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Zeitdilatation, Inertialsystem
 
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Uhrenmacher
Gast





Beitrag Uhrenmacher Verfasst am: 26. Sep 2017 23:53    Titel: Zeitdilatation, Inertialsystem Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Hallo,

ich studiere Physik und habe die Relativitätstheorie weitestgehend verstanden, aber einige Fragen haben wir leider nie detailliert genug behandelt.

Die Zeitdilatation sagt qualitativ: Bewegte Uhren gehen langsamer. Nun lässt sich für zwei Inertialsysteme, die sich gleichförmig relativ zueinander bewegen, jedoch nicht sagen, welches wirklich ruht und welches sich bewegt. Aus System A sieht es so aus, als würde man ruhen und System B sich bewegen, aus System B sieht es genau andersherum aus.

Dennoch würden beide Beobachter sagen, dass die Zeit im anderen System langsamer verginge als im eigenen System. Wie ist das möglich?

Meine Ideen:
Ich denke, es hat etwas mit der Synchronisation der Uhren zu tun. Bisherigen Erklärungen im Internet waren leider nicht ausführlich dargelegt.
as_string
Moderator


Anmeldungsdatum: 09.12.2005
Beiträge: 5786
Wohnort: Heidelberg

Beitrag as_string Verfasst am: 26. Sep 2017 23:58    Titel: Antworten mit Zitat

Ich finde immer wichtig, als allererstes die "Relativität der Gleichzeitigkeit" zu verstehen, das könnte Deine Frage eventuell schon beantworten. Such mal im Internet danach.

Gruß
Marco
Uhrenmacher
Gast





Beitrag Uhrenmacher Verfasst am: 27. Sep 2017 01:30    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Marco, danke für die schnelle Antwort,

die relative Gleichzeitigkeit habe ich betrachtet anhand von folgendem Beispiel:

System A ruht. Sytem B ist gleichförmig bewegt. In System B werden 2 Uhren mittels Lichtblitz synchronisiert. Die Uhren senden wiederum Lichtblitze aus, die in A allerdings zeitlich versetzt ankommen. Folglich relative Gleichzeitigkeit.

(Nebenbemerkung hierzu, soll nicht von der eigentlichen Frage ablenken: Der Terminus "relative Gleichzeitigkeit" stört mich. Wenn Beobachter A den Lichtwegunterschied berücksichtigt und die Geschwindigkeit von B kennt, wird er doch jedesmal zurückrechnen können, dass die Uhren in B gleichzeitig synchronisiert werden. Die Gleichzeitigkeit ist nicht relativ, sondern erscheint nur bei Nichtbeachtung des Wegunterschieds so. Das wird aus dem Terminus nicht deutlich.)

Mir fällt allerdings die Transferleistung auf mein erstes Beispiel schwer. Ich weiß nicht, wie sich damit das Problem des nicht-ausgezeichneten Bezugsystems lösen lässt. In jedem System befindet sich nur eine Uhr.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 27. Sep 2017 19:13    Titel: Antworten mit Zitat

Uhrenmacher hat Folgendes geschrieben:

System A ruht. Sytem B ist gleichförmig bewegt. In System B werden 2 Uhren mittels Lichtblitz synchronisiert. Die Uhren senden wiederum Lichtblitze aus, die in A allerdings zeitlich versetzt ankommen. Folglich relative Gleichzeitigkeit.

(Nebenbemerkung hierzu, soll nicht von der eigentlichen Frage ablenken: Der Terminus "relative Gleichzeitigkeit" stört mich. Wenn Beobachter A den Lichtwegunterschied berücksichtigt und die Geschwindigkeit von B kennt, wird er doch jedesmal zurückrechnen können, dass die Uhren in B gleichzeitig synchronisiert werden. Die Gleichzeitigkeit ist nicht relativ, sondern erscheint nur bei Nichtbeachtung des Wegunterschieds so. Das wird aus dem Terminus nicht deutlich.)


Nein, er kann zurückrechnen soviel er will. Es gibt keine Möglichkeit für ihn mit derselben Prozedur zwei relativ zu ihm ruhende Uhren so zu synchronisieren, daß sie in den beiden Ereignissen, in denen das Licht die Uhren des anderen Beobachters erreicht, dieselbe Zeit anzeigen. Das ist real unmöglich, nicht scheinbar. Deshalb ist Gleichzeitigkeit relativ.

Zitat:

Mir fällt allerdings die Transferleistung auf mein erstes Beispiel schwer. Ich weiß nicht, wie sich damit das Problem des nicht-ausgezeichneten Bezugsystems lösen lässt. In jedem System befindet sich nur eine Uhr.


Die Aussage "Bewegte Uhren gehen langsamer" läßt sich kaum vernünftig interpretieren, also vergiß sie besser. Versuche dir stattdessen folgendes klar zu machen:

1) Für Beobachter A vergeht zwischen zwei beliebigen Ereignissen Q und P auf seiner Weltlinie mehr Zeit als für einen relativ zu ihm bewegten Beobachter B zwischen den entsprechenden für A gleichzeitigen Ereignissen Q' und P' auf der Weltlinie von B.

2) Eine analoge Aussage gilt, wenn man die Rollen von A und B vertauscht. Der Knackpunkt hier ist, daß aus den "entsprechenden für A gleichzeitigen Ereignissen" nun für B gleichzeitige Ereignisse werden. Und da Gleichzeitigkeit relativ ist, sind die Ereignisse Q und P für B nicht gleichzeitig zu Q' und P'.
Uhrenmacher
Gast





Beitrag Uhrenmacher Verfasst am: 28. Sep 2017 02:01    Titel: Antworten mit Zitat

Habe mir die Relativität der Gleichzeitigkeit anhand eines anderen Beispiels deutlich gemacht. Verrückt!

Heißt das dann nicht, dass nicht nur die Zeit relativ ist, sondern schlichtweg alles? Womöglich ist euch das trivialerweise klar, aber mir zerhämmert es den Kopf. Wir erweitern mein erstes Beispiel und machen ein Gedankenexperiment:

Im gleichförmig bewegten System B werden die Uhren synchronisiert, jede Uhr löst wiederum nicht nur einen Lichtblitz aus, sondern tötet einen dort stehenden Menschen. Aus System B betrachtet sterben beide gleichzeitig. Aus System A betrachtet stirbt zuerst der näher befindliche Mensch, dann der weiter weg befindliche. Das hat doch immensen Einfluss auf die stringente geschichtliche Entwicklung des Systems!

Weitergedacht: In System B schreiben beide Menschen (startend bei einer ersten Synchronisation) im gleichen Takt Nummern auf einen Zettel: 1,2,3,4 usw. . Die zweite Synchronisation der Uhren in System B tötet beide Menschen und löst einen Lichtblitz aus. In System B stehen auf beiden Zetteln die gleichen Zahlen: 1,2,3,4. Aus System A betrachtet stirbt zuerst der nähere Mann, sein Zettel zeigt die Zahlen 1,2,3. Der weiter entfernte Mann stirbt daraufhin, sein Zettel zeigt die Zahlen 1,2,3,4,5. Nun kann man jedoch mit dem Bezugssystem B zu A zurückkehren und alle Zettel vergleichen - sie zeigen etwas anderes. Folglich ist für A eine andere Realität geschehen als für B. Mache ich hier irgendwo einen Fehler oder ist das wirklich so? Wenn das korrekt ist, dann raste ich aus.

Noch ein Beispiel, wahrscheinlich anschaulicher:
Das Zwillingsparadoxon. Zwilling 1 bleibt auf der Erde (wir als Beobachter auch), Zwilling 2 fliegt in einem Raumschiff mit annähernder Lichtgeschwindigkeit durchs All und kommt auf die Erde zurück. Zwilling 2 war aus unserer Sicht also derjenige, der sich bewegt hat. Zwilling 1 schaut nun auf Zwilling 2 und bemerkt, dass Zwilling 2 wesentlich jünger ist als er selbst. Soweit, so gut. Jetzt kommt der Knackpunkt: Alles auf Anfang. Zwilling 1 bleibt auf der Erde, Zwilling 2 fliegt mit annähernder Lichtgeschwindigkeit durchs All (diesmal sind wir mit im Raumschiff) und kommt wieder auf die Erde zurück. Für Zwilling 2 war also Zwilling 1 (welcher auf der Erde stand) der bewegte Beobachter. Jetzt ist es genau umgekehrt: Zwilling 2 schaut auf Zwilling 1 und bemerkt, dass diesmal Zwilling 1 wesentlich jünger ist als er selbst.

Wie kann das sein? Bewirkt die Bewegung eines der Bezugssysteme eine Aufspaltung der Realität, sodass zwei Versionen der Realität existieren? Somit würde jede Bewegung eines Menschen seine eigene, für ihn geltende Realität kreieren, da er in seinem eigenen Bezugssystem ruht, die Menschen um ihn herum sich jedoch meistens bewegen.
Uhrenmacher
Gast





Beitrag Uhrenmacher Verfasst am: 28. Sep 2017 02:35    Titel: Antworten mit Zitat

Uhrenmacher hat Folgendes geschrieben:

Im gleichförmig bewegten System B werden die Uhren synchronisiert, jede Uhr löst wiederum nicht nur einen Lichtblitz aus, sondern tötet einen dort stehenden Menschen. Aus System B betrachtet sterben beide gleichzeitig. Aus System A betrachtet stirbt zuerst der näher befindliche Mensch, dann der weiter weg befindliche. Das hat doch immensen Einfluss auf die stringente geschichtliche Entwicklung des Systems!

Weitergedacht: In System B schreiben beide Menschen (startend bei einer ersten Synchronisation) im gleichen Takt Nummern auf einen Zettel: 1,2,3,4 usw. . Die zweite Synchronisation der Uhren in System B tötet beide Menschen und löst einen Lichtblitz aus. In System B stehen auf beiden Zetteln die gleichen Zahlen: 1,2,3,4. Aus System A betrachtet stirbt zuerst der nähere Mann, sein Zettel zeigt die Zahlen 1,2,3. Der weiter entfernte Mann stirbt daraufhin, sein Zettel zeigt die Zahlen 1,2,3,4,5. Nun kann man jedoch mit dem Bezugssystem B zu A zurückkehren und alle Zettel vergleichen - sie zeigen etwas anderes. Folglich ist für A eine andere Realität geschehen als für B. Mache ich hier irgendwo einen Fehler oder ist das wirklich so? Wenn das korrekt ist, dann raste ich aus.


Fehler gefunden. Die erste Synchronisation ist in System A schon nicht gleichzeitig. Alle Zettel zeigen das Gleiche. Das neue Zwillingsparadoxon konnte ich noch nicht lösen.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 28. Sep 2017 10:30    Titel: Antworten mit Zitat

Uhrenmacher hat Folgendes geschrieben:
Das neue Zwillingsparadoxon konnte ich noch nicht lösen.


Das ist nur eine weitere Variante von dem "Bewegte Uhren gehen langsamer"-Mantra. Wenn du präzise Aussagen über Zeitdilatation während der Reise treffen wolltest, müßtest du wie gesagt, die Relativität der Gleichzeitigkeit berücksichtigen. Es ist aber gar nicht so einfach für beschleunigte Beobachter die korrekten Schlußfolgerungen aus der Einsteinschen Prozedur für Uhrensynchronisation zu ziehen. Allerdings ist dies für die Auflösung des Zwillingsparadoxons auch gar nicht nötig. Man hat ja zwei definitive Ereignisse, Abreise und Ankunft, die auf den Weltlinien beider Zwillinge stattfinden. Zwischen diesen kann man einfach die jeweiligen Eigenzeit berechnen ohne sich um die Gleichzeitigkeit von Ereignissen, die während der Reise stattfinden zu kümmern. Das Ergebnis ist eindeutig: Für den unbeschleunigten Zwilling vergeht mehr Zeit. (Das ist ein Spezialfall der Aussage, daß, unter bestimmten Bedingungen, Geodäten die Kurven maximaler Eigenzeit zwischen zwei Ereignissen sind.)
Uhrenmacher
Gast





Beitrag Uhrenmacher Verfasst am: 28. Sep 2017 14:26    Titel: Antworten mit Zitat

Ich verstehe dieses Minkowski-Diagramm nicht, kann mir das jemand genauer erläutern? Link:

de.wikipedia.org/wiki/Zwillingsparadoxon#/media/File:Zwillingsparadoxon.png

Richtig, es gibt zwei definitive Ereignisse auf beiden Weltlinien, Abfahrt und Ankunft. Ich nehme an, die farbigen Linien symbolisieren Lichtsignale bzw. das Eintreten von Ereignissen im ruhenden System und wann sie im bewegten System wahrgenommen werden. Warum drehen sich die Linien bei der Rückreise um?

Zum Zwillingsparadoxon: Es wird gesagt, dass ein Zwilling tatsächlich jung bleibt, da er eine Beschleunigung erfährt, der andere jedoch nicht. Aber auch die Beschleunigung ist doch vom Bezugssystem abhängig, oder nicht? Genausogut könnte der Raketenzwilling sagen, die Erde würde sich von ihm wegbewegen, abbremsen und umkehren.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 28. Sep 2017 16:57    Titel: Antworten mit Zitat

Uhrenmacher hat Folgendes geschrieben:
Ich verstehe dieses Minkowski-Diagramm nicht, kann mir das jemand genauer erläutern? Link:

de.wikipedia.org/wiki/Zwillingsparadoxon#/media/File:Zwillingsparadoxon.png

Richtig, es gibt zwei definitive Ereignisse auf beiden Weltlinien, Abfahrt und Ankunft. Ich nehme an, die farbigen Linien symbolisieren Lichtsignale bzw. das Eintreten von Ereignissen im ruhenden System und wann sie im bewegten System wahrgenommen werden.


In der Bildunterschrift steht, daß es sich um "Linien der Gleichzeitigkeit" handelt, d.h. Punkte auf den roten Linien finden während des Hinweges, Punkte auf der blauen während des Rückweges für den reisenden Zwilling gleichzeitig statt. Beachte, daß nach dieser Definition der Umkehrpunkt B sowohl "gleichzeitig" zu A2, als auch zu dem aus Sicht der Erde späteren Ereignis A3 ist. Das meinte ich damit, daß die Konsequenzen aus der Uhrensynchronisation für beschleunigte Beobachter etwas undurchsichtig sein können. Streng genommen handelt es sich auch nicht um "Linien der Gleichzeitigkeit" eines einzelnen beschleunigten Beobachters, sondern um die entsprechenden Linien zweier verschiedener inertialer Beobachter, von denen sich einer von der Erde weg und der andere zur Erde hin bewegt.

Zitat:

Warum drehen sich die Linien bei der Rückreise um?


Wegen der Relativität der Gleichzeitigkeit bezogen auf die beiden oben erwähnten inertialen Beobachter. Versuche mal aus der Einsteinschen Uhrensynchronisation abzuleiten, welche Ereignisse beide Beobachter jeweils als gleichzeitig ansehen.

Zitat:

Zum Zwillingsparadoxon: Es wird gesagt, dass ein Zwilling tatsächlich jung bleibt, da er eine Beschleunigung erfährt, der andere jedoch nicht.


Mit Sicherheit läßt sich immer sagen, daß im Minkwoski-Raum ein unbeschleunigter Beobachter zwischen zwei Ereignissen mehr Zeit mißt, als jeder beschleunigte Beobachter zwischen denselben Ereignissen. Das sagt aber nichts über die Situation aus, in der beide Beobachter beschleunigen oder beide nicht beschleunigen sich aber auf Grund der Gravitationswirkung wiedertreffen. Auch in diesen Situationen können beide am Ende unterschiedlich alt sein. (Im zweiten Fall habe ich kein konkretes Beispiel parat, ich denke aber, daß es möglich sein sollte, solche Situationen zu konstruieren.)

Zitat:

Aber auch die Beschleunigung ist doch vom Bezugssystem abhängig, oder nicht? Genausogut könnte der Raketenzwilling sagen, die Erde würde sich von ihm wegbewegen, abbremsen und umkehren.


Nein, Beschleunigung ist die Folge einer Kraft. Diese ist nicht relativ: Auf den reisenden Zwilling wirkt irgendwann mal die Schubkraft der Rakete, während die Erde sich die ganze Zeit im freien Fall um die Sonne befindet. Dieser Unterschied zwischen freiem Fall bzw. einer Trägheitsbewegung und einer Bewegung unter dem Einfluß einer Kraft ist von fundamentaler Bedeutung für die Dynamik seit Newton. Daran ändert sich auch in der Relativitätstheorie im wesentlichen nichts.

Das ist allerdings für die gegenwärtige Frage m.E. eher sekundär. Die Beschleunigung ist ohnehin nicht die Ursache für den Altersunterschied.
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