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Unschärferelation Grundverständnis
 
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Bildungfüralle
Gast





Beitrag Bildungfüralle Verfasst am: 05. Okt 2019 11:38    Titel: Unschärferelation Grundverständnis Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Hallo Community,

vor kurzem habe ich mich noch einmal kritisch gefragt, wieso die Unschärferelation gilt. Mein Ziel ist es sie grundsätzlich besser zu verstehen, nicht sie in Frage zu stellen. Ich habe einige Begründungen gelesen bei denen meiner Meinung nach ein Punkt nicht berücksichtigt wird.

Der Grundgedanke ist ja folgender: Beleuchte ich ein Teilchen - bsplsweise Elektron - mit einer Welle, so habe ich die Möglichkeit seinen Ort zu erkennen/messen. Wähle ich eine kurze Wellenlänge für die Beleuchtung, so wird die Messung des Ortes immer genauer. Da diese Welle aber einen Impuls erzeugt, ergibt sich eine Unsicherheit der Impulse von Photon und Elektron. Mit simplen geometrischen Überlegungen lässt sich dies recht einfach zeigen.

Diese Begründung müsste ich aber falsch verstanden haben, oder? Wenn sie stimmt bedeutet das doch, dass die Welt nicht grundsätzlich der Unbestimmtheit oder des Zufalls unterworfen ist, sondern wir Menschen einfach noch nicht fähig genug sind, diesen Zufall verschwinden zu lassen. Wie ich das verstanden habe ist aber genau das der Punkt. Die Welt sei tatsächlich und nicht aufgrund unseres Unvermögens unbestimmt.
Andere Begründungen haben dieses Problem besser beseitigt. Es sind aber in der Regel Begründungen, die ein tieferes Quantenmechanisches Bewusstsein erfordern (Superpositionen, Verschränkungen usw.).

Wie kann ich auf einer einfachen Ebene die Unbestimmtheit der Welt zeigen?


Meine Ideen:
Heute mal ohne Ideen :-)
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 05. Okt 2019 12:26    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Bildungfüralle,

die von dir genannte Erklärung von Heisenberg greift nach heutiger Lesart etwas zu kurz. Sie suggeriert, die Unschärfe käme im Rahmen eines Messprozesses zustande. Wir wissen jedoch - auch Heisenberg wusste das - dass erstens der von ihm verwendete Formalismus den Messprozess als solchen gar nicht beschreibt, dass zweitens eine normale Wechselwirkung gemäß den Regeln der Quantenmechanik keine Unschärfe „erzeugt“, sondern dass drittens die mathematische Beschreibung des Zustandes eines physikalischen Systems immer und insbs. ohne eine Messung eine derartige Unschärfe beinhaltet.

Da wir heute sogar zeigen können, dass eine große Klasse von Theorien, die diese intrinsische Unschärfe aufgeben und durch scharf definierte jedoch „unbeobachtbare Variablen“ ergänzen, im expliziten Widerspruch zum Experiment steht, müssen wir davon ausgehen, dass diese Unschärfe tatsächlich eine echte Eigenschaft der Natur ist.

In gewisser Weise stammt die Wahrnehmung dieser Eigenschaft als Unschärfe lediglich aus unserem klassischen Verständnis von „Eigenschaften“. Ja, die klassischen Eigenschaften sind tatsächlich unscharf, aber der quantenmechanische Zustand ist in einem mathematisch präzisen Sinn exakt und scharf definiert. Die Unschärfe resultiert lediglich daraus, wie die klassischen Eigenschaften aus dem quantenmechanische Zustand gewonnen werden. Wir sollten schlichtweg die Vorstellung aufgeben, dass die Natur irgendwie so ist, wie wir es gerne hätten.

Lass‘ uns zunächst mal nur diese Unschärfe diskutieren, denn der von dir außerdem ins Spiel gebrachte Zufall hat wenig damit zu tun und kommt noch zusätzlich ins Spiel. Die Physiker haben die Unschärfe verstanden; sie ist unstrittig. Der Zufall bzw. allgemein das sog. Messproblem ist nach wie vor offen.

Darf ich nach deinen mathematischen Kenntnissen fragen?

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Bildungfüralle
Gast





Beitrag Bildungfüralle Verfasst am: 05. Okt 2019 14:04    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo TomS,
vielen Dank für deine umfangreiche Antwort. Ich habe Grundkenntnisse beim rechnen mit Bra-kets, kann mit der 1D Schrödingergleichung umgehen und dem üblichen Kram wie e-Funktionen usw. Mein großer Wunsch wäre es allerdings die Unschärferelation völligen Physikneulingen absolut glasklar zu erläutern.

Dass die Welt eben bis zu einem gewissen Grad, nämlich genau gemäß der Unschärferelation, unbestimmt ist will ich gar nicht bestreiten. Mein Problem ist es nur empirische Gründe dafür zu verstehen.
Im Netz finde ich dazu häufig das Einzelspaltexperiment. Leifi-Physik hat das sehr verständlich erklärt:
.leifiphysik.de/quantenphysik/quantenobjekt-elektron/grundwissen/unschaerferelation

Wenn ich das richtig verstanden habe lautet die Argumentation hier: Je schärfer delta x desto unschärfer delta p in Übereinstimmung mit den experimentellen Resultaten. Wieso beeinflusst die Blende denn die Schärfe der Wellenfunktion? Wieso sind dann an den Punkten für \vec[p_x,p_y] Minima und keine Maxima?


Ansonsten fällt mir noch schwer folgendes zu verstehen: Lasse ich die Teilchen durch eine Nebelkammer zum Schirm fliegen weiß ich doch zu jedem Zeitpunkt wo das Teilchen ist und wie schnell es dort war, also den Impuls. Wie passt das zusammen? Wenn die Nebelkammer zu ungenau ist für diese Größenordnungen stelle man sich ein genaueres Experiment vor.

Vielleicht gab es bis hierhin schon genug Gründe einzuhaken, aber zur Not möchte ich noch einen liefern: Beim Doppelspaltexperiment heißt es ja, dass wenn ich messe, durch welchen Spalt die Teilchen geflogen sind, diese sich nicht mehr wie Wellen, sondern eben wie Teilchen verhalten. Das ist zwar ganz schön erstaunlich aber der Schirm sagt mir dann, dass die Teilchen ziemlich gerade durch die Spalte geflogen sein müssen. Die Impulsunschärfe müsste dann sehr hoch sein. Es bleibt für die Impulsunschärfe dann aber ja nur noch die Flugrichtung, weil sich sonst ein anderes Bild ergeben würde. Folglich müssen die Teilchen einmal schneller und einmal langsamer sein und das unabhängig von der Abschussgeschwindigkeit.

Ich hoffe man kriegt beim lesen keine grauen Haare und bedanke mich für die Geduld.

LG
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 05. Okt 2019 15:03    Titel: Antworten mit Zitat

Bildungfüralle hat Folgendes geschrieben:
Mein großer Wunsch wäre es allerdings die Unschärferelation völligen Physikneulingen absolut glasklar zu erläutern.

Dann starte doch mal so:

Ein Quantensystem wird beschrieben durch ein abstraktes Objekt



Dieses kodiert alle Informationen über das Quantensystem eindeutig, vollständig und präzise = ohne jegliche Unschärfe.

Der Wert einer uns vertrauten makroskopischen Größe ist dabei nicht das, was dieses Quantensystem im Wesen ausmacht. Fragt man nach dem Wert einer derartigen Größe, so erhält man nur in Spezialfällen einen scharfen Wert.

Bsp.: wenn du nach der Richtung



eines in drei Dimensionen lebenden Zeigers bzgl. einer Basis



fragst, so erhältst du nur dann eine scharf definierte Antwort, wenn die vorliegende Richtung gerade mit einer dieser durch B d.h. von dir ausgezeichneten Richtungen übereinstimmt. Andernfalls scheint bzgl. B eine Unschärfe vorzuliegen; bzgl. einer geeigneten Richtung - die wir nicht unbedingt kennen - liegt jedoch keine Unschärfe vor. Der Zeiger hat ja offenbar eine präzise definierte Richtung, die Unschärfe resultiert erst aus unserer Anwendung der Basis B.

Bildungfüralle hat Folgendes geschrieben:
Dass die Welt eben bis zu einem gewissen Grad, nämlich genau gemäß der Unschärferelation, unbestimmt ist will ich gar nicht bestreiten.

Die Welt ist gem. des o.g. Bildes der Quantenmechanik nicht unscharf. Sie erscheint dadurch unscharf, dass du entsprechende Fragen stellst. Wenn du für den o.g. Zeiger nach seiner Richtung bzgl. zweier, untereinander unverträglicher - gegeneinander rotierten - Basen stellst, erhältst du die selbe „Unschärfe“. Dennoch bleibt die Richtung des Zeigers an sich selbst scharf definiert.

Mach dir das mal anhand eines Spinsystems klar, nicht mittels Ort und Impuls. Letzteres hat den Nachteil, dass du in einem unendlich-dimensionalen Hilbertraum arbeiten musst. Das Spinsystem lebt in einem endlich-dimensionalen Hilbertraum, liefert ebenfalls eine Unschärfenrelation, kann jedoch direkt mit dem o.g. Bsp. des Zeigers verglichen werden.

Bildungfüralle hat Folgendes geschrieben:
Mein Problem ist es nur empirische Gründe dafür zu verstehen.

Ich sehe keine „empirischen Gründe“, allenfalls empirische Veranschaulichungen, die nicht unbedingt weiterhelfen.

Bildungfüralle hat Folgendes geschrieben:
Lasse ich die Teilchen durch eine Nebelkammer zum Schirm fliegen weiß ich doch zu jedem Zeitpunkt wo das Teilchen ist und wie schnell es dort war, also den Impuls.

Stell das mal zurück. Das ist ein prima Beispiel, jedoch erst später ;-)

Außerdem: vergiss‘ bitte sämtliche klassischen Argumentationen; sie führen im Kern nie zum Verständnis der QM, sondern immer nur zur Erkenntnis, dass man sie über Bord werfen muss, wenn man die QM verstehen will.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Bildungfüralle
Gast





Beitrag Bildungfüralle Verfasst am: 10. Okt 2019 00:09    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo TomS,
vielen Dank für die Mühe!

Einige Sachen sind mir noch nicht ganz klar.

Zitat:
wenn die vorliegende Richtung gerade mit einer dieser durch B d.h. von dir ausgezeichneten Richtungen übereinstimmt. Andernfalls scheint bzgl. B eine Unschärfe vorzuliegen; bzgl. einer geeigneten Richtung - die wir nicht unbedingt kennen - liegt jedoch keine Unschärfe vor.


Wenn ich das richtig verstehe bedeutet das entweder: Wenn ich für diesen gegebenen Fall eine Unschärfe vorliegen habe, so muss der Zeiger in anderen Dimensionen als x,y oder z ausgerichtet sein.
Oder ist das wie folgt zu lesen: Messe ich beispielsweise die
Komponente, so habe ich genau dann einen scharfen Wert, wenn diese Komponente auch vorliegt und genau dann einen unscharfen Wert, wenn eine andere Raumrichtung (x,y) vorliegt?

Egal ob Variante 1 oder 2: Habe ich nicht bei diesen Argumentationen die Unschärfe vorweggenommen und beschreibe ein bestimmtes Messphänomen, sage aber nichts über den Grund (oder Begründung/Herleitung) der Unschärfe aus?

Mir kommt es bei deiner Ausführung auch so vor als wäre die Unschärfe ein Phänomen der menschlichen Unfähigkeit.
Zitat:
Dieses kodiert alle Informationen über das Quantensystem eindeutig, vollständig und präzise = ohne jegliche Unschärfe.
die Unschärfe resultiert erst aus unserer Anwendung
Sie erscheint (...) unscharf (...) Dennoch bleibt die Richtung des Zeigers (...) scharf definiert

All meine Erfahrungen (Wissen vom Hörensagen, Physik Vorlesungen, Bücher über die Einführung in die Quantenmechanik und Vorträge) sagen mir aber, dass die Welt die Eigenschaft der Unschärfe (/Unbestimmtheit) innehat und es kein Resultat der menschlichen Unwissenheit ist. Mit Sicherheit liegt die Ursache des Problems bei einem Verständnisfehler deiner Ausführungen meinerseits.

Mir ist im allgemeinen leider noch nicht klar, wie ich quasi durch einen einfachen (gerne auch hypothetischen) experimentellen Aufbau die Unschärferelation so zeigen kann, dass mir kein klassischer Ausweg mehr einfällt. Das Doppelspaltexperiment soll sich dazu eignen und auch die Vorstellung eines Mikroskops, das irgendwann aufgrund der zu kleinen Wellenlänge (=hoher Impuls) Ort und Impuls nicht mehr scharf definieren kann.

Liebe Grüße und vielen Dank schonmal
Bfa
Gast





Beitrag Bfa Verfasst am: 10. Okt 2019 00:27    Titel: Antworten mit Zitat

Kurzer Einschub nochmal, da ich gerade etwas aufgeschnappt habe:
Die Messung der Geschwindigkeit ist natürlich dann recht genau, wenn ich einen lange Strecke betrachte (p scharf, x unscharf)
Bei Energie und der Zeit verhält es sich dann ähnlich
Und nun gibt es in der QM eine "Untergrenze" an Genauigkeit die einen ganz bestimmten Wert annimmt. Vielleicht klärt sich meine Frage auch über diesen Weg. Woher kommt diese fixe untere Grenze? Wenn das alles ein vielleicht der Uhrzeit geschuldeter Irrweg ist, bitte einfach ignorieren.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Okt 2019 07:04    Titel: Antworten mit Zitat

Bfa hat Folgendes geschrieben:
Und nun gibt es in der QM eine "Untergrenze" an Genauigkeit die einen ganz bestimmten Wert annimmt. Vielleicht klärt sich meine Frage auch über diesen Weg. Woher kommt diese fixe untere Grenze? Wenn das alles ein vielleicht der Uhrzeit geschuldeter Irrweg ist, bitte einfach ignorieren.

Die Unschärfenrelation stammt nicht aus der Betrachtung der Messung - Heisenbergs Veranschaulichung ist da eher irreführend - sondern zeigt eine Eigenschaft eines Quantensystems an sich, d.h. ohne Messung auf.

Darüberhinaus besagt die Unschärfenrelation nicht, dass eine Größe keinen festen Wert haben könne - das kann sie durchaus - sondern dass zwei Größen i.A. nicht gleichzeitig einen festen Wert haben können.

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