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Vierdimensionale Welt und Determinismus
 
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bertrand_
Gast





Beitrag bertrand_ Verfasst am: 15. März 2009 18:47    Titel: Vierdimensionale Welt und Determinismus Antworten mit Zitat

Hallo,

Ich habe da mal so was gelesen (bei wikibooks.org) über die vierdimensionale Welt.

Dadrin heißt es unter anderem, dass es sowas wie Zeit eigentlich nicht gibt sondern dass die dreidimensionale Welt sich mit Lichtgeschwindigkeit durch den vierdimensionalen Raum bewegt. Menschen hingegen können nur die Dreidimensionale Welt wahrnehmen. Ein Vorgang, der zeitlich gesehen später passiert, liegt im vierdimensionalen Zukunftsraum, also als Strecke gesehen weiter vorne.

Meine Frage dazu ist: Wenn man diese Aussagen über die Nicht-Existenz der Zeit (?) vorraussetzt, ist es dann auch so, dass im Grunde alles, was passiert, bereits vorherbestimmt ist? (Determinismus) Ich meine, alles, was in Zukunft passiert, liegt auf der Strecke, auf welcher wir uns mit Lichtgeschwindigkeit bewegen einfach weiter vorne, und da wir uns nicht aktiv und bewusst im 4D-Raum bewegen können, können wir auch die Zukunft garnicht beeinflussen. Ich könnte zum Beispiel einen Körper hochheben und ihn wieder absetzen, aber in Wirklichkeit habe ich das garnicht getan, sondern das war auf der 4D-Strecke so vorherbestimmt. Im Grunde existiere ich selber dann als Mensch mit eigenem Willen nichtmal, dann wäre ich im Grunde nichtmal ein intelligentes Lebewesen... was sagt ihr dazu?

Gruß
Bertrand
Herbststurm



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Beitrag Herbststurm Verfasst am: 16. März 2009 16:33    Titel: Re: Vierdimensionale Welt und Determinismus Antworten mit Zitat

bertrand_ hat Folgendes geschrieben:

Dadrin heißt es unter anderem, dass es sowas wie Zeit eigentlich nicht gibt sondern dass die dreidimensionale Welt sich mit Lichtgeschwindigkeit durch den vierdimensionalen Raum bewegt.


Das ist Schwachsinn.

Gruß
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 27. März 2009 07:41    Titel: Antworten mit Zitat

Nein, das ist kein Schwachsinn, sondern die Interpretation eines mathematischen Formalismus.

Wenn ich eine relativistische Feldgleichung (Maxwell-Gleichung, Dirac-Gleichung) habe und im Hamiltonformalismus formuliere, dann bedeutet dies folgendes:
- definiere eine beliebige, dreidimensionale Hyperfläche
- lege die Anfangsbedingungen für die Felder auf dieser Hyperfläche fest
- berechne die Entwicklung der Felder senkrecht zur Hyperfläche

"Senkrecht" kann dabei abhängig von der Wahl (Form) der Hyperfläche in jedem Punkt der Hyperfläche anders definiert sein; es handelt sich bei dieser senkrechten Richtung um die Definition einer "lokalen Koordinatenzeit", noch keine physikalische Zeit.
Man muss bei diesem Formalsmus die konsistente, globalen Festlegung der Hyperfläche und damit dieser Koordinatenzeit sicherstellen.

Im Falle von masselosen Teilchen ist die Entwicklung durch eine Differentialgleichung bestimmt, deren mathematische Struktur tatsächlich eine Entwicklung mit Lichtgeschwindigkeit vorhersagt (Stichworte: Greensfunktionen und Charakteristiken der DGL)

Man kann diesen Formalismus sogar auf das Gravitationsfeld selbst anwenden. Dies wird insbs. in der sogenannte Ashtekar-Formulierung verwendet (die wiederum die Basis für die Entwicklung der Theorie der Quantisierung der Gravitation genutzt.)

Evtl. ist es etwas überzogen, den Formalismus in dieser Weise zu interpretieren, aber er legt das schon nahe.

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Gast






Beitrag Gast Verfasst am: 27. März 2009 11:00    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn man ein genaues mathematische Modell des Gehirns hätte, könnte man
dann, zumindest im Prinzip, vorhersagen wie ein Mensch handeln wird? Wenn ja wäre der freie Wille nur eine Illusion. Die Zukunft wäre durch den Gegenwärtigen Zustand festgelegt ob nun im klassichen Formalismus oder im 4D Formalismus.
Die gängigen Vorstellungen von der Physik legen das nahe. Selbst die Gleichungen der Quantenmechanik sind im Grunde deterministisch, der Zufall kommt erst beim Messprozess ins Spiel.
Angenommen solche Effekte spielen im Hirn eine Rolle, dann wäre der Mensch zwar nicht vorherberechenbar, da die Hirnprozesse zufällig beeinflusst wären, aber wäre dies dann freier Wille? Imho ist freier Wille etwas anderes als Zufall.

Nunja, das ist wahrscheinlich eher ein Thema für ein Philosophieforum.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 27. März 2009 15:08    Titel: Antworten mit Zitat

Es war nur eine Frage der Zeit, wann dieser Punkt kommen würde :-)

Erst mal zur Klarstellung: ich habe hier nicht beschrieben, wie die Welt einschließlich Relativitätstheorie, Quantenmechanik einschließlich Gehirn, Geist und freier Wille funktioniert! Ich habe lediglich eine Interpretation des Hamiltonformalismus angewandt auf nicht-quantisierte, relativistische Feldgleichungen beschrieben.

Zum Thema freier Wille: im positivistischen Sinne könnte ich natürlich nach einer Definition fragen - mache ich nicht. ;-)

Nach der Interpretation der klassischen Physik (egal ob relativistisch oder nicht) existiert kein freier Wille, alles ist deterministisch!
Nach der Interpretation der Quantenmechanik existiert ebenfalls kein freier Wille, denn a) die Entwicklung einer Wellenfunktion ist unitär, d.h. deterministisch und b) die makroskopisch beobachtbaren Prozesse dagegen basieren auf der statistischen Interpretation der Wellenfunktion. D.h. hier kann sich ein freier Wille auch nicht dazwischenschmuggeln.

Meine Schlussfolgerung: die Begrifflichkeit von freiem Willen ist zumindest unverträglich mit der modernen Physik; die Physik sowie deren Interpretation als "wahr und vollständig" vorausgesetzt, gäbe es einen freien Willen nicht. Diese Schlussfolgerung halte ich jedoch für verfrüht.

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Beitrag mitschelll Verfasst am: 28. März 2009 15:53    Titel: Antworten mit Zitat

Ich würde mich der Meinung anschliessen, dass ein Urteil über die Existenz des Freien Willens von der physikalischen Seite her verfrüht ist.
Solange Begriffe wie Dekohärenz und Messprozess in der Quantenmechanik nicht vollständig verstanden sind, macht es keinen Sinn darüber zu urteilen, inwiefern zum Beispiel unser Gehirn davon betroffen ist.
Ich glaube, dass auch einige Konzepte aus den Bereichen Vielteilchenphysik und Phasenübergänge in diesem Zusammenhang interessant sein könnten. Denn dort sieht man immer wieder (natürlich rein physikalisch und fern jeglicher philosophischer Interpretationen), dass völlig neue Phänomene erscheinen, wenn man von einem Einteilchensystem zu einem System mit vielen Teilchen übergeht. Diese Phänomene lassen sich auch nicht verstehen, würde man diese System allein mit den Grundaxiomen der Quantenmechanik (Linearität, etc...) behandeln. Hier passt der Spruch Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile ganz gut.

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TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 28. März 2009 16:27    Titel: Antworten mit Zitat

Ich bemerke bei mir selbst, dass ich mich gegen die Nichtexistenz des freien Willens irgeendwie sträube, obwohl ich als Physiker natürlich den Formalismus schon sehr ernst nehme. Ich bin sogar überzeugt, dass der Formalismus der Physik tatsächlich mehr ist als nur eine formale Beschreibung einer dahinter liegenden Wirklichkeit.

Warum soll ich eine Wirklichkeit annehmen, die sich durch exakte mathematische Strukturen beschreiben lässt, gleichzeitig aber gleichzeitig behaupten, dass die Wirklichkeit mehr ist oder jenseits dieser mathematischen Beschreibung existiert. Das wäre doch überflüssiger Ballast. Gleichzeitig glaube (hoffe) ich aber, dass es eben doch etwas in der Welt gibt, oin dem sich (mein) freier Wille entfalten kann.

Die Nichtexistenz des freien Willens hätte ja verherende Konsequenzen. Jeder Straftäter könnte sich darauf berufen, dass er gar nicht für seine Taten verantwortlich wäre. Gut, wir könnten ihn noch wegsperren, um uns vor ihm zu schützen, aber unser Wertesystem und unsere Normen würden natürlich unterraben werden, wenn der eigene Determinismus bindender wäre als eben diese sozialen Konstrukte.

Popper hat versucht, eine Art Dreiteilung allen Seins einzuführen, wobei er an einer Welt des "Geistes" bzw. der "Seele" festhielt. Damit wäre wohl ein PLatz für die Willensfreiheit gefunden. Nur sehe ich da das Problem, dass wenn unser Gehirn rein nach naturwissenswchaftlichen Gesetzen funktioniert, die einen freien Willen ausschließen, wie soll unser Geist dann willentlich auf unser Gehirn, Nervensystem usw. einwirken, um eine gewollte Handlung auch auszuführen. Es hilft ja nichts, wenn der Geist will, aber der Körper nicht tut.

Andersherum könnte man den Geist einfach als ein Gebilde ansehen, dass u.a. die Illusion des freien Willens aufrechterhält und uns ständig vorgaukelt, etwas zu wollen (was wir tun bzw. bereits getan haben), obwohl diese Handlungen eigentlich determiniert ablaufen . Auch keine wirklich nette Vorstellung.

Ich nehme für mich den pragmatischen Standpunkt ein, an meine eigene Willensfreiheit und die andere Menschen zu glauben und danach zu handeln, auch wenn ich das physikalisch nicht rechtfertigen kann.

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Beitrag schnudl Verfasst am: 28. März 2009 18:28    Titel: Antworten mit Zitat

TomS:

Ich habe was den freien Willen und auch des Bewusstseins angeht eine ähnliche Einstellung wie du, und bin froh, hier endlich jemanden zu finden, mit dem man evtl. darüber plaudern kann. Die meisten Physiker lehnen diese Begriffe überhaupt ab, da sie nicht in das physikalische Gebäude pasen - aber immerhin geht es um sehr wichtige Dinge, die durchaus eine Art von Realität zu haben scheinen, auch wenn diese zunächst rein subjektiv erscheint.

Kennst du "ernstzunehmende" Arbeiten (d.h. auf naturwissenschaftlich/physikalischem Niveau, auf Esoterikliteratur kann ich verzichten) , die darauf eingehen, inwiefern der freie Wille mit den bekannten Postulaten der bekannten Physik zusammenpasst? Ich erwarte mir keine Beschreibung, "was" der freie Wille sein könnte, denn das wird es wohl noch nicht geben. Big Laugh

Aber es würde mich auch schon brennend interessieren, wie eine Theorie des Geistes übethaupt auszusehen hätte, damit sie als eine solche überhaupt als eine physikalische Disziplin einzuordnen wäre. Könnte eine deratige Theorie überhaupt empirisch geprüft werden?

Du hast weiter oben erwähnt, dass die Quantenmechanik mit dem Konzept des freien Willens unvereinbar sei - hast du da Links, die das begründen?

Kann es u.U. sein, dass eine Beschreibung für geistige Prozesse und für das Bewusstsein völlig neue physikalische Begriffe und Wesensheiten erfordert, von denen man bisher einfach nichts ahnt, genauso wie man vor hunderten Jahren nichts über die Quantenwelt wusste?

Oder denkst du, dass geistige Vorgänge durch die derzeitige Physik beschreibbar sind? Können sie überhaupt jemals beschreibbar sein oder gibt es eine prinzipielle Grenze für menschliche (bzw. tierische) Erkenntnis, die hier erreicht ist und nicht überschritten werden kann? Ich bin von der grenzenlosen Erkenntnisfähigkeit des menschlichen Gehirns überhaupt nicht überzeugt, und glaube sehr wohl, dass es solche grundsätzlichen Grenzen geben muss.

Mir persönlich reichen jedenfalls Beschreibungen, die die Vorgänge in Neuronen und Synapsen auf physikalischer Basis erklären nicht aus, um Dinge wie das Bewustsein zu erklären, denn solche Erklärungen gehen an der eigentlichen Frage vorbei. Gleichzeitig macht mir die Leere (und teilweise auch die Hochmütigkeit) der Physik, wenn es um dieses Thema geht unheimlich grosse Angst.

Wie gesagt, wo kann man sich hier weiterbilden? Oder sind meine Gedanken gar reine Sch... ?

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Beitrag TomS Verfasst am: 28. März 2009 19:14    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo schnudl,

ich habe dazu wenig Links oder Literatur.

Ich habe mich eher mit dem Grundproblem "Leib-Seele-Problem" beschäftigt. Das Problem des freien Willens ist m.E. eine Art "Untermenge" davon.

Was ich auf jeden Fall empfehlen kann ist das Buch von Popper und Eccles: "Das Ich und sein Gehirn". Ich teile zwar die Ansichten nicht unbedingt, aber es ist auf jeden Fall lesenswert.

Auch sehr interessant ist von John Searle "Die Wiederentdeckung des Geistes". Von Searle stammt das Argument mit dem "chinesischen Zimmer" - kennst du das?

Zu meiner Meinung über die Quantenmechanik: ich argumentiere da nur für mich selbst, d.h. ich beziehe mich wenig auf Literatur. Jede Interpretation der Quantenmechanik enthält ein Element des Determinismus und ein Element des Zufalls. Letzterer eröfnet zwar einen Ausweg aus dem Determinsimus, aber eben nicht in die Willensfreiheit.

Gruß
Tom

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Beitrag schnudl Verfasst am: 29. März 2009 10:35    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Was ich auf jeden Fall empfehlen kann ist das Buch von Popper und Eccles: "Das Ich und sein Gehirn". Ich teile zwar die Ansichten nicht unbedingt, aber es ist auf jeden Fall lesenswert.

Auch sehr interessant ist von John Searle "Die Wiederentdeckung des Geistes". Von Searle stammt das Argument mit dem "chinesischen Zimmer" - kennst du das?


Das Buch von Poppers/Eccles kenne habe ich mal vor langer Zeit. gelesen, hat mich aber - was meine Grundfrage bezüglich eines möglichen physikalischen Zugangs betrifft - nur mässig zufriedengestellt. Vielleicht muss ich wieder mal reinschauen.

Das andere kenne ich nicht. Werde es demnächst mal lesen.

**danke**

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Beitrag bishop Verfasst am: 30. März 2009 11:46    Titel: Antworten mit Zitat

an jedem Punkt der Raumzeit gibt es einen Lichtkegel, der ein Raumzeitvolumen eingrenzt, das man erreichen kann (aufgrund der endlichen Geschwindigkeit von Licht) Wohin man sich jedoch genau begibt entscheiden Physikalische Gesetze, der Zufall oder eben der Freie Wille. Letzteres gibt es nur bei bewussten Wesen, wobei man Tieren ein gewisses Bewusstsein zugestehen muss

gruß bishop

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Beitrag TomS Verfasst am: 30. März 2009 12:58    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für das einfache Beispiel; ich glaube daran kann man gut argumentieren.

Innerhalb des Vorwärts-Lichtkegeks kann man tatsächlich alle Raumzeitpunkte erreichen, sei es selbst oder durch ein Signal. So - wie kommt das nun zustande? Drei Ideen werden genannt:
1) determiniert durch physikalische Gesetze
2) zufällig (durch die QM)
3) bestimmt durhc den freien Willen

Ich würde zunächst 1) nur als Sonderfall von 2) betrachten, denn wir sollten ja davon ausgehen,dass die QM / QFT die physikalischen Prozesse korrekt beschreibt (zumindest gibt es kein Gegenbeispiel)

Demnach ist doch die Frage, ob 3) sich gemäß 2) verhält, oder ob 3) evtl. von 2) abweicht.

Nehmen wir mal als erste Einschränkung die Lichtkegelstruktur, d.h. setzen wir voraus, dass der freie Wille - falls es ihn gibt und er unabhängig von 1+2) agiert - zumindest die Endlichkeit von c respektiert.

Dann liefert uns dieser Ansatz eigentlich nichts, was es uns ermöglicht, zwischen 1+2) und 3) zu unterscheiden. Wir müssen demnach nach Experimenten suchen, deren Ergebnisse im Widerspruch zu 1+2) stehen. Denn solange alle Experimente sich an 1+2) halten, solange brauchen wir objektiv nicht mit 3) zu argumentieren (subjektiv mag dies anders sein; wir glauben an den freien Willen, aber wir können ihn nur dann als eigenständige Entität nachweisen, wenn er uns etwas objektiv Neues liefert).

Also, welche Experimente zum Nachweis des freien Willens als eigenständige Entität schlagt ihr vor?

Ich kenn bisher nur Experimente, die behaupten den freien Willen als Täuschung entlarvt zu haben.

Gruß
Tom

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Beitrag bishop Verfasst am: 30. März 2009 21:04    Titel: Antworten mit Zitat

naja, ich wollte ehrlich gesagt makroskopisch bleiben, daher
1: Eine Kugel fällt immer auf die Erde
2: Ein Münzwurf ist durch Zufall charakterisiert
3: Ich stehe eigentlich auf Vanilleeis, aber probiere heute Schokolade weil ich es kann

Ich kann nicht entgegen 1 handeln, weil ich mich nicht entscheiden kann nach oben zu fallen. Es gibt jedoch einen Unterschied zum Münzwurf, also 2: Während jeder einzelne Wurf unbestimmt ist, und man nur über Wahrscheinlichkeiten Aussagen macht, steht jedes Mal meine Entscheidung an ob ich die linke oder rechte Tür nehme, obwohl beide gleich aussehen. Es ist natürlich etwas grau, da es Statistiken gibt wonach Menschen unbewusst bevorzugt die linke Tür nehmen, aber wenn man sich seiner bewusst ist, kann man innehalten und tatsächlich aus freiem Willen eine Entscheidung treffen

so zumindest meine Überzeugung, ich würde mich damit aber nicht bei Psychologen beliebt machen wollen Augenzwinkern

gruß

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Beitrag TomS Verfasst am: 30. März 2009 21:26    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe ja nichts gegen deine Überzeugung - im Gegenteil, ich gehe damit ziemlich konform.

Aber du bist nicht in der Lage, eine schlüssige, physikalische Argumentation vorzubringen, derzufolge du dich gemäß 3) aber eben im Widerspruch zu 1) und 2) verhältst (ich kann das auch nicht). Weil das aber so ist, taugt 3) als physikalische Argumentation nicht, denn alle Vorgänge, Verhaltensweisen usw. sind grundsätzlich gemäß 1) und 2) erklärbar - also ist 3) einfach überflüssig.

Übrigens gibt es klassisch kein 2); 2) rührt ausschließlich daher, dass die Anfangsbedingungen in 1) nicht genau genug bekannt sind. Sobald sie es aber sind, existiert nur noch 1). D.h. klassisch existiert kein Zufall, sondern höchstens ungenau bestimmte Anfangsbedingungen. Im Gegensatz dazu ist der Zufall in der QM tatsächlich objektiv belegbar und kann nicht aus der Theorie eliminiert werden (verborgene Variable, Bell'sche Ungleichung etc.).

Beide Interpretationen (ob klassisch oder quantenmechanisch) helfen usn aber in Richtung des freien Willens nicht weiter, da er ja (wie du richtig bemerkst) sich subjektiv sowohl von 1) als auch von 2) grundsätzlich unterscheidet.

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Beitrag schnudl Verfasst am: 30. März 2009 22:15    Titel: Antworten mit Zitat

Das hier passt zwar nicht ganz dazu aber:

ich tue mir schwer, bei Fragen des freien Willens die vollständige Kette aus Ursache und Wirkung bis zum Schluss zu identifizieren.

Wenn ich bewusst die linke Hand hebe, so ist dafür zunächst mal die Stimulierung eines Nervs im Armbeuger verantwortlich. OK, mag komplex sein, ist aber nicht spektakulär. Die Ursache für das Heben ist quasi eine elektrischer Impuls. Nun kann man weiter fragen, was die Ursache des elektrischen Impulses sei. Man wird wohl zum Schluss kommen, dass (ich habe nun keine Ahnung von Neuroscience, aber es muss wohl so sein) dieser Impuls über das Zentralnervensystem von irgendeiner Stelle im Gehirn ausgeht. Wo ist jedoch die Ursache für die Stimulierung irgendeiner Region im Hirn? Bis an diese Stelle ist alles physikalisch erklärbar, aber nun? Irgendwo am Ende der Kausalkette muss ein "geistiges" Ereignis stattgefunden haben. Die Ursache für dieses Ereignis ist aber irgendwie nicht lokalisierbar sondern bloss durch meine bewusste Entscheidung begründet, den linken Arm zu heben. Ich hätte mich zu einem gegebenen Zeitpunkt genausogut auch anders entscheiden können. Wo kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen meinem Willen und dem dadurch ausgelösten Initialereignis? Und warum geschieht dies offenbar im Gehirn, wenn doch der "Geist" nicht lokalisierbar ist. Welche besonderen Eigenschaften bietet ein Gehirn, die eine Wechselwirkung zwischen Geist und Materie möglich machen und die z.B. in der Niere nicht möglich wären? Mit klasischen Überlegungen kommt man hier wohl sicher nicht zum Ziel...

TomS: Du sagst nun, dass dies auch mit der QM unverträglich sei. Kannst du das nochmals begründen? Ich habe es nicht verstanden. Wenn die Initialursache mit der QM tatsächlich unverträglich wäre, dann wäre die Beschreibung unserer Welt noch total unvollständig und es fehlte etwas ganz ganz wesentliches. Trotzdem ist die QM unglaublich präzise und man hat derzeit kein Indiz dafür, dass sie prinzipiell unvollständig sein könnte - wo ist mein "Denkfehler"?

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Beitrag TomS Verfasst am: 31. März 2009 07:47    Titel: Antworten mit Zitat

Also zunächst mal meine Argumentation zum freien Willen.

Dieser soll ja nicht einfach entweder deterministisch gemäß 1) oder zufallsgesteuert gemäß 2) arbeiten und uns vorgaukeln, er wäre etwas anderes, nämlich 3). Wäre dies so, dann wäre der freie Wille eine Illusion, die sich selbst aufrecht erhält, z.B. aus evolutionären Gründen, und könnte auf 1) oder 2) reduziert werden.

Wenn er also weder rein zufällig gemäß 2) noch rein deterministisch gemäß 1) arbeitet, dann muss es einen weiteren Mechanismus 3) geben, der in sich teilweise kausal verläuft (ich hebe jetzt die Hand, weil ich mich melden will), der aber eben "mehr" ist, als nur das Feuern von Neuronen.

Jetzt kommt die Schwierigkeit: wenn dies so ist und dieses rein geistige Ereignis abläuft, wie soll es dann auf unser Gehirn einwirken, so dass zuletzt die Neuronen entsprechend feueren? Wie stellt also der Geist den kausalen Kontakt zur Materie (dem Gehirn) her?

Entweder ist der Geist doch ein rein physikalisches Gebilde im Sinne von 1) oder 2), dann gewinnen wir nichts, indem wir ihn vom Gehirn trennen, oder er ist etwas fundamental anderes, dann ist physikalisch gesehen unklar, wie er in die physikalische Welt hineinregiert.

Wenn wir als Physiker die Kausalkette bis zum Beginn (= Geist) fortsetzen wollen, dann landen wir immer bei einem Begriff von Geist, der im Sinne von 1) oder 2) agiert. Wenn wir als Philosophen oder religiöse Menschen diese Fortsetzung vornehmen, dann landen wir möglicherweise bei einem freien Willen, der aber nicht auf die Physik unseres Gehirns Einfluss nehmen kann.

Es gibt vielerlei Auswege, einer davon ist sicher, dass der Geist im Sinne von 1) und 2) als rein physikalisches (emergentes) Phänomen auf Basis neuronalen Vorgänge funktioniert und uns lediglich als eigenständiges Phänomen erscheint (dann wäre er in gewisser Weise eine Illusion).

Zur Unvereinbarkeit mit der QM: Nehmen wir an, unser Geist wäre in einem qm Überlagerungszustand (ich will ein Bier + ich will kein Bier). Dann müsste doch unser freier Wille sich für eine dieser Alternativen entscheiden. Im Sinne der QM erfolgt aber der Übergang in einen Zustand (ich will ein Bier) gemäß 2) und die daraus folgende Handlung (ich bestelle mir ein Bier) gemäß 1). D.h. 3) findet nicht statt.

Nochmal etwas mehr zu 2) in der QM: dieser "Kollaps" der Wellenfunktion (oder andere Interpretationen gemäß Viele-Welten-Interpretation, Dekohärenz, o.ä.) findet ohne eine kausale Ursache statt! Ein radioaktiver Kern zerfällt nicht jetzt, WEIL ...; er zerfällt einfach zufällig jetzt. Demnach liefert die QM zwar ein neues Element 2) das sich sogar vom klassischen 2) unterscheidet, aber sie liefert nichts, wo sich Willensfreiheit sowie Interaktion eines freien Willens mit Materie unterbringen ließen.

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Beitrag schnudl Verfasst am: 31. März 2009 08:28    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Wenn wir als Physiker die Kausalkette bis zum Beginn (= Geist) fortsetzen wollen, dann landen wir immer bei einem Begriff von Geist, der im Sinne von 1) oder 2) agiert. Wenn wir als Philosophen oder religiöse Menschen diese Fortsetzung vornehmen, dann landen wir möglicherweise bei einem freien Willen, der aber nicht auf die Physik unseres Gehirns Einfluss nehmen kann.


Heisst das, dass der "Geist" niemals Gegenstand der Physik werden kann? Ich sträube mich irgendwie gegen religiöse Argumente, da ich (möglicherweise zu Unrecht) glaube, dass der "Geist" real in der Welt ist, und deshalb auch einer realistischen Weltbeschreibung zugänglich sein sollte. Ich verstehe insbesondere nicht, warum man geistige Phänomene und Bewusstsein ständig aus der physikalischen Welt auszuklammern versucht, wo doch unser ganzes Leben nichts anderes ist als bewusstes Erleben und Handeln.

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Beitrag TomS Verfasst am: 31. März 2009 10:57    Titel: Antworten mit Zitat

Du hast mich nicht ganz richtig verstanden: Ich behaupte nicht, dass der Geist zwingend aus der physikalischen Welt ausgeklammert werden muss; ich sage nur, dass diese eine mögliche Option ist.

Ich behaupte aber, dass wenn man diesen Weg geht, dass man dann immer bei einer Interpretation im Sinne von 1+2) landet, in der Geist ein emergentes, physikalsiches Phänomen ist und in dme der freie Wille im Sinne von 3) keinen Platz hat.

Nochmal: ein physikalischer Vorgang läuft entweder deterministisch ab oder gemäß den statistischen / Zufallsgesetzen der QM. IN beiden Fällen IST Geist eine physikalische Entität, deren Gesetzmäßigkeiten wir unterworfen sind.

Was soll ein bewusster freier Wille sein, der physikalischen Gesetzmäßigkeiten unterworden ist, die entweder rein deterministisch oder rein zufällig ablaufen?

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Beitrag schnudl Verfasst am: 31. März 2009 12:29    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:


Was soll ein bewusster freier Wille sein, der physikalischen Gesetzmäßigkeiten unterworden ist, die entweder rein deterministisch oder rein zufällig ablaufen?

könnte es nicht eine weitere Ebne geben, die wir nur noch nicht kennen und eben "geistig" abläuft und dennoch irgendwelchen Gesetzmässigkeiten unterliegt? Diese Ebene müsste ja nicht im Widerpruch zur QM stehen, könnte diese aber ergänzen - oder?

Du meinst also, dass man sich entscheiden muss zwischen:

* der Geist sei unphysikalisch und es gibt freien Willen.
* oder er ist physikalisch erklärbar und lässt daher keinen freien Willen zu


Ohmann, komm ich mir blöd vor... Big Laugh

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Beitrag TomS Verfasst am: 31. März 2009 12:46    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Du meinst also, dass man sich entscheiden muss zwischen:

* der Geist sei unphysikalisch und es gibt freien Willen.
* oder er ist physikalisch erklärbar und lässt daher keinen freien Willen zu


Ja - zumindest nach meinem SUBJEKTIVEN Verständnis MEINES freien Willens.

Wenn ich mich jetzt frei entscheide, ob ich einen Kaffee hole oder nicht, dann tue ich dies
weder determiniert und vorherbestimmt sonder eben frei (ich könnte mich ja auch anders entscheide),
noch zufällig (ich entscheide mich ja bewusst).

Ja, ich sehe genau diesen Konflikt! Ich kann ihn subjektiv für mich auch nicht lösen, da ich zum einen von meinem freien Willen überzeugt bin (also davon, dass ich ihn habe), zum anderen aber auch davon, dass er nichts unphysikalisches ist (denn wäre er dies, so müsste er ja immer noch mit meinem Körper interagieren).

Ich bin ehrlich: Ich komme an dieser Stelle nicht weiter.

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Beitrag bishop Verfasst am: 03. Apr 2009 00:42    Titel: Antworten mit Zitat

aber zum Beispiel lässt sich ein deterministisches Chaos zwar physikalisch beschreiben, lässt jedoch keine globale Entwicklung oder Schlussfolgerung zu. Wenn ich also auch weiss, wie das neuronale Netz des Gehirns aufgebaut ist, kann ich imo trotzdem nicht sagen zu welchem Gedanken mich ein bestimmtes Feuermuster des Netzes bringen wird.

btw, vergesst auch bitte nicht, dass es einfach noch keine physikalische Theorie gibt, die Gesetze für bewusste Materie formuliert. Ich denke es ist falsch zu glauben, dass das Bewusstsein aus dem atomaren Aufbau folgt, vielmehr muss unser Weltbild um weitere Axiome erweitert werden um das korrekt beschreiben zu können.

Letzter Absatz spiegelt nur meine Meinung wieder, ich glaube immer noch nicht, dass wir auch nur aeinen Schritt zum Verständnis des Bewusstseins getan haben, wenn wir sämtliche Prozesse, die im menschlichen Körper auf atomarer Ebene stattfinden verstehen

gruß, bishop

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Beitrag schnudl Verfasst am: 03. Apr 2009 07:34    Titel: Antworten mit Zitat

bishop hat Folgendes geschrieben:
...
vergesst auch bitte nicht, dass es einfach noch keine physikalische Theorie gibt, die Gesetze für bewusste Materie formuliert. Ich denke es ist falsch zu glauben, dass das Bewusstsein aus dem atomaren Aufbau folgt, vielmehr muss unser Weltbild um weitere Axiome erweitert werden um das korrekt beschreiben zu können.


das denke ich auch, allerdings hatte ich das Gefühl, ich stünde als Physiker alleine mit dieser Meinung da. Die meisten glauben eben tatsächlich, dass Gedanken eben bloss durch neuronale Entladungen hervorgerufen werden und das halte ich persönlich für total am Thema vorbei. Sagt man das dann etwas in dieser Richtung, dann wird die Frage oft als unphysikalisch sondern religiös abgetan...

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Beitrag TomS Verfasst am: 03. Apr 2009 13:31    Titel: Antworten mit Zitat

Ihr denkt in eine ähnliche Richtung wie ich, wobei ich mich noch nicht dafür entschieden habe.

Zum deterministischen Chaos: das bringt uns hier nicht weiter, denn es ist ja so, dass ich z.B. aufgrund einer Sinneswahrnehmung mich für eine Handlung entscheide und diese dann auch durchführe - da ist kein Platz für Unbestimmtheit. Wenn diese Prinzip (Chaos, Unbestimmtheit etc.) ins Spiel käme, dann würde es uns zwar aus der Falle Determinismus befreien, uns aber eben sofort in die andere Falle Unbestimmtheit führen. Wir würden dann MEINEN / GLAUBEN, eine Handlung bewusst zu planenn und zu wollen, in Wirklichkeit wäre dies aber Illusion - das gefällt mir nun auch nicht besser.

Zitat:
. verrgesst auch bitte nicht, dass es einfach noch keine physikalische Theorie gibt, die Gesetze für bewusste Materie formuliert. Ich denke es ist falsch zu glauben, dass das Bewusstsein aus dem atomaren Aufbau folgt, vielmehr muss unser Weltbild um weitere Axiome erweitert werden um das korrekt beschreiben zu können.


Ich bin mir da nicht so sicher. Z.B. folgt die Existenz von Wasser auch aus der Existenz von Protonen, Neutronen und Elektronen, ohne dass damit gleichzeitig gesagt ist, dass die Eigenschaften von Wasser nicht qualitativ von denen der Elementarteilchen verschieden sein können.

Benötige ich wirklich neue Axiome, um zu erklären, dass Wasser Durst löscht? Ich glaube nicht! Brauche ich wirklich ein Axiom des GEISTIGEN / des BEWUSSTSEINS - wie immer das auch aussehen mag - um diese Entitäten fassen zu können?

Evtl. reicht ja ein Wechsel der Perspektive aus.

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Beitrag bishop Verfasst am: 04. Apr 2009 00:29    Titel: Antworten mit Zitat

hatte gestern eine längere Diskussion mit einem Kommilitonen über dieses Thema, ich will euch mal an unseren Ergebnissen beteiligen:

Angefangen haben wir damit, indem wir uns fragten was rauskommen würde wenn man ein und dieselbe Person zehnmal die gleiche Entscheidung treffen lassen würde. (wir haben das etwas schärfer formuliert, indem wir uns fragten was wäre, wenn man ein und das selbe Ereignis in zehn Paralleluniversen gleichzeitig beobachten könnte) Würde man eine 50/50 Verteilung beobachten wäre das witzlos, weil unser Freie Wille einfach nur die Manifestation des Zufalls wäre (wir sprechen hier die ganze Zeit davon, dass man vor zwei Türen steht und eine aussuchen soll ohne irgendwas näheres darüber zu wissen)
Interessanter ist das Ganze, wenn man beobachten würde, dass die Person immer die selbe Entscheidung trifft. In diesem Fall läuft es darauf hinaus, dass die Kurve, die unser Leben in der Raumzeit beschreibt einzigartig ist. Niemand kann wissen für welche Tür man sich entscheidet, aber man weiss, dass man sich immer dafür entscheiden würde.

Der "Freie Wille" sorgt dafür, dass man einzigartige Entscheidungen trifft. Würde jemand genau wissen wie die Person ist, wüsste er auch immer welche Entscheidung man treffen würde, aber danach addiert sich diese Erfahrung zur Persönlichkeit, sodass man sich verändert hat, quasi zu einer anderen Person geworden ist.

Mathematisch bedeutet das, dass die Funktion, die unser Leben beschreibt ein Integral aller unserer Erfahrungen darstellt, wir können nicht von einer Entscheidung jetzt, auf die Entscheidung in fünf Jahren schliessen, aber man kann den infinitesimal nächsten Augenblich genau vorhersagen. Das und der fundamentale Zufall sorgen dafür, dass Menschen stets Individuen sind.

Btw: Wenn man daran glaubt, dass man nur die Neuronen samt den synaptischen Verbindungen des menschlichen Gehirns nachzubauen braucht um ein Bewusstsein zu kreieren (denn die Funktion eines einzelnen Neurons ist genau bekannt), der sollte auch akzeptieren, dass es möglich sein wird bewusste Materie künstlich zu erschaffen, KI im weitesten Sinne also.

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Beitrag TomS Verfasst am: 04. Apr 2009 09:54    Titel: Antworten mit Zitat

Kannst du mir folgenden Widerspruch erklären:

Zitat:
... man kann den infinitesimal nächsten Augenblich genau vorhersagen.

vs.
Zitat:
Das und der fundamentale Zufall sorgen dafür, ...


Fragen:
  • Wie löst du den Widerspruch zwischen Determinismus und Zufall auf?
  • Wie garantiert der freie Wille den strengen Determinsimus, dass ich genau das tue was ich will?
  • Was ist der freie Wille denn nun im physikalischen Sinne?

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Beitrag bishop Verfasst am: 04. Apr 2009 12:57    Titel: Antworten mit Zitat

hm okay, vielleicht modelliere ich hier zu simpel, aber ich stelle mir das folgendermaßen vor:

1: Ich würde eine Entscheidung immer gleich treffen, auch wenn ich in zehn paralleluniversen genauso vor ihr stehen würde. (vielleicht würde man einen bestimmten prozentsatz dazunehmen um die quantenmechanische Unsicherheit einzubeziehen, aber ich stelle mir das sehr gering vor, weil meine Entscheidung makroskopisch ist)

2: Der (quantenmechanische) Zufall sorgt im Wesentlichen dafür, dass ich vor Entscheidungen gestellt werde, die nicht kausal mit bereits gemachten in Verbindung stellen

3: Der freie Wille ist in meinem Modell nichts anderes als die Garantie, dass niemand so wie ich ist, es ist die Signatur meiner Persönlichkeit aufgrund aller bereits gemachten Erfahrungen. Wenn ich vor einer Entscheidung stehen würde, könnte man diese perfekt vorhersagen, wenn man genügent Informationen über mich hätte, hier existiert der freie Wille also nicht so, wie man sich das vorstellt. (man bräuchte aber im Wesentlichen unendlich viele Informationen) Aber der Zufall sorgt dafür, dass niemand mein Leben quasi im Vakuum von einem Punkt aus bis zu meinem Tod vorhersagen kann, weil sich die Persönlichkeit mit jeder gemachten Entscheidung ändert.

Während also jede einzelne Entscheidung im Wesentlichen eindeutig bestimmt ist (obwohl man sie nicht kennt) ist das eigene Leben etwas, das völlig unbestimmt ist. Aber man könnte am Ende seines Lebens sagen, dass alles was passiert ist so kommen musste.
Dennoch ist man als Mensch nicht völlig unmündig, denn alleine die Aufforderung von außen "verschwende dein Leben nicht" kann dazu führen, dass alles ganz anders wird, es reicht aber auch, dass man von selbst drauf kommt.

Ich stelle mir das Leben also im Wesentlichen als einen Film vor, in dem man der Drehbuchautor, der Hauptdarsteller und der Regisseur ist

Ist aber natürlich alles nur ein Modell, kA obs was taugt^^

gruß bishop

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Beitrag TomS Verfasst am: 04. Apr 2009 13:47    Titel: Antworten mit Zitat

Ich wiederhole das mal, um zu sehen, ob ich dich richtig verstanden habe:

1.) Die Umwelteinflüsse sind eher zufällig / stochastisch zu sehen. Sie stellen dich vor immer neue, unverhersehbare Situationen, die sich auch nicht mit denen anderer Menschen oder mit Situation in deiner Vergangenheit vergleichen lassen. Durch dieses Durchleben der Situationen und durch deine Entscheidung in diesen Situationen formt sich deine individuelle Persönlichkeit.

2.) Der freie Wille funktioniert streng deterministisch. Wenn zwei Situationen absolut identisch wären und wenn zwei Individuen, die diese Situationen erleben würden, ebenfalls identisch wären, dann würden sie auch gleich entscheiden (dazu musst du zu dem Trick der Paralleluniversen greifen, weil zwei identische Situationen in deinem Leben a) nicht vorkommen werden und b) die zweite Situatation nicht identisch mit der ersten sein könnte, da dein eigenes Ich sich ja in der zweiten an die erste zurückerinnern würde)


3.) Der freie Wille in einer bestimmten Situation basiert in gewissem Sinne auf der Gesamtheit deines Ichs, also der gesamten Erfahrung, Vegangenheit, etc. Wenn diese gesamte Information insgesamt bekannt und irgendwie darstellbar wäre, dann wäre auch deine Entscheidung absolut vorhersagbar.

Stimmen 1. - 3. soweit?

Wenn ich nun aber 3.) uminterpretiere, dann bist die einfach eine informationsverarbeitende Maschine. Du hast eine endliche Speicherkapazität sowie Programm (dein Ich) und es gibt einen endlichen Input (die Situation). Auf dieser Basis ergibt sich deterministisch, also irgendwie algorithmisch deine Entscheidung.

Der freie Wille ist dann lediglich eine Illusion. Er beruht darauf, dass wir weder die Gesamtheit der aktuellen Information aus der Situation noch die Gesamtheit unseres Ichs bewusst wahrnehmen und daher den an sich deterministischen Prozess quasi als "frei" erleben. Wären wir unseres Ich zu 100% "selbst-bewusst", oder könnten wir diese Gesamtheit der Information und des Programms vollständig (künstlich) nachbilden, so würde die Illusion des freien Willens verschwinden.

Stimmt das auch so weit?

Gruß
Tom

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Beitrag bishop Verfasst am: 04. Apr 2009 18:52    Titel: Antworten mit Zitat

zu diesem Schluss bin ich gekommen, du hast das erfasst Thumbs up!

Wenn man die Diskussion in wie weit das jetzt stimmt verschiebt und diese Theorie diskutieren würde, würde ich sagen, dass es trotzdem einen Unterschied zum klassischen Determinismus ist im Sinne von "ist ja eh egal wie ich mich entscheide, es ist eh alles vorherbestimmt" Auch die Sichtweise des "Schicksals" ist hier nicht drin, man macht sich sein Schicksal selbst, und auch wenn man im Nachhinein sagt dass es alles so nochmal hätte kommen würde, wüsste man den Ausgang im Vorhinein nicht.

Aber ja, ich modelliere das Menschliche Bewusstsein als eine endliche Maschine, die durch Zufall ab und zu unbekannten Input und manchmal auch Output hat. Der Zufall ist hier sehr wichtig, denn er stellt sicher, dass man stets einzigartig bleibt, es gibt keine deterministische Methode mich als Person genauso zu reproduzieren, und meine Zukunft ist genauso unvorhersagbar.

Ich persönlich empfinde das als einen gewissen Trost, und finde das besser als würde ich mich in zehn paralleluniversen 50/50 entscheiden, denn das sagt aus, dass was ich tue nichtmal einen Sinn hat, ich greife z.B nicht auf meine Erfahrungen zurück etc

Das alles ist natürlich nur eine erste Näherung, bei der Entscheidungsfindung ist genug Platz für den Zufall, z.B kann ich mich für die linke Tür entscheiden weil ich das schonmal getan habe, oder weil ich gerne was neues probieren möchte. All das trägt wiederum zu unserer Einzigartigkeit bei, beide Schlüsse sind in sich selbst gleich logisch, und keiner der beiden braucht bevorzugt zu werden.

Das ist imo die Schlussfolgerung wenn man unter der Prämisse arbeitet, dass das Bewusstsein nur ein sehr komplexes Netzwerk von Prozessoreinheiten ist.

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Beitrag TomS Verfasst am: 04. Apr 2009 21:15    Titel: Antworten mit Zitat

Aus naturwissenschaftlicher Sicht würde ich sagen, das ist alles ziemlich gut durchdacht. Man müsste noch an Details arbeiten (makroskopische Quanteneffekte, Quanteninformation, ...) aber im Grunde würde das an den Grundzügen wohl nichts ändern.

Aus persönlicher Sicht habe ich erhebliche Vorbehalte, dass ich so bin! Ich möchte nicht, dass mein freier Wille nur Ausdruck meiner unzureichenden Selbsterkenntnis oder das Ergebnis einer evolutionsbedingten, trostspenden Projektion ist.

Aus ethisch-moralischer Sicht muss ich dir widersprechen. M.E. bedeutet jede Spielart von Determinismus (ob nun verborgen oder nicht), dass ich für meine Taten letztlich nicht verantwortlich bin! Das bedeutet nun nicht, dass man einen Menschen nicht bestrafen sollte, denn die Bestrafung hat sicherlich auch erzieherische Wirkung (fängt ja schon beim Kleinkind an) und beeinflusst daher die in den Algorithmus eingehenden Daten. Auch Strafe als Abschreckung für andere bleibt in diesem Sinne sinnvoll.

Aber Strafe einfach als Strafe ist dann Schwachsinn, denn man bestraft jemanden buchstäblich für etwas, wofür er nichts kann. Auch die Aufforderung, an sich zu arbeiten, ist in gewisser Weise unsinnig. Zwar ist die unmittelbare Aufforderung evtl. ein Input, der das Selbst entsprechend korrigiert, aber die rückblickende Entschuldigung "ich konnte nicht anders", "ich bin eben so", "ich hatte eine schwere Kindheit" usw. muss einfach akzeptiert werden, denn sie ist ja letztlich ein Output eines deterministischen Algorithmus.

Wenn freier Wille also bloße Illusion wäre, dann hätte das m.E. ethisch-moralische Konsequenzen für unsere Gesellschaft, insbs. fürdas Erziehungs- und Rechtssystem.

Außerdem wäre dann zu bewerten, wie der Input, dass freier Wille bloße Illusion ist, vom Durchschnitt der Algorithmen (die wir bisher Prsönlichkeiten, Egos, Ichs nennen) interpretiert wird und ob er evtl. unterdrückt bzw. verschwiegen werden sollte!

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Beitrag schnudl Verfasst am: 04. Apr 2009 23:09    Titel: Antworten mit Zitat

ein unwissenschaftliches Kommentar:

In Anbetracht der Sinnleere die einem durch eine solche Überzeugung zu Kopf steigen muss, könnte man sich aus Verzweiflung gleich in eine Schlucht hinunterstürzen. Es wäre dann ausserdem sowieso vorprogrammiert gewesen, dass man das getan hat...

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