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Sind Logik und Mathematik identisch? - Seite 3
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Zombiephilosoph
Gast





Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 15. Apr 2024 16:09    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Meine Sichtweise steht oben.

Da steht immer noch keine Antwort auf meine Frage zum Wahrheitsgehalt von Con(PA). Klartext, bitte.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 15. Apr 2024 16:26    Titel: Antworten mit Zitat

Nee, erst du, du bist ja der Fachmann 🙃
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 15. Apr 2024 16:38    Titel: Antworten mit Zitat

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Dort wird strikt zwischen "Beweisbar in einem Axiomensystem" und "wahr in einem Modell" unterschieden. Arithmetische Aussagen (und ihr Wahrheitsgehalt) wie die twin prime conjecture beziehen sich gewöhnlich auf das Standardmodell, nicht auf Axiomensysteme wie PA.

Ok, guter Punkt.

Willst du darauf hinaus, dass verschiedene Modelle dann für den selben Satz einen unterschiedlichen Wahrheitsgehalt liefern können?

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Zombiephilosoph
Gast





Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 15. Apr 2024 16:39    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Nee, erst du, du bist ja der Fachmann 🙃
Offenbar hast Du Probleme mit dem Lesen. Ich habe wohl nicht oft genug betont, dass ich kein Experte bin und auch nicht so tun will als wär ich es. Du bist derjenige der mir Antworten abnötigt, dann nicht mal liest aber mir vorwirfst ich würde mich drumrumogeln. Aber so leicht kommst Du mir nicht davon.
TomS hat Folgendes geschrieben:

Das erscheint mir selbst zwar höchst merkwürdig, aber ich sehe keine Alternative.

Dann lies mal in irgendeinem Buch über mathematische Logik nach, z.B. Kleene. Dort wird strikt zwischen "Beweisbar in einem Axiomensystem" und "wahr in einem Modell" unterschieden. Arithmetische Aussagen (und ihr Wahrheitsgehalt) wie die twin prime conjecture beziehen sich gewöhnlich auf das Standardmodell, nicht auf Axiomensysteme wie PA.
TomS hat Folgendes geschrieben:

Hättest du jetzt die Freundlichkeit, deine Meinung genau dazu zu äußern, erstens zu meiner Sichtweise, und zweitens deine konkrete Sichtweise zum Wahrheitsgehalt von "es gibt unendlich viele Primzahlzwilinge" unter der Annahme der Unbeweisbarkeit dieser Aussage in PA sowie der Konsistenz von PA ?

Meine Ansicht ist, dass der Wahrheitsgehalt der twn prime conjecture absolut nichts mit der Entscheidbarkeit in PA zu tun hat, genau wie z.B. der Satz von Fermat.

Und nochwas:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Und nochmal: es geht um deinen Wahrheitsbegriff und deine Sichtweise zum Wahrheitsgehalt von "es gibt unendlich viele Primzahlzwilinge" unter der Annahme der Unbeweisbarkeit dieser Aussage in PA sowie der Konsistenz von PA.

Zum Hundertausendsten mal: Mein Wahrheitsbegriff ist der von Franzen, was derselbe ist wie der, den Tarski in die Logik eingeführt hat. Was genau raffst Du denn daran nicht? Daraus folgt, dass ich Dir zwar nicht sagen kann, was der Wahrheitsgehalt der twin prime conjecture ist. Ich kann Dir aber sagen, dass er unabhängig davon ist ob sie in PA entscheidbar ist.

Jetzt will ich aber endlich mal ne Antwort, Klartext, keine unseriösen Ausflüchte mehr.
Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 15. Apr 2024 16:41    Titel: Antworten mit Zitat

@TomS

Zitat:
Gemäß der instrumentalistischen Position besteht die Aufgabe der theologischen Physik darin, mittels mathematischer Modelle empirisch überprüfbare Vorhersagen abzuleiten


Du meinst wohl eher der theoretischen Physik, oder?


Aber ich glaube, wir reden aneinander vorbei.

Du meinst mit "richtig" vermutlich, mit welcher Ansicht man Physik betreiben sollte/dürfte. Da sind sicherlich beide Ansichten völlig in Ordnung.

Mir ging es eher darum, dass nur eine der verschiedenen Ansichten, also entweder der Instrumentalismus oder der Realismus, auf die Wirklichkeit zutreffen können (und das ist selbstverständlich nicht falsifizierbar), auch wenn beides theoretisch möglich ist.
Zombiephilosoph
Gast





Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 15. Apr 2024 16:43    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Dort wird strikt zwischen "Beweisbar in einem Axiomensystem" und "wahr in einem Modell" unterschieden. Arithmetische Aussagen (und ihr Wahrheitsgehalt) wie die twin prime conjecture beziehen sich gewöhnlich auf das Standardmodell, nicht auf Axiomensysteme wie PA.

Ok, guter Punkt.

Willst du darauf hinaus, dass verschiedene Modelle dann für den selben Satz einen unterschiedlichen Wahrheitsgehalt liefern können?

Natürlich. In einigen Modellen von PA gilt Con(PA) in anderen gilt "~Con(PA)". Aber wenn man einfach nur von der Wahrheit arithmetischer Sätze redet, meint man das Standardmodell.
Zombiephilosoph
Gast





Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 15. Apr 2024 16:50    Titel: Antworten mit Zitat

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Dort wird strikt zwischen "Beweisbar in einem Axiomensystem" und "wahr in einem Modell" unterschieden. Arithmetische Aussagen (und ihr Wahrheitsgehalt) wie die twin prime conjecture beziehen sich gewöhnlich auf das Standardmodell, nicht auf Axiomensysteme wie PA.

Ok, guter Punkt.

Willst du darauf hinaus, dass verschiedene Modelle dann für den selben Satz einen unterschiedlichen Wahrheitsgehalt liefern können?

Natürlich. In einigen Modellen von PA gilt Con(PA) in anderen gilt "~Con(PA)". Aber wenn man einfach nur von der Wahrheit arithmetischer Sätze redet, meint man das Standardmodell.

P.S. Bei der twin Prime conjecture weiß man es nicht. Wenn Sie in PA beweisbar ist, gilt sie selbstverständlich in allen Modellen von PA. Wenn sie nicht entscheidbar ist, ist die einzige Frage die Mathematiker (außer Logiker oder andere Exoten, die Nichtstandardmodelle untersuchen) interessiert, ob sie im Standardmodell gilt.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 15. Apr 2024 16:53    Titel: Antworten mit Zitat

Dann können wir das von mir oben gesagte auf das Standardmodell einschränken. Oder wir schränken uns dergestalt ein, dass wir Konsistenz durch omega-Konsistenz ersetzen, was m.W.n. eindeutig auf das Standardmodell führt.

Ich denke, die Fragestellung nach dem Wahrheitsgehalt der twin-prime-conjecture – unter der Voraussetzung deren Unabhängigkeit – bleibt dann eine valide Frage.

quote="Zombiephilosoph"]P.S. Bei der twin Prime conjecture weiß man es nicht. Wenn Sie in PA beweisbar ist, gilt sie selbstverständlich in allen Modellen von PA. Wenn sie nicht entscheidbar ist, ist die einzige Frage die Mathematiker … interessiert, ob sie im Standardmodell gilt.[/quote]
Verstehe ich nicht. Wenn sie nicht entscheidbar ist, wie soll man dann wissen, ob sie im Standardmodell gilt. Dazu müsste dieses ja stärker sein. Wie soll das funktionieren?

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Zombiephilosoph
Gast





Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 15. Apr 2024 18:00    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dann können wir das von mir oben gesagte auf das Standardmodell einschränken. Oder wir schränken uns dergestalt ein, dass wir Konsistenz durch omega-Konsistenz ersetzen, was m.W.n. eindeutig auf das Standardmodell führt.

Bitte was? Wie willst Du eine Aussage über Beweisbarkeit auf das Standardmodell einschränken? Was soll das überhaupt bedeuten? Und wie kommst Du darauf dass omega-Konsistenz auf das Standardmodell führt? Kein System erster Stufe führt eindeutig auf das Standardmodell. Das ist doch genau eine Konsequenz von Gödels Theoremen. Hier wäre mal wieder ein Zitat einer zuverlässigen Quelle angebracht gewesen.
TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich denke, die Fragestellung nach dem Wahrheitsgehalt der twin-prime-conjecture – unter der Voraussetzung deren Unabhängigkeit – bleibt dann eine valide Frage.

Nein, Wahrheit im Standardmodell ist immer noch etwas anderes als Beweisbarkeit in Axiomensystem.
TomS hat Folgendes geschrieben:

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
P.S. Bei der twin Prime conjecture weiß man es nicht. Wenn Sie in PA beweisbar ist, gilt sie selbstverständlich in allen Modellen von PA. Wenn sie nicht entscheidbar ist, ist die einzige Frage die Mathematiker … interessiert, ob sie im Standardmodell gilt.

Verstehe ich nicht. Wenn sie nicht entscheidbar ist, wie soll man dann wissen, ob sie im Standardmodell gilt. Dazu müsste dieses ja stärker sein. Wie soll das funktionieren?
Mittels eines mathematischen Arguments. Nochmal, auch von Fermats Vermutung weiß man inzwischen, dass sie wahr ist. Man weiss aber nicht ob sie in PA entscheidbar ist.
Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
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Beitrag Qubit Verfasst am: 15. Apr 2024 20:02    Titel: Antworten mit Zitat

Hat die Ausgangsfrage überhaupt mit Physik zu tun?
Mathematik setzt doch natürlich Logik voraus, also Logik ist "hinter" der Mathematik, also letztlich Philosophie.
Gödel hat da Schranken für endliche Axiomensysteme von entsprechend komplexen mathematischen Theorien gesetzt.
Aber was ist da der Zusammenhang mit Physik?
Zombiephilosoph
Gast





Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 15. Apr 2024 20:32    Titel: Antworten mit Zitat

Für "endliche Axiomensysteme"? Leute, ihr macht mich fertig. Aber nee, hat nix mit Physik zutun.
Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
Beiträge: 829

Beitrag Qubit Verfasst am: 15. Apr 2024 20:38    Titel: Antworten mit Zitat

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Für "endliche Axiomensysteme"? Leute, ihr macht mich fertig. Aber nee, hat nix mit Physik zutun.


Ja eben, mit Physik hat das erstmal nichts zu tun.
Aber auch für Gödel sind endliche Axiomensysteme essentiell, oder willst du dem widersprechen? smile
Zombiephilosoph
Gast





Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 15. Apr 2024 20:52    Titel: Antworten mit Zitat

Nee, schon gut, hier kann jeder über Gödel behaupten was er will. Nur pensionierte Ingenieure die die Relativitätstheorie widerlegen wollen kriegen eins auf den Deckel.
Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
Beiträge: 829

Beitrag Qubit Verfasst am: 15. Apr 2024 20:54    Titel: Antworten mit Zitat

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Nee, schon gut, hier kann jeder über Gödel behaupten was er will. Nur pensionierte Ingenieure die die Relativitätstheorie widerlegen wollen kriegen eins auf den Deckel.


Ist das jetzt dieses "Strohmann"-Argument, von dem alle reden? smile
Zombiephilosoph
Gast





Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 15. Apr 2024 21:17    Titel: Antworten mit Zitat

Da es ja offenbar nicht mal mehr notwendig ist 5 min. Zeit in wikipedia zu investieren bevor man auf physikerboard süffisante Kommentare abläßt, hab ich das mal für Dich erledigt. Mit Hervorhebung damit Du nicht so viel lesen musst.



"Die Peano-Arithmetik (erster Stufe, kurz PA) ist eine Theorie der Arithmetik, also der natürlichen Zahlen, innerhalb der Prädikatenlogik erster Stufe. Als Axiome werden die Peano-Axiome verwendet, wobei das Induktionsaxiom durch ein Axiomenschema ersetzt werden muss."

Der Begriff Axiomenschema bezeichnet in der Mathematischen Logik eine metasprachliche Konstruktionsvorschrift zur Darstellung von erststufigen Axiomensystemen, die nicht durch eine endliche Anzahl von Axiomen angegeben werden können oder angegeben werden sollen.
Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
Beiträge: 829

Beitrag Qubit Verfasst am: 15. Apr 2024 21:46    Titel: Antworten mit Zitat

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
die nicht durch eine endliche Anzahl von Axiomen angegeben werden können oder angegeben werden sollen.


Eben, und? Was folgt daraus für dich?
Zombiephilosoph
Gast





Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 16. Apr 2024 07:13    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
die nicht durch eine endliche Anzahl von Axiomen angegeben werden können oder angegeben werden sollen.

Eben, und? Was folgt daraus für dich?

Äh dass PA unendlich viele Axiome hat? Was ist eigentlich los hier? grübelnd
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 16. Apr 2024 08:29    Titel: Antworten mit Zitat

Dass PA unendlich viele Axiome hat, führt bzgl. der Fragestellung nach Wahrheitsgehalten unbeweisbarer Sätze aber nicht weiter.

Ich schreibe nachher noch was dazu; aktuell habe ich keine Zeit.

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Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 982

Beitrag Frankx Verfasst am: 16. Apr 2024 08:57    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Nun nehmen wir an, wir könnten eine KI (ein neuronales Netz) auf Basis von Konstruktionsplänen zu Experimenten sowie den zugehörigen Messdaten zu trainieren, und nehmen wir weiterhin an, diese KI wäre in der Lage, auch für neuartige Experimente die daraus resultierenden Messdaten korrekt vorherzusagen; wichtig: die Trainingsdaten enthalten keine mathematischen Modelle wie Maxwellsche Gleichungen, Schrödinger-Gleichung o.ä. Die Qualität, der vorher gesagten Daten sei perfekt, die Erklärung kraft ist offensichtlich null.

Wie viele Physiker, die angeblich reine Instrumentalisten sind, würden den Job als erledigt betrachten und das neuronale Netz als perfekten Ersatz aller physikalischer Theorien akzeptieren? Würden sie das Physikstudium ersatzlos streichen und jedem Interessierten nur den USB-Stick mit dem neuronalen Netz überreichen? Wären auf einmal sämtliche physikalische Rätsel gelöst? Würde niemand mehr über den Urknall, Quantengravitation, Dunkle Materie forschen? Oder hätte man doch irgendwie das Gefühl, dass es da etwas gibt, was man gerne verstehen möchte?

Die Haltung vieler Instrumentalisten ist wohl bzgl. ihrer eigenen Praxis ziemlich inkonsistent.


Eine solche KI incl. der Trainingsdaten wäre letztlich auch nur eine sehr komplexe Rechenvorschrift, also ein mathematisches Modell.

Den Zustand, dass sich manche Bediener im Vertrauen auf die Richtigkeit der Ergebnisse auf irgendein Computerprogramm verlassen, habe wir ja schon heute, teils mit fatalen Folgen.

Auch diese KI würde nur korrekte Ergebnisse berechnen, wenn man die richtigen Fragen stellt und die relevanten Randbedingungen für das Problem definiert. Wer Schei*** eingibt, bekommt auch Schei*** raus.

Um zu testen, ob man mit der Fragestellung und den Randbedingungen richtig liegt, führt der umsichtige User z.B. Trivialitätstests durch, d.h. er lässt sich testweise Dinge berechnen, deren Ergebnisse er mittels einfacherer mathemat. Modelle auch ohne die KI ermitteln kann. Genau dazu benötigt er aber auch die Kenntnis dieser "einfachen" Modelle.

Es macht also auch für einen eingefleischten Instrumentalist Sinn, sich trotz dieser KI die klassischen Modelle anzueignen.

Ein weiterer Punkt für die Akzeptanz einfacherer Modelle gegenüber der KI ist Ockham.

Man outet sich also keineswegs als Realist, wenn man sich trotz einer solchen KI mit den klassischen Modellen auseinandersetzt.

Im Übrigen wird man nicht als Instrumentalist geboren, sondern entwickelt sich meist vom Realist dahin und das hat seine Gründe.

.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 16. Apr 2024 10:40    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Eine solche KI incl. der Trainingsdaten wäre letztlich auch nur eine sehr komplexe Rechenvorschrift, also ein mathematisches Modell.

Richtig.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Auch diese KI würde nur korrekte Ergebnisse berechnen, wenn man die richtigen Fragen stellt und die relevanten Randbedingungen für das Problem definiert.

Richtig.

Das ist bei den Maxwell-Gleichungen nicht anders.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Um zu testen, ob man mit der Fragestellung und den Randbedingungen richtig liegt, führt der umsichtige User z.B. Trivialitätstests durch, d.h. er lässt sich testweise Dinge berechnen, deren Ergebnisse er mittels einfacherer mathemat. Modelle auch ohne die KI ermitteln kann. Genau dazu benötigt er aber auch die Kenntnis dieser "einfachen" Modelle.

Die benötigt er streng genommen nicht.

Eine strikt instrumentalistische Methode müsste ausschließlich auf Basis von Sinneseindrücken, Daten und z.B. verschiedenen KI-Modellen funktionieren. Nimmt die Instrumentalisten beim Wort, wären Gesetze wie F=ma oder R=U/I überflüssig; jede beliebige Implementierung z.B. als neuronales Netz ohne weiteres Verständnis tut es auch.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Es macht also auch für einen eingefleischten Instrumentalist Sinn, sich trotz dieser KI die klassischen Modelle anzueignen.

Im Sinne der Praktikabilität ist das sicher der Fall, also "vorteilhaft im Sinne von FAPP". Aber darüber hinaus darf der eingefleischte Instrumentalist auf nichts weiter Bezug nehmen; Erklärungskraft, Verhalten der Natur etc. sind für ihn tabu.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Man outet sich also keineswegs als Realist, wenn man sich trotz einer solchen KI mit den klassischen Modellen auseinandersetzt.

Stimmt. Das wollte ich aber auch nicht behaupten.

Ich stelle lediglich in zig Diskussionen fest, dass viele Physiker ganz selbstverständlich von Planeten reden, von deren Bahnkurven und welchen Gesetzen diese gehorcht, wie man thermodynamische Zusammenhänge auf Basis der statistischen Mechanik erklären bzw. verstehen kann (innere Energie, Entropie ...), welche Teilchen existieren ...

Ich habe schon viele eingefleischte Instrumentalisten getroffen, jedoch nur sehr wenige fundierte und konsistente Instrumentalisten.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Im Übrigen wird man nicht als Instrumentalist geboren, sondern entwickelt sich meist vom Realist dahin und das hat seine Gründe.

Klar, dafür gibt es viele Gründe, gute und weniger gute.

Ich habe nichts gegen eine sinnvoll begründete instrumentalistische Position, selbst wenn diese in meinen Augen mehr Schwächen hat als der Rationalismus. Beide sind hinreichend gut begründbar, um ernstgenommen zu werden, und beide sind nicht so überzeugend begründbar, dass die jeweils andere ausgeschlossen werden könnte.

Ich stelle lediglich fest, dass viele, die sich selbst als Instrumentalisten bezeichnen, sich nie ernsthaft mit diesen Fragen befasst haben und lediglich FAPP und shut-up-and-calculate nachbeten.

Ich habe früher an der Uni, in der Forschung sowie später in diversen Foren erleben dürfen, wie unreflektiert darüber geredet wird. Wir haben im Rahmen eines Graduiertenkollegs zur starken Wechselwirkung und QCD mal am Lehrstuhl diskutiert, welche Physiker wir gerne mal treffen würden und evtl. sogar einladen könnten (Roman Jackiw war da, O'Raifeartaigh ...) Ich fragte meinen damaligen Chef, an was denn eigtl. 't Hooft aktuell (das war Anfang der 90er) arbeiten würde; mein Chef meinte mit einem höhnischen Lächeln, an Grundlagenproblemen der Quantenmechanik.

Das ist leider eine ganz besonders dumme Art der Ignoranz ggü. Menschen wie 'T Hooft (den ich leider nie getroffen habe), Bell, Penrose u.a.
Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 16. Apr 2024 15:19    Titel: Antworten mit Zitat

Oh, jetzt habe ich ja ganz schön was losgetreten. Eigentlich sollte sich daraus gar keine Diskussion Instrumentalismus vs Realismus entwickeln; ich wollte eigentlich was ganz anderes.
In der Matheborad Diskussion hieß es, alle Philosophien seien gleichermaßen wahr. Das halte ich für nicht korrekt. Deshalb wollte ich nur mit diesem Beispiel aufzeigen, dass praktisch ja nur entweder der Instrumentalismus oder der Realismus auf die Natur zutreffen kann, auch wenn wir es nicht testen können und somit nie wissen werden, welche der beiden Richtungen recht behält.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 16. Apr 2024 15:41    Titel: Antworten mit Zitat

Sorry, ich hatte das übersehen:

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
@TomS

Zitat:
Gemäß der instrumentalistischen Position besteht die Aufgabe der theologischen Physik darin, mittels mathematischer Modelle empirisch überprüfbare Vorhersagen abzuleiten


Du meinst wohl eher der theoretischen Physik, oder?

Klar.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Aber ich glaube, wir reden aneinander vorbei.

Nicht wirklich.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Du meinst mit "richtig" vermutlich, mit welcher Ansicht man Physik betreiben sollte/dürfte. Da sind sicherlich beide Ansichten völlig in Ordnung.

Ich denke, man sollte den Begriff "richtig" nicht verwenden.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Mir ging es eher darum, dass nur eine der verschiedenen Ansichten, also entweder der Instrumentalismus oder der Realismus, auf die Wirklichkeit zutreffen können.

Das hatte ich schon so verstanden. Aber ich habe einfach ein Problem damit, eine philosophische Position als "richtig" oder "zutreffend" zu bezeichnen, solange nicht definiert ist, was "richtig" oder "zutreffend" da überhaupt bedeuten soll.

Inwiefern könnte denn z.B. der Instrumentalismus falsch sein? Was bedeutet das?

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
In der Matheborad Diskussion hieß es, alle Philosophien seien gleichermaßen wahr.

Schau, wir können uns noch nicht mal auf einen Wahrheitsbegriff in der Mathematik einigen; ich bin nach wie vor der Meinung, da gibt es mehrere. Und Popper verwendet sicher einen erweiterten Wahrheitsbegriff, da er empirische Aspekte berücksichtigen will, was der reinen Mathematik oft völlig egal ist.

Ich wüsste nicht mal, wie Wahrheit einer Philosophie wie dem Kantianismus bewerten oder verstehen soll. Genauso gut könnte man behaupten, der Kantianismus sei grün.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Das halte ich für nicht korrekt.

Ich halte es – um mit Pauli zu sprechen – noch nicht einmal für falsch.

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Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 16. Apr 2024 16:12    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Inwiefern könnte denn z.B. der Instrumentalismus falsch sein? Was bedeutet das?


Falsch könnte sein, dass die entsprechenden physikalischen Größen (die man nicht beobachten und messen kann), die in der Physik existieren, sich in der Realität wirklich so verhalten. Wie zb das Elektron, dass bei einer Superposition theoretisch an zwei Orten gleichzeitig sein kann.

Andersherum wäre zb der Realismus falsch, wenn sich die Entitäten der Materie, zb ein beliebiges Atom, während des nicht Beobachtens anders verhalten, wie es die Gleichungen vorhersagen bzw gänzlich anders strukturiert wären.

So sehe ich es.

Zitat:

Ich halte es – um mit Pauli zu sprechen – noch nicht einmal für falsch


Seine oder meine Ansicht?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 16. Apr 2024 16:24    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Falsch könnte sein, dass die entsprechenden physikalischen Größen (die man nicht beobachten und messen kann), die in der Physik existieren, sich in der Realität wirklich so verhalten. Wie zb das Elektron, dass bei einer Superposition theoretisch an zwei Orten gleichzeitig sein kann.

Das widerspricht nicht dem Instrumentalismus.

1) Dieser besagt nicht, dass sich die Realität anders verhält, als es die Gleichungen besagen. Er besagt lediglich, 2a) dass wir keine Möglichkeit haben, die Elemente der grundlegenden Realität zu erkennen – insbs. nicht etwas nicht messbares und nicht gemessenes – und 2b) dass die Aufgabe der Physik deswegen nicht darin besteht, sich um dieses nicht erkennbare zu kümmern (ich habe etwas gegoogelt und finde keine wirklich einheitliche Definition *).

(1) könnte falsch sein. (2a) ist wahr –?es sei denn, man fasst erkennen weiter auf, also z.B. im Sinne Platons als eine Art Teilhabe an der Welt der Ideen. Und (2b) ist keine Aussage, die wahr oder falsch sein könnte, sondern einfach eine Einstellung.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Andersherum wäre zb der Realismus falsch, wenn sich die Entitäten der Materie, zb ein beliebiges Atom, während des nicht Beobachtens anders verhalten, wie es die Gleichungen vorhersagen bzw gänzlich anders strukturiert wären.

Nachvollziehbar, aber schwierig zu fassen.


Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Ich halte es – um mit Pauli zu sprechen – noch nicht einmal für falsch

Seine oder meine Ansicht?

Die aus dem Mathe-Board, nicht deine.

Wie gesagt, ich habe mit den Begriffen richtig und falsch hier ein Problem.


*) https://rationalwiki.org/wiki/Instrumentalism

Instrumentalism is the scientific philosophy that states that theories should be evaluated on how well they predict and model phenomena, and not how well they describe the Universe.

… Instrumentalists … accept Quantum Mechanics as typically formulated. They regard the lack of a description of what microscopic systems are actually like …

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Zombiephilosoph
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Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 16. Apr 2024 16:56    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Schau, wir können uns noch nicht mal auf einen Wahrheitsbegriff in der Mathematik einigen; ich bin nach wie vor der Meinung, da gibt es mehrere. Und Popper verwendet sicher einen erweiterten Wahrheitsbegriff, da er empirische Aspekte berücksichtigt.

Ich hätte gern mal ein Zitat wo Popper seinen "erweiterten Wahrheitsbegriff" definiert.
Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 16. Apr 2024 17:50    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
(1) könnte falsch sein.


Zitat:
Nachvollziehbar, aber schwierig zu fassen.


Darauf wollte ich eigentlich nur drauf hinaus. Von der Seite aus betrachtet sind die meisten Spielarten des Realismus deutlich schärfer definiert als der Instrumentalismus.

Ich wollte eigentlich nur zeigen, dass eine der beiden Ansichten auch nicht zutreffen kann, wobei ja dann der Instrumentalismus etwas verträglicher formuliert ist; wenn der Realismus zutrifft, ist ja die agnostische Haltung in dem Sinne nicht falsch gewesen. Auch wenn wir es nie wissen werden, was zutrifft (wieder etwas, was man nicht wissen kann; wüsste auch nicht, wie sich das in Zunkunft ändern sollte).
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 16. Apr 2024 19:31    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Von der Seite aus betrachtet sind die meisten Spielarten des Realismus deutlich schärfer definiert als der Instrumentalismus.

Findest du? Ich halte sie oft für schwammiger.

Ich bevorzuge den Realismus ja nicht, weil er irgendwie logisch präziser oder quantitativ besser wäre, sondern weil ich mich folgendes erstaunt:

Im offenkundigen Dissens mit dem Empirismus sind sämtliche moderne physikalische Theorien – allen voran die mathematische Formulierung der Quantenmechanik – sicher kein Abbild und keine Repräsentation von Wahrnehmung, Phänomen etc. Sie sind auch nicht irgendwie linear oder logisch daraus entstanden, sie sind vielmehr Ergebnis eines kreativen Prozesses. Diese Theorien "sprechen über etwas", aber sie sprechen gerade nicht über die "nackten Phänomene".

Meine Schlussfolgerung ist, dass sich diverse mathematische Entitäten irgendwie zutreffend auf irgendwelche reale Entitäten beziehen – aber eben zumeist gerade nicht auf Phänomene (die natürlich auch real sind). Das halte für plausibel, jedoch auch schwammig. Der Instrumentalismus ist letztlich eine Negation dieser Hypothese, ziemlich präzise jedoch für mich völlig unplausibel.

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Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 16. Apr 2024 19:51    Titel: Antworten mit Zitat

Ich finde halt, dass die meisten Instrumenalismus-Philosophien ziemlich agnostisch daher kommen. Aber du hast recht - das lässt sich eigentlich doch fast deutlich schärfer formulieren als:
Zitat:
Meine Schlussfolgerung ist, dass sich diverse mathematische Entitäten irgendwie zutreffend auf irgendwelche reale Entitäten beziehen – aber eben zumeist gerade nicht auf Phänomene (die natürlich auch real sind)


Wenn ich ehrlich bin, kann ich dir nicht mal direkt sagen, was ich bevorzuge: es gibt Tage, da halte ich den Realismus für deutlich plausibler, an anderen den Instrumentalismus. Bin einfach unentschlossen.

Zitat:
Der Instrumentalismus ist letztlich eine Negation dieser Hypothese

Das meinte ich auch immer, wenn ich schrieb, dass nur eines der beiden "wahr" sein kann, denn wenn beide wahr wären wäre es ja ein Widerspruch.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 16. Apr 2024 22:06    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich ehrlich bin, kann ich dir nicht mal direkt sagen, was ich bevorzuge: es gibt Tage, da halte ich den Realismus für deutlich plausibler, an anderen den Instrumentalismus. Bin einfach unentschlossen.

Macht ja nix. Ich habe mich auch erst wirklich damit befasst, nachdem ich aus der Forschung raus war.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Das meinte ich auch immer, wenn ich schrieb, dass nur eines der beiden "wahr" sein kann, denn wenn beide wahr wären wäre es ja ein Widerspruch.

Ja, ich hatte dich auch so verstanden.

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TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 16. Apr 2024 23:27    Titel: Antworten mit Zitat

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Schau, wir können uns noch nicht mal auf einen Wahrheitsbegriff in der Mathematik einigen; ich bin nach wie vor der Meinung, da gibt es mehrere. Und Popper verwendet sicher einen erweiterten Wahrheitsbegriff, da er empirische Aspekte berücksichtigt.

Ich hätte gern mal ein Zitat wo Popper seinen "erweiterten Wahrheitsbegriff" definiert.

Aus Objektive Erkenntnis:

Zitat:
Ich unterstütze die (von Alfred Tarski verteidigte und verfeinerte)
Theorie des Alltagsverstandes, daß Wahrheit die Übereinstimmung mit den Tatsachen (oder der Wirklichkeit) ist; oder, genauer, daß eine Theorie wahr ist genau dann, wenn sie mit den Tatsachen übereinstimmt.
Beschäftigen wir uns ein

Das läuft eben auf einen empirischen Wahrheitsbegriff hinaus, nicht auf einen mathematischen.

Zitat:
… Und löst auch das Problem der falschen Aussagen; denn eine falsche Aussage P ist nicht deshalb falsch, weil sie mit einem merkwürdigen Gegenstand wie einer Nicht-Tatsache übereinstimmt, sondern weil sie mit überhaupt keiner Tatsache übereinstimmt: Sie steht zu nichts Wirklichem in der Beziehung der Übereinstimmung mit einer Tatsache.

Nochmal für falsche Aussagen.

Das folgende ist ebenfalls ein Aspekt, den ich aus der reinen Mathematik nicht kenne:
Zitat:
Um zu klären, was wir tun, wenn wir nach der Wahrheit suchen, müssen wir wenigstens in einigen Fällen Gründe für die intuitive Behauptung angeben können, daß wir der Wahrheit nähergekommen sind oder daß eine Theorie T1 von einer neuen Theorie T2 überwunden worden ist, weil T2 der Wahrheit näherkommt … Die Aussage, die Wissenschaft strebe nach Wahrheitsähnlichkeit, hat einen beträchtlichen Vorteil vor der vielleicht einfacheren Formulierung, die Wissenschaft strebe nach der Wahrheit. Diese könnte den Eindruck erwecken, das Ziel sei vollständig erreicht, wenn man die unbezweifelbare Wahrheit ausspricht, daß alle Tische Tische sind, oder daß 1 + 1 = 2. Offenbar sind diese Aussagen beide wahr; ebenso offensichtlich können beide nicht als irgendeine wissenschaftliche Leistung angesehen werden … Ich möchte für die Wahrheitsähnlichkeit etwas Ahnliches (wenn auch weniger Genaues) erreichen wie Tarski für die Wahrheit: die Rehabilitierung eines Begriffs des Alltagsverstandes, der suspekt geworden ist, der aber nach meiner Auffassung für jeden kritischen Realismus des Alltagsverstandes und für jede kritische Wissenschaftstheorie dringend notwendig ist. Ich möchte sagen können, die Wissenschaft strebe nach der Wahrheit im Sinne der Übereinstimmung mit den Tatsachen oder der Wirklichkeit; und ich möchte auch (mit Einstein und anderen Wissenschaftlern) sagen können, die Relativitätstheorie sei - jedenfalls vermutlich - eine bessere Annäherung an die Wahrheit als die Newtonsche Theorie und diese eine bessere als die Keplersche Theorie.

Es geht also um einen graduellen Wahrheitsbegriff.

Wobei Popper es letztlich für abwegig hält, über Begriffsdefinitionen zu philosophieren, sondern nach einer vernünftigen Praxis sucht.

Zitat:
Tarski konnte aufgrund seiner Definition der Wahrheit vieles beweisen; unter anderem, daß es in einer hinreichend reichen Sprache (und in jeder Sprache, in der man mathematische oder physikalische Theorien ausdrücken kann) kein Wahrheitskriterium geben kann, das heißt kein Kriterium für die Übereinstimmung: Ob eine Behauptung wahr ist, ist für die Sprachen, für die der Wahrheitsbegriff erklärt werden kann, nicht allgemein entscheidbar. Der Wahrheitsbegriff spielt also im wesentlichen die Rolle einer regulativen Idee. Er hilft uns bei unserer Suche nach der Wahrheit, daß es so etwas wie Wahrheit oder Übereinstimmung gibt.
Sie gibt uns aber keine Methode an die Hand, die Wahrheit zu finden oder uns dessen zu versichern, daß wir sie gefunden haben, auch wenn wir sie gefunden haben. Es gibt also kein Wahrheitskriterium, und wir dürfen nicht nach einem solchen fragen. Wir müssen uns damit zufriedengeben, daß die Idee der Wahrheit oder der Übereinstimmung mit den Tatsachen rehabilitiert worden ist.

Das ist zunächst überraschend aber letztlich sogar offensichtlich. "1 + 1 = 2" ist in einem andern Sinne wahr als "Orbits von Planeten entsprechen in einer gewissen Näherung Keplerellipsen" oder "das Higgs-Boson existiert". D.h. unterschiedliche Disziplinen arbeiten mit unterschiedlichen Wahrheitskriterien.

Damit ist die Aussage "<x hat die Eigenschaft E> ist wahr, weil x in Wirklichkeit tatsächlich die Eigenschaft E hat" zwar syntaktisch in allen wissenschaftlichen Theorien identisch, jedoch nicht semantisch. Das entspricht letztlich der Tatsache, dass in "Übereinstimmung mit den Tatsachen" die Begriffe "Übereinstimmung" und "Tatsachen" je Disziplin etwas anderes bedeuten und insbs. eine andere Praxis bei der Überprüfung, ob Übereinstimmung vorliegt, angewandt wird.

Letztlich gibt es also nicht den Wahrheitsbegriff, sondern einen Wahrheitsbegriff als regulativen Idee und Wahrheitskriterien sowie Wahrheitsähnlichkeit je Disziplin.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 17. Apr 2024 08:14    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Ja, ich hatte dich auch so verstanden.


Okay, alles klar! Wie wäre denn jetzt deine Meinung dazu, außer, dass du den Wahrheitsbegriff für solche Themen kritisch betrachtest?
Denkst du auch, dass man Instrumentalismus vs Realismus niemals falsifizieren können wird?
TomS
Moderator


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Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Apr 2024 11:20    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Wie wäre denn jetzt deine Meinung dazu, außer, dass du den Wahrheitsbegriff für solche Themen kritisch betrachtest?

Na ja, zunächst mal gibt es nicht den Wahrheitsbegriff.

Zu Popper habe ich ja einiges geschrieben; vermutlich gibt es dazu auch Kritik, immerhin ist das ja schon Jahrzehnte alt.

Essentiell sind zwei Aussagen:

Erstens
Zitat:
Ich unterstütze die (von Alfred Tarski verteidigte und verfeinerte) Theorie des Alltagsverstandes, daß Wahrheit die Übereinstimmung mit den Tatsachen (oder der Wirklichkeit) ist.

"Die Aussage <Schnee ist weiß> ist wahr genau dann, wenn Schnee weiß ist". Das klingt trivial, ist es aber nicht. Einfach mal bei Wikipedia nachlesen: https://en.wikipedia.org/wiki/Truth

Zweitens
Zitat:
Tarski konnte ... [beweisen], daß es in einer hinreichend reichen Sprache ... kein Wahrheitskriterium geben kann, das heißt kein Kriterium für die Übereinstimmung: Ob eine Behauptung wahr ist, ist für die Sprachen, für die der Wahrheitsbegriff erklärt werden kann, nicht allgemein entscheidbar ... [Das] gibt uns aber keine Methode an die Hand, die Wahrheit zu finden oder uns dessen zu versichern, daß wir sie gefunden haben, auch wenn wir sie gefunden haben

https://en.wikipedia.org/wiki/Truth#Tarski's_semantics
Zitat:
Tarski's theory of truth ... was developed for formal languages, such as formal logic. Here he restricted it in this way: no language could contain its own truth predicate, that is, the expression is true could only apply to sentences in some other language. The latter he called an object language, the language being talked about. (It may, in turn, have a truth predicate that can be applied to sentences in still another language.)

Salopp gesprochen heißt dies, jede wissenschaftliche Disziplin muss sich selbst darum kümmern, was in "Übereinstimmung mit den Tatsachen" denn diese Tatsachen sind, und was Übereinstimmung praktisch bedeuten soll. Tarski zeigt laut Popper zwar auch, dass man derartige semantische Fragen auf eine Syntax zurückführen und damit formalisieren kann, jedoch wird diese Formalisierung je Disziplin unterschiedlich aussehen, d.h. die semantischen Unterschiede in der Bedeutung von "Tatsachen" und "Übereinstimmung" in verschiedenen Disziplinen wird nicht aufgehoben.

Mathematische Tatsachen sind etwas anderes als physikalische Tatsachen. Mathematische Übereinstimmung ist etwas anderes als physikalische. Und damit sind mathematische Wahrheiten etwas andres als physikalische.



Zwei Beispiele
<1+1 = 2> ist wahr.
Das Higgs-Boson existiert> ist wahr.

Was sind denn hier jeweils die Tatsachen? Und was bedeutet Übereinstimmung (mit der Wirklichkeit)? Das ist sicher nicht trivial. Es gibt keine eindeutige und von allen geteilte Meinung, was Wahrheit bedeutet, und nicht mal die Mathematik hat eine eindeutige Definition: https://en.wikipedia.org/wiki/Philosophy_of_mathematics

Die Frage, was Wahrheit bedeutet, ist eine der Praxis, und die ist je wissenschaftlicher Disziplin eben eine andere. Wer meint, ein formales logisches / mathematisches System würde die Frage klären, was Wahrheit ist und wie man zur Wahrheit gelangt, ist völlig falsch (sic!) unterwegs.


Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Denkst du auch, dass man Instrumentalismus vs Realismus niemals falsifizieren können wird?

Jetzt klar, warum ich damit ein Problem habe?

Nochmal zwei Beispiele
<Das Higgs-Boson existiert> ist wahr.
<Der Realismus ist wahr ist> ist wahr.

Es gibt keine kurze und bündige Definition von Wahrheit in der Physik, weil es zwar einen formalen Rahmen gibt (nach Tarski, den Popper erklärt), aber weil jede Disziplin für sich selbst klären muss, was ihre "Tatsachen" sind, also bzgl. was Übereinstimmung vorliegen soll, und was diese Übereinstimmung bedeutet. Das Werk von Popper hat nach der dem logischen Positivismus den Schwerpunkt von Verifizierung auf Falsifizierung verschoben, und die Praxis der Physik wird dem - hoffentlich - gefolgt.

Aber was sind denn die Tatsachen und die Wirklichkeit der Metaphysik? Was ist denn die Praxis der Metaphysik, derzufolge der Realismus wahr oder falsch sein soll? Ich will der Philosophie gar nicht vorwerfen, sie hätte überhaupt keine Kriterien, aber ich behaupte, sie hat sicher eine andere Praxis als die Experimentalphysik.

Diese nimmt eine Theorie bzw. deren Ergebnisse, erdenkt und konstruiert ein Experiment, führt es durch, und falsifiziert die Aussage "das im Kontext des MSSM vorhergesagte supersymmetrisches Partnerteilchen zum Elektron, das sogenannte Selektron, existiert in einem Energiebereich unterhalb von 100 GeV". Falsifizierung ist nicht nur ein Wort sondern gelebte Praxis; das kann man nicht in ein paar Zeilen packen, aber wer dort mitarbeitet, weiß was gemeint ist.

Welcher Praxis folgen die Philosophen, um die Aussage "der Realismus ist wahr" zu kritisch zu überprüfen? Wenn überhaupt, dann sicher einer völlig anderen als die Physiker, und deswegen würde ich mir dafür einen anderen Namen einfallen lassen und es nicht Falsifizierung nennen.


Zuletzt bearbeitet von TomS am 17. Apr 2024 11:28, insgesamt einmal bearbeitet
Zombiephilosoph
Gast





Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 17. Apr 2024 11:27    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:

Ich hätte gern mal ein Zitat wo Popper seinen "erweiterten Wahrheitsbegriff" definiert.

Aus Objektive Erkenntnis:

Zitat:
Ich unterstütze die (von Alfred Tarski verteidigte und verfeinerte)
Theorie des Alltagsverstandes, daß Wahrheit die Übereinstimmung mit den Tatsachen (oder der Wirklichkeit) ist; oder, genauer, daß eine Theorie wahr ist genau dann, wenn sie mit den Tatsachen übereinstimmt.
Beschäftigen wir uns ein

Das läuft eben auf einen empirischen Wahrheitsbegriff hinaus, nicht auf einen mathematischen.

Nee, das ist eben genau der Begriff aus der Mathematik. (siehe Franzen) Wenn P eine mathematische Aussage ist, dann ist "P ist wahr" auch eine mathematische Aussage. Wenn P eine empirische Aussage ist, dann ist "P ist wahr" auch eine empirische Aussage. So sieht`s doch aus. Der empirische, mathematische, wasauchimmer- Gehalt, steckt vollkommen in der Aussage P, nicht im Wahrheitsbegriff.

Du sagst das ist nur syntaktisch gleich und semantisch verschieden. Ich sage der gesamte semantische Unterschied liegt in der Interpretation von P nicht im Zusatz "ist wahr".


Popper hat Folgendes geschrieben:
Tarski konnte aufgrund seiner Definition der Wahrheit vieles beweisen; unter anderem, daß es in einer hinreichend reichen Sprache (und in jeder Sprache, in der man mathematische oder physikalische Theorien ausdrücken kann) kein Wahrheitskriterium geben kann, das heißt kein Kriterium für die Übereinstimmung: Ob eine Behauptung wahr ist, ist für die Sprachen, für die der Wahrheitsbegriff erklärt werden kann, nicht allgemein entscheidbar. ... Es gibt also kein Wahrheitskriterium, und wir dürfen nicht nach einem solchen fragen. Wir müssen uns damit zufriedengeben, daß die Idee der Wahrheit oder der Übereinstimmung mit den Tatsachen rehabilitiert worden ist.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Letztlich gibt es also nicht den Wahrheitsbegriff, sondern einen Wahrheitsbegriff als regulativen Idee und Wahrheitskriterien sowie Wahrheitsähnlichkeit je Disziplin.
Da steht doch es gibt kein Wahrheitskriterum, weder in MAthematik noch in Physik.

Gut, bleibt die Sache, dass die Relativitätstheorie "wahrheitsähnlicher" ist als Newtons. Und da ist für mich halt die Frage, ob man dafür wirklich über Tarski hinausgehen muss. Wenn ich sage, Newton ist näher dran als Kepler, dann heißt das bei Kepler ist die Sonne fix und bei Newton der Schwerpunkt. Mit Newton kann ich aber genau ausrechnen wie weit sich die Sonne bewegt, und so weit ist eben Kepler von der "Wahrheit" entfernt. Dafür brauch ich aber nur Aussagen aus der Newtonschen Mechanik, die streng nach Tarski absolut wahr oder falsch sind.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Apr 2024 11:58    Titel: Antworten mit Zitat

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Nee, das ist eben genau der Begriff aus der Mathematik. (siehe Franzen) Wenn P eine mathematische Aussage ist, dann ist "P ist wahr" auch eine mathematische Aussage. Wenn P eine empirische Aussage ist, dann ist "P ist wahr" auch eine empirische Aussage. So sieht`s doch aus. Der empirische, mathematische, wasauchimmer- Gehalt, steckt vollkommen in der Aussage P, nicht im Wahrheitsbegriff.

Du sagst das ist nur syntaktisch gleich und semantisch verschieden. Ich sage der gesamte semantische Unterschied liegt in der Interpretation von P nicht im Zusatz "ist wahr".

Können wir uns darauf einigen, dass wir eine unterschiedliche Auffassung von "Wahrheitsbegriff" haben?

Wenn ich verstehen möchte, was Popper zu Wahrheit zu sagen hat - das nenne ich seinen Begriff oder sein Verständnis von Wahrheit - dann reicht es nicht, auf das "ist wahr" zu starren. Wäre dem so, hätte er nicht in zwei Büchern ausführlich darüber geschrieben.

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Popper hat Folgendes geschrieben:
Tarski konnte aufgrund seiner Definition der Wahrheit vieles beweisen; unter anderem, daß es in einer hinreichend reichen Sprache (und in jeder Sprache, in der man mathematische oder physikalische Theorien ausdrücken kann) kein Wahrheitskriterium geben kann, das heißt kein Kriterium für die Übereinstimmung: Ob eine Behauptung wahr ist, ist für die Sprachen, für die der Wahrheitsbegriff erklärt werden kann, nicht allgemein entscheidbar. ... Es gibt also kein Wahrheitskriterium, und wir dürfen nicht nach einem solchen fragen. Wir müssen uns damit zufriedengeben, daß die Idee der Wahrheit oder der Übereinstimmung mit den Tatsachen rehabilitiert worden ist.

Da steht doch es gibt kein Wahrheitskriterium, weder in Mathematik noch in Physik.

Nein, das steht da nicht.

Da steht, "daß es in einer hinreichend reichen Sprache …kein Wahrheitskriterium geben kann".

Physik ist aber sicher nicht nur eine Sprache sondern eine Praxis. Sie gelangt demnach ohne ein sprachlich formalisiertes Wahrheitskriterium dennoch zu hinreichend verlässlichen Aussagen, welche physikalischen Hypothesen und Theorien im Sinne Poppers wahr oder wahrheitsähnlich sind. Physik als Praxis hat demnach eine "Wahrheitspraxis", in etwa im Sinne von "Bündel sprachlich formulierbarer jedoch nicht strikt formalisierter Wahrheitskriterien" - wenn du eine begriffliche Unterscheidung haben möchtest.

Das ist aber ein Streit um Worte. Ich denke, wenn man Popper gelesen, physikalische Hypothesen aufgestellt, Experimente ausgewertet und dies alles kritisch hinterfragt hat, weiß man, was gemeint ist.
Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 17. Apr 2024 17:01    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Aber was sind denn die Tatsachen und die Wirklichkeit der Metaphysik? Was ist denn die Praxis der Metaphysik, derzufolge der Realismus wahr oder falsch sein soll? Ich will der Philosophie gar nicht vorwerfen, sie hätte überhaupt keine Kriterien, aber ich behaupte, sie hat sicher eine andere Praxis als die Experimentalphysik.

Diese nimmt eine Theorie bzw. deren Ergebnisse, erdenkt und konstruiert ein Experiment, führt es durch, und falsifiziert die Aussage "das im Kontext des MSSM vorhergesagte supersymmetrisches Partnerteilchen zum Elektron, das sogenannte Selektron, existiert in einem Energiebereich unterhalb von 100 GeV". Falsifizierung ist nicht nur ein Wort sondern gelebte Praxis; das kann man nicht in ein paar Zeilen packen, aber wer dort mitarbeitet, weiß was gemeint ist.

Welcher Praxis folgen die Philosophen, um die Aussage "der Realismus ist wahr" zu kritisch zu überprüfen? Wenn überhaupt, dann sicher einer völlig anderen als die Physiker, und deswegen würde ich mir dafür einen anderen Namen einfallen lassen und es nicht Falsifizierung nennen.


Ich kann deine Gedanken nachvollziehen - für mich ist der Wahrheitsbegriff in diesem Fall einfach etwas zu selbstverständliches gewesen.

Überprüfen kann man die Aussage "der Realismus ist wahr" freilich nicht, zumindest empirisch. Und somit haben wir auch keinen halbwegs objektiven Zugang dazu. Bei allen anderen Diskussionen um den Realismus wird es immer Prämissen geben, denen manch einer zustimmt und manch einer widerspricht.....

Also nichts entscheidbares......
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 17. Apr 2024 17:37    Titel: Antworten mit Zitat

Der Witz ist, dass Popper von einer absoluten Wahrheit ausgeht, jedoch weiß, dass es diesbzgl. keine absolute Sicherheit geben kann. D.h. er behauptet, dass es zwar ganz gewiss entweder wahr oder falsch ist, dass so ein Teilchen – wie im obigen Beispiel - existiert, aber er sagt auch, dass wir uns nie sicher sein können, eine derartige Wahrheit gefunden zu haben, selbst wenn wir sie gefunden haben.

Er denkt eigtl. viel mehr über diese Annäherung, Sicherheit usw. nach als über die Wahrheit, weil er in seinem Umfeld erkannt hat,
1. dass das Problem nicht ist, zu behaupten, man sei im Besitz einer absoluten Wahrheit, sondern man sei sicher im Besitz dieser Wahrheit (religiöse und politische Dogmen)
2. dass die Anhäufung von Bestätigungen für eine Theorie dahingehend irreführend ist, dass man praktisch jede Theorie so verifizieren kann, wenn man unbewusst oder absichtlich versäumt, sie zu falsifizieren (Psychoanalyse, marxistische Theorie)

Was bedeutet das nun für den Instrumentalismus I und den Realismus R bzw. deren Spielarten? Dass es spannend wäre, zu überlegen, ob man genau diese Denkweise auch auf die Fragestellung der Wahrheit von I oder R anwenden kann, d.h. die Hypothese "I ist wahr" aufzustellen und sich bzgl. der Praxis Gedanken zu machen, mittels derer man diese Hypothese widerlegen kann; das wäre die Aufgabe des ggü. sich selbst kritischen Instrumentalisten (oder umgekehrt für R). Das Wahrheitskriterium ist dabei natürlich kein empirisches.

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Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 17. Apr 2024 17:59    Titel: Antworten mit Zitat

Wobei ja der Wahrheitsbegriff bei Popper sich doch sehr auf die "empirische Wahrheit" bezieht. Zur absoluten Wahrheit würde meiner Meinung ja noch das metaphysische mit herein spielen. Und dazu ist uns einfach der empirische Zugang verwehrt.
Ich sehe auch für Instrumentalismus und Realismus keine Möglichkeiten, wie man dort etwas falsifizieren kann. Also ganz grundsätzlich nicht. Sonst hätte das ja auch schon wahrscheinlich jemand getan.

Jetzt habe ich gleich nochmal eine andere Frage, wo ich es hier schon mit einem Physik Experten zu tun habe. Neulich habe ich folgendes Zitat von Albert Einstein gelesen: "Alles ist Energie. Gleiche dich der Frequenz der Realität an, die du möchtest und du kreirst diese Realität. Das ist keine Philosophie. Das ist Physik!"

Wie ist dieses Zitat zu verstehen? Irgendwie klingt das für mich fast esoterisch. Aber so eine Unterstellung will ich Einstein niemals zuschreiben....
jh8979
Moderator


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Beiträge: 8583

Beitrag jh8979 Verfasst am: 17. Apr 2024 18:03    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:

"Alles ist Energie. Gleiche dich der Frequenz der Realität an, die du möchtest und du kreirst diese Realität. Das ist keine Philosophie. Das ist Physik!"

Das ist esoterischer Quatsch.
Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 17. Apr 2024 18:13    Titel: Antworten mit Zitat

Danke, dann war mein Gedanke ja doch nicht verkehrt.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Apr 2024 18:31    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Wobei ja der Wahrheitsbegriff bei Popper sich doch sehr auf die "empirische Wahrheit" bezieht. Zur absoluten Wahrheit würde meiner Meinung ja noch das metaphysische mit herein spielen. Und dazu ist uns einfach der empirische Zugang verwehrt.
Ich sehe auch für Instrumentalismus und Realismus keine Möglichkeiten, wie man dort etwas falsifizieren kann. Also ganz grundsätzlich nicht. Sonst hätte das ja auch schon wahrscheinlich jemand getan.

Popper nimmt das aber tatsächlich als Ausgangspunkt.

Darauf aufbauend betrachtet er dann eine – in der Logik der Forschung insbs. empirische – Praxis. Metaphysik braucht er für seine Methode m.E. nicht, wenn er sich der Wahrheit annähert. Und Empirie braucht es nicht zwingend, wenn man ein anderes, nicht-empirisches Wahrheitskriterium formulieren kann. Ich muss mal Die offene Gesellschaft lesen; da wird das vermutlich klarer.

Ich denke, dass man diesen direkten metaphysischen Zugang überhaupt nicht braucht, wenn man eine kritische Praxis hat. Oder anders, wenn man keinen metaphysischen Zugang voraussetzen will, dann muss man die Praxis stärken. Bei Popper ist diese absolute Wahrheit m.M.n. nicht besonders relevant; seine Annäherung funktioniert unabhängig davon. Die absolut Wahrheit ist aus seiner Sicht nicht das Problem, das wäre die absolute Sicherheit bzgl. der Wahrheit.

Popper selbst betont, dass es ihm bei Tarski vor allem um die Korrespondenz zwischen Aussagen und Tatsachen geht, d.h. man muss sich darüber klar werden, was denn diese Tatsachen sein sollen – und das sollte man in der Philosophie ohnehin, wenn sie nicht völlig irrelevant sein soll.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 17. Apr 2024 19:04, insgesamt einmal bearbeitet
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