagt “it is an observational requirement”. Die MWI löst diesen scheinbaren Widerspruch zwischen “beobachteten Kollaps” und tatsächlich unitärer Zeitentwicklung - auf Basis der Dekohärenz.

Die ganze Diskussion krankt daran, dass sie einen Teilaspekt isoliert betrachtet und den Rest bewusst ignoriert. Es tut mir leid, das ist Quatsch (ihrer, nicht deiner).

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.


Zuletzt bearbeitet von TomS am 10. Okt 2019 13:04, insgesamt einmal bearbeitet
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Okt 2019 13:03    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
The wave-function collapse, I have to emphasize, is not optional. It is an observational requirement."[/i]

Da spricht sie noch nicht von MWI,


Ich weiß. Ein "observational requirement" muß natürlich von allen Interpretationen erfüllt werden, ansonsten befinden sie sich natürlich im Konflikt mit der Beobachtung. (Siehe auch meine letzte Antwort an Günther.)

Zitat:

und das steht nicht im Widerspruch zur MWI, denn sie sagt “it is an observational requirement”. Die MWI löst diesen scheinbaren Widerspruch zwischen “beobachteten Kollaps” und tatsächlich unitärer Zeitentwicklung - auf Basis der MWI.


Soll das am Ende "auf Basis der Dekohärenz" heißen? Es handelt sich nicht um einen scheinbaren, sondern einen echten Widerspruch: nichtlineare vs. lineare Zustandsänderung. Das ist doch genau der Punkt.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18000

Beitrag TomS Verfasst am: 10. Okt 2019 13:07    Titel: Antworten mit Zitat

Ja, es soll Dekohärenz heißen - korrigiert.

Aber nein, ich sehe keinen echten Widerspruch, nur eine lückenhafte Argumentation ihrerseits sowie ein unzureichendes Ansinnen unsererseits, diese zu interpretieren.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 10. Okt 2019 13:11, insgesamt einmal bearbeitet
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Okt 2019 13:10    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ja, es soll Dekohärenz heißen.


Dekohärenz ist eine Folge der Schrödingergleichung. Der Widerspruch, um den es geht, ist der zwischen der nichtlinearen Zustandsänderung auf Grund des Kollaps und der linearen Änderung auf Grund der Schrödingergleichung.

Es ergibt absolut keinen Sinn zu behaupten ein Widerspruch zwischen Schrödingergleichung und Kollaps würde "auf Basis der Schrödingergleichung" (oder eine ihrer Konsequenzen) gelöst.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18000

Beitrag TomS Verfasst am: 10. Okt 2019 13:17    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Dekohärenz ist eine Folge der Schrödingergleichung. Der Widerspruch, um den es geht, ist der zwischen der nichtlinearen Zustandsänderung auf Grund des Kollaps und der linearen Änderung auf Grund der Schrödingergleichung.

Es ergibt absolut keinen Sinn zu behaupten ein Widerspruch zwischen Schrödingergleichung und Kollaps würde "auf Basis der Schrödingergleichung" (oder eine ihrer Konsequenzen) gelöst.

Das behaupte ich nicht, das behauptet die MWI nicht, und ob S.H. das behauptet kann ich nicht nachvollziehen.

Die MWI erhebt den Anspruch, dass kein realer Kollaps existiert, jedoch ein wahrgenommener Kollaps aus der Dekohärenz folgt.

Deiner Meinung nach behauptet S.H., dass auch die MWI zwingend einen Kollaps benötigt. Ich kann das aufgrund ihrer Darstellung nicht nachvollziehen, da sie gerade dazu nichts bzw. nichts präzises sagt.

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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Okt 2019 13:22    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Die MWI erhebt den Anspruch, dass kein realer Kollaps existiert, jedoch ein wahrgenommener Kollaps aus der Dekohärenz folgt.

Deiner Meinung nach behauptet S.H., dass auch die MWI zwingend einen Kollaps benötigt. Ich kann das aufgrund ihrer Darstellung nicht nachvollziehen, da sie gerade dazu nichts bzw. nichts präzises sagt.


Sie sagt sehr präzise, daß ohne Kollaps -- oder eine äquivalente Annahme -- ein Widerspruch zur Beobachtung besteht. Das ist eine von der Interpretation unabhängige Aussage.

Daß Dekohärenz nicht dieselben Beobachtungen liefern kann wie ein Kollaps, ist relativ offensichtlich. Hast du meine Begründung dafür inzwischen nachvollzogen?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18000

Beitrag TomS Verfasst am: 10. Okt 2019 13:55    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Sie sagt sehr präzise, daß ohne Kollaps -- oder eine äquivalente Annahme -- ein Widerspruch zur Beobachtung besteht. Das ist eine von der Interpretation unabhängige Aussage.

Das sagt sie, zeigt sie aber nicht.

Die MWI behauptet, sie löse das Problem auf Basis der Dekohärenz ohne Annahme eines Kollapses — also insbs. ohne eine dem Kollaps äquivalente Annahme — weil sie sauber zwischen der Anwendung der Bornschen Regel und dem Projektionspostulat unterscheidet. Ersteres wendet sie an, letzteres nicht.

Können wir uns bitte zunächst darauf einigen, dass dies seit Zeh et al. im wesentlichen Konsens seitens MWI ist? Damit ist es noch nicht richtig, jedoch präzise formuliert, in vielen Veröffentlichungen und Büchern nach lesbar.

Damit hätten wir wenigstens einmal etwas fixiert.

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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Okt 2019 14:09    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Sie sagt sehr präzise, daß ohne Kollaps -- oder eine äquivalente Annahme -- ein Widerspruch zur Beobachtung besteht. Das ist eine von der Interpretation unabhängige Aussage.

Das sagt sie, zeigt sie aber nicht.


Natürlich nicht. Ich halte ja auch genau diese Behauptung für falsch. Ich vermute sie zeigt es nicht, weil sie es für offensichtlich hält. Ich selbst halte sie weder für offensichtlich richtig, noch für offensichtlich falsch.

Alles hängt hier davon ab, wie man in der Quantenmechanik bedingte und gemeinsame Wahrscheinlichkeitsverteilungen für mehrere Meßwerte behandelt. Das ist eben nicht ganz offensichtlich. Das Problem wird insgesamt selten diskutiert, zumindest in Lehrbüchern.

Zitat:

Die MWI behauptet, sie löse das Problem auf Basis der Dekohärenz ohne Annahme eines Kollapses — also insbs. ohne eine dem Kollaps äquivalente Annahme — weil sie sauber zwischen der Anwendung der Bornschen Regel und dem Projektionspostulat unterscheidet. Ersteres wendet sie an, letzteres nicht.



Wir reden hier aber über einen Fall, über den die Bornsche Regel keine direkte Aussage macht. Wie berechnet man denn nun laut MWI ?

Zitat:

Können wir uns bitte zunächst darauf einigen, dass dies seit Zeh et al. im wesentlichen Konsens seitens MWI ist? Damit ist es noch nicht richtig, jedoch präzise formuliert, in vielen Veröffentlichungen und Büchern nach lesbar.


Das mag ja Konsens und sogar richtig sein. Ich verstehe nur nicht wie mir das weiterhilft, wenn ich die Wahrscheinlichkeit für das Resultat b ausrechnen will unter der Bedingung, daß ich vorher a gemessen habe. Dazu muß ich explizit Stellung beziehen. Gilt



oder

?

(Hier ist das Gemisch, daß sich aus Messung+Dekohärenz gemäß Schrödingergleichung ergibt.)
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18000

Beitrag TomS Verfasst am: 10. Okt 2019 15:16    Titel: Antworten mit Zitat

OK, danke, dann haben wir jetzt eine - für uns - klare Basis.

von-Neumann:
- Schrödingergleichung als Postulat
- Bornsche Regel als Postulat
- Projektion als Postulat

Many Worlds heutiger Prägung
- Schrödingergleichung als Postulat
- Dekohärenz als Folge der Schrödingergleichung
- Rational Agents o.ä. als “Motivation”; teilw. umstritten (*)
- Bornsche Regel; kein Postulat, Ableitung aus (*) teilw. umstritten
- keine Projektion

Sabine Hossenfelder zu Many Worlds
- Schrödingergleichung als Postulat
- Dekohärenz nicht weiter betrachtet
- irgendeine Motivation für (**)
- Bornsche Regel
- Projektion, z.B. aus (**), zur “Übereinstimmung mit der Beobachtung”
Soweit du sie verstehst; ich bin mir diesbzgl. nicht sicher.

Zu klären:
- tatsächliche Aussage S.H.
- (von Neumann zu sukzessiven Messungen - klar)
- Many Worlds heutiger Prägung zu sukzessiven Messungen (deine Frage)

Letzteres schaue ich mir heute Abend an.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 10. Okt 2019 21:42    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Nicht wörtlich, weil sie nicht das Wort "Anfangsbedingungen" verwendet. Aber ziemlich am Anfang finden wir diese Aussage:

"But – and that’s the important point – once you have measured the particle, you know with 100% probability where it is. This means that you have to update your probability and with it the wave-function. This update is also called the wave-function collapse.

The wave-function collapse, I have to emphasize, is not optional. It is an observational requirement."


Der letzte Absatz ist eine unmißverständliche Aussage. Aber es bleibt - wie ich auch eurer Diskussion entnehme - unklar, wie sie das begründet.

Ich fürchte es bleibt vage, wie auch diese Diskussion zeigt.


Zuletzt bearbeitet von Günther am 10. Okt 2019 22:53, insgesamt einmal bearbeitet
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Okt 2019 22:27    Titel: Antworten mit Zitat

Wie kannst du die Aussage gleichzeitig "unmißverständlich" und "unklar" finden?

Ich glaube du überanalysierst das ganze ein bißchen. Was ein "observational requirement" ist, ist im Kontext völlig klar. Die Frage ist nur, ob der Kollaps tatsächlich empirisch notwendig ist oder nicht.
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 10. Okt 2019 22:55    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wie kannst du die Aussage gleichzeitig "unmißverständlich" und "unklar" finden?

Völlig richtig, man sollte das schreiben, was man tatsächlich meint. Berichtigt.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Okt 2019 07:33    Titel: Antworten mit Zitat

Ich muß ehrlich sagen, daß ich für diesen Punkt gar keine Begründung erwartet habe, da mir die Ansicht der Kollaps sei notwendiger Bestandteil einer Messung, selten in Frage gestellt zu werden scheint.

Aber schauen wir uns nochmal die gesamte relevante Passage an

"The wave-function collapse, I have to emphasize, is not optional. It is an observational requirement. We never observe a particle that is 50% here and 50% there. That’s just not a thing. If we observe it at all, it’s either here or it isn’t. Speaking of 50% probabilities really makes sense only as long as you are talking about a prediction."

Ich denke hierin steckt eine wahrscheinlichkeitstheoretische Begründung auf Basis der Bornschen Regel, die ich erst übersehen habe. Sie geht folgendermaßen.

Vor der Messung im Zustand lautet die Wahrscheinlichkeit den Wert zu erhalten

.

(Das ist die Bornsche Regel.)

Nachdem wir gemessen haben ist die Wahrscheinlichkeit, daß wir gemessen haben trivialerweise 1. Nach der Bornschen Regel angewendet auf diesen Fall müssen wir also davon ausgehen, daß wir uns nun in einem Zustand befinden, für den

.

gilt. Der einzige Zustand, für den das gilt, ist aber , also der kollabierte Zustand.

Frage: Was ist an diesem Argument falsch?
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 11. Okt 2019 09:49    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Während die Kollapsinterpretation entweder einen tatsächlichen Kollaps postuliert und dadurch in Widerspruch zur SGL gerät, oder einen Kollaps als mathematisches Instrument ohne weitere Begründung postuliert, postuliert die MWI, dass real kein Kollaps stattfindet, dass jedoch für Wechselwirkungen mit speziellen makroskopischen Systemen eine analoge Formel näherungsweise anwendbar ist.

Ja, so hatte ich es bisher verstanden. Und ich sehe nicht, daß S.H. diesen Aspekt diskutiert. Sie sagt lediglich, Dekohärenz betreffe nicht ihren Punkt. Dabei wäre es - um diesen rüber zu bringen - ja nahe liegend, sich mit dem nicht realen "Kollaps" der MWI etwas näher zu befassen. Ich frage mich, ob sie bewußt vage bleibt um die die Reaktionen zu testen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18000

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Okt 2019 09:50    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:

Nicht wörtlich, weil sie nicht das Wort "Anfangsbedingungen" verwendet. Aber ziemlich am Anfang finden wir diese Aussage:

"But – and that’s the important point – once you have measured the particle, you know with 100% probability where it is. This means that you have to update your probability and with it the wave-function. This update is also called the wave-function collapse.

The wave-function collapse, I have to emphasize, is not optional. It is an observational requirement."


Der letzte Absatz ist eine unmißverständliche Aussage. Aber es bleibt - wie ich auch eurer Diskussion entnehme - unklar, wie sie das begründet.

Diese Aussage ist - wenn man sie wörtlich auffasst - unmissverständlich klar sowie über alle Interpretationen hinweg unumstritten: der Kollaps ist bzgl. der Beobachtung eine zwingende Notwendigkeit.

Das Problem ist die vorherige Aussage:

Zunächst: Wenn man die Wahrscheinlichkeit als bedingte Wahrscheinlichkeit auffasst, d.h. nachdem a gemessen wurde, erfolgt eine zweite Messung für die nach der Wahrscheinlichkeit für b gefragt ist, muss P(b|a) angesetzt werden. Das ist zu unterscheiden von der Wahrscheinlichkeit für die Beobachtung von zuerst a, dann b. Ersters ist P(b|a), letzters P(a ∧ b). Die Berechnung dieser Wahrscheinlichkeiten ist wiederum unmissverständlich klar sowie über alle Interpretationen hinweg unumstritten und identisch.

Das Problem steckt im zweiten Halbsatz: "This means that you have to update your probability and with it the wave-function. This update is also called the wave-function collapse. "

Ja, die Wahrscheinlichkeit ist upzudaten, im Sinne von P(b | a liegt sicher = zu 100% vor). Nein, die Wellenfunktion muss gemäß Everett et al. nicht upgedated werden, es liegt kein Kollaps vor. Das ist der ganze Witz bei Many Worlds, die gesamte Argumentation dreht sich darum, wie man diese beiden Anforderungen - Update der Wahrscheinlichkeit jedoch ohne Kollaps des Zustandes - unter einen Hut bekommt.

Im Ergebnis muss die MWI mit den selben Formeln rechnen wie in Kollapsinterpretationen; dies ist unstrittig. Die Frage ist, wie man logisch konsistent begründet, dass diese Formeln angewandt werden dürfen, ohne dass man einen Kollaps anwendet; die Argumente von Everett et al. heite Carroll, Wallace et al. auf Basis der Dekohärenz sind tatsächlich strittig.

Das Problem ist nicht, dass dies strittig ist, sondern dass die Argumentation von S.H. was sie meint, völlig konfus ist.

Spricht sie hier noch im Kontext einer Kollapsinterpretation? Dann hat sie recht, sagt jedoch nichts über die MWI aus.

Spricht sie über die MWI? Dann spricht sie nicht über die MWI, wie sie seit 60 Jahren verstanden wird.

Behauptet sie, dass die MWI entsprechend zu ändern wäre? Dann müsste sie konkret begründen, wieso, und warum die Argumente der MWI falsch sind. Sie behauptet jedoch, auf diese Argumente gar nicht eingehen zu müssen.

Unterscheidet sie zwischen dem Update der Wahrscheinlichkeiten jedoch der Vermeidung des Kollaps? Fasst sie den Kollaps ontologisch oder epistemisch auf?

All das bleibt unkar. Insgs. ist ihre Beschäftigung mit dem komplizierten Thema auf groteske Weise unpräzise. Nach Pauli wäre diese Argumentation nicht einmal falsch!

Zur Berechnung. Betrachten wir zwei aufeinanderfolgende Messungen an einem zwei-dim. Spinsystem, wobei die zweite Messung bzgl. einer anderen Orientierung als die erste erfolgt.


Messung 1:

Zunächst liegt ein Zustand



vor. alpha bezeichnet eine beliebige Achse, bzgl. der die Spins definiert und gemessen werden.

Vor der Messung des Spins bzgl. alpha lautet gemäß Kollapsinterpretion die Wahrscheinlichkeit für +



Die Messung von + erzwingt den Kollaps




Vor der Messung des Spins bzgl. alpha lautet gemäß MWI die Wahrscheinlichkeit für + ebenfalls



Die Messung von + erzwingt keinen Kollaps, d.h. es bleibt bei




Messung 2:

Zur Messung 2 zerlegt man die bzgl. alpha definierten Zustände nun bzgl. der neuen Achse beta; man erhält neue Koeffizienten.





Der o.g. Kollaps lautet damit



Vor der Messung des Spins bzgl. beta lautet gemäß Kollapsinterpretion die Wahrscheinlichkeit für +, unter der Voraussetzung dass vorher + bzgl. alpha gemessen wurde



Die Rechenregel für die zweite Messung lautet: führe den Kollaps entsprechend der ersten Messung durch und wende die Bornsche Regel auf den Gesamtzustand nach Kollaps an!

Nun betrachten wir den Zustand vor der zweiten Messung gemäß MWI:



Vor der Messung des Spins bzgl. beta lautet gemäß Everett die Wahrscheinlichkeit für +, unter der Voraussetzung dass vorher + bzgl. alpha gemessen wurde



S.H. hat völlig recht, diese Forderung folgt direkt aus der Beobachtung.

Die Rechenregel für die zweite Messung lautet: führe den Kollaps entsprechend der ersten Messung nicht durch und wende die Bornsche Regel auf den entsprechend der ersten Messung ausgezeichneten Zweig an!

Anders formuliert: ignoriere bei der Anwendung der Bornschen Regel alle Zweige, die in der ersten Messung nicht ausgezeichnet wurden, und ignoriere den Vorfaktor des ausgezeichneten Zweiges.


IM ERGEBNIS LIEFERN BEIDE INTERPRETATIONEN DIE SELBE BORNSCHE REGEL!

Es gibt zwei wesentliche Unterschiede:

1) Die zweite Messung findet gemäß MWI mehrfach statt, nämlich in jedem aus der ersten Messung resultierenden Zweig
2) Die Regel zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit je Zweig muss angepasst werden, da eben mehrere Zweige vorliegen

Die Regel für MWI ist dabei so angepasst, dass trotz fehlendem Kollaps identischen Formeln zur Berechnung von Beobachtungen resultieren.

Im Gegensatz zu der - vermuteten - Aussage von S.H. bedeutet dies, dass im Rahmen der MWI zwar je Zweig ein wahrgenommener Kollaps vorliegt, jedoch kein tatsächlicher Kollaps.

Es ist richtig, dass die MWI im Zuge der o.g. Regel ein Postulat aufstellen muss, dass letztlich zu identischen Formeln und Vorhersagen führt.

Es ist m.E. falsch, dass dieses Postulat logisch äquivalent zum Kollaps ist, da der Gesamtkontext bzw. das Axiomensystem, innerhalb dessen das Postulat aufgestellt wird, ein anderes ist. Es führt in einem speziellen Fall zur selben Formel, in Summe jedoch zu einem anderen formalen System.

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Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 11. Okt 2019 10:13    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Nachdem wir gemessen haben ist die Wahrscheinlichkeit, daß wir gemessen haben trivialerweise 1. Nach der Bornschen Regel angewendet auf diesen Fall müssen wir also davon ausgehen, daß wir uns nun in einem Zustand befinden, für den

.

gilt. Der einzige Zustand, für den das gilt, ist aber , also der kollabierte Zustand.

Frage: Was ist an diesem Argument falsch?

Das klingt für mich logisch richtig aber ich bin bei weitem nicht tief genug in der Materie um das fachlich beurteilen zu können. Zum anderen, wenn es um "beobachten" geht, sehe ich nicht, weshalb dieses Argument den nicht realen "Kollaps" der MWI tangiert.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Okt 2019 10:22    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:

Während die Kollapsinterpretation entweder einen tatsächlichen Kollaps postuliert und dadurch in Widerspruch zur SGL gerät, oder einen Kollaps als mathematisches Instrument ohne weitere Begründung postuliert, postuliert die MWI, dass real kein Kollaps stattfindet, dass jedoch für Wechselwirkungen mit speziellen makroskopischen Systemen eine analoge Formel näherungsweise anwendbar ist.

Ja, so hatte ich es bisher verstanden. Und ich sehe nicht, daß S.H. diesen Aspekt diskutiert. Sie sagt lediglich, Dekohärenz betreffe nicht ihren Punkt. Dabei wäre es - um diesen rüber zu bringen - ja nahe liegend, sich mit dem nicht realen "Kollaps" der MWI etwas näher zu befassen. Ich frage mich, ob sie bewußt vage bleibt um die die Reaktionen zu testen.


Nochmal, was sie als "notwendig" bezeichnet ist eine nichtlineare Änderung des Zustands im Zuge einer Messung. Das ist etwas völlig anderes als Dekohärenz, welche eine Folge der linearen Zeitentwicklung der Schrödingergleichung ist. Deshalb hat Dekohärenz nichts mit ihrem Argument zu tun. Daran ändert sich nichts, auch wenn man zehnmal Dekohärenz als "nicht realen Kollaps" bezeichnet. Sie ist für ihr Argument einfach unerheblich.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Okt 2019 10:26    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:

Nachdem wir gemessen haben ist die Wahrscheinlichkeit, daß wir gemessen haben trivialerweise 1. Nach der Bornschen Regel angewendet auf diesen Fall müssen wir also davon ausgehen, daß wir uns nun in einem Zustand befinden, für den

.

gilt. Der einzige Zustand, für den das gilt, ist aber , also der kollabierte Zustand.

Frage: Was ist an diesem Argument falsch?

Das klingt für mich logisch richtig aber ich bin bei weitem nicht tief genug in der Materie um das fachlich beurteilen zu können. Zum anderen, wenn es um "beobachten" geht, sehe ich nicht, weshalb dieses Argument den nicht realen "Kollaps" der MWI tangiert.


Weil dieser "nichtreale Kollaps" eben beobachtbar andere Wahrscheinlichkeiten produziert. (Zumindest scheint es so, aber genau hier liegt wohl der Knackpunkt des Arguments.)
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Okt 2019 10:27    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
Und ich sehe nicht, daß S.H. diesen Aspekt diskutiert. Sie sagt lediglich, Dekohärenz betreffe nicht ihren Punkt. Dabei wäre es - um diesen rüber zu bringen - ja nahe liegend, sich mit dem nicht realen "Kollaps" der MWI etwas näher zu befassen. Ich frage mich, ob sie bewußt vage bleibt um die die Reaktionen zu testen.

Das ist genau die Frage: was will sie eigentlich??

Zur Dekohärenz: man kann die MWI auch ohne Dekohärenz diskutieren - Everett hat das Jahrzehnte vorher getan. Was immer geliefert werden muss ist eine Argumentation, wie und warum man vom nackten Formalismus der MWI zu den konkreten Berechnungen insbs. mittels Bornscher Regel gelangt. Die Dekohärenz zeigt diesbzgl. eine Weg auf.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 11. Okt 2019 10:35, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Okt 2019 10:34    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Nochmal, was sie als "notwendig" bezeichnet ist eine nichtlineare Änderung des Zustands im Zuge einer Messung.

Nochmal: ja, das behauptet sie, sie begründet dazu NICHTS!

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Deshalb hat Dekohärenz nichts mit ihrem Argument zu tun. Daran ändert sich nichts, auch wenn man zehnmal Dekohärenz als "nicht realen Kollaps" bezeichnet. Sie ist für ihr Argument einfach unerheblich.

Es ist für ihre Behauptung irrelevant, nicht für ihr Argument - ES EXISTIERT KEIN ARGUMENT!

Ich hatte in meinem letzten Beitrag aufgezeigt, wie man identische Vorhersagen aus der MWI ohne realen oder nichtlinearen Kollaps erhält. Es wäre an ihr, wenigstens auf dieser simplen und seit 60 Jahren bekannte Ebene zu diskutieren.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Weil dieser "nichtreale Kollaps" eben beobachtbar andere Wahrscheinlichkeiten produziert. (Zumindest scheint es so, aber genau hier liegt wohl der Knackpunkt des Arguments.)

Es scheint nicht nur nicht so, es ist FALSCH. Siehe meine Skizze oben.

Wollen wir sie mal anschreiben, was sie denn eigentlich wirklich meint??

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index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Okt 2019 11:00    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Nochmal, was sie als "notwendig" bezeichnet ist eine nichtlineare Änderung des Zustands im Zuge einer Messung.

Nochmal: ja, das behauptet sie, sie begründet dazu NICHTS!


Das sehe ich inzwischen anders: Siehe hier.

Ich halte zwar die Begründung für falsch, aber meine Behauptung sie liefere keine Begründung, ziehe ich trotzdem zurück.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Deshalb hat Dekohärenz nichts mit ihrem Argument zu tun. Daran ändert sich nichts, auch wenn man zehnmal Dekohärenz als "nicht realen Kollaps" bezeichnet. Sie ist für ihr Argument einfach unerheblich.

Es ist für ihre Behauptung irrelevant, nicht für ihr Argument - ES EXISTIERT KEIN ARGUMENT!


Daß das Argument möglicherweise von falschen Voraussetzungen ausgeht, heißt nicht, daß es nicht existiert.

Zitat:

Ich hatte in meinem letzten Beitrag aufgezeigt, wie man identische Vorhersagen aus der MWI ohne realen oder nichtlinearen Kollaps erhält.


Da komme ich wohl später noch zu. Mich überzeugt deine Behandlung von P(+b | +a ) innerhalb der MWI noch nicht.

Zitat:

Wollen wir sie mal anschreiben, was sie denn eigentlich wirklich meint??


Keine Ahnung. Ich hatte kurz überlegt auf ihrem Blog zu kommentieren. Aber die letzten Kommentare dort blieben unbeantwortet.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Okt 2019 11:20    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Messung 1:

[...]

Vor der Messung des Spins bzgl. alpha lautet gemäß MWI die Wahrscheinlichkeit für + ebenfalls



[...]

Messung 2:

[...]

Nun betrachten wir den Zustand vor der zweiten Messung gemäß MWI:



Vor der Messung des Spins bzgl. beta lautet gemäß Everett die Wahrscheinlichkeit für +, unter der Voraussetzung dass vorher + bzgl. alpha gemessen wurde





Ich denke das ist unmöglich, weil es dem Bayesschen Theorem widerspricht. Ich bleibe mal bei meinen früheren Bezeichnungen "a" und "b" für die Meßergebnisse (setze einfach und .)

Kombiniert man deine Formeln für die erste und zweite Messung, folgt



Dies ist aber gleich



Also . Das kann aber nicht für alle Zustände richtig sein.

P.S. Mir ist übrigens bewußt, daß dieses Argument auf die Kollaps-Interpretation genauso zutrifft.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Okt 2019 11:56    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:

Frage: Was ist an diesem Argument falsch?

Das klingt für mich logisch richtig aber ich bin bei weitem nicht tief genug in der Materie um das fachlich beurteilen zu können.



Falsch daran ist m.E., die Wahrscheinlichkeit, "daß wir a gemessen haben, nachdem wir a gemessen haben" nach der Bornschen Regel zu berechnen.

Zunächst mal ist diese Wahrscheinlichkeit nicht , sondern
allenfalls . Aber letztere bedingte Wahrscheinlichkeit kann man wohl nicht allgemein nach der Bornschen Regel ausrechnen. (Siehe meine letzte Antwort an TomS).
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Okt 2019 12:51    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Mich überzeugt deine Behandlung von P(+b | +a ) innerhalb der MWI noch nicht.

Da stimmst du mit vielen Kritikern überein.

Fakt ist jedoch, dass alle ernstzunehmenden Kritiker wenigstens die Herleitung Everetts et al. kennen, verstehen, und substantiell kritisieren - S.H. offenbar - zumindest letzteres - nicht.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Was ist an diesem Argument falsch?

Das Argument ist nicht zwingend. Everett erhält die selbe Formel mit einer anderen Argumentation ohne Kollaps.


Nochmal auf das Wesentliche reduziert - ohne mehrdimensionale Eigenräume, Umgebung, Dekohärenz, ...: wir betrachten
  • eine erste Messung einer Observablen mit einem Messwert
  • die folgende Zeitentwicklung, sowie
  • die Berechnung der Wahrscheinlichkeit für einen Messwert zu einer anderen Observablen in einer darauf folgenden, zweiten Messung mittels Bornscher Regel


von Neumann:
  • im Zuge der ersten Messung: Projektion (*) auf den Eigenzustand zum jeweiligen Messwert
  • im Zuge der weiteren Zeitentwicklung: Verwendung dieses Zustandes
  • für die zweite Messung: Verwendung dieses Zustandes


Everett:
  • im Zuge der ersten Messung: keine Projektion
  • im Zuge der weiteren Zeitentwicklung: Verwendung dieses Zustandes
  • für die zweite Messung: Verwendung dieses Zustandes, jedoch Projektion (*) auf den Eigenzustand zum Messwert der vorherigen Messung (**)


(*) "Projektion" meint immer Anwendung des Projektors inklusive geeigneter Renormierung

(**) die Projektion (*) bedeutet, dass wir die zuvor erfolgte erste Messung mit sicherem Messergebnis voraussetzen, indem wir auf den im Zuge der ersten Messung resultierenden Zweig projizieren.

Die Anwendung dieses Formalismus ist seit 60 Jahren verstanden und völlig unumstritten. Es besteht kein Bedarf, zu diskutieren, wie die Mathematik der Everett-Interpretation funktioniert; dies ist unumstritten. Der dritte Punkt liefert die selbe Formel wie nach von Neumann. Umstritten ist die Bedeutung, die Existenz aller Zweige nach erfolgter Messung sowie die Argumentation, ob und warum die Begründung des drittem Punktes sinnvoll ist.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Okt 2019 13:03    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Was ist an diesem Argument falsch?

Das Argument ist nicht zwingend. Everett erhält die selbe Formel mit einer anderen Argumentation ohne Kollaps.


Die Schlußfolgerung war der Kollaps, d.h. die Aussage . Diese muß die MWI irgendwie umgehen. Dazu mußt du zeigen, welcher Schritt in der Herleitung falsch ist. Einfach zu sagen "ist nicht zwingend", reicht nicht, insbesondere wenn man auf substantielle Kritik so viel Wert legt.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Okt 2019 15:35    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich denke das ist unmöglich, weil es dem Bayesschen Theorem widerspricht.

Darfst du das Bayesschen Theorem hier verwenden?

Ich kenne das Theorem wie folgt:





----------------------

Wie übersetzt du das in die Quantenmechanik?

Wir schreiben das als bedingte Wsk. unter der Voraussetzung des Vorliegens des Zustandes psi (nicht einer Messung; künstlich, aber wohl klar). E bezeichnet Projektoren







Ich denke, das ist klar.

Damit ist





Wie du schon sagst, das ist nicht das selbe.

Ich denke, das liegt an der Interpretation des gemeinsamen Vorliegens von a und b. In der QM würde ich das übersetzen als



Nun können wir die Eins



einschieben und erhalten



Ich krieg' den Knoten momentan nicht aus dem Kopf. Ich denke aber, dass es quantenmechanisch nicht zulässig ist, die Wahrscheinlichkeiten für folgende Aussagen gleichzusetzen:
1) in einer ersten Messung liegt a vor, in einer zweiten b
2) in einer Messung liegt sowohl a als auch b vor

Das klassische Bayessche Theorem redet über (2), wir jedoch über (1).

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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Okt 2019 16:12    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Was ist an diesem Argument falsch?

Das Argument ist nicht zwingend. Everett erhält die selbe Formel mit einer anderen Argumentation ohne Kollaps.


Die Schlußfolgerung war der Kollaps, d.h. die Aussage . Diese muß die MWI irgendwie umgehen. Dazu mußt du zeigen, welcher Schritt in der Herleitung falsch ist. Einfach zu sagen "ist nicht zwingend", reicht nicht, insbesondere wenn man auf substantielle Kritik so viel Wert legt.

Ich sehe diesbzgl. keine Schlussfolgerung ihrerseits, die zu widerlegen wäre, lediglich ihre Behauptung.

Zunächst sagt sie "The wave-function collapse is not optional. It is an observational requirement." Dem stimme ich zu! Was muss dazu gegeben sein? Alle Vorhersagen der MWI müssen mit den Vorhersagen der etablierten Kollapsinterpretation und den experimentellen Resultaten übereinstimmen.

Die modifizierte Bornsche Regel im Kontext der MWI liefert unter Umgehung des Kollaps identische Wahrscheinlichkeiten für das Vorliegen eines Messwertes. Und die Dekohärenz liefert über den Mechanismus der einselection / preferred basis die richigen Zweige. Demnach sind alle mit Beobachtungen verknüpften Forderungen erfüllt. ohne dass die MWI einen Kollaps einführt.

Anders: welche direkt experimentell überprüfbaren Vorhersagen liefert die QM überhaupt? Messwerte und deren Wahrscheinlichkeiten. Für beides liefern Dekohärenz / einselection / preferred basis sowie die o.g. Bornsche Regel die korrekten Vorhersagen; in letzterer - und nur in letzterer - ist ja exakt die von ihr geforderte Projektion enthalten.

Nochmal anders: welche Beobachtung würde denn den o.g. Formalismus der MWI falsifizieren? Sie nennt keinen, und in der Literatur habe ich diesbzgl. noch nie etwas gefunden (bis auf eine Sache, die ich gerne zurückstellen würde, da sie nur in praktisch unbeobachtbaren Fällen zutreffen könnte).

Zusammenfassend:

"The wave-function collapse is not optional. It is an observational requirement."
OK, das löst die MWI - habe ich jetzt mehrfach erklärt.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die Schlußfolgerung war der Kollaps, d.h. die Aussage . Diese muß die MWI irgendwie umgehen.

OK, löst die MWI - indem sie die Projektion in der Bornschen Regel implementiert und an anderen Stellen vermeidet.

Nachdem sie's schon nicht tut: wo siehst du denn einen logischen Fehler meinerseits oder eine experimentelle Widerlegung der MWI?

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Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Okt 2019 17:10    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich denke das ist unmöglich, weil es dem Bayesschen Theorem widerspricht.  

Darfst du das Bayesschen Theorem hier verwenden?

Ich kenne das Theorem wie folgt:






Klar, kann man das verwenden (sofern alle auftretenden Wahrscheinlichkeiten wohldefiniert sind).

Was du hingeschrieben hast ist nicht das komplette Theorem.  Dieses besagt



und ist eine direkte Folge daraus, daß die Wahrscheinlichkeit für "a und b" dieselbe ist wie die für "b und a"  (ganz einfach weil "a und b" dieselbe Aussage ist wie "b und a").

Zitat:

----------------------

Wie übersetzt du das in die Quantenmechanik?


Das ist genau die Frage.  Ich glaube aber man kann es nicht so übersetzen wie du es getan hast.  Ich denke im allgemeinen ist P(a und b) in der QM nicht definiert und folglich auch nicht P(a|b) oder P(b|a).

Zitat:

Wir schreiben das als bedingte Wsk. unter der Voraussetzung des Vorliegens des Zustandes psi (nicht einer Messung; künstlich, aber wohl klar). E bezeichnet Projektoren







Ich denke, das ist klar.


Vorsicht, hier steckt schon ein Fallstrick.  Wir müssen gerade unterscheiden, ob wir in der Bedingung als Ereignis das Vorliegen eines bestimmten Eigenzustands meinen oder das Ergebnis einer bestimmten Messung.  Die beiden Fragen

1)  "Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für den Meßwert b unter Bedingung, daß sich das System im Eigenzustand befindet."  

und 

2) "Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für den Meßwert b unter der Bedingung, daß wir bei einer anderen Messung den Wert a erhalten haben."

sind grundverschieden.  Die Bornsche Regel beantwortet nur die erste Frage unzweideutig.

Die dritte Gelichung mußt du deshalb, im Einklang mit den ersten beiden, 



schreiben.

Zitat:

Damit ist






Das ist nun nicht mehr so offensichtlich.  Wir wollen ja die Wahrscheinlichkeit für den Meßwert a unter der Bedingung, daß wir in einer anderen Messung b erhalten haben (oder umgekehrt).  Das ist nicht dasselbe, wie die Wahrscheinlichkeit für den Meßwert b unter der Bedingung, daß der Zustand |a> vorliegt.

Zitat:

Ich denke, das liegt an der Interpretation des gemeinsamen Vorliegens von a und b. In der QM würde ich das übersetzen als




Das funktioniert aber nur wenn und vertauschen, denn , ist also auf den Fall, den du diskutiert hast, nicht anwendbar.

Zitat:

Nun können wir die Eins



einschieben und erhalten



Moment, wieso soll die Summe 1 ergeben, und was willst du damit überhaupt erreichen?

Zitat:

Ich krieg' den Knoten momentan nicht aus dem Kopf. Ich denke aber, dass es quantenmechanisch nicht zulässig ist, die Wahrscheinlichkeiten für folgende Aussagen gleichzusetzen:
1) in einer ersten Messung liegt a vor, in einer zweiten b
2) in einer Messung liegt sowohl a als auch b vor

Das klassische Bayessche Theorem redet über (2), wir jedoch über (1).


Nein, das stimmt nicht. Es stimmt 1) und 2) sind verschieden, aber das Bayesche Theorem behandelt die gemeinsame Wahrscheinlichkeit  zweier beliebiger Ereignisse wie in Fall 1). Wir haben zwei Ereignisse A = "in der ersten Messung wird a gemessen." und B = "in der zweiten Messung wird b gemessen.".  Das Bayessche behauptet diesen Zusammenhang



Das ist genau der Fall, den wir hier diskutieren.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Okt 2019 17:21    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Was ist an diesem Argument falsch?

Das Argument ist nicht zwingend. Everett erhält die selbe Formel mit einer anderen Argumentation ohne Kollaps.


Die Schlußfolgerung war der Kollaps, d.h. die Aussage .  Diese muß die MWI irgendwie umgehen.  Dazu mußt du zeigen, welcher Schritt in der Herleitung falsch ist.  Einfach zu sagen "ist nicht zwingend", reicht nicht, insbesondere wenn man auf substantielle Kritik so viel Wert legt.

Ich sehe diesbzgl. keine Schlussfolgerung ihrerseits, die zu widerlegen wäre, lediglich ihre Behauptung.


Es wäre sehr nett, wenn du dazu die Argumentation aus meinem Beitrag widerlegen könntest.  Ich bin mir ziemlich sicher, daß Sabine Hossenfelder das nicht viel anders gemeint hat und außerdem wüßten wir dann ob wir denselben Fehlschluß darin sehen.  Da habe ich nämlich meine Zweifel.  

Zitat:

Zunächst sagt sie "The wave-function collapse is not optional. It is an observational requirement." Dem stimme ich zu! Was muss dazu gegeben sein?


Zunächst mal muß dazu klar sein, daß sie mit "Kollaps" nicht etwas meinen kann, was mit Dekohärenz erklärbar ist.  Solange du das nicht wahrhaben willst, redest du am Argument von Sabine Hossenfelder vorbei.  Egal ob es falsch oder korrekt ist.

Zitat:

Die modifizierte Bornsche Regel im Kontext der MWI liefert unter Umgehung des Kollaps identische Wahrscheinlichkeiten für das Vorliegen eines Messwertes. Und die Dekohärenz liefert über den Mechanismus der einselection / preferred basis die richigen Zweige. Demnach sind alle mit Beobachtungen verknüpften Forderungen erfüllt. ohne dass die MWI einen Kollaps einführt.


Und mit "modifizierter Bornscher Regel"  meinst du



Das ist doch genau die zum "Kollaps äquivalente Annahme", von der Sabine Hossenfelder spricht.  Du hast damit zugegeben, daß dir (normale) Bornsche-Regel + Dekohärenz nicht ausreicht, um alle beobachtbaren Wahrscheinlichkeiten auszurechnen.  Du mußt ab jetzt mit dem branch-lokalen Zustand weiterrechnen um zukünftige Wahrscheinlichkeiten vorherzusagen.

Genau zu dieser Frage hast du dich bis jetzt noch nicht so klar geäußert:  Wie rechnen denn nun die Physiker aus dem -Branch weiter?  Welchen Zustand nehmen sie nach der Messung in Richtung als Anfangsbedingung?  

Denselben wie die Vertreter der Kollaps-Interpretation?  Dann ist die Äquivalenz komplett inklusive nichtlinearer Zustandsmodifikation in der MWI. Du kannst natürlich weiter über die einzig wahre Realität des ursprünglichen Zustands philosophieren, der sich weiter ungestört nach der Schrödinger-Gleichung entwickelt. Aber irgendwas beobachtbares oder sonstwie physikalisch relevantes folgt aus ihm dann nicht mehr. Und das ganze wiederholt sich auch noch bei der nächsten Messung. Da wird dann der alte branch-lokale Zustand weggeschmissen und mit dem neuen weitergerechnet.

Oder nehmen sie tatsächlich immer den echten Schrödinger-Zustand auch zur Berechnung weiterer Wahrscheinlichkeiten?  Dann sind beide Interpretationen nicht empirisch äquivalent, im Gegensatz zu dem, was du gerade behauptet hast.

Zitat:

Nachdem sie's schon nicht tut: wo siehst du denn einen logischen Fehler meinerseits oder eine experimentelle Widerlegung der MWI?


Ich sehe keine experimentelle Widerlegung der MWI.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Okt 2019 17:42    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:


Das ist doch genau die zum "Kollaps äquivalente Annahme", von der Sabine Hossenfelder spricht.  Du hast damit zugegeben, daß dir (normale) Bornsche-Regel + Dekohärenz nicht ausreicht, um alle beobachtbaren Wahrscheinlichkeiten auszurechnen.  Du mußt ab jetzt mit dem branch-lokalen Zustand weiterrechnen um zukünftige Wahrscheinlichkeiten vorherzusagen.

Genau zu dieser Frage hast du dich bis jetzt noch nicht so klar geäußert:  Wie rechnen denn nun die Physiker aus dem -Branch weiter?  Welchen Zustand nehmen sie nach der Messung in Richtung als Anfangsbedingung?  

Sorry, aber genau das habe ich erklärt!

TomS hat Folgendes geschrieben:
Nochmal auf das Wesentliche reduziert - ohne mehrdimensionale Eigenräume, Umgebung, Dekohärenz, ...: wir betrachten
  • eine erste Messung einer Observablen mit einem Messwert
  • die folgende Zeitentwicklung, sowie
  • die Berechnung der Wahrscheinlichkeit für einen Messwert zu einer anderen Observablen in einer darauf folgenden, zweiten Messung mittels Bornscher Regel


von Neumann:
  • im Zuge der ersten Messung: Projektion (*) auf den Eigenzustand zum jeweiligen Messwert
  • im Zuge der weiteren Zeitentwicklung: Verwendung dieses Zustandes
  • für die zweite Messung: Verwendung dieses Zustandes


Everett:
  • im Zuge der ersten Messung: keine Projektion
  • im Zuge der weiteren Zeitentwicklung: Verwendung dieses Zustandes
  • für die zweite Messung: Verwendung dieses Zustandes, jedoch Projektion (*) auf den Eigenzustand zum Messwert der vorherigen Messung (**)


(*) "Projektion" meint immer Anwendung des Projektors inklusive geeigneter Renormierung

(**) die Projektion (*) bedeutet, dass wir die zuvor erfolgte erste Messung mit sicherem Messergebnis voraussetzen, indem wir auf den im Zuge der ersten Messung resultierenden Zweig projizieren.

Die Anwendung dieses Formalismus ist seit 60 Jahren verstanden und völlig unumstritten. Es besteht kein Bedarf, zu diskutieren, wie die Mathematik der Everett-Interpretation funktioniert; dies ist unumstritten. Der dritte Punkt liefert die selbe Formel wie nach von Neumann. Umstritten ist die Bedeutung, die Existenz aller Zweige nach erfolgter Messung sowie die Argumentation, ob und warum die Begründung des drittem Punktes sinnvoll ist.


Die Regeln sind nicht äquivalent, weil die Kollapsinterpretation für die folgende Zeitentwickung den kollabierten Zustand benutzt, die MWI den nicht kollabierten.


Sukzessive Zeitentwicklungen U und Messungen jeweils mit nicht-unitärem Kollaps C nach von Neumann:



Sukzessive Zeitentwicklungen U und Messungen = unitäre Wechselwirkungen U_M jeweils ohne Kollaps nach Everett:



Ernsthaft, und ich hoffe, du bist mir nicht böse: stellst du wirklich diese Fragen, nachdem wir hier seit Jahren zur MWI diskutieren? Ich dachte, das wäre dir klar.

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Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Okt 2019 17:59    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Die Regeln sind nicht äquivalent, weil die Kollapsinterpretation für die folgende Zeitentwickung den kollabierten Zustand benutzt, die MWI den nicht kollabierten.

Sukzessive Zeitentwicklungen U und Messungen jeweils mit nicht-unitärem Kollaps C nach von Neumann:



Sukzessive Zeitentwicklungen U und Messungen = unitäre Wechselwirkungen U_M jeweils ohne Kollaps nach Everett:




Das bedeutet entweder, 1) der Zustand beschreibt laut MWI das System nicht vollständig und man benötigt auch Vorhersage von zukünftigen Meßwahrscheinlichkeiten auch noch die Kenntnis des letzten Meßergebnisses. Oder 2) Die Vorhersagen von MWI und Kollapsinterpretation unterscheiden sich.

Zitat:

Ernsthaft, und ich hoffe, du bist mir nicht böse: stellst du wirklich diese Fragen, nachdem wir hier seit Jahren zur MWI diskutieren? Ich dachte, das wäre dir klar.


Was ich glaube aus den vergangenen Diskussionen gelernt zu haben, ist, daß du sowohl Aussage 1) also auch 2) oben bestreitest. Womit du nach meiner Ansicht überhaupt keine konsistente Position vertrittst, die mir klar sein könnte.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18000

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Okt 2019 18:03    Titel: Antworten mit Zitat

Ich dachte, wir diskutieren über das Verständnis von S.H. bezüglich der MWI oder bezüglich unseres Verständnisses von ihrem Artikel. Nun diskutieren wir über dein Verständnis der MWI?
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Anmeldungsdatum: 14.08.2014
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Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Okt 2019 18:07    Titel: Antworten mit Zitat

Wir diskutieren, ob deine Begründung, wie die MWI es schaffe, Sabine Hossenfelders Argument zu umgehen, konsistent ist. Das scheint mir nicht so zu sein.

Mein Verständnis der MWI hat damit nichts zu tun. Ich nehme dazu gerade alles, was du sagst für bare Münze. Zumindest versuche ich das.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18000

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Okt 2019 18:13    Titel: Antworten mit Zitat

Ich schlage vor wir gönnen uns eine kurze Auszeit l, und ich erkläre zunächst kurz die Grundzüge der Many Worlds Interpretation; andernfalls führt das hier zu nichts.
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Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 11. Okt 2019 18:29    Titel: Antworten mit Zitat

Kurze Auszeit ist gut. Aber bevor du dir zuviel Arbeit machst: ich denke eine Darstellung der Grundzüge der MWI wird uns auch nicht viel weiter bringen. Sabine Hossenfelder behauptet ja im Prinzip, daß für die Anwendung der QM -- egal in welcher Interpretation -- Annahmen nötig sind, die normalerweise nicht zu den Grundzügen der MWI gezählt werden. Das ist das einzige Problem, welches sie ganz speziell auf die MWI bezieht. (Welches aber z.B. die Ensemble-Interpretation genauso trifft.) Daß kein Vetreter der MWI (oder der Ensemble Interpretation) behauptet, ein Kollaps, im Sinne einer nichtlinearen Zustandsmodifikation, sei nötig, ist sogar mir klar.
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
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Beitrag Günther Verfasst am: 11. Okt 2019 18:59    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Wollen wir sie mal anschreiben, was sie denn eigentlich wirklich meint??

Aus meiner Sicht eine sehr gute Idee.
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