RegistrierenRegistrieren   LoginLogin   FAQFAQ    SuchenSuchen   
Schwarzes Loch - Seite 2
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3, 4  Weiter 
Neue Frage »
Antworten »
    Foren-Übersicht -> Astronomie
Autor Nachricht
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Feb 2014 22:37    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
Wie würdest du widerlegen, daß aus der Sicht des Außenstehenden der Astronaut den EH beim Szenario "mit Hawkingstrahlung" ebenfalls in unendlicher Zeit erreicht?

Welchen Tom? Na gut, ich versuch's mal ;-)

Die vollständige Lösung unter Einbeziehung der Hawkingstrahlung (und insbs. der Quantengravitation) ist heute unbekannt. Punkt. Das beste, was man machen kann, ist, den Massenverlust dm = f(t) dt durch einfallende Materie negativer Energie (!) zu simulieren (das ist in etwa auch die Idee, die Hawking in seinem Artikel unter dem Stichwort ‚Backreaction‘ beschreibt).

Tut man das, so läuft das Verdampfen des SLs in etwa so ab wie ein zeitumgekehrter Kollaps, d.h. Materie negativer Energie fällt ins Loch, der Radius des EHs verkleinert sich. Weiterhin darf man zunächst in guter Näherung annehmen, dass der Außenraum des SLs statisch ist. Wenn aber das Verdampfen nur einer Umkehrung des Kollaps entspricht, dann ist klar, dass er EH nur endlich lange Zeit existiert (Koordinatenzeit t des außenstehenden Beobachters). Damit findet das Verdampfen des SLs bei endlicher Koordinatenzeit t statt, und die Beobachtung (der Lichtsignale) erfolgt ebenfalls bei endlicher Koordinatenzeit. Das ist übriogens auch genau das, was das Penrose-Diagramm aussagt; die unendliche ferne Zukunft wird auf die Diagonale abgebildet; alles was innerhalb des gekippten Quadrats stattfindet, ereignet sich sicher früher.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Feb 2014 22:47    Titel: Antworten mit Zitat

TomW hat Folgendes geschrieben:
Der Beobachter hat zB ausgerechnet, dass die hineinstürzende Masse genau zum Zeitpunkt t den Schwarzschildradius der kombinierten Massen unterschreitet (was ja auch kein Problem ist, da besagte Masse sich schnell beliebig nahe an den alten EH annähert).
Er wartet also diesen Zeitpunkt ab und beobachtet die fallende Masse. Erst erreichen ihn noch stark rotverschobene Lichtwellen, sobald dann die Masse diesen kritischen Radius unterschreitet (diesen Zeitpunkt hat er ja berechnet), wird sie vom neuen EH überstülpt und die Wellen müssten abrupt abbrechen.

Leider trifft das so nicht zu. Der außenstehende Beobachter berechnet, dass die Masse dm dazu führt, dass der EH von R auf R+dr wächst. Wenn sich nun die Masse dm bei R+dR befindet, dann ist in dieser Näherung (!!) nur eine große, aber endliche Zeit T vergangen; diese Zeit verhält sich so wie M/dm, d.h. mit kleinen Massen dm geht sie wieder gegen Unendlich.

Ich werde mir dazu mal einige Rechnungen anschauen

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 18. Feb 2014 08:36    Titel: Antworten mit Zitat

Zunächst mal die Berechnung für die Zeit T, die der außenstehende Beobachter dem freien Fall eines Objektes bis knapp über dem Ereignishorizont zuschreibt

Der freie Fall:



Dimensionslose Variablen










Dauer des Falls




Nun zur Größe des Schwarzschildradius eines SLs der Masse M; in natürlichen Einheiten beträgt dieser



Beim Sturz eines Objektes der Masse m in das SL wächst der EH demnach auf



Damit ergibt sich




Beachte: Dieses T ist noch nicht die Zeit, nach der der außenstehende Beobachter ein Lichtsignal wahrnimmt; dazu muss außerdem noch die Lichtlaufzeit addiert werden. Diese beträgt




Man beachte, dass beide Zeiten im Grenzfall x=1 divergieren.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 18. Feb 2014 16:29    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Günther hat Folgendes geschrieben:
Wie würdest du widerlegen, daß aus der Sicht des Außenstehenden der Astronaut den EH beim Szenario "mit Hawkingstrahlung" ebenfalls in unendlicher Zeit erreicht?


Die vollständige Lösung unter Einbeziehung der Hawkingstrahlung (und insbs. der Quantengravitation) ist heute unbekannt. Punkt. Das beste, was man machen kann, ist, den Massenverlust dm = f(t) dt durch einfallende Materie negativer Energie (!) zu simulieren (das ist in etwa auch die Idee, die Hawking in seinem Artikel unter dem Stichwort ‚Backreaction‘ beschreibt).

Stattdessen geht es um die Koordinatengeschwindigkeit

dr/dt = -(1-2M/r)(2M/r)^1/2

Ob nun M abnimmt (Hawking Strahlung berücksichtigt) oder nicht, geht für
r -> 2M der erste Faktor gegen Null. Demnach erreicht der frei fallende Astronaut den Ereignishorizont in beiden Fällen in unendlicher Koordinatenzeit t.

Aber offenbar
Zitat:
Die Zeit, die für den Außenstehenden verstreicht, bis der Astronaut den EH erreicht, ist unendlich/endlich lange, wenn du ohne/mit Hawkingstrahlung argumentierst. Dafür ist die Schwarzschild-Zeitkoordinate geeignet.

siehst du das anders. Aber weshalb?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 18. Feb 2014 17:01    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
Stattdessen geht es um die Koordinatengeschwindigkeit

dr/dt = -(1-2M/r)(2M/r)^1/2

Ob nun M abnimmt (Hawking Strahlung berücksichtigt) oder nicht, geht für
r -> 2M der erste Faktor gegen Null. Demnach erreicht der frei fallende Astronaut den Ereignishorizont in beiden Fällen in unendlicher Koordinatenzeit t.

Das wäre eine verblüffend einfache Interpreation; muss ich mir mal anschauen ...

Günther hat Folgendes geschrieben:
Aber offenbar ... siehst du das anders. Aber weshalb?

Schau dir die beiden Zeichnungen an ;-)

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Feb 2014 00:29    Titel: Antworten mit Zitat

Ich gehe davon aus, dass du eine Lösung der Geodätengleichung



meinst. Das ist aber nur die spezielle Gleichung für eine lichtartige Geodäte, nicht für den allgemeinen Fall.

Ein paar Anmerkungen:
1) Wenn der freie Fall aus sehr großem Abstand stattfindet, das SL mit einem sehr kleinen EH jedoch nur sehr kurz existiert, dann sollte der EH längst verdampft sein, bis das fallende Objekt in seine Nähe kommt, und das SL sollte insgs. einen zu vernachlässigenden Einfluss auf das Objekt haben
2) Im Falle eines verdampfenden SLs muss man sicher Näherungen einführen. Für den Sturz in ein statisches SL kann man M = const. benutzen; für ein verdampfendes SL ist jedoch M = M(t) mit dM0/dt < 0; dafür gilt die Schwarzschildlösung sicher nicht exakt.
3) Die Zeitabhängigkeit von M(t), die aus der Temperatur der Hawkingstrahlung folgt, gilt für einen Beobachter im Unendlichen, nicht für einen frei fallenden Beobachter

Dennoch ist der obige Ansatz evtl. gar nicht so verkehrt, um Abschätzungen durchzuführen. Setzen wir zunächst die zeitliche Abhängigkeit gemäß der Hawkingstrahlung an und führen wir eine "adiabatische Näherung" ein, d.h. nehmen wir an, dass wir einfach die zeitabhängige Masse M(t) in die Schwarzschildmetrik einsetzen dürfen. Nehmen wir weiter an, dass die Trajektorie für r(t) für jedes t durch eine Masse



definiert wird, d.h. tragen wir dem schrumpfenden SL dadurch Rechnung, dass wir eine geringere Masse annehmen (und den gravitativen Effekt der Strahlung vollständig vernachlässigen).

Dann können wir die obige Gleichung für ein M(t) lösen, wenn es gelingt, einen integrierenden Faktor zu finden, so dass die o.g. Gleichung exakt wird.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 19. Feb 2014 11:31    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Das wäre eine verblüffend einfache Interpreation; muss ich mir mal anschauen ...

Wie man's nimmt. Ich finde, diese Annahme einer Abhängigkeit der Koordinatenzeit von mit/ohne Hawkingstrahlung ist anti-intuitiv und habe deshalb nachgeschaut. Auch wenn der freie Fall im Unendlichen (dort in Ruhe) beginnt, erreicht der Freifaller den EH in endlicher Eigenzeit, dafür gibt's bestimmt Rechenbeispiele. Die Eigenzeit für den freien Fall aus dem endlichen Abstand r ist pi(r³/8GM)^1/2. Und natürlich muß man, wie weiter oben schon erwähnt, vorraussetzen, daß er mit/ohne Hawkingstrahlung in seiner Eigenzeit einen EH erreicht.

Entscheidend ist der Grenzwert r -> 2M und nicht eine etwaige Hawkingstrahlung.

Die Herleitung aus der Schwarzschildmetrik unter Berücksichtigung von Gesamtenergie des Systems ist konstant, findet sich in "Exploring Black Holes", Taylor&Wheeler, 2000. Auf die Schnelle habe ich gerade das Gl. 5.32 noch gefunden.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Feb 2014 12:07    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
Ich finde, diese Annahme einer Abhängigkeit der Koordinatenzeit von mit/ohne Hawkingstrahlung ist anti-intuitiv

Wieso denn?

Es handelt sich um zwei qualitativ völlig verschiedene Raumzeiten. Also wird das Ergebnis massiv davon abhängen, welches Szenario du betrachtest.

Günther hat Folgendes geschrieben:
Die Eigenzeit für den freien Fall aus dem endlichen Abstand r ist pi(r³/8GM)^1/2. Und natürlich muß man, wie weiter oben schon erwähnt, vorraussetzen, daß er mit/ohne Hawkingstrahlung in seiner Eigenzeit einen EH erreicht.

Ohne Hawkingstrahlung muss man das nicht voraussetzen, sondenr kann es explizit berechnen; das ist Standard.

Mit Hawkingstrahlung muss das eigtl. auch nicht voraussetzen, sondenr man muss eine hinreichend gute Nähewrung für die Raumzeit finden, mittels der man das wiederum berechnen kann.

Günther hat Folgendes geschrieben:
Entscheidend ist der Grenzwert r -> 2M und nicht eine etwaige Hawkingstrahlung.

Ohne Hawkingstrahlung ist das bekannt. Mit Hawkingstrahlung ist leider M = M(t) mit dM/dt < 0 und dafür ist nunmal die „zeitabhängige Schwarzschildmetrik“ keine Lösung.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Feb 2014 13:22    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Mit Hawkingstrahlung ist leider M = M(t) mit dM/dt < 0 und dafür ist nunmal die „zeitabhängige Schwarzschildmetrik“ keine Lösung.

Trotzdem könnte man spaßeshalber mal eine adiabatische Näherung benutzen:



mit


_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Feb 2014 13:52    Titel: Antworten mit Zitat

Nein, es geht besser!! Nämlich mit der sogenannten Vaidya-Metrik. Dazu sollte man eine realistische Lösung für M(v) einsetzen und die Geodäten berechnen.

http://en.wikipedia.org/wiki/Vaidya_metric

Ich schau mal, was sich da machen lässt.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 19. Feb 2014 14:17    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Trotzdem könnte man spaßeshalber mal eine adiabatische Näherung benutzen:



mit


Das läuft auf's gleiche raus. Die Koordinatengeschwindigkeit geht asymptotisch gegen Null, ob nun M abnimmt oder nicht. Oder siehst du das tatsächlich anders?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Feb 2014 15:00    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
Die Koordinatengeschwindigkeit geht asymptotisch gegen Null, ob nun M abnimmt oder nicht. Oder siehst du das tatsächlich anders?

Nein, das sehe ich nicht anders. Es gilt sicher



Aber das alleine sagt recht wenig aus.

Es geht darum, dass M(t) für endliches t identisch Null wird. D.h. ab diesem Zeitpunkt trifft die obige Gleichung nicht mehr zu (sie trifft eh' nicht zu, da sie wohl nur eine unzulässige Näherung darstellt; man muss die von mir genannte Vaidya-Metrik verwenden). D.h. für größere Koordinatenzeiten liegen wieder Lichtstrahlen im flachen Raum vor. Es gibt keinen EH und keine Singularität mehr.

Dass Lichtstrahlen am EH gefangen werden, kann man mit dem Argument



begründen. Aber dieses Argument setzt ja gerade die Existenz des EHs voraus, und das trifft dann eben nicht mehr zu. D.h. dass ab dem Zeitpunkt des endgültigen Zerstrahlens bei endlicher (!) Koordinaten alle Lichtstrahlen, auch die bisher am EH gefangenen, normal in einer flachen Raumzeit propagieren.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 19. Feb 2014 18:02    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dass Lichtstrahlen am EH gefangen werden, kann man mit dem Argument



begründen. Aber dieses Argument setzt ja gerade die Existenz des EHs voraus, und das trifft dann eben nicht mehr zu. D.h. dass ab dem Zeitpunkt des endgültigen Zerstrahlens bei endlicher (!) Koordinaten alle Lichtstrahlen, auch die bisher am EH gefangenen, normal in einer flachen Raumzeit propagieren.

Ja das stimmt und jetzt bin ich doch sehr ins Grübeln gekommen.
Das würde doch bedeuten, daß 'Verdampfen' und 'durch den EH fallen' in Koordinatenzeit zusammenfällt. Also beides gleichzeitig in endlicher Koordinatenzeit. ?(
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Feb 2014 18:15    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
Das würde doch bedeuten, daß 'Verdampfen' und 'durch den EH fallen' in Koordinatenzeit zusammenfällt. Also beides gleichzeitig in endlicher Koordinatenzeit. ?(

Das kommt darauf an, welche Zeitkoordinate du wählst.

Ich habe das jetzt noch nicht in geeigneten, nicht-singulären Koordinaten gerechnet. In diesen Koordinaten sollte zuerst das "durch den EH fallen" und später das "Verdampfen" erfolgen. So ist das ja auch in Eigenzeit.

Falls die Schwarzschildkoordinaten verwendet werden (und geeignet sind - sie sind ja am EH singulär, der verschwindet nach endlicher Zeit, .... klingt pathologisch) sollten beide Ereignisse auf die selbe, endliche Zeitkoordinate abgebildet werden. Aber das wäre dann ein pathologischer Effekt der Koordinaten.

Ich denke, man muss das mal in Eddington-Finkelstein-Koordinaten rechnen.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Feb 2014 18:32    Titel: Antworten mit Zitat

schau mal hier:

http://en.wikipedia.org/wiki/Eddington-Finkelstein_coordinates
http://en.wikipedia.org/wiki/Vaidya_metric

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomW
Gast





Beitrag TomW Verfasst am: 19. Feb 2014 20:41    Titel: Antworten mit Zitat

Okay, dann melde ich mich mal wieder zu Wort.
Wenn ich mir das Penrose-Diagramm so anschaue, dann fällt mir auf, dass die Lichtstrahlen, die den Beobachter erreichen, wenn er in Richtung SL blickt (also auch die Strahlen, die ein erdgebundener Beobachter mit einem genügend leistungsfähigen Teleskop sehen könnte, das er auf ein SL richtet), alle noch vom kollabierenden Staub (bzw in der Realität also dann vom kollabierenden Stern) stammen. Er sieht also nie völlige Schwärze, sondern immer, also den ganzen Zeitraum bis zur Zerstrahlung, zunehmend rotverschobene Photonen.

Hätte der Beobachter vorher mit einer hineinfallenden Person abgesprochen, dass der Hineinfallende genau eine bestimmte Anzahl Lichtwellen aussenden soll, würden durch die Rotverschiebung die Wellen immer weiter gedehnt, jede bräuchte länger als die vorhergehende, und die allerletzte wird erst im Moment der Zerstrahlung "fertig".

Die hineinfallende Materie kann aus Erdbeobachtersicht erst beim Zerstrahlen ankommen, also kann sich dieser "dunkle Fleck" in der Mitte auch nie vergrößern, oder? Die darauf zustürzende Masse legt sich wie ein Gürtel um den kollabierenden Stern (da sie sich ja in einer Akkretionsscheibe annähert), kann aber die dunkle Kugel als Ganzes nicht vergrößern.
Aber was würde denn dann (immer aus Sicht des Erdenbeobachters) geschehen, wenn das SL z.B. einen Stern verschlucken wollte, der dreimal so viel Masse hat wie der Stern, der zum SL kollabiert? Die dreifache Masse der "dunklen Kugel" in einem fast genauso dunklen Gürtel extrem nah, aber nicht direkt an der Kugel?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 20. Feb 2014 08:23    Titel: Antworten mit Zitat

TomW hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich mir das Penrose-Diagramm so anschaue, dann fällt mir auf, dass die Lichtstrahlen, die den Beobachter erreichen, wenn er in Richtung SL blickt, alle noch vom kollabierenden Staub stammen.

Ja, das ist richtig.

TomW hat Folgendes geschrieben:
Er sieht also nie völlige Schwärze, sondern immer, also den ganzen Zeitraum bis zur Zerstrahlung, zunehmend rotverschobene Photonen.

Ja, das ist auch richtig.

TomW hat Folgendes geschrieben:
Hätte der Beobachter vorher mit einer hineinfallenden Person abgesprochen, dass der Hineinfallende genau eine bestimmte Anzahl Lichtwellen aussenden soll, würden durch die Rotverschiebung die Wellen immer weiter gedehnt, jede bräuchte länger als die vorhergehende, …

Wieder richtig.

TomW hat Folgendes geschrieben:
… und die allerletzte wird erst im Moment der Zerstrahlung "fertig".

Bzw. ohne Zerstrahlung nie.

Du meinst mit „die allerletzte“, die letzte, die die hineinfallenden Person direkt am EH abstrahlt.

TomW hat Folgendes geschrieben:
… also kann sich dieser "dunkle Fleck" in der Mitte auch nie vergrößern, oder?

Das muss ich mir nochmal genau überlegen. Der dunkle Fleck existiert ja auch ohne bzw. unabhängig von der einfallenden Materie (diese wird durch die Rotverschiebung und die Zeitdilatation sowie so unsichtbar), sondern wird dadurch hervorgerufen, dass ein bestimmter Bereich das Licht dahinterliegender Sterne verschluckt. Dazu müsste man mal unter „black holes“ und „ray tracing“ suchen.

Schau mal hier: http://www.wissenschaft-online.de/astrowissen/lexdt.html

Andreas über das Thema promoviert.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 20. Feb 2014 18:32    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich habe das jetzt noch nicht in geeigneten, nicht-singulären Koordinaten gerechnet. In diesen Koordinaten sollte zuerst das "durch den EH fallen" und später das "Verdampfen" erfolgen. So ist das ja auch in Eigenzeit.


Ja genau! An Kruskal Koordinaten hast du sicherlich gedacht. Ich kenn' mich nicht gut damit aus, sind sie ev. a priori ungeeignet das zu zeigen? Bin etwas knapp an Zeit.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 20. Feb 2014 19:13    Titel: Antworten mit Zitat

Nein, ich meine zunächst mal nur

http://en.wikipedia.org/wiki/Eddington-Finkelstein_coordinates
http://en.wikipedia.org/wiki/Vaidya_metric

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 20. Feb 2014 22:39    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Nein, ich meine zunächst mal nur

http://en.wikipedia.org/wiki/Eddington-Finkelstein_coordinates
http://en.wikipedia.org/wiki/Vaidya_metric

http://zhblog.engic.org/wp-content/uploads/2010/11/Incompatibility.pdf
Seite 10 ff.

Vermutlich vergebene Mühe, auch in Finkelstein Koordinaten durchqueren Geodäten nicht den EH verdampfender SLer. Hintergrund dürfte die mathematische Äquivivalenz sein.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 20. Feb 2014 23:55    Titel: Antworten mit Zitat

Interessanter Artikel. Mal sehen, ob sich da nicht irgendwo ein Fehler versteckt hat, und ob das Ergebnis tatsächlich unstrittig ist.
_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 21. Feb 2014 09:49    Titel: Antworten mit Zitat

Das ist m.E. ein sehr interessanter Artikel, der auch einige wichtige Literaturhinweise enthält:

http://arxiv.org/pdf/gr-qc/0406067v2.pdf

Was mir generll auffällt ist folgendes:

1) zunächst benötigt man sinnvolle Lösungen der Einsteingleichungen für variable Masse, Energiebedingung etc.; Ansätze dafür finden sich zumiest in Form der Vaidya-Metrik oder ggf. Verallgemeinerungen.

2) Dann muss man zwei Fälle auseinanderhalten, nämlich
2a) den Kollaps (z.B. Oppenheimer-Snyder oder Verallgemeinerungen)
2b) das Verdampfen
Beide Fälle müssen streng genommen zusammenpassen, aber das ist oft nicht so implementiert; z.B. nimmt man oft an, dass ein stationäres Schwarzschild-SL vorliegt, an das dann ein verdampfendes Vaidya-SL angepasst wird.

3) Die Lösungen zu 2) sollten natürlich aus einer allgemeinen Theorie der Quantengravitation folgen; da wir diese nicht haben, werden teilweise semiklassische Näherung verwendet. Die globale Struktur der Raumzeit (Penrose-Diagramm, Horizonte, Lichtartige Kurven, …) ist jedoch häufig unabhängig von diesen Details (außer im Falle der Singularität selbst, wobei hier eine semiklassische Näherung nicht hilft)

4) Wenn ein vollständiges Verdampfen auftritt, dann liegt m.E. auch immer eine nackte Singularität vor (in den Raumzeitdiagrammen erkennt man leicht, dass die gefangen Lichtstrahlen am EH zusammen mit dem Verdampfen der Singularität entkommen.

5) Im Falle des Verdampfens liegt m.E. kein Ereignishorizont im eigtl. Sinne vor. Ein Ereignishorizont umschließt eine Region, aus der keine Signale ins lichtartig unendliche entkommen können. Anders formuliert, der EH liegt nicht in der Vergangenheit der unendlich fernen, lichtartigen Zukunft. Im Falle des Verdampfens liegt der H (bzw. die resultierende nackte Singularität) sowie die flache Raumzeit mit r=0 für Zeiten t nach dem Verdampfen jedoch in der Vergangenheit der lichtartigen Zukunft. Daher ist der Begriff Ereignishorizont hier streng genommen falsch.

6) Dies ist der wesentliche Mangel dieser Definition; man hat offensichtlich einen lokalen „apparent horizon“, jedoch keinen globalen „event horizon“.

7) Die Frage des Überquerens des H (ncith: EG!) im Zuge des Kollapses sowie vor dem endgültigen Verdampfen kann man immer eindeutig durch radiale einlaufende Geodäten und der Betrachtung der Eigenzeit lösen. Da die Dauer des freien Falls in die Singularität endlich ist, wird der auch der H in endlicher Zeit (Eigenzeit!) überquert. Am einfachsten betrachtet man dazu lichtartige Geodäten (wobei hier die Eigenzeit durch den affinen Parameter zu ersetzen ist).

8) Die Frage der Wahrnehmung des außenstehenden Beobachters ist i.A. recht kompliziert. Zunächst mal können in den verschiedenen Geometrien einlaufende und auslaufende Geodäten konstruiert werden. Betrachtet man einfallende sowie auslaufende Lichtstrahlen, so ergibt jedes derartige Paar mit Schnittpunkt am H zwei Zeiten t
8a) Die Zeit, zu der ein Objekt den H erreicht (d.h. die Zeitkoordinate, die ein außenstehenden Beobachter diesem Ereignis zuschreibt)
8b) Die Zeit, zu der ein Lichtsignal von (9a) wieder den außenstehenden Beobachter erreicht (offensichtlich muss diese zweite Zeit nach der ersten Zeit liegen)

So, das war’s erst mal. Welche Fragen sind denn nun noch offen?

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 21. Feb 2014 11:38    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
5) Im Falle des Verdampfens liegt m.E. kein Ereignishorizont im eigtl. Sinne vor. Ein Ereignishorizont umschließt eine Region, aus der keine Signale ins lichtartig unendliche entkommen können.

Solange das SL noch nicht verdampft ist, liegt ein Ereignishorizont aber vor und ist das Photon bei r = 2M stationär.

TomS hat Folgendes geschrieben:
So, das war’s erst mal. Welche Fragen sind denn nun noch offen?

Ja, diese:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich habe das jetzt noch nicht in geeigneten, nicht-singulären Koordinaten gerechnet. In diesen Koordinaten sollte zuerst das "durch den EH fallen" und später das "Verdampfen" erfolgen. So ist das ja auch in Eigenzeit.

Diese Koordinaten würden mich interessieren.

In allen diesen unterschiedlichen Koordinaten, einige wurde weiter oben schon erwähnt, ist ein am EH emittiertes Photon dort stationär. Andernfalls würden sie kein Schwarzes Loch (mit/ohne Verdampfen) beschreiben.

Bei Eigenzeit sprechen wir über ein inertiales Bezugssystem, also die SRT. Ich bin skeptisch, ob es ein Koordinatensystem geben kann, das das "durch den EH fallen" und das spätere "Verdampfen" beschreibt, also die zeitliche Abfolge. Denn die Sichtweisen schließen sich gegenseitig aus. Aus ART Sicht ist der Freifaller am EH eingefroren, solange es diesen gibt, aus SRT Sicht fällt er durch. Wie soll man dann eine zeitliche Abfolge hinkriegen? Wäre für mich ein Selbstwiderspruch.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 21. Feb 2014 14:18    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
5) Im Falle des Verdampfens liegt m.E. kein Ereignishorizont im eigtl. Sinne vor. Ein Ereignishorizont umschließt eine Region, aus der keine Signale ins lichtartig unendliche entkommen können.

Solange das SL noch nicht verdampft ist, liegt ein Ereignishorizont aber vor und ist das Photon bei r = 2M stationär.

Ja, ich hätte das besser formulieren sollen.

Nach der gewöhnlichen Definition von „Ereignishorizont“ liegt ein solcher wohl auch dann vor, wenn man eine klassische Lösung der ART als Modell eines verdampfenden SLs ansetzt. Zwar existiert möglicherweise eine nackte Singularität, jedoch wird um die Singularität ein Bereich existieren, der zeitlich vor dem Erscheinen der nackten Singularität liegt, und für dessen Berandung der Begriff Ereignishorizont zutrifft.

Ich habe ein paar andere Probleme mit dem Begriff: Erstens ist er „teleologisch“; insbs. kann man nicht logisch konsistent behaupten, dass „jetzt“ ein EH vorliegt, obwohl zu dessen Definition die unendlich ferne Zukunft benötigt wird; „jetzt“ kann es ihn also nicht geben. Zweitens gibt es Modelle für Raumzeiten, in deinen keine unendlich ferne Zukunft existiert (kollabierendes FRW-Universum) und auf die der Begriff einfach nicht anwendbar ist. Drittens ist er nicht-lokal und daher unpraktisch. Man kann aus all diesen Gründen nicht behaupten, „dass hier ein SL mit einem EH existiert“; man kann höchsten – nach dem man die unendlich ferne Zukunft des gesamten Universums erreicht hat – behaupten, „dass ein EH existiert hat“.

http://arxiv.org/pdf/1309.4915.pdf

Zitat:
The usual definition of black hole event horizon turns out to be pretty much useless for
practical purposes in highly dynamical situations because it requires the knowledge of the
entire causal structure of spacetime (including future null infinity I+), which is physically
impossible.

Zitat:
The event horizon is the traditional notion of horizon for stationary black holes in GR. An event horizon is a connected component of the boundary ∂ (J−(I+)) of the causal past J−(I +)
of future null infinity I+ [88, 79, 3, 1]. This is the most peculiar feature of a black hole: the
horizon is a causal boundary separating a region from which nothing can come out to reach a
distant observer from a region in which signals can be sent out and eventually arrive to this
observer. An event horizon is generated by the null geodesics which fail to reach future null
infinity and, therefore (provided that it is smooth) is always a null hypersurface.

Zitat:
For an observer to state that a black hole event horizon has formed requires
knowledge of the spacetime outside his or her future light cone, which is impossible to achieve
unless the spacetime is stationary, the black hole has existed forever, and nothing changes (a
common expression is that the event horizon has a teleological nature).


Dann haben wir da noch Hawkings neues Paper, das letztlich versucht, eine konsistente Interpretation der Hawkingstrahlung zu finden.

http://arxiv.org/pdf/1401.5761v1.pdf

Zitat:
A different resolution of the paradox is proposed, namely that gravitational collapse produces apparent horizons but no event horizons behind which information is lost.

Zitat:
The absence of event horizons means that there are no black holes - in the sense of regimes from which light can't escape to infinity. There are however apparent horizons which persist for a period of time.



Günther hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich habe das jetzt noch nicht in geeigneten, nicht-singulären Koordinaten gerechnet. In diesen Koordinaten sollte zuerst das "durch den EH fallen" und später das "Verdampfen" erfolgen. So ist das ja auch in Eigenzeit.

Diese Koordinaten würden mich interessieren.


Ich habe dazu bisher nur die Vaidya-Metrik in Eddington-Finkelstein-Koordinaten gefunden. Diese sind jedoch auch nicht vollständig, was sich letztlich in der Existenz zweier Koordinatensysteme (u,r*) und (v,r*) zeigt. Ich habe ein Paper gefunden, in dem gesagt wird, dass eine Transformation dieser Metrik in ein vollständiges (z.B. Kruskal) Koordinatensystem (u,v) nicht bekannt ist.

Letztlich heißt das für mich, dass man heute immer nur entweder ein kollabierendes Objekt oder ein verdampfendendes SL in der Vaidya-Metrik in den jeweiligen Eddington-Finkelstein-Koordinaten beschrieben kann, nicht jedoch beide zusammen. Ich denke aber, die Vaidya-Metrik ist doch für viele Zwecke ausreichend.

Günther hat Folgendes geschrieben:
In allen diesen unterschiedlichen Koordinaten ist ein am EH emittiertes Photon dort stationär.

Das ist doch nur eine triviale Folge der Definition von „Ereignishorizont“. Wenn ich die Grenze zweier Raumzeitbereiche dadurch definieren, dass die Grenze genau durch diejenigen lichtartigen Geodäten gebildet wird, die diese Grenze weder nach innen noch nach außen verlassen, dann müssen Lichtstrahlen, die an der Grenze nach außen emittiert werden logischerweise auf dieser Grenze verbleiben.

Günther hat Folgendes geschrieben:
Bei Eigenzeit sprechen wir über ein inertiales Bezugssystem, also die SRT.


Keineswegs. Eigenzeit entlang einer beliebigen zeitartigen Kurve ist im Rahmen der ART definiert als



Dazu ist nicht einmal erforderlich, dass es sich um eine Geodäte handelt. In der Praxis sind jedoch frei-fallende, mitbewegte Koordinaten häufig praktischer. Damit können dann sogenannte co-moving Koordinaten definiert werden, d.h. ein lokal vom Beobachter aufgespanntes Koordinatensystem.

Günther hat Folgendes geschrieben:
Ich bin skeptisch, ob es ein Koordinatensystem geben kann, das das "durch den EH fallen" und das spätere "Verdampfen" beschreibt, also die zeitliche Abfolge.

Ich denke, die Vaidya-Metrik leistet genau das.

Günther hat Folgendes geschrieben:
Denn die Sichtweisen schließen sich gegenseitig aus. Aus ART Sicht ist der Freifaller am EH eingefroren, solange es diesen gibt, aus SRT Sicht fällt er durch.

Das hast du grundsätzlich falsch verstanden.

Die Eigenzeit wird wie oben erklärt in voller Allgemeinheit in der ART definiert. Dabei handelt es sich um eine Invariante der Bahnkurve, d.h. obwohl die Erscheinung der Bahnkurve eines Objektes für verschiedene Beobachter unterschiedlich aussehen wird, stimmen alle Beobachter in allen Koordinatensystemen bzgl. der entlang der Bahnkurve definierten und in ihren jeweiligen Koordinatensystemen berechneten Eigenzeit überein. Diese Eigenzeit ist also absolut bzw. invariant, nicht relativ.

D.h. der Freifaller fällt nicht „aus Sicht der SRT“ durch den EH, sondern aus seiner Sicht. Und zwar tatsächlich.

Günther hat Folgendes geschrieben:
Wie soll man dann eine zeitliche Abfolge hinkriegen? Wäre für mich ein Selbstwiderspruch.

Das Problem liegt evtl. nur im Begriff der zeitlichen Abfolge.

Nehmen wir an, eine Gruppe von Beobachtern mit Nummern n=1,2,3,… steht alle bei Radius r=R beieinander und starten zu einem gemeinsamen Zeitpunkt t=0 ihre Stoppuhren. Dann starten sie ihren freien Fall zu den Zeiten



Der freie Fall bis zum Horizont des stationären SLs dauert für jeden einzelnen Beobachter die identische Zeit T. D.h. auf seiner Stoppuhr wird zu diesem Zeitpunkt die Zeit


angezeigt. Zwar sind diese Ereignisse alle lichtartig getrennt, d.h. die Eigenzeitdifferenzen entsprechen in keinem Koordinatensystem Koordinatenzeitdifferenzen, aber dennoch kann damit eine eindeutige Abfolge definiert werden. Insbs. könnte ein Beobachter mit Nummer n ein Lichtsignal aussenden, in dem die Zahl n codiert ist, und das der Beobachter mit Nummer n+1 am Horizont registriert.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 21. Feb 2014 16:26    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Günther hat Folgendes geschrieben:
Ich bin skeptisch, ob es ein Koordinatensystem geben kann, das das "durch den EH fallen" und das spätere "Verdampfen" beschreibt, also die zeitliche Abfolge.

Ich denke, die Vaidya-Metrik leistet genau das.

Interessant, aber für meine Verhältnisse wahrscheinlich zu technisch.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Günther hat Folgendes geschrieben:
Denn die Sichtweisen schließen sich gegenseitig aus. Aus ART Sicht ist der Freifaller am EH eingefroren, solange es diesen gibt, aus SRT Sicht fällt er durch.

Das hast du grundsätzlich falsch verstanden.

Was ich meinte drücken die Autoren von "Exploring Black Holes" schon fast poetisch aus:
"The free-float (inertial) frame is the arena in which special relativity describes nature."
Der Freifaller, der in diesem BS ruht, bemerkt den EH nicht.

Du hast noch viel Interessantes geschrieben, muß mich aber kurz fassen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 21. Feb 2014 16:45    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
http://zhblog.engic.org/wp-content/uploads/2010/11/Incompatibility.pdf
Seite 10 ff.

Vermutlich vergebene Mühe, auch in Finkelstein Koordinaten durchqueren Geodäten nicht den EH verdampfender SLer.


TomS hat Folgendes geschrieben:
Interessanter Artikel. Mal sehen, ob sich da nicht irgendwo ein Fehler versteckt hat, und ob das Ergebnis tatsächlich unstrittig ist.


Hab' das mal mit einem Bekannten diskutiert; wir sind der Meinung, dass das Papier im wesentlichen falsch ist!

1) Der Autor verwendet eine Vakuumlösung; mit Hawkingstrahlung liegt jedoch gerade kein Vakuum vor.
2) Man weiß seit den 90igern, dass die Vaidya-Metrik bzw. verwandte Metriken verwendet werden müssen; der Autor geht darauf mit keinem Wort ein
3) Es wird vorausgesetzt, dass die Energiedichte überall positiv ist; das deutet darauf hin, dass doch kein Vakuum verwendet werden soll (siehe jedoch 1); und für Hawkingstrahlung ist diese Bedingung verletzt (sie ist ja äquivalent zu einlaufender Strahlung negativer Energie)
4) von diesem Autor gibt es kein Paper in arxiv sowie keine akzeptierte Veröffentlichung nach Peer Review

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 21. Feb 2014 17:02    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Günther hat Folgendes geschrieben:
Ich bin skeptisch, ob es ein Koordinatensystem geben kann, das das "durch den EH fallen" und das spätere "Verdampfen" beschreibt, also die zeitliche Abfolge.

Ich denke, die Vaidya-Metrik leistet genau das.

Interessant, aber für meine Verhältnisse wahrscheinlich zu technisch.

Nöö, gibt mir Zeit das aufzubereiten ;-)

Günther hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Günther hat Folgendes geschrieben:
Denn die Sichtweisen schließen sich gegenseitig aus. Aus ART Sicht ist der Freifaller am EH eingefroren, solange es diesen gibt, aus SRT Sicht fällt er durch.

Das hast du grundsätzlich falsch verstanden.

Was ich meinte drücken die Autoren von "Exploring Black Holes" schon fast poetisch aus:
"The free-float (inertial) frame is the arena in which special relativity describes nature."
Der Freifaller, der in diesem BS ruht, bemerkt den EH nicht.

Ja, das ist richtig.

Die SRT gilt aber ausschließlich lokal und nur für den Freifaller (das ist das Äquivalenzprinzip). Global sowie für nicht frei fallende Beobachter gilt die SRT natürlich nicht (sonst bräuchte man auch keine ART, oder?)

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 21. Feb 2014 17:24    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Hab' das mal mit einem Bekannten diskutiert; wir sind der Meinung, dass das Papier im wesentlichen falsch ist!

Hmm, gut zu wissen.
TomS hat Folgendes geschrieben:
Die SRT gilt aber ausschließlich lokal und nur für den Freifaller (das ist das Äquivalenzprinzip). Global sowie für nicht frei fallende Beobachter gilt die SRT natürlich nicht (sonst bräuchte man auch keine ART, oder?)

Es sei denn, wir wohnen im Milne Kosmos, aber dann gäbe es diesen Thread nicht. :D
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 21. Feb 2014 17:35    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
Es sei denn, wir wohnen im Milne Kosmos, aber dann gäbe es diesen Thread nicht. :D

Die Frage ist, was passiert, wenn wir eines Tages von einem SL verschluckt werden. Geht dann die Information in diesem Thread verloren ??

Ich hab jetzt noch ein paar Artikel zur semiklassischen / selbstkonsistenten Rechnungen mit Hawkingstrahlung überflogen. In einem davon wird explizit behauptet, dass aufgrund der "beginnenden Strahlung" kein SL und kein EH entsteht. Ich habe dazu aber keine weiteren Referenzen gefunden.

Ansonsten findet man immer wieder die Aussage, dass für die klassischen Raumzeiten das Überqueren des EHs sowie die endgültige Zerstrahlung für den externen Beobachter gleichzeitig sichtbar werden. Das erkennt man aber bereits aus meinen beiden Zeichnungen, d.h. dass komplizierte Metriken hier keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn liefern (sondern dass das Penrose-Diagramm ausreicht).

Wir müssen uns eh darüber im Klaren sein, dass wir sicher im trüben fischen, solange wir keine Quantengravitationstheorie haben. Aber das geht nicht über’s Wochenende …

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5029

Beitrag DrStupid Verfasst am: 21. Feb 2014 19:15    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Günther hat Folgendes geschrieben:
In allen diesen unterschiedlichen Koordinaten ist ein am EH emittiertes Photon dort stationär.

Das ist doch nur eine triviale Folge der Definition von „Ereignishorizont“.


Für einen statischen EH trifft das sicher zu, aber wie daraus folgt, dass das Licht einem dynamischen EH folgt, kann ich nach wie vor nicht erkennen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Feb 2014 00:15    Titel: Antworten mit Zitat

Was genau ist die Frage? Was ist mit "dynamischer Horizont" gemeint?

Die Aussage, das Photon sei "stationär" ist sicher etwas ungeschickt, aber wir wissen doch, was mit "stationär" gemeint ist: dass das Photon diese Fläche nicht verlässt.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomW
Gast





Beitrag TomW Verfasst am: 22. Feb 2014 08:27    Titel: Antworten mit Zitat

Okay, dann mische ich mich nochmal mit einer Nachfrage zu dem Diagramm ein...

Dort schaut es ja so aus, als ob es nie zu einer Singularität kommt - in dem Moment, in dem sie entstehen würde, zerstrahlt das Loch. Dann käme ich aber wieder zu meiner Anfangsfrage: Warum zerbricht man sich dann den Kopf über Singularitäten, wenn sie ja gar nicht entstehen können? Oder sieht das nur in diesem Diagramm so aus?

Und wodurch entsteht diese "Ecke" oben links, die ins Diagramm hineinragt? Natürlich, sie bewirkt, dass nichts, was hinter dem EH passiert, im Nachhinein an die "Außenwelt" dringen kann, aber das sieht ja so aus, als würde ein Stück Raum einfach verschwinden...

Und noch einmal zu dem "dunklen Fleck": Es wird ja auch auf Bildern immer so dargestellt, dass sich in der Mitte ein runder, schwarzer Kreis (bzw. eine schwarze Kugel) befindet, die die Materie "aufsaugt". Würde sich diese überall an dieser Kugel der Oberfläche annähern, würde die schwarze Kugel immer weiter wachsen, da immer mehr Materie aus Sicht des Außenstehenden so nahe dran und dadurch so rotverschoben ist, dass sie kaum noch zu sehen ist. Da sich aber die Materie in einer Scheibe annähert, müsste sich die ganze zusätzliche Masse wie eine Art Gürtel um den kollabierenden Stern (den man von außen ja die ganze Zeit zumindest theoretisch sieht) anlegen... und das würde besagten schwarzen Kreis auf Dauer ziemlich unförmig aussehen lassen, oder?
Günther



Anmeldungsdatum: 23.11.2010
Beiträge: 305

Beitrag Günther Verfasst am: 22. Feb 2014 10:37    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Günther hat Folgendes geschrieben:
In allen diesen unterschiedlichen Koordinaten ist ein am EH emittiertes Photon dort stationär.

Das ist doch nur eine triviale Folge der Definition von „Ereignishorizont“.


Für einen statischen EH trifft das sicher zu, aber wie daraus folgt, dass das Licht einem dynamischen EH folgt, kann ich nach wie vor nicht erkennen.


Aber weshalb nicht? Was sollte stattdessen mit dem bei r = 2M emittierten Photon passieren?

Diese Quelle dürfte seriös sein:

http://cosmology.berkeley.edu/Education/BHfaq.html#q9
Zitat:
The light that you emit when you're very near the horizon (but still on the outside) takes a very long time to climb out and reach her. If the black hole lasts forever, then the light may take arbitrarily long to get out, and that's why she doesn't see you cross the horizon for a very long (even an infinite) time. But once the black hole has evaporated, there's nothing to stop the light that carries the news that you're about to cross the horizon from reaching her. In fact, it reaches her at the same moment as that last burst of Hawking radiation. Of course, none of that will matter to you: you've long since crossed the horizon and been crushed at the singularity. Sorry about that, but you should have thought about it before you jumped in.


"you've long since crossed the horizon ...". Auch hieraus folgt eine "zeitliche Abfolge" der Ereignisse "Durch den EH in Eigenzeit" und "ist verdampft". Ich bin gespannt, ob TomS das einigermaßen nachvollziebar darstellen kann.
Mir sieht das nach einem nicht auflösbaren Widerspruch aus, aber sicher bin ich natürlich nicht.
Aus wessen Sicht erfolgen die beiden Ereignisse nacheinander?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Feb 2014 20:11    Titel: Antworten mit Zitat

TomW hat Folgendes geschrieben:
Okay, dann mische ich mich nochmal mit einer Nachfrage zu dem Diagramm ein...

Dort schaut es ja so aus, als ob es nie zu einer Singularität kommt - in dem Moment, in dem sie entstehen würde, zerstrahlt das Loch.

Schau dir bitte das erste Diagramm an. In dem läuft die Zeit von unten nach oben. Die Singularität ist als senkrechte rote Linie eingezeichnet; sie entsteht bereits im Zuge des Gravitationskollapses.

Was du evtl. als Singularität bezeichnest ist der rote Fleck, der jedoch nur das endgültige Zerstrahlen derselben bezeichnet.

TomW hat Folgendes geschrieben:
Warum zerbricht man sich dann den Kopf über Singularitäten, wenn sie ja gar nicht entstehen können? Oder sieht das nur in diesem Diagramm so aus?

Wie gesagt, im ersten Diagramm sieht man das Entstehen sowie die Dauer ihrer Existenz.

TomW hat Folgendes geschrieben:
Und wodurch entsteht diese "Ecke" oben links, die ins Diagramm hineinragt?

Ich hätte dieses Penrose-Diagramm wohl besser nicht einstellen sollen, zumindest nicht ohne weitere Erklärung. Bleiben wir besser beim ersten Diagramm; wenn du möchtest, dann mach doch einen Thread zum Thema "Penrose-Diagramme" auf.

TomW hat Folgendes geschrieben:
Und noch einmal zu dem "dunklen Fleck": Es wird ja auch auf Bildern immer so dargestellt, dass sich in der Mitte ein runder, schwarzer Kreis (bzw. eine schwarze Kugel) befindet, die die Materie "aufsaugt".

Der schwarze Fleck stammt daher, dass Lichtstrahlen nicht aus diesem Bereich entkommen können sowie dass sie ihn nicht durchqueren können. Die Bilder haben also erst mal nichts mit dem Aufsaugen von Materie zu tun.

TomW hat Folgendes geschrieben:
Würde sich diese überall an dieser Kugel der Oberfläche annähern, würde die schwarze Kugel immer weiter wachsen, da immer mehr Materie aus Sicht des Außenstehenden so nahe dran und dadurch so rotverschoben ist, dass sie kaum noch zu sehen ist. Da sich aber die Materie in einer Scheibe annähert, müsste sich die ganze zusätzliche Masse wie eine Art Gürtel um den kollabierenden Stern (den man von außen ja die ganze Zeit zumindest theoretisch sieht) anlegen... und das würde besagten schwarzen Kreis auf Dauer ziemlich unförmig aussehen lassen, oder?

Der Bereich, in dem sich die Materie anzusammeln scheint, befindet sich infinitesimal eng um den Horizont. Der Bereich ist insbs. aufgrund der Rotverschiebung sowie der geringer werdenden Intensität nicht sichtbar.

Ich bin mir nicht sicher, ob die dargestellten Bilder immer der Realität entsprechen (bzw. ob letztere in allen Details exakt berechenbar ist). Für das Raytracing (ohne einfallende Materie) kann ich nur nochmal auf die Seite von Andreas verweisen.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.


Zuletzt bearbeitet von TomS am 22. Feb 2014 21:00, insgesamt 3-mal bearbeitet
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Feb 2014 20:37    Titel: Antworten mit Zitat

Günther hat Folgendes geschrieben:
DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Günther hat Folgendes geschrieben:
In allen diesen unterschiedlichen Koordinaten ist ein am EH emittiertes Photon dort stationär.

Das ist doch nur eine triviale Folge der Definition von „Ereignishorizont“.


Für einen statischen EH trifft das sicher zu, aber wie daraus folgt, dass das Licht einem dynamischen EH folgt, kann ich nach wie vor nicht erkennen.


Aber weshalb nicht? Was sollte stattdessen mit dem bei r = 2M emittierten Photon passieren?

Wir sprechen von "am Horizont radial nach außen emittierten Photonen". Mit "Photonen" meine ich physikalisch reale Teilchen. Diese sind am Horizont "gefangen". Beim Horizont handelt es sich um eine lichtartige Fläche, d.h. er besteht aus radial auslaufenden Lichtstrahlen. Mit "Lichtstrahlen" meine ich dabei geometrische Objekte (Geodäten als Verallgemeinerung von Geraden). Die Geometrie der Raumzeit eines SLs bedeutet nun, dass es Lichtstrahlen gibt, die in einem bestimmten Koordinatensystem sozusagen "nicht von Fleck kommen". Dieses "nicht vom Fleck kommen" darf man nicht zu wörtlich nehmen, denn natürlich bewegt sich das Licht (und auch die Photonen) für jeden massebehafteten Beobachter exakt mit Lichtgeschwindigkeit (insbs. überquert jedes durch den H fallende massebehaftete Objekt diesen H exakt mit Lichtgeschwindigkeit).

Ein radial nach außen emittiertes Photon verbleibt dann am EH bei R=2M, d.h. es ist dort weiterhin "gefangen". Wenn nun Materie ins SL fällt und R wächst bzw. das SL langsam verdampft und R schrumpft, dann beschreibt dieses variable R dennoch weiterhin einen Horizont, und die Photonen bleiben bei diesem variablen R gefangen.

Stell dir spaßeshalber einen kugelförmigen Lichtblitz vor, der sich nicht weiter ausdehnt.

http://cosmology.berkeley.edu/Education/BHfaq.html#q9
Zitat:
The light that you emit when you're very near the horizon (but still on the outside) takes a very long time to climb out and reach her. If the black hole lasts forever, then the light may take arbitrarily long to get out, and that's why she doesn't see you cross the horizon for a very long (even an infinite) time. But once the black hole has evaporated, there's nothing to stop the light that carries the news that you're about to cross the horizon from reaching her. In fact, it reaches her at the same moment as that last burst of Hawking radiation. Of course, none of that will matter to you: you've long since crossed the horizon and been crushed at the singularity. Sorry about that, but you should have thought about it before you jumped in.


"In fact, it reaches her at the same moment as that last burst of Hawking radiation."

Genau das zeigt mein erstes Diagramm. Vom roten Fleck ausgehend laufen Lichtstrahlen diagonal aus. Dies beinhaltet sowohl die Hawkingstrahlung als auch die "bisher gefangenen Lichtstrahlen".

Günther hat Folgendes geschrieben:
"you've long since crossed the horizon ...". Auch hieraus folgt eine "zeitliche Abfolge" der Ereignisse "Durch den EH in Eigenzeit" und "ist verdampft". Ich bin gespannt, ob TomS das einigermaßen nachvollziebar darstellen kann.

Genau dies kann man in meinem ersten Diagramm erkennen. Die Weltlinie des frei fallenden Beobachters erreicht den EH (bei einer gewissen Eigenzeit), anschließend erreicht der Beobachter die Singularität (bei einer späteren Eigenzeit). Ab hier kann Eigenzeit nicht mehr sinnvoll definiert werden. Aber man sieht, dass die Singularität noch weit existiert (senkrechte Linie) bevor sie verdampft.

Günther hat Folgendes geschrieben:
Aus wessen Sicht erfolgen die beiden Ereignisse nacheinander?

Der frei fallende Beobachter sieht in seiner Eigenzeit die Abfolge "Fall durch den EH" - "Erreichen der Singularität"; das Verdampfen oder irgendwelche anderen Ereignisse am EH oder gar außerhalb kann er zeitlich nicht mehr einsortieren, da Eigenzeit voraussetzt, dass eine zeitartige Kurve zu diesen Ereignissen hin durchlaufen werden kann; aber der EH besagt ja gerade, dass eine derartige Kurve nicht existiert.

Insgs. verlieren die Begriffe Raum und Zeit an der Singularität ihren Sinn.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomW
Gast





Beitrag TomW Verfasst am: 23. Feb 2014 09:41    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Der schwarze Fleck stammt daher, dass Lichtstrahlen nicht aus diesem Bereich entkommen können sowie dass sie ihn nicht durchqueren können. Die Bilder haben also erst mal nichts mit dem Aufsaugen von Materie zu tun.


Das ist mir klar.

Zitat:
Der Bereich, in dem sich die Materie anzusammeln scheint, befindet sich infinitesimal eng um den Horizont. Der Bereich ist insbs. aufgrund der Rotverschiebung sowie der geringer werdenden Intensität nicht sichtbar.


Darum geht es mir ja - der Bereich, der dunkel erscheint, vergrößert sich nur im Gebiet der Akkretionsscheibe. Natürlich befindet sich besagte kaum sichtbare Masse extrem nah am Horizont. Wenn aber z.B. ein Stern zu einem SL kollabiert, der gerade noch die dafür nötige Masse hat, dann sieht der Beobachter kurz nach den Kollaps die rasch immer dunkler werdende Sternoberfläche, die - als "gefrorener Stern" - bis zur Zerstrahlung knapp über ihrem Schwarzschildradius verweilt - quasi eine schwarze Kugel.
Wenn nun aber in dem Zeitraum bis zur Zerstrahlung immer mehr Materie in den Sog des SLs gerät, dann müsste ja irgendwann die vielfache Masse dieser Kugel in einem engen Gürtel knapp über ihrer Oberfläche kreisen - da sie aus Sicht des Beobachters die Kugel selbst nie erreichen kann, kann diese ihren Radius insgesamt nie vergrößern.
Da stelle ich mir doch die Frage, wie diese "schwarzen Kugeln" der SLs überall in unserer Galaxie überhaupt wachsen können?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Feb 2014 10:10    Titel: Antworten mit Zitat

TomW hat Folgendes geschrieben:
Wenn aber z.B. ein Stern zu einem SL kollabiert, der gerade noch die dafür nötige Masse hat, dann sieht der Beobachter kurz nach den Kollaps die rasch immer dunkler werdende Sternoberfläche, die - als "gefrorener Stern" - bis zur Zerstrahlung knapp über ihrem Schwarzschildradius verweilt - quasi eine schwarze Kugel.

Ja so wäre das (wenn der Kollaps exakt radialsymmetrische erfolgen würde, und wenn im Zuge des Kollaps nicht noch ein Strahlungsausbruch erfolgen würde, der das überstrahlt - aber das lassen wir mal beiseite)

TomW hat Folgendes geschrieben:
Wenn nun aber in dem Zeitraum bis zur Zerstrahlung immer mehr Materie in den Sog des SLs gerät, dann müsste ja irgendwann die vielfache Masse dieser Kugel in einem engen Gürtel knapp über ihrer Oberfläche kreisen - da sie aus Sicht des Beobachters die Kugel selbst nie erreichen kann, kann diese ihren Radius insgesamt nie vergrößern.

Ja, so könnte man sich das zunächst vorstellen ...

TomW hat Folgendes geschrieben:
Da stelle ich mir doch die Frage, wie diese "schwarzen Kugeln" der SLs überall in unserer Galaxie überhaupt wachsen können?

DrStupid hat das schon mal angesprochen, und wir hatten das ebenfalls schon diskutiert:

Nimm an, du hast ein SL der Masse M mit einem Schwarzschildradius R ~ 2M; dann fällt zusätzliche Masse m in das SL; dadurch vergrößert sich der Schwarzschildradius auf R+r ~ 2(M+m). Wenn also die zusätzliche Masse m diesen Radius R+r unterschreitet, dann wächst der Schwarzschildradius auf R+r an, obwohl die Masse m den Radius R noch nicht erreicht hat. Demnach wachsen SLs in endlicher Zeit bereits dadurch, dass zusätzliche Masse ihrem Schwarzschildradius "genügend nahe kommt".

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5029

Beitrag DrStupid Verfasst am: 23. Feb 2014 11:23    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Was ist mit "dynamischer Horizont" gemeint?


z.B. einer der sich ausdehnt oder schrumpft

TomS hat Folgendes geschrieben:
wir wissen doch, was mit "stationär" gemeint ist: dass das Photon diese Fläche nicht verlässt.


Die Frage ist, ob es das auch dann nicht tut, wenn sich diese Fläche verändert.

Nehmen wir mal ein Beispiel, das man sich noch halbwegs vorstellen kann: Im expandierenden Universum ist ein Beobachter von Ereignissen mit einem bestimmten Mindestabstand kausal entkoppelt. Damit ist die Fläche mit genau diesem Abstand ein Ereignishorizont. Solange der sich nicht verändert, werden Photonen, die dort in Richtung des Beobachters starten, diese Fläche nicht verlassen. Sobald sich der Horizont aber ausdehnt oder schrumpft, verlassen die Photonen den EH und wandern in das sichtbare Universum hinein oder aus ihm hinaus.

Meine Frage ist nun, ob die Photonen sich beim ausdehnenden oder schrumpfenden EH eines schwarzen Loches genauso verhalten oder ob sie dem Horizont folgen. Momentan sehe ich noch nicht, warum sie letzeres tun sollten.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Feb 2014 11:41    Titel: Antworten mit Zitat

Es existiere ein EH um ein SL der Masse M. Der EH sei definiert als eine geschlossene, lichtartige 2-Fläche, die eine Raumregion begrenzt, die nicht im Vergangenheitslichtkegel der unendlich fernen Zukunft befindet. Lichtartig bedeutet, dass die Flächennormale lichtartig ist.

Betrachten wir den Zustrom der Masse m, so dass der oben definierte EH von R auf R+dr wächst.

Mit welcher Aussage hast du ein Problem bzw. für welche Aussage siehst du die Notwendigkeit eines Beweises:
1) sowohl für M als auch für M+m liegt ein derartiger EH vor
2) für infinitesimalen Massezufluss dm gehen Horizonte kontinuierlich in Horizonte über
3) da eine lichtartige Fläche vorliegt, findet diese Ausdehnung lichtartig statt, d.h. der Horizont wächst entlang seiner lichtartigen Flächennormalen
4) konkrete Photonen, die auf einem EH gefangen sind, verbleiben auch bei derartigen Störungen auf den Horizonten, da sie gerade den in (3) genannten lichtartigen Kurven folgen

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomW
Gast





Beitrag TomW Verfasst am: 23. Feb 2014 11:58    Titel: Antworten mit Zitat

Okay,
Zitat:
Nimm an, du hast ein SL der Masse M mit einem Schwarzschildradius R ~ 2M; dann fällt zusätzliche Masse m in das SL; dadurch vergrößert sich der Schwarzschildradius auf R+r ~ 2(M+m). Wenn also die zusätzliche Masse m diesen Radius R+r unterschreitet, dann wächst der Schwarzschildradius auf R+r an, obwohl die Masse m den Radius R noch nicht erreicht hat. Demnach wachsen SLs in endlicher Zeit bereits dadurch, dass zusätzliche Masse ihrem Schwarzschildradius "genügend nahe kommt".


Das klingt ja auch ganz logisch. Nur: Was sieht der Außenstehende dann in diesem Moment, in dem die zusätzliche Masse den Radius R+r erreicht?

in cosmology.berkeley.edu/Education/BHfaq.html#q9 heißt es ja:

Zitat:
As you get closer and closer to the horizon, she sees you move more and more slowly. In fact, no matter how long she waits, she will never quite see you reach the horizon.


Hier liegt glaube ich auch mein Problem...
Neue Frage »
Antworten »
    Foren-Übersicht -> Astronomie