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Preferred Basis: Was heißt das genau?
 
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schnudl
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Anmeldungsdatum: 15.11.2005
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Beitrag schnudl Verfasst am: 12. Jul 2016 10:22    Titel: Preferred Basis: Was heißt das genau? Antworten mit Zitat

Zurek stellt in seiner Arbeit

http://vvkuz.ru/books/zurek.pdf

der Zeitentwicklung von System+Messgerät die Zeitentwicklung von System+Messgerät+Umgebung gegenüber. Während im ersteren Fall die Frage nach "was wird nun eigentlich gemessen?" scheinbar nicht beantwortet werden kann (so ist meine Interpretation), kommt es im letzteren Fall zur Ausbildung einer bevorzugten Basis: Wenn man den Überlagerungszustand Gl. 8






in Gleichung (13) einsetzt, bekommt man in der neuen Basis des Systems nach erfolgter Wechselwirkung (Normierung außen vor):



ich verstehe nun nicht, wieso Zurek auf Seite 10 zum Schluss kommt:
Zitat:
A preferred basis of the detector, sometimes called the “pointer basis” for obvious reasons, has emerged.


Ich sehe hier den Wald vor lauter Bäumen nicht: was ist hier genau gemeint? Geht es darum, dass der Ausdruck aufgrund des Environments nicht mehr in faktorisierbare Einzelsummen von S, M, E zerlegbar ist? Irgendwie habe ich die Quintessenz dieses Abschnitts nicht verstanden. Was ist eine Bevorzugte Basis? Bestimmt sich diese aufgrund der Messart (in unserem Fall |up> versus |down>) ?

Weiters habe ich nicht verstanden, wieso die zu den beiden Messergebnissen korrespondierenden Zustände der Umgebung notwendigerweise orthogonal sein sollen. Ich sehe momentan weder etwas was dafür, noch dagegen spräche.

Kann mir das jemand erklären?

Vielen Dank,
Michael

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TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 12. Jul 2016 11:52    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn ein Produkthilbertraum



gegeben ist, dann hast du eine große Freiheit, darauf Basen zu definieren. Sei eine Basis gegeben durch







Natürlich sind beliebige Linearkombinationen bzw. beliebige unitäre Transformationen möglich, und keine der resultierenden Basen ist zunächst ausgezeichnet; z.B.:







Wenn nun ein beliebiger Zustand phi bzgl. der Eigenzustände "1" und "2" gemessen wird, dann resultiert daraus ein Zustand psi



Genauso könnte man diesen Zustand schreiben als



Die Auszeichnung einer bevorzugten Basis bzgl. einer Messung"1" und "2" besteht nun darin, dass gerade in der ersten Basis



die ersten beiden Komponenten "11" und "22" groß sind (und die anderen klein), d.h. dass es physikalisch sinnvoll ist, gerade bzgl. dieser Basis zu diagonalisieren. Die Auszeichnung dieser Basis resultiert nicht aus dem Zustand phi und nicht aus dem Hilbertraum H, sondern aus der speziellen Messung bzgl. "1" und "2". Wenn bzgl. "+" und "-" gemessen werden würde, dann würde die zweite Basis ausgezeichnet werden.

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schnudl
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Beitrag schnudl Verfasst am: 12. Jul 2016 13:49    Titel: Antworten mit Zitat

Danke Tom, ich werde mir das abends mal anschauen.
Bei dir kommt jedenfalls das Environment nicht ins Spiel. Inwieweit ist dessen Einfluss für den Begriff wichtig? Aus dem Übersichtspaper geht es für mich so hervor.

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TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 12. Jul 2016 14:00    Titel: Antworten mit Zitat

schnudl hat Folgendes geschrieben:
Bei dir kommt jedenfalls das Environment nicht ins Spiel. Inwieweit ist dessen Einfluss für den Begriff wichtig?

Das ist sehr wichtig; ich hab's nur weggelassen, um die Notation nicht zu überfrachten

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schnudl
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Beitrag schnudl Verfasst am: 12. Jul 2016 14:03    Titel: Antworten mit Zitat

und wo genau ist der Punkt wo das Environment ins spiel kommt? Liegt es daran, dass (wie ich lediglich vermute) der zeitentwickelte Gesamtzustand nur in der "richtigen" Basis faktorisiert, d.h. sich als Summe



schreiben lässt

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TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 12. Jul 2016 14:59    Titel: Antworten mit Zitat

Nein, auch unter Einbeziehung der Umgebung faktorisiert der Zustand nicht in der bevorzugten Basis; man benötigt einen kleinen Umweg.

Man betrachte die WW eines in einem bestimmten Zustand präparierten Quantensystems S mit einem Messgerät M sowie den Umgebungsfreiheitsgraden U:



(ich verzichte darauf, die Zeitentwicklung genauer auszuführen)

Zunächst findet lediglich eine Verschränkung statt; es liegt keine Faktorisierung vor. Allerdings ist die Verschränkung mit der Umgebung unbeobachtbar. Formal berechnet man dazu den reduzierten Dichteoperator durch Ausspuren aller unbeobachteten Freiheitsgrade, d.h.





D.h. dass unter Vernachlässigung der unbeobachtbaren Freiheitsgrade das System in extrem guter Nähertung so aussieht, als ob es in einem klassischen, statistischen Gemisch vorliegen würde, wobei gerade die Zeigerbasis ausgezeichnet ist. Allerdings ist das System, tatsächlich kein statistisches Gemisch, was gemäß der unitären Dynamik verboten ist, sondern weiterhin ein reiner Zustand, d.h.



Die Dekohärenz beschreibt also einen scheinbaren Kollaps in scheinbar klassische, autonome bzw. stabile Zweige.

(ich weiß nicht, wie dieses Argument ohne den Dichteoperator funktioniert)

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schnudl
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Beitrag schnudl Verfasst am: 12. Jul 2016 16:50    Titel: Antworten mit Zitat

Danke. Ich hoffe ich komme dazu, mir das heute abends anzusehen. Für die wirklich wichtigen Dinge im Leben habe ich leider nie Zeit Thumbs up!
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index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 14. Jul 2016 19:58    Titel: Antworten mit Zitat

schnudl hat Folgendes geschrieben:

ich verstehe nun nicht, wieso Zurek auf Seite 10 zum Schluss kommt:
Zitat:
A preferred basis of the detector, sometimes called the “pointer basis” for obvious reasons, has emerged.


Ich sehe hier den Wald vor lauter Bäumen nicht: was ist hier genau gemeint? Geht es darum, dass der Ausdruck aufgrund des Environments nicht mehr in faktorisierbare Einzelsummen von S, M, E zerlegbar ist? Irgendwie habe ich die Quintessenz dieses Abschnitts nicht verstanden. Was ist eine Bevorzugte Basis? Bestimmt sich diese aufgrund der Messart (in unserem Fall |up> versus |down>) ?


Die bevorzugte Basis ist die, die aus den beiden Zuständen "Spin up" und "Spin down" besteht. Sie ergibt sich allein aus der Tatsache, daß die Wechselwirkung mit der Umgebung wie in Gl. (13) eine perfekte Korrelation der Spinzustände mit zwei nicht-kollinearen Umgebungszuständen und hergestellt hat. (Die Spinzustände sind bereits vollständig mit den Zeigerzuständen des Meßgeräts korreliert, was ja ein Spinmeßgerät auszeichnet.) Derartiges kann die Umgebung nur für eine einzige Basis leisten und diese ist dadurch folglich ausgezeichnet. Das wichtige ist, daß der Endzustand eben nicht die allgemeine Form



hat, sondern die spezielle aus Gl. (13). Die allgemeine Form beschreibt im allgemeinen nicht mal eine Messung, geschweige denn eine mit bevorzugter Basis. Es funktioniert im allgemeinen auch nicht, wenn sich und nur durch eine Phase unterscheiden.

Das ist aber m.E. nicht die Quintessenz des Abschnitts. Das ganze hat nämlich noch gar nichts mit Dekohärenz zu tun. Diese kommt ins Spiel, wenn ich im Rahmen des Meßprozesses die Emergenz von klassischen, also in diesem Zusammenhang nicht-interferierenden, makroskopischen Alternativen erklären will. Das heißt, ich möchte den Endzustand einer Messung mit mir unbekanntem Ergebnis nicht als kohärente Überlagerung aller möglichen Meßergebnisse beschreiben, sondern einfach als klassische Unkenntnis in Form einer Wahrscheinlichkeitsverteilung über die möglichen Zustände des Systems. Mit anderen Worten mit Hilfe einer Dichtematrix. Auch hierfür benötigt man die Umgebung.

Das, was nun physikalisch die "Umgebung" definiert, ist die Tatsache, daß die Observable, sagen wir , deren Messung du beschreibst, überhaupt keine Aussagen über den Zustand macht. (Mathematisch bedeutet das, wirkt als Identität auf den Zuständen der Umgebung.) Unter diesen Umständen kannst du, völlig exakt und ohne Näherung, Erwartungswerte von im reinen Zustand

,

mit Hilfe des reduzierten Dichteoperators



berechnen, nämlich so, wie man es aus der Quantenstatistik kennt



Das ist m.E. die Signifikanz von Gl. (14). Für alle Belange, die Werte der Observablen betreffen, kannst du also so tun, als sei die Umgebung gar nicht da, dafür aber das System im gemischten Zustand .

Was man nun beobachten kann, ist, daß die Diagonalelemente dieses Gemisches einfach den Wahrscheinlichkeiten entsprechen, bei einer Messung von den Wert zu erhalten. Wären nur sie von null verschieden, wären sie auch die Wahrscheinlichkeit dafür, den Meßapparat in einem Zustand zu finden, der die Messung des Wertes "k" anzeigt und wir wären fertig. Die Nebendiagonalelemente hängen allerdings derart vom Überlapp der Umgebungszustände ab



daß sie nur verschwinden, wenn nach der Wechselwirkung irgendwann diese Zustände orthogonal sind. Auch ohne, daß wir wissen, daß es so ist, können wir diese Implikation ja schon mal festhalten.

Zitat:

Weiters habe ich nicht verstanden, wieso die zu den beiden Messergebnissen korrespondierenden Zustände der Umgebung notwendigerweise orthogonal sein sollen. Ich sehe momentan weder etwas was dafür, noch dagegen spräche.


Das ist keineswegs notwendigerweise so, sondern soll ja irgendwie von der Wechselwirkung zwischen System und Umgebung abhängen. Die interessante Frage ist also, wie die Wechselwirkung zwischen System und Umgebung beschaffen sein muß, damit Dekohärenz des Systemzustands einsetzt, wenn der Gesamtzustand das Endprodukt der Zeitentwicklung unter Einbeziehung eben dieser Wechselwirkung mit der Umgebung ist. Da orthogonale Zustände auch nicht-kollinear sind, hätten wir die bevorzugte Basis gleich kostenlos mit dazugeliefert bekommen.

Ab hier scheinen nun allerdings die konsequenten Argumente weitgehend aufzuhören und die Heuristik anzufangen. Es sieht so aus, als ob selbst die einfachsten Modelle für Dekohärenz voraussetzen, daß die Kopplung an die Umgebungsvariablen irgendein Zufallselement enthält. In diesem Fall verschwindet die Kohärenz nach kurzer Zeit innerhalb einer Art thermodynamischem Grenzwert (Anzahl der Umgebungsfreiheitsgrade geht gegen unendlich). Andernfalls oszillieren die Diagonalelemente mit der Frequenz der Kopplungsparameter und auf Phasen der Dekohärenz folgen solche der "Rekohärenz". An sich stellt diese Rekohärenz kein prinzipielles Problem dar, denn man kann ihre Zeitdauer sie so lang einstellen, daß ihre Existenz keine praktische Rolle mehr spielt. Problematisch scheint mir die Tatsache zu sein, daß der Ursprung der Zufälligkeit in der Kopplung an die Umgebung völlig unerklärt bleibt. Das trägt m.E. zumindest zur Lösung von fundamentalen Interpretationsfragen nicht weit, denn der Ausgangspunkt der Untersuchung sollte ja allein die deterministische Zeitentwicklung des Gesamtzustands sein, die keinen Spielraum für solche Zufallselemente läßt.
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