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Heisenbergsche Unschärferelation
 
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goforit
Gast





Beitrag goforit Verfasst am: 20. Nov 2009 20:37    Titel: Heisenbergsche Unschärferelation Antworten mit Zitat

Hi,

Ich hoffe, ihr könnt mir helfen. Und zwar behandeln wir in der Schule momentan die Unschärferelation und eine von uns durchgesprochene Aufgabe beinhaltete die Impulsabschätzung eines Elektrons, das sich in einem Atom von XY Durchmesser befindet.

Zur Lösung haben wir den Impuls einfach der Unschärfe gleichgesetzt.

Ich finde das absurd... und kann das überhaupt nicht nachvollziehen grübelnd
Was hat denn der tatsächlich Impuls mit der Unschärfe zu tun, mit der man ihn bestenfalls bestimmen kann?

Versteckt sich hinter dieser Lösung wirklich ein physikalischer Sinn, was ich bezweifle, oder ist es nur mal wieder eine bis zur Armseligkeit vereinfachte Aufgabe, um für die Unschärferelation eine schülergerechte Anwendung zu finden? Ich habe wirklich keine Lust, solch einen Mist zu lernen...

Mfg
schnudl
Moderator


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Beitrag schnudl Verfasst am: 20. Nov 2009 22:11    Titel: Antworten mit Zitat

Natürlich versteckt sich hinter dieser Überlegung Sinn:

Die Einschränkung eines Teilchens auf einen kleineren Raumbereich hat automatisch höhere Impulswerte zur Folge, da ansonsten die Unschärferelation verletzt würde.

Wenn der Aufenhaltsbereich eine Unschärfe von aufweist, so muss demnach der Impuls eine Unschärfe von mindestens aufweisen.

Das bedeutet aber, dass man eine untere Grenze für den mittleren quadratischen Impuls eines Elektrons in einem Atom angeben kann, wenn man dessen mittlere quadratische Ausdehnung kennt (siehe Anmerkung unten):



Aufgrund der Ungleichung und der Mittelung erfährt man natürlich nichts über das tatsächliche Aussehen der Wellenfunktion, jedoch reicht das in vielen Fällen schon aus, um gewisse Dinge (z.B. Bindungszustände) qualitativ recht gut zu erklären. Bedenke dass die kinetische Energie z.B. proportional zum mittleren Impulsquadrat ist: Man kann daher den Wert dieser Energie abschätzen, wenn nur weiss, auf wie engem Raum ein Teilchen lokalisiert ist.

Zitat:
Was hat denn der tatsächlich Impuls mit der Unschärfe zu tun, mit der man ihn bestenfalls bestimmen kann?


Sehr viel, denn die Implsunschärfe ist definiert als Mittelwert



Bei einem Atom verschwindet der letzte Term, also ist die Unschärfe von p gleich der Wurzel des mittleren Quadrats von p!!!

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Wenn du eine weise Antwort verlangst, musst du vernünftig fragen (Goethe)
goforit
Gast





Beitrag goforit Verfasst am: 20. Nov 2009 23:15    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

Das freut mich ja, dass das Ganze dann doch nicht umsonst ist.
Diese Definition der Unschärfe, die Sie aufgeführt haben, ist mir gar nicht bekannt. In aller Demut muss ich sogar sagen, dass ich sie nicht ganz verstehe. Sollen das in den Brackets Skalarprodukte sein, und die p's Vektoren? Wenn ja, verstehe ich diese Gleichung ganz unten nicht so richtig (Ich dachte das Skalarprodukt eines Vektors mit sich selbst ist sein Betragsquadrat?) grübelnd

Könnten Sie mir das kurz erklären?

Ansonsten finde ich Ihre Erklärung wirklich sehr gut!
Mein Problem bisher war halt nur, dass ich dachte, die Unschärfe kommt erst beim Messprozess ins Spiel. Anscheinend ist dem nicht so. Aber was ist oder bedeutet Unschärfe dann? Das Elektron muss doch irgendwo sein, an einem einem konkreten Ort. Aber wenn es an einem konkreten Ort wäre - selbst wenn es niemand misst - dann wäre, wie Sie sagten, das Unschärfeprinzip verletzt.

Meine Güte, habe ich Kopfschmerzen...

Mfg
schnudl
Moderator


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Beitrag schnudl Verfasst am: 21. Nov 2009 09:53    Titel: Antworten mit Zitat

Die beiden Klammern haben nichts mit dem Skalarprodukt zu tun sondern bedeuten ein mit der Wellenfunktion gewichtetes räumliches Mittel einer (hier vektoriellen) Größe, den Erwartungswert:





Man muss allerdings beachten, dass x und insbesondere p in der Ortsdarstellung der Wellenfunktion sog. Operatoren sind. Der Operator des Impulses ist definiert als:



und wirkt auf die Wellenfunktion gemäss:



Er bildet also etwas, was zum Gradienten der Wellenfunktion proportional ist.

Weiters gilt für die Komponenten der Operatoren x und p



sondern



was ganz wichtig in der Quantenmechanik ist.

Das x ist zwar auch ein Operator, jedoch einer der nur mit einem Wert multipliziert.

Wenn du noch weiterlesen möchtest:

Das Quadrat der Unschärfe einer Grösse ist der Erwartungswert der quadratischen Abweichung vom Erwartungswert, also



Du hast das in der Statistik vielleicht schon mal als "Standardabweichung" kennengelernt. Hier ist es nichts anderes.

Für den Impuls genauso:



Nun kannst du den letzten Ausdruck umformen:



Darauf angewandt den Erwartunswert:



und



Man kann nun zeigen, dass die beiden so definierten Unschärfen die Heisenbergsche Relation erfüllen:




Um das alles zu verstehen musst du Quantenmechanik von ganz ganz vorne lernen. Das geht sicher nicht so nebenbei in einem "posting". Ich wollte dir oben nur ein grobes Gefühl geben, worauf du dich einlässt, wenn du dich entschliesst, dies mal zu tun (was ich - mit der angebrachten Demut ob meiner eigenen Unwissenheit - sehr empfehle)

Zitat:
Mein Problem bisher war halt nur, dass ich dachte, die Unschärfe kommt erst beim Messprozess ins Spiel.

Die Unschärfe kommt auch beim Messprozess zu tragen. In der Statistik wird aus einer Grundgesamtheit die stichprobenartige Messung an einer einer statistischen Variablen mit Mittelwert und Standardabweichung durchgeführt. Die erwartete Streuung vieler Messungen ist umso grösser, je grösser die Standardabweichung der Messgröße ist.

So ähnlich ist es in der Quantenmechnik bezüglich der Messung von x und p: So ist der Ort des Teilchens verschmiert, da seine Aufenthaltswahrscheinlichkeit durch die Wellenfunktion gegeben ist und diese räumlich verteilt ist.


Zitat:
Das Elektron muss doch irgendwo sein, an einem einem konkreten Ort.


Das Elektron ist nur unmittelbar nach der Messung des Ortes an einem bestimmten Ort, nämlich dem gemessenen. Vorher ist sein Ort mehr oder weniger unbestimmt, gemäss der Wellenfunktion, deren Quadrat ja die Aufenthaltswahrscheinlichkeit angibt.

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goforitE
Gast





Beitrag goforitE Verfasst am: 21. Nov 2009 13:04    Titel: Antworten mit Zitat

Ich schätze sehr Ihr Engagement dabei, mir das Problem zu erläutern und bedanke mich sehr dafür. Und Sie haben natürlich recht wenn Sie sagen, dass ein solches Thema nicht im Rahmen einiger Postings abgehandelt werden kann.

Jedoch habe ich nun Dank Ihrer Hilfe die besagte Gleichung verstanden und somit auch die eigentliche Aufgabe: Das Elektron hat also im Mittel einen Impuls von Null, da es sich im Atom bewegt und entsprechend seinen Impuls stets ändert. Die Unschärfe zeigt mir nun die minimale Abweichung von diesem Impuls (0) und damit den kleinsten Impuls, den das Teilchen besitzt.

Was den ersten Teil ihres Postings angeht, muss ich erneut gestehen, dass es meine bisherigen, jämmerlichen QM Kenntnisse überteigt. Auch wenn mir die Gleichungen mathematisch einigermaßen verständlich sind, gelingt es mir nicht, den zu grundeliegenden physikalischen Inhalt zu erschließen (komplexe Zahlen in der Physik... nun gut...). Mir dies näherzubringen soll aber keinesfalls Ihre Aufgabe sein, denn diese Mühe sollen sich schön die Professoren später machen.

Ein Frage bleibt noch: Auf welchem Weg gelangte Herr Heisenberg zu seiner Unschärferelation, dh. worauf beruht seine Herleitung? Der mir bekannte Weg über den Doppelspalt (*räusper*) wird nämlich oft als nicht "originale" Herleitung ausgewiesen. Ich würde nur wissen wollen, worauf Heisenberg's Herleitung beruht, keineswegs verlange ich von Ihnen, mir die ganze Herleitung zu erklären (aus den oben genannten Gründen).

Mfg
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18026

Beitrag TomS Verfasst am: 21. Nov 2009 13:43    Titel: Antworten mit Zitat

Man kann die Unschärfenrelation allgemein für zwei hermitesche Operatoren A und B ableiten. Hermitesch bedeutet dabei (vereinfacht gesagt), dass es sich um Operatoren handelt, deren Eigenwerte sämtlich reell sind, d.h. dass die Operatoren bzw. Eigenwerte Messgrößen bzw. Messwerten entsprechen können.

Man betrachtet dazu den Zustand



Wegen A,B hermitesch und mit s reell kann man für die Norm des Zustandes schreiben



Man multipliziert nun aus, berechnet die Erwartungswerte der Operatoren





und erhält



Wegen der Hermitizität von A und B ist der Kommutator antihermitesch, also mutlipliziert mit i wieder hermitesch.

Da dies für alle reellen s gilt, hat diese Gleichung keine reelle Lösungen für s, d.h. der beim Lösen der quadratischen Gleichung für s entstehende Term unter der Wurzel ist negativ:



Daraus folgt für die Beträge der Operatorerwartungswerte



Diese Gleichung gilt also für alle hermiteschen Operatoren A und B in einem beliebigen Hilbertraum, ist also eine geometrische Eigenschaft der Hilberträume (sie gilt natürlich auch für endlich-dimensionale Vektorräume).

Nun definiert man die Standardabweichung für A



(B analog)

und betrachtet die Operatoren



(B analog).

Setzt man in die obige Ungleichung für a, b und c statt der Operatoren A und B die verschobenen neuen Operatoren ein, so erhält man



Die Unschärfenrelation für x und p folgt direkt durch Einsetzen.

Die Herleitung dieser Ungleichung gilt dabei für alle hermiteschen Operatoren A und B sowie für alle normierten Zustandsvektoren in einem beliebigen Hilbertraum, d.h. sie ist unabhängig von einer bestimmten experimentellen Situation. Die Unschärfenrelation ist daher nicht Ausdruck des Unvermögens der Experimentalphysiker, sondern eine Eigenschaft des quantenmechanischen Formalismus bzw. der quantenmechanischen Systeme selbst. In gewiser Weise "haben" diese Systeme diese Unschärfe auch dann, wenn sie nicht gerade dem Experiment unterworfen werden.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
goforit
Gast





Beitrag goforit Verfasst am: 21. Nov 2009 16:10    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Die Herleitung dieser Ungleichung gilt dabei für alle hermiteschen Operatoren A und B sowie für alle normierten Zustandsvektoren in einem beliebigen Hilbertraum, d.h. sie ist unabhängig von einer bestimmten experimentellen Situation. (...) In gewiser Weise "haben" diese Systeme diese Unschärfe auch dann, wenn sie nicht gerade dem Experiment unterworfen werden.


Vielen Dank, damit haben Sie meine letztere Frage voll und ganz geklärt.

Zitat:
Die Unschärferelation ist daher nicht Ausdruck des Unvermögens der Experimentalphysiker


Im Übrigen scheinen Sie meine Skepsis gegenüber der genannten Herleitung treffend aus meinen Worten herausgelesen zu haben.


Hiermit bedanke ich mich für Ihre Hilfe, meine Herren. Ich habe zwar noch nicht völlig den Formalismus der QM erfasst, erwarte dies von mir bei meinem Bildungsstand aber auch nicht. Was das allgemeine Verständnis angeht, konnte ich an Ihrer Hand jedoch schon einige Schritte gehen.

Mfg
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