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Sind Logik und Mathematik identisch? - Seite 4
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Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 17. Apr 2024 19:02    Titel: Antworten mit Zitat

Siehst du denn wirklich eine Möglichkeit, empirisch zwischen Instrumentalismus und Realismus entscheiden zu können? Wie gesagt, ich sehe dort ganz grundsätzlich keine Möglichkeit.

Aber selbst wenn Popper vom absoluten Wahrheitsbegriff ausgeht, sollte es meiner Meinung nach kein Problem sein (wobei ich wie gesagt in Erinnerung hatte, dass hier die empirische Wahrheit, bezogen auf wissenschaftliche Theorien, gemeint war).
In der Praxis ist es doch auch ziemlich egal, ob man das metaphysische der absoluten Wahrheit zuordnet oder nicht, denn für das Prinzip der Theoriebildung und Falsifizierung ändert sich nichts.
Somit bleibt es dem Forscher überlassen, was er zur absoluten Wahrheit zählt.
Zombiephilosoph
Gast





Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 17. Apr 2024 19:04    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Nee, das ist eben genau der Begriff aus der Mathematik. (siehe Franzen) Wenn P eine mathematische Aussage ist, dann ist "P ist wahr" auch eine mathematische Aussage. Wenn P eine empirische Aussage ist, dann ist "P ist wahr" auch eine empirische Aussage. So sieht`s doch aus. Der empirische, mathematische, wasauchimmer- Gehalt, steckt vollkommen in der Aussage P, nicht im Wahrheitsbegriff.

Du sagst das ist nur syntaktisch gleich und semantisch verschieden. Ich sage der gesamte semantische Unterschied liegt in der Interpretation von P nicht im Zusatz "ist wahr".

Können wir uns darauf einigen, dass wir eine unterschiedliche Auffassung von "Wahrheitsbegriff" haben?

Erst kritisier ich Deinen Wahrheitsbegriff bezogen auf die Mathematik. Dann behauptest Du es gibt verschiedene Wahrheitsbegriffe je nach Disziplin. Also argumentiere ich, dass die eigentlich alle gleich sind bzw. nichts mit Wahrheit zu tun haben. Und jetzt sagst Du wir haben auch noch verschiedene Auffassungen vom "Wahrheitsbegriff". Das verstehe ich genau nicht unter substanzieller Diskussion. Du führst einfach immer nur neue Begriffe ein und reduzierst damit alles auf Semantik.

Also, ich verstehe unter "Wahrheitsbegriff" eine Definition was "Wahrheit" bedeutet, nicht eine Methode oder Kriterium wie man sie rausfindet. Und unter Wahrheit verstehe ich wie Popper das selbe was Tarski definiert hat. Was anderes lese ich aus den Zitaten nicht raus. Was Popper mit Wahrheitsähnlichkeit meint steht da auch nicht, nur dass er sowas gerne hätte. Deswegen schrieb ich, dass er dazu mMn auch nichts anderes als Tarskis absoluter Wahrheit braucht. Da kam wieder nichts zu.

TomS hat Folgendes geschrieben:

Wenn ich verstehen möchte, was Popper zur Wahrheit zu sagen hat - das nenne ich seinen Begriff oder sein Verständnis von Wahrheit - dann reicht es nicht, auf das "ist wahr" zu starren. Wäre dem so, hätte er nicht in zwei Büchern ausführlich darüber geschrieben.

Deswegen habe ich auch auf die Zitate gestarrt, die von Popper hier und das von Franzen von früher. Ich sehe da immer noch keinen wichtigen Unterschied im Wahrheitsbegriff. Und ich denke nichts von dem was Popper hier schreibt geht notwendigerweise über Tarski hinaus (inklusive seiner Wahrheitsähnlichkeit. Aber ich weiß halt auch zugegebenermaßen nicht was er damit genau meint). Aber genau um diesen Unterschied zu sehen, hatte ich Dich ja nach den Zitaten gefragt.

Zitat:

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Popper hat Folgendes geschrieben:
Tarski konnte aufgrund seiner Definition der Wahrheit vieles beweisen; unter anderem, daß es in einer hinreichend reichen Sprache (und in jeder Sprache, in der man mathematische oder physikalische Theorien ausdrücken kann) kein Wahrheitskriterium geben kann, das heißt kein Kriterium für die Übereinstimmung: Ob eine Behauptung wahr ist, ist für die Sprachen, für die der Wahrheitsbegriff erklärt werden kann, nicht allgemein entscheidbar. ... Es gibt also kein Wahrheitskriterium, und wir dürfen nicht nach einem solchen fragen. Wir müssen uns damit zufriedengeben, daß die Idee der Wahrheit oder der Übereinstimmung mit den Tatsachen rehabilitiert worden ist.

Da steht doch es gibt kein Wahrheitskriterium, weder in Mathematik noch in Physik.

Nein, das steht da nicht.

Da steht, "daß es in einer hinreichend reichen Sprache (und in jeder Sprache, in der man mathematische oder physikalische Theorien ausdrücken kann) kein Wahrheitskriterium geben kann".

Da steht auch "Es gibt also kein Wahrheitskriterium, und wir dürfen nicht nach einem solchen fragen. Wir müssen uns damit zufriedengeben, daß die Idee der Wahrheit oder der Übereinstimmung mit den Tatsachen rehabilitiert worden ist." Das klingt irgendwie gar nicht so wie das was Du behauptest. Von welchem Beweis redet Popper denn hier? Das scheint wohl wichtig zu sein.

Dass jede Disziplin andere Methoden hat Wahrheiten zu finden ist klar. Und das liegt wie ich schon geschrieben habe mMn an den unterschiedlichen Interpretationen der Aussagen, um deren Wahrheit es geht, und an nichts sonst.

Für die Wahrheitsbestimmung von "1+1=2" braucht man mathematische Methoden, weil ">1+1 = 2< ist wahr" eine mathematische Aussage ist.
Für die Wahrheitsbestimmung von "Orbits sind Ellipsen" braucht man pyhsikalische (empirische) Methoden, weil ">Orbits sind Ellipsen< ist wahr" eine physikalische Aussage ist.
Um die Wahrheit des Instrumentalismus zu bestimmen bräuchten wir metaphysische Methoden, weil "Instrumentalismus ist wahr" ist eine metaphysische Behauptung ist.

Und wenn wir keine passenden Methoden haben, dann finden wir`s eben einfach nicht raus. Trotzdem bedeutet Wahrheit in allen Fällen das selbe.
volfsjniwseo
Gast





Beitrag volfsjniwseo Verfasst am: 18. Apr 2024 02:37    Titel: Antworten mit Zitat

Das sind dann also diese "alternativen Fakten".
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 18. Apr 2024 10:57    Titel: Antworten mit Zitat

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Erst kritisier ich Deinen Wahrheitsbegriff bezogen auf die Mathematik.

Du kritisierst einen der Wahrheitsbegriffe in der Mathematik; es ist nicht unbedingt meiner. Siehe unten *)

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Dann behauptest Du es gibt verschiedene Wahrheitsbegriffe je nach Disziplin.

Ja. Und je nach philosophischer Schule. Siehe unten **)

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Also argumentiere ich, dass die eigentlich alle gleich sind ...

Siehe hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wahrheit
https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie_der_Mathematik
Alles gleich?
Ich komme unten darauf zurück. *, **)

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
... bzw. nichts mit Wahrheit zu tun haben.

Was du tun kannst, wenn du die Diskussion soweit verengst, bis nur noch das übrig ist, was gleich ist – das ist dann dein "Wahrheitsbegriff". Ich halte das nicht für falsch, ich ticke nur anders.

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Und jetzt sagst Du wir haben auch noch verschiedene Auffassungen vom "Wahrheitsbegriff".

Ist offenbar so, ja.

Deswegen hatte ich dann auch vorgeschlagen, einen anderen Begriff zu verwenden, "Wahrheitspraxis" oder was auch immer du möchtest. Dann gibt es keine Verwirrung, und wir können das rausdestillieren, was du unter dem einen immer gleichen Wahrheitsbegriff verstehst.

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Du führst einfach immer nur neue Begriffe ein und reduzierst damit alles auf Semantik.

Wikipedia: "Semantik , auch Bedeutungslehre genannt, ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit Bedeutung und mit den verschiedenen Beziehungen zwischen einem Zeichen und dem Bezeichneten".
Wenn du das ausblendest, reduzierst du die Diskussion auf einen abstrakten, formal korrekten Kern, der nichts über nichts sagt.

Tarski definiert Wahrheit im Sinne von Übereinstimmung mit Tatsachen. Was ist eine Tatsache? Und was bedeutet Übereinstimmung? So ganz ohne Semantik?

Ich bestreite nicht, dass es eines formalen Kerns bedarf, und Tarski hat ja einen herausgearbeitet, auf den sich dann Popper beruft. Aber dazu sollte man verstehen, dass es andere gibt, warum es Tarski und Popper wichtig war, das zu diskutieren, was schiefläuft, wenn man andere benutzt ...

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Also, ich verstehe unter "Wahrheitsbegriff" eine Definition was "Wahrheit" bedeutet, nicht eine Methode oder Kriterium wie man sie rausfindet.

Gut. Wie gesagt, ich habe etwas anderes darunter verstanden.

Dann benutzen wir jetzt deinen Wahrheitsbegriff, wenn es um diesen Kern geht.

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Und unter Wahrheit verstehe ich wie Popper das selbe was Tarski definiert hat. Was anderes lese ich aus den Zitaten nicht raus.

Ich nach deinem Wahrheitsbegriff auch nicht.

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Was Popper mit Wahrheitsähnlichkeit meint steht da auch nicht, nur dass er sowas gerne hätte. Deswegen schrieb ich, dass er dazu mMn auch nichts anderes als Tarskis absoluter Wahrheit braucht.

Genau das schreibt auch Popper nach meiner (im Sinne deines "Wahrheitsbegriffs", der Erlangung, Kriterien etc. nicht umfasst; letzteres diskutiert Popper on top).

TomS hat Folgendes geschrieben:
Und ich denke nichts von dem was Popper hier schreibt geht notwendigerweise über Tarski hinaus (inklusive seiner Wahrheitsähnlichkeit. Aber ich weiß halt auch zugegebenermaßen nicht was er damit genau meint). Aber genau um diesen Unterschied zu sehen, hatte ich Dich ja nach den Zitaten gefragt.

Du meinst, Zitate zu Wahrheitsähnlichkeit? Kann ich nachreichen.

Zu
Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Da steht auch "Es gibt also kein Wahrheitskriterium, und wir dürfen nicht nach einem solchen fragen. Wir müssen uns damit zufriedengeben, daß die Idee der Wahrheit oder der Übereinstimmung mit den Tatsachen rehabilitiert worden ist." Das klingt irgendwie gar nicht so wie das was Du behauptest. Von welchem Beweis redet Popper denn hier? Das scheint wohl wichtig zu sein.

Du meinst den Beweis dafür "daß es in einer hinreichend reichen Sprache … kein Wahrheitskriterium geben kann, das heißt kein Kriterium für die Übereinstimmung"? Dazu müsste ich mir irgendwie Tarskis Buch besorgen. Mal sehen.


*) Zu Wahrheitsauffassungen in der Mathematik

Zu Hilbert:

https://mathematikalpha.de/wp-content/uploads/2019/12/hilbert.pdf
Mathematische Probleme Vortrag
gehalten auf dem internationalen Mathematiker-Kongreß zu Paris 1900
daraus zu
2. Die Widerspruchslosigkeit der arithmetischen Axiome
Zitat:
Wenn man einem Begriffe Merkmale erteilt, die einander widersprechen, so sage ich: der Begriff existirt mathematisch nicht. So existirt z. B. mathematisch nicht eine reelle Zahl, deren Quadrat gleich -1 ist. Gelingt es jedoch zu beweisen, daß die dem Begriffe erteilten Merkmale bei Anwendung einer endlichen Anzahl von logischen Schlüssen niemals zu einem Widerspruche führen können, so sage ich, daß damit die mathematische Existenz des Begriffes z.B. einer Zahl oder einer Function, die gewisse Forderungen erfüllt, bewiesen worden ist. In dem vorliegenden Falle, wo es sich um die Axiome der reellen Zahlen in der Arithmetik handelt, ist der Nachweis für die Widerspruchslosigkeit der Axiome zugleich der Beweis für die mathematische Existenz des Inbegriffs der reellen Zahlen oder des Continuums.

Beweis der Widerspruchsfreiheit = Beweis der Existenz

Zitat:
Freilich der Inbegriff der reellen Zahlen, d.h. das Continuum ist bei der eben gekennzeichneten Auffassung nicht etwa die Gesammtheit aller möglichen Dezimalbruchentwicklungen oder die Gesammtheit aller möglichen Gesetze, nach denen, die Elemente einer Fundamentalreihe fortschreiten können, sondern ein System von Dingen deren gegenseitige Beziehungen durch die aufgestellten Axiome geregelt werden und für welche alle und nur diejenigen Thatsachen wahr sind, die durch eine endliche Anzahl logischer Schlüsse aus den Axiomen gefolgert werden können.

Wahre Tatsachen = das und nur das, was durch eine endliche Anzahl logischer Schlüsse aus den (als wahr vorausgesetzten) Axiomen folgt.

Hilbert betrachtet dabei die Mathematik ausschließlich für sich, ohne jeden Bezug zu nicht-mathematischen Entitäten, Tatsachen etc.; siehe auch seine Bierseidln.

Das ist aber ein anderer Wahrheitsbegriff als der Tarskis, weil es dazu keiner Übereinstimmung mit Tatsachen bedarf, sondern ausschließlich einer logischen Ableitung aus widerspruchsfreien Axiomen. Wahrheit ist also identisch mit Beweisbarkeit, und Wahrheit ist immer relativ zu dem jeweiligen Axiomensystem.

Diese letzte Formulierung hattest du weiter oben schon mal kritisiert; mag sein, dass das im Rahmen der formalen Logik nicht die korrekte Formulierung ist, es sollte aber klar sein, was damit gemeint ist: jedes Axiomensystem definiert eine in sich abgeschlossene Welt wahrer mathematischer Tatsachen.

Damit ist Hilberts Wahrheitsbegriff (wenn ich das Wort nochmal verwenden darf) für eine Diskussion empirischer Wahrheiten völlig untauglich, weil er jeden Bezug zu außer-mathematischen Tatsachen negiert.


Nun wissen wir seit Gödel, dass das so zu kurz gesprungen ist, nur gibt es darauf sicher nicht nur eine Antwort.

Siehe Brouwer:

https://plato.stanford.edu/entries/brouwer
Zitat:
… Brouwer characterised mathematics primarily as the free activity of exact thinking, an activity which is founded on the pure intuition of (inner) time. No independent realm of objects and no language play a fundamental role. He thus strived to avoid the Scylla of platonism (with its epistemological problems) and the Charybdis of formalism (with its poverty of content). As, on Brouwer’s view, there is no determinant of mathematical truth outside the activity of thinking, a proposition only becomes true when the subject has experienced its truth (by having carried out an appropriate mental construction); similarly, a proposition only becomes false when the subject has experienced its falsehood (by realizing that an appropriate mental construction is not possible). Hence Brouwer can claim that “there are no non-experienced truths”.

Ich schreibe das nicht, weil ich diese Ansicht teile, sondern nur als Beispiel für eine Auffassung von Wahrheit, die jenseits einer formalen Logik den Denkprozess des Erreichens bzw. des mentalen Erfahrens der Wahrheit voraussetzt.

Also nein, es gibt nicht die Auffassung von Wahrheit in der Mathematik, es gibt mehrere.

Interessanterweise sind sich aber Brouwer und Hilbert auf einer gewissen Ebene ziemlich einig: Wahre mathematische Aussage relativ zu einem Axiomensystem = das (H: und nur das), was durch eine endliche Anzahl logischer Schlüsse (B: konstruktiv) aus den Axiomen folgt.




**) Beispiele für andere "Wahrheitsauffassungen" außerhalb der Mathematik

https://de.wikipedia.org/wiki/Wahrheit

Kohärenztheorie
Zitat:
Die Wissenschaft als ein System von Aussagen steht jeweils zur Diskussion. […] Jede neue Aussage wird mit der Gesamtheit der vorhandenen, bereits miteinander in Einklang gebrachten Aussagen konfrontiert. Richtig heißt eine Aussage dann, wenn man sie eingliedern kann. Was man nicht eingliedern kann, wird als unrichtig abgelehnt. Statt die neue Aussage abzulehnen, kann man auch, wozu man sich im allgemeinen schwer entschließt, das ganze bisherige Aussagensystem abändern, bis sich die neue Aussage eingliedern lässt […].

Es geht also um Konsistenz, die zu zeigen wäre (was uns in der Mathematik wieder auf Gödel führt). Aber es zeigt klar, dass die Übereinstimmung mit den Tatsachen irrelevant zu sein scheint. Ich würde heute sagen, das ist ziemlich genau die Wahrheitsauffassung die alternative Fakten stützt.

Pragmatismus und Intersubjektivitätstheorien
Zitat:
Auf Peirce beriefen sich William James und John Dewey, die Hauptvertreter der Wahrheitstheorie des Pragmatismus. Der Sinn von Wahrheit besteht demnach im praktischen Unterschied zwischen wahren und unwahren Ideen. Nach James „besteht ein interner Zusammenhang zwischen der Frage, was Wahrheit ist, und der Frage, wie wir Wahrheit erreichen.“ Mit Blick auf den Verifikationsprozess lässt sich sagen:

„Die Definition von Wahrheit hängt mit dem Wahrheitskriterium zusammen.“

Der fett markierte Satz passt zu meiner Auffassung von oben.

Konstruktivismus
Zitat:
Der Radikale Konstruktivismus (RK) nimmt für sich in Anspruch, das Wahrheitsproblem gelöst zu haben, indem er aus dieser Zirkularität heraustritt. Da alle Wahrnehmung subjektiv ist, ist auch die Sicht der Welt oder die Sicht von Dingen ausschließlich subjektiv. Es gibt daher nur miteinander konkurrierende subjektive Wahrheiten. Ein Vergleich mit der Sache selbst ist aus systematischen Gründen nicht möglich. Ernst von Glasersfeld bezieht sich dabei unter anderem auf die Sapir-Whorf-Hypothese, die besagt, dass man mit der Muttersprache die in dieser enthaltenen und ausgedrückten Wahrheiten erlernt. Verschiedene Muttersprachen stehen somit auch für verschiedene Wahrheiten. Der RK gibt daher konsequent den Begriff der einen Wahrheit und damit der Wahrheit selbst aus systematischen Gründen auf.

Halte ich zwar für nicht zielführend im Kontext einer kritischen Theorie, ist jedoch wahrscheinlich in der Realität gar nicht mal so falsch. Ich würde dem entgegnen, dass Popper nicht das Ziel hat, eine unzureichende Praxis zu beschreiben, sondern eine kritische Praxis zu propagieren, also nicht, wie es ist, sondern wie es sein soll.
Zombiephilosoph
Gast





Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 18. Apr 2024 19:15    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Erst kritisier ich Deinen Wahrheitsbegriff bezogen auf die Mathematik.

Du kritisierst einen der Wahrheitsbegriffe in der Mathematik; es ist nicht unbedingt meiner. Siehe unten *)

Du hast behauptet "für den Mathematiker ist eine Aussage wahr wenn sie aus einem Axiomensystem ableitbar ist". Mit den normalen Methoden der Mathematik kann man aber zeigen, dass Con(PA) wahr ist. Man kann mit denselben Methoden zeigen, dass Con(PA) in PA nicht entscheidbar ist. Diesen Widerspruch hast Du bis jetzt nicht aufgelöst. Und dabei geht es dabei auch genau um Deine "Wahrheitspraxis" in der Mathematik! Statt dessen listest Du immer mehr Wahrheitsbegriffe aus immer mehr Philosophischen Schulen auf, ohne ein einziges Mal auf ihre praktische Relevanz einzugehn, indem Du bspw erklärst wie sie zu diesen beiden Tatsachen stehen. Ich würde mir ja auch gern anhören was Hilbert dazu meint, obwohl ich nicht glaube dass das noch zeitgemäss ist, wenn in jedem Buch über mathematische Logik etwas anderes steht. Ich warte aber bis heute vergeblich auf eine Antwort darauf:

Betrachte den arithmetischen Satz Con(PA), der äquivalent zu "PA ist konsistent" ist. Dieser Satz ist

* unentscheidbar in PA
* positive entscheidbar (beweisbar) in einer konsistenten Erweiterung von PA
* negativ entscheidbar (widerlegbar) in einer anderen konsistenten Erweiterung von PA

Ist dieser Satz nun wahr oder falsch oder gar nichts oder alles gleichzeitig? Welchen Sinn hätte so ein Wahrheitsbegriff? Ich sehe da keinen Sinn drin und Du erklärst dazu auch nichts. Warum hast Du ihn denn dann eingeführt?
Hilbert nahm vielleicht noch an, dass für die ganze Mathematik ein fixes Axiomensystem ausreicht, in dem man auch die eigene Konsistenz beweisen kann. Dann kann man Wahrheit als Ableitbarkeit definieren, und da kommt dann auch dasselbe raus wie bei Tarski, weil ja alle Axiome erfüllbar sind. Das geht aber nunmal nicht und damit sehe ich den Begriff für die Diskussion als überflüssig an. Statt "wahr in S" kann man genauso "beweisbar in S" sagen, wie es Logiker heutzutage tun. Du erklärst ja auch nicht moderne Physik mit Theorien von vor über hundert Jahren.



TomS hat Folgendes geschrieben:

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
... bzw. nichts mit Wahrheit zu tun haben.

Was du tun kannst, wenn du die Diskussion soweit verengst, bis nur noch das übrig ist, was gleich ist – das ist dann dein "Wahrheitsbegriff". Ich halte das nicht für falsch, ich ticke nur anders.

Ja, das wird`s wohl sein. Ich versuche halt so viele Probleme wie möglich mit möglichst wenig Begriffen zu lösen. Deswegen auch mein Versuch alles was Popper schreibt auf Tarski zurück zuführen inklusive der Wahrheitsähnlichkeit. Man braucht also keinen extra "empirischen Wahrheitsbegriff" dafür. Ich glaube für alles in dieser Diskussion reicht Tarski. Du redest stattdessen lieber über alle möglichen Begriffe und Definition und fragst nicht, ob man die jetzt wirklich braucht. Du wendest diese Definitionen ja auch nie auf konkrete Probleme an wie z.B. auf Con(PA) oben. Ich glaube so kommt man nie zum Punkt, und ich weiß nicht wozu das ganze gut sein soll, außer man hat einfach Freude daran möglichst viele Definitionen auswendig zu lernen. Und dieses in meinen Augen überflüssige Definitionsfestival hatte ich übrigens umgangssprachlich mit "Semantik" gemeint, nicht die Bedeutungslehre. Bedeutungslehre sehe ich als wichtigen Teil der Logik an zu der auch Tarskis Wahrheitsbegriff gehört. Deine ganzen Wahrheitsbegriffe sehe ich für gar nichts in dieser Diskussion als wichtig an und ich verstehe nicht, zu welchem Zweck Du anscheinend immer mehr davon brauchst. Dass es die alle gibt, interessiert doch keinen, wenn man damit kein Problem löst.

TomS hat Folgendes geschrieben:

Zombiephilosoph hat Folgendes geschrieben:
Also argumentiere ich, dass die eigentlich alle gleich sind ...

Siehe hier:
de.wikipedia.org/wiki/Wahrheit
de.wikipedia.org/wiki/Philosophie_der_Mathematik
Alles gleich?

Siehst Du, Du hast hier schon so viele Wahrheitsbegriffe eingeführt, dass Du Dich nichtmal erinnern kannst, von welchen ich gerade gesprochen habe.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 20. Apr 2024 09:57    Titel: Antworten mit Zitat

Also dann fassen wir zusammen.

Meine Aussage "für den Mathematiker ist eine Aussage wahr, wenn sie aus einem Axiomensystem ableitbar ist" war die Auffassung der Formalisten, insbs. Hilbert, und sie ist im Lichte der Ergebnisse Gödels so nicht mehr haltbar. Dazu hast du valide Gegenbeispiele.

Es gibt andere Auffassung zur Wahrheit in der Mathemathik, insbs. die der Intuitionisten nach Brouwer, die ich zusammenfasse als "für den Intuitionisten ist eine Aussage genau wahr, wenn sie in einem Axiomensystem konstruktiv beweisbar ist" (Brouwers mentale Prozesse lassen wir mal
beiseite). Diese Auffassung ist wohl nicht sehr verbreitet, ich halte sie jedoch für interessant.

Popper ist kein Mathematiker, Popper (u.a.) betrachten die Wirklichkeit, insbs. empirisch zugängliche Tatsachen, daher der essentielle Unterschied zwischen den Mathematikern und ihm.

Für erstere gelten mathematische Wahrheiten immer nur bezogen auf ein mathematisches System. Praktisches Beispiel: "<Ein Polynom vom Grad n hat n Nullstellen> ist wahr über den komplexe Zahlen, jedoch falsch bei Beschränkung auf reelle Zahlen". Ähnliches gilt z.B. bei der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung.

Für letztere (Popper) interessieren Wahrheiten bezogen auf empirische Tatsachen. Praktisches Beispiel: "<Es schneit> ist genau dann wahr, wenn es in Wirklichkeit schneit".

Auch hier gibt es unterschiedliche Wahrheitsbegriffe, z.B. in der Kohärenztheorie: "Eine neue Aussage wird mit der Gesamtheit der vorhandenen, bereits miteinander in Einklang gebrachten Aussagen konfrontiert. Richtig heißt eine Aussage dann, wenn man sie eingliedern kann. Was man nicht eingliedern kann, wird als unrichtig abgelehnt." Das ist nicht verträglich mit dem kritischen Rationalismus Poppers. Diese Auffassung hat jedoch leider höchste praktische Relevanz, siehe Dogmen, politische Systeme, Filterblasen und Akzeptanz von Fake News.

Ich halte diese Unterscheidung zwischen relativen und absoluten Wahrheiten für wichtig.


Was mich interessieren würde, wäre eine Diskussion mit dir über das Wahrheitskriterium. Tarski zeigt, dass es in der formalen Sprache, in der wir über die Tatsachen und deren Wahrheiten reden, nicht formalisiert werden kann. Zur Formalisierung schreibt Popper einiges, aber ich denke, man müsste bei Tarski nachlesen, natürlich ebenso zum Beweis der Aussage. Im Pragmatismus nach James, Dewey et al. besteht ein interner Zusammenhang zwischen der Frage, was Wahrheit ist, und der Frage, wie wir Wahrheit erreichen, d.h. die Definition von Wahrheit hängt mit dem Wahrheitskriterium zusammen – also im Widerspruch zu Popper und Tarski. Intuitiv hätte ich sofort den Pragmatikern zugestimmt und war sogar der Meinung, Popper hätte das auch so gesehen.


Dein Ansinnen, so viele Probleme wie möglich mit möglichst wenig Begriffen zu lösen … alles was Popper schreibt auf Tarski zurückzuführen … ist ja sinnvoll, aber bei einer Diskussion um Wahrheitsbegriffe (sic!) möchte ich unterschiedliche Auffassung verstehen, nicht nur eine. Dass die kritische Wissenschaft Popper folgt, ist ja schön für die kritische Wissenschaft, aber die Tatsachen zeigen, dass andere das leider nicht tun. Dass andere Wahrheitsbegriffe nicht die Probleme lösen, an denen du interessiert bist, mag ja sein. Aber die Wirklichkeit ist halt größer als deine von dir hier als relevant wahrgenommene Wirklichkeit. Wenn dich andere Themen nicht interessieren – gut – aber damit werden sie nicht irrelevant.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 21. Apr 2024 10:32    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo TomS,

ich glaube meine letzte Antwort ist hier einfach unter gegangen.

Bist du sicher, dass Popper wirklich in seinem Wahrheitsbegriff die "absolute Wahrheit" meint, oder nicht doch die "empirisch erfassbare Wahrheit"?

Ich dachte nämlich, dass es ihm auch mit um die Abgrenzung von empirischen Wissenschaften zu den anderen Disziplien ging.

Zitat:
Was bedeutet das nun für den Instrumentalismus I und den Realismus R bzw. deren Spielarten? Dass es spannend wäre, zu überlegen, ob man genau diese Denkweise auch auf die Fragestellung der Wahrheit von I oder R anwenden kann, d.h. die Hypothese "I ist wahr" aufzustellen und sich bzgl. der Praxis Gedanken zu machen, mittels derer man diese Hypothese widerlegen kann; das wäre die Aufgabe des ggü. sich selbst kritischen Instrumentalisten (oder umgekehrt für R). Das Wahrheitskriterium ist dabei natürlich kein empirisches.


Aber welches Wahrheitskriterium soll man denn für solche Fragen nehmen? Ich denke, dass es hier keine allgemein gültigen Antworten mehr auf solche Fragen gibt, sonst hätte die Philosophie ja auch schon lange klare Antworten, was sie ja nicht hat (sondern halt eher viele Antworten und Richtungen, die theoretisch möglich sein können).
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 21. Apr 2024 12:57    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Bist du sicher, dass Popper wirklich in seinem Wahrheitsbegriff die "absolute Wahrheit" meint …

Ja.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
… oder nicht doch die "empirisch erfassbare Wahrheit"? Ich dachte nämlich, dass es ihm auch mit um die Abgrenzung von empirischen Wissenschaften zu den anderen Disziplien ging.

Er trennt den Begriff der Wahrheit von dem der Sicherheit, die Wahrheit zu kennen.

Zitat:
Eine Aussage ist genau dann wahr, wenn sie mit den Tatsachen übereinstimmt.
Das ist, wie Tarski betont, ein objektivistischer oder absoluter Wahrheitsbegriff; aber nicht in dem Sinne, daß wir »mit absoluter Sicherheit oder Gewißheit« reden könnten: Er liefert kein Wahrheitskriterium … Die Idee der Wahrheit ist also absolut, aber es kann keine absolute Gewißheit geben: Wir suchen nach der Wahrheit, aber wir besitzen sie nicht. Selbst wenn wir sie besitzen, können wir uns dessen nie sicher sein.


Popper ist ontologischer Realist und glaubt an eine objektiv vorhandene Welt von Tatsachen. Eine Aussage ist dann wahr, wenn sie mit diesen Tatsachen übereinstimmt. Insofern ist das ein absoluter Wahrheitsbegriff. Statt nur von einer empirisch erfassbare Wahrheit spricht er von einem empirischen Zugang, der ein möglichst hohes jedoch nie absolutes Maß an Sicherheit zum Ziel hat.

Damit grenzt er sich einerseits von dogmatischen Zugängen ab, von Erleuchtungen, die einen die absolute Wahrheit sicher enthüllen, andererseits aber auch von den vielen ausschließlich relativen Wahrheitsbegriffen, die zumindest in der Wissenschaft nichts zu suchen haben.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Was bedeutet das nun für den Instrumentalismus I und den Realismus R bzw. deren Spielarten? Dass es spannend wäre, zu überlegen, ob man genau diese Denkweise auch auf die Fragestellung der Wahrheit von I oder R anwenden kann, d.h. die Hypothese "I ist wahr" aufzustellen und sich bzgl. der Praxis Gedanken zu machen, mittels derer man diese Hypothese widerlegen kann; das wäre die Aufgabe des ggü. sich selbst kritischen Instrumentalisten (oder umgekehrt für R). Das Wahrheitskriterium ist dabei natürlich kein empirisches.

Aber welches Wahrheitskriterium soll man denn für solche Fragen nehmen? Ich denke, dass es hier keine allgemein gültigen Antworten mehr auf solche Fragen gibt, sonst hätte die Philosophie ja auch schon lange klare Antworten, was sie ja nicht hat (sondern halt eher viele Antworten und Richtungen, die theoretisch möglich sein können).

Ich denke, man muss hier noch vor einem Wahrheitsbegriff oder -kriterium anfangen. Eine der ersten Aufgaben ist es, die Sprache sauber zu klären.

Ein bekanntes Zitat von Niels Bohr lautet "Es gibt keine Quantenwelt". Was er damit meint ist wohl, dass die Physik keine Aussagen darüber machen kann, wie die Welt ist, sondern nur darüber, was wir über sie wissen. Ok. Aber warum sagt er das dann nicht? Warum macht er stattdessen eine ontische Aussage?

Zur Heisenbergschen Unschärfenrelation liest man häufig Aussagen der Form je genauer die Kenntnis, also je kleiner die Messunschärfe von A ist, desto größer muss die Messunschärfe also die Unkenntnis von gewissen anderen Größen B sein – und umgekehrt". Tatsache ist, dass genau das in der mathematischen Formulierung der Quantenmechanik nicht drin steckt. Diese sagt nichts über eine Messung. Warum muss man dann solche empirischen Aussagen lesen?

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Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 21. Apr 2024 14:47    Titel: Antworten mit Zitat

"Insofern sich die Sätze einer Wissenschaft auf die Wirklichkeit beziehen, müssen sie falsifizierbar sein, und insofern sie nicht falsifizierbar sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit.“

An diesem Zitat von Popper habe ich es festgemacht, dass er eigentlich nur die empirisch erfassbare Wirklichkeit meinen kann.
Ansonsten müsste man ja sagen, dass es wirklich nur die Entitäten da draußen gibt, die auch in der Theorie genannt werden. Das fände ich aber schwierig bzw inakzeptabel (ohne jetzt gleich irgendwelchen Esoterikern die Türen öffnen zu wollen). Wir können doch letztlich nie sicher sein, was alles zur Wirklichkeit gehört. So sagt ja zb die VieleWelten Theorie etwas ganz anderes über die Wirklichkeit als die Bohmsche Mechanik. Und generell, vielleicht gibt es auch Entitäten, die sich nicht empirisch erfassen lassen? Darf man diesen so leicht die Existenz in Abrede stellen?

Oder habe ich einen Denkfehler?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 21. Apr 2024 15:59    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
"Insofern sich die Sätze einer Wissenschaft auf die Wirklichkeit beziehen, müssen sie falsifizierbar sein, und insofern sie nicht falsifizierbar sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit.“

An diesem Zitat von Popper habe ich es festgemacht, dass er eigentlich nur die empirisch erfassbare Wirklichkeit meinen kann.

Ja.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Oder habe ich einen Denkfehler?

Du suchst den empirischen Aspekt an der falschen Stelle.

1) Popper sagt Die Aussage <Es schneit> ist genau dann wahr, wenn es in Wirklichkeit schneit. Popper sagt außerdem, dass bzw. ob es schneit, ist eine unumstößliche Tatsache, ein Element einer von uns unabhängig existierenden Wirklichkeit – also nicht gedacht, konstruiert, nur wahrgenommen …. Damit kommt der Aussage <Es schneit> eine von uns und unseren Wahrnehmungen völlig unabhängige und daher absolute Wahrheit zu. Dass es schneit, ist immer entweder richtig oder falsch, unabhängig von uns, ob wir das wissen / glauben / beobachten oder nicht … Allgemein: jeder Aussage <X> über Tatsachen in der Wirklichkeit kommt in diesem Sinne ein absolute Wahrheit zu, genau dann, wenn die Aussage <X> mit den Tatsachen übereinstimmt.

2) Der empirische Aspekt ist nicht Gegenstand dieser Definition von Wahrheit, sondern kommt erst später ins Spiel, nämlich dadurch, dass Popper
a) ihn auf die empirisch zugänglichen Aspekte der Wirklichkeit bezieht bzw. anwendet – und nicht auf die Existenz von Nazgûls im Auenland –, und dass
b) er für die Bewertung, Zuverlässigkeit, das Maß der Übereinstimmung empirische Methoden wählt. D.h. bzgl. dieser absoluten Wahrheit (1) kann es keine im Sinne von (2) empirisch gewonnene absolute Sicherheit geben.

Das ist ein zweiter Schritt, den trennt er sehr sauber vom ersten. Er schreibt aber auch, dass ihn das Jahre gekostet hat, und er das insbs. erst nach Gesprächen mit Tarski so klar gesehen hat.

So fasse ich auch das Eingangszitat auf.

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Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 21. Apr 2024 17:20    Titel: Antworten mit Zitat

Erstmal noch einmal vielen Dank für die Antwort!

Zu dem von mir genannten Zitat: Ich hatte dies aus dem Wikipedia Artikel zum Abgrenzungsproblem. Dort wurde auch genannt, dass Popper diese Position später auch so nicht mehr vertrat.
Deshalb denke ich, dass es in Ordnung ist, wenn man als Wissenschaftler vielleicht instrumentalistische Positionen ein nimmt oder auch womöglich an die weitere Existenz von Entitäten, über die Theorie hinaus, glaubt (aber dabei auch immer im Hinterkopf behält, dass dies nicht mehr Teil der Wissenschaft ist und es keine Sicherheit dafür gibt, also keinen Anspruch auf absolute Wahrheit erhebt).


Zu Tarski seiner Definition: woher wissen wir, dass <x> ein Element der Wirklichkeit ist? Gerade wenn man über die metaphysischen Themen wie Realismus und co. reden.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 22. Apr 2024 07:39    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Zu Tarski seiner Definition: woher wissen wir, dass <x> ein Element der Wirklichkeit ist? Gerade wenn man über die metaphysischen Themen wie Realismus und co. reden.

Ist das tatsächlich die Frage, mit der man startet?

Ich denke, jeder startet zunächst mit Sprache und Wahrnehmung. Dann reift die Idee, dass die Wahrnehmung eine von uns unabhängig Ursache hat, dass also unabhängig von uns eine Wirklichkeit existiert, von der ein (mehr oder weniger "zutreffendes") Bild in unserer Wahrnehmung erscheint. Und darüber beginnen wir zu sprechen.

Wir sprechen also mit Sicherheit über nichts, dem nicht auch irgendeine eine Existenz zukommt. Ein Elektron existiert insofern, als da etwas ist, das gewisse Prozesse verursacht; der Nazgûl existiert wohl nicht in Mittelerde, aber als Wort in einem Buch, und sogar als Objekt unserer Phantasie; die Traumfrau ist zumindest Gegenstand des Traumes, und selbst wenn dieser inhaltlich eine Täuschung ist, so handelt es sich doch um wirkliche neuronale Prozesse, die Wahrnehmung hervorrufen. Und genauso existiert auch der Realismus als Gegenstand unseres Bewusstseins, letztlich wohl ebenfalls neuronaler Prozesse.

Wenn also jemand über ein <x> nachdenkt, dann gibt es zumindest diese Idee eines <x>, und zumindest diese Idee ist wirklich.

Daher stellt sich für mich eher die Frage, wie vielschichtig diese Wirklichkeit ist, ob und wie wir darüber reden wollen und sollen, und was konkret wir dazu verlässlich sagen und wissen können. Dabei stellt sich auch die Frage, ob und in welcher Weise <x ist wahr> im o.g. Sinn zu einer empirisch erfassbaren Wirklichkeit in Bezug gesetzt werden kann, und in weit die von Popper (und letztlich den Naturwissenschaftlern) diskutierten wissenschaftlichen Methoden zur objektiven und kritischen Überprüfung von <x ist wahr> taugen.

M.a.W., wenn ich jetzt die Augen schließe und ein Bild der schottischen Highlands vor meinem geistigen Auge entsteht, dann ist dieses Bild für mich subjektiv existent, und es gibt tatsächlich wahre und falsche Aussagen bzgl. dieses Bildes; wenn ich Loch Assynt im Sommer wahrnehme, dann ist es für mich sicher falsch, dass es schneit.

D.h.
Zitat:
Damit kommt der Aussage <Es schneit> eine von uns und unseren Wahrnehmungen völlig unabhängige und daher absolute Wahrheit zu.

Nein, damit kommt der Aussage <Es schneit> eine von mir und meiner Wahrnehmungen abhängige Falschheit zu; sie ist nicht für uns objektivierbar, jedoch nach wie vor für mich gegeben.

Zitat:
Allgemein: jeder Aussage <X> über Tatsachen in der Wirklichkeit kommt in diesem Sinne ein absolute Wahrheit zu, genau dann, wenn die Aussage <X> mit den Tatsachen übereinstimmt.

In dieser Formulierung wäre die Aussage bzgl. der ausschließlich für mich subjektiv erscheinende Wirklichkeit des Lochs Assynt zu retten. Allerdings entzieht es sich immer noch der objektiven Überprüfung – insofern ich prinzipiell bezweifle, dass es möglich ist, über die mikroskopische Messung von neuronalen Prozessen an subjektive Bewusstseinsinhalte heranzukommen.

Das schränkt die Anwendbarkeit bzw. Gültigkeit der Methode ein, nicht jedoch mein Bild von Loch Assynt. Und es erfordert natürlich eine präzise Sprache:

"<Es schneit jetzt am Loch Assynt> ist falsch" ist mit ziemlicher Sicherheit wahre; ich habe das gerade anhand eines Wetterdienstes überprüft.

"<Es schneit jetzt am Loch Assynt, so wie ich es mir gerade vorstelle> ist falsch" ist bzgl. meiner Vorstellung mit Sicherheit wahr. Das musst du mir glauben.



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Beitrag Mister_X Verfasst am: 22. Apr 2024 08:18    Titel: Antworten mit Zitat

Ui, das waren jetzt erstmal wieder ziemlich viele neue Anregungen. Von dieser Seite aus hatte ich die Sache noch gar nicht betrachtet. Bin aber auch kein ausgebildeter Philosoph Augenzwinkern

Zitat:
Wenn also jemand über ein <x> nachdenkt, dann gibt es zumindest diese Idee eines <x>, und zumindest diese Idee ist wirklich.

Daher stellt sich für mich eher die Frage, wie vielschichtig diese Wirklichkeit ist, ob und wie wir darüber reden wollen und sollen, und was konkret wir dazu verlässlich sagen und wissen können. Dabei stellt sich auch die Frage, ob und in welcher Weise <x ist wahr> im o.g. Sinn zu einer empirisch erfassbaren Wirklichkeit in Bezug gesetzt werden kann, und in weit die von Popper (und letztlich den Naturwissenschaftlern) diskutierten wissenschaftlichen Methoden zur objektiven und kritischen Überprüfung von <x ist wahr> taugen.


Hier denke ich halt, dass die Falsifikationsmethode nach Popper die Antworten liefert, die verlässlich sind. Bei allen anderen Dingen haben wir keine Sicherheit. Niemand wird uns zb sagen können, ob der Realismus nur als Idee existent ist, oder ob er tatsächlich der objektiven Wirklichkeit angehört.


Zitat:
Allgemein: jeder Aussage <X> über Tatsachen in der Wirklichkeit kommt in diesem Sinne ein absolute Wahrheit zu, genau dann, wenn die Aussage <X> mit den Tatsachen übereinstimmt.

In dieser Formulierung wäre die Aussage bzgl. der ausschließlich für mich subjektiv erscheinende Wirklichkeit des Lochs Assynt zu retten. Allerdings entzieht es sich immer noch der objektiven Überprüfung – insofern ich prinzipiell bezweifle, dass es möglich ist, über die mikroskopische Messung von neuronalen Prozessen an subjektive Bewusstseinsinhalte heranzukommen.


Ok. Wie gesagt, ich hatte die Wirklichkeit in der Definition nach Tarski als eine objektive Wirklichkeit aufgefasst. Aber da ist das Bild der Idee dann wirklich besser - einfach weil der in der Idee beschriebene Sachverhalt/Entität/usw. womöglich wirklich der Wirklichkeit angehört, und falls nicht, dann kann man sich zumindest auf die Idee an sich beziehen.
Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 22. Apr 2024 08:48    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
die Traumfrau ist zumindest Gegenstand des Traumes, und selbst wenn dieser inhaltlich eine Täuschung ist, so handelt es sich doch um wirkliche neuronale Prozesse, die Wahrnehmung hervorrufen. Und genauso existiert auch der Realismus als Gegenstand unseres Bewusstseins, letztlich wohl ebenfalls neuronaler Prozesse.


Aber nochmal ganz blöd gefragt, wäre das nicht ein Kategorienfehler?

Das eine ist der neuronale Prozess, das andere ist die Traumfrau? Beides ist doch nicht dasselbe.

Oder verwechsel ich gerade etwas?
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 22. Apr 2024 09:17    Titel: Antworten mit Zitat

Man muss versuchen, herauszufinden, in welcher Weise Poppers Methode bewusst limitiert ist oder scheitert.

Zunächst mal reden wir von falsifizierbaren Aussagen über die Wirklichkeit.

Ich denke – auch wenn das oft nicht explizit gesagt wird – dass es dabei um objektivierbare Aussagen geht, um unabhängig reproduzierbare Überprüfungen etc.

Ich denke, es lohnt sich, mal zu überlegen, zu welchen Denkrichtungen X Popper explizit einen Gegenentwurf entwickeln wollte. A den Stellen, wo Poppers Methode dann scheitert, scheitert ja nicht Popper an X, sondern X a Poppers Messlatte (in dem Sinne, dass zwar Sicherheit bzgl. Wahrheit suggeriert jedoch nicht erreicht wird).

Evtl. muss man hier anfangen
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Drei-Welten-Lehre
https://www.piper.de/buecher/das-ich-und-sein-gehirn-isbn-978-3-492-21096-6

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Beitrag Mister_X Verfasst am: 22. Apr 2024 10:15    Titel: Antworten mit Zitat

Nur ganz kurz, lag ich eben falsch mit dem, was ich als Kategorienfehler bezeichnet habe?
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 22. Apr 2024 10:25    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
die Traumfrau ist zumindest Gegenstand des Traumes, und selbst wenn dieser inhaltlich eine Täuschung ist, so handelt es sich doch um wirkliche neuronale Prozesse, die Wahrnehmung hervorrufen. Und genauso existiert auch der Realismus als Gegenstand unseres Bewusstseins, letztlich wohl ebenfalls neuronaler Prozesse.


Aber nochmal ganz blöd gefragt, wäre das nicht ein Kategorienfehler?

Das eine ist der neuronale Prozess, das andere ist die Traumfrau? Beides ist doch nicht dasselbe.

Stimmt, es wäre ein Kategorienfehler, wenn man nicht sauber zwischen beidem unterscheiden würde.

Deswegen:

TomS hat Folgendes geschrieben:
["<Es schneit jetzt am Loch Assynt> ist falsch" ist mit ziemlicher Sicherheit wahr; ich habe das gerade anhand eines Wetterdienstes überprüft.

"<Es schneit jetzt am Loch Assynt, so wie ich es mir gerade vorstelle> ist falsch" ist bzgl. meiner Vorstellung mit Sicherheit wahr. Das musst du mir glauben.


Was ich lediglich klären wollte, war, dass der Ansatz, objektivierbare Wirklichkeit zu fassen, Aspekte der Wirklichkeit ignoriert, von denen wohl jeder überzeugt ist, dass sie für ihn subjektiv existieren, jedoch gerade deswegen nicht objektivierbar sind. Das ist aber etwas anderes, als aufgrund der Beschränktheit der objektivierbaren Methode auf die nicht-Existenz nicht-objektivierbarer Entitäten zu schließen.

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Beitrag Mister_X Verfasst am: 22. Apr 2024 13:47    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Was ich lediglich klären wollte, war, dass der Ansatz, objektivierbare Wirklichkeit zu fassen, Aspekte der Wirklichkeit ignoriert, von denen wohl jeder überzeugt ist, dass sie für ihn subjektiv existieren, jedoch gerade deswegen nicht objektivierbar sind. Das ist aber etwas anderes, als aufgrund der Beschränktheit der objektivierbaren Methode auf die nicht-Existenz nicht-objektivierbarer Entitäten zu schließen.


Ok. Ich würde sagen, dass es wohl auch subjektive Aspekte der Wirklichkeit geben kann, die objektiv auch existieren können, was aber natürlich nicht objektiv überprüfbar ist.
Zu schließen, dass subjektive Objekte, Entitäten usw. nicht in der objektiven Wirklichkeit existieren können, halte ich für falsch.
Ich glaube, generell kann man nicht die Nicht-Existenz von Entitäten beweisen.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 22. Apr 2024 13:53    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Ich würde sagen, dass es wohl auch subjektive Aspekte der Wirklichkeit geben kann, die objektiv auch existieren können, was aber natürlich nicht objektiv überprüfbar ist.

Was wäre die Bedeutung für Objektive Existenz, wenn man dies nicht objektiv überprüfen kann? Und was wäre denn ein Beispiel?

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Ich glaube, generell kann man nicht die Nicht-Existenz von Entitäten beweisen.

Ich denke, ich kann mathematisch beweisen, dass eine Zahl x mit der Eigenschaft



nicht existiert.

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Beitrag Mister_X Verfasst am: 22. Apr 2024 14:42    Titel: Antworten mit Zitat

Als Beispiel würde mir jetzt eine Vorstellung des dualistischen Weltbildes einfallen, zb die immaterielle Seele. Nicht, daß ich jetzt hier den Dualismus vertreten oder verteidigen will, das ist nicht meine Intention.
Aber das ist zb eine ziemlich subjektive Sache, die womöglich auch außerhalb der subjektiven Idee in der Wirklichkeit existieren könnte (auch, wenn solch ein Bild ja von immer weniger Philosophen vertreten wird).
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 22. Apr 2024 16:54    Titel: Antworten mit Zitat

Oben hast du gesagt,
Zitat:
... dass es wohl auch subjektive Aspekte der Wirklichkeit geben kann, die objektiv auch existieren können, was aber natürlich nicht objektiv überprüfbar ist.

Hast du dafür ein Beispiel?
Zombiephilosoph
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Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 22. Apr 2024 17:37    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Was mich interessieren würde, wäre eine Diskussion mit dir über das Wahrheitskriterium. Tarski zeigt, dass es in der formalen Sprache, in der wir über die Tatsachen und deren Wahrheiten reden, nicht formalisiert werden kann. Zur Formalisierung schreibt Popper einiges, aber ich denke, man müsste bei Tarski nachlesen, natürlich ebenso zum Beweis der Aussage.

Ich denke es geht hier darum, dass es keine arithmetische Formel wahr(x) gibt, so dass wahr("p") wahr ist, dann und nur dann wenn p wahr ist, wobei "p" ein arithmetischer Term ist, der die Gödelnummer von p beschreibt. Und das geht nicht vom Prinzip her wegen der Paradoxie vom Lügner auf die Arithmetik übertragen. Dabei geht`s aber nicht um Pragmatismus oder darum, ob nun jede Disziplin ihre eigene Methodik zur Wahrheitsfindung braucht. Tarskis Satz sagt nichts darüber aus welche Methoden man braucht um Wahrheit zu erreichen.
TomS hat Folgendes geschrieben:

Dein Ansinnen, so viele Probleme wie möglich mit möglichst wenig Begriffen zu lösen … alles was Popper schreibt auf Tarski zurückzuführen … ist ja sinnvoll, aber bei einer Diskussion um Wahrheitsbegriffe (sic!) möchte ich unterschiedliche Auffassung verstehen, nicht nur eine.
Dies wurde erst zu einer Diskussion über Wahrheitsbegriffe, als Du damit angefangen hast die alle auf zuzählen. Davor ging es um reine Logik. Mister_X hat gefragt was eine Theorie ist und ob es in der klassischen Logik überhaupt konsistente Theorien gibt. Dafür muss man gar keine Wahrheitsbegriffe diskutieren. Es genügt eine einzige erfüllbare Aussage p und korrekte Schlußregeln. Dann hat man eine konsistente Theorie. Das wurde bis jetzt glaub ich noch gar nicht beantwortet oder ich hab`s überlesen in dem ganzen babylonischen Wirrwahr.
TomS hat Folgendes geschrieben:

Dass die kritische Wissenschaft Popper folgt, ist ja schön für die kritische Wissenschaft, aber die Tatsachen zeigen, dass andere das leider nicht tun. Dass andere Wahrheitsbegriffe nicht die Probleme lösen, an denen du interessiert bist, mag ja sein. Aber die Wirklichkeit ist halt größer als deine von dir hier als relevant wahrgenommene Wirklichkeit. Wenn dich andere Themen nicht interessieren – gut – aber damit werden sie nicht irrelevant.

Nee, nee, mein Lieber, so nicht. Jedes Thema hat meinetwegen seine Zeit und Ort. Ich habe nie gesagt, dass ich mich nur für Logik interessieren würde. Aber die Fragen und Probleme zur Logik, muss man innerhalb der Logik beantworten, nicht mit einem Exkurs über die Philosophiegeschichte. Und welche Probleme Du mit Deinen anderen Wahrheitsbegriffen lösen wolltest, ist mir jedenfalls nicht klar geworden. Mehr hab ich nicht gesagt. Ich glaube nämlich der einzige Grund warum wir das hier diskutieren ist hauptsächlich, weil Dich das interessiert, nicht weil es relevant für die Frage von Mister_X ist. Ich lass Euch ja gern weiter fachsimpeln, aber man sollte halt klar sagen, dass das nichts mehr mit seiner Frage zu tun hat.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 22. Apr 2024 18:01    Titel: Re: Sind Logik und Mathematik identisch? Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Hallo, ich habe gelesen, dass anscheinend Mathematik und Logik komplett identisch sein sollen …

Man muss diese Frage meiner Meinung nach in einen Kontext stellen.

Dazu gehört, dass es nicht die Mathematik (und Meta-Mathematik) gibt, nicht die Logik, und dass auch unterschiedliche Wahrheitsbegriffe existieren – auch innerhalb der Mathematik.

Ja, das interessiert mich.

Und wenn es Mister_X nicht interessiert, kann er es gerne selbst sagen.

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Zombiephilosoph
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Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 22. Apr 2024 18:19    Titel: Re: Sind Logik und Mathematik identisch? Antworten mit Zitat

Ich habe ja nun klar und deutlich von seiner zweiten Frage über konsistente Theorien gesprochen. Und ich hab nicht gesagt, dass ihn Deine Wahrheitsphilosophie nicht interessiert oder interessieren soll, sondern nur dass es nichts mit dieser Frage zu tun hat.
Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 22. Apr 2024 20:45    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Oben hast du gesagt,
Zitat:
... dass es wohl auch subjektive Aspekte der Wirklichkeit geben kann, die objektiv auch existieren können, was aber natürlich nicht objektiv überprüfbar ist.

Hast du dafür ein Beispiel?


Ups, ich habe das leider nicht ganz korrekt formuliert. Mit objektiver Wirklichkeit meinte ich einfach, dass etwas von uns unabhängig existiert. Nicht, dass es objektiv überprüfbar ist.

Als Beispiel, siehe mein Dualismus Beispiel:

Zitat:
Als Beispiel würde mir jetzt eine Vorstellung des dualistischen Weltbildes einfallen, zb die immaterielle Seele. Nicht, daß ich jetzt hier den Dualismus vertreten oder verteidigen will, das ist nicht meine Intention.
Aber das ist zb eine ziemlich subjektive Sache, die womöglich auch außerhalb der subjektiven Idee in der Wirklichkeit existieren könnte (auch, wenn solch ein Bild ja von immer weniger Philosophen vertreten wird).



Zu eurer Diskussion um die verschiedenen Wahrheitsbegriffe: ihr könnt sie sehr gerne weiter führen, aber ich kann ehrlich gesagt nichts sinnvolles dazu beitragen.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 22. Apr 2024 22:37    Titel: Antworten mit Zitat

Dann können wir es auch gerne ruhen lassen; letztlich ist es dein Faden.
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Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 23. Apr 2024 06:46    Titel: Antworten mit Zitat

Alles klar. Aber falls ihr untereinander noch Bedarf habt, lasst euch nicht aufhalten. Aber ich bin nicht in diesem Bereich ausgebildet, es ging mir zu Beginn nur um das Interesse daran, was ich habe. Aber ich muss zugeben, dass ich einfach nichts sinnvolles zu den Wahrheitsbegriffen der Mathematik beitragen kann.

Zu den Wirklichkeiten: ist mein letztes Beispiel jetzt in Ordnung, oder ist es wieder fehlerhaft?
Mir ging es einfach darum, dass womöglich der Gegenstand bzw Entität, der zunächst in meiner subjektiven Wirklichkeit als Idee vorkommt, auch in der Wirklichkeit außerhalb von uns existieren kann.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 23. Apr 2024 09:03    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Mit objektiver Wirklichkeit meinte ich einfach, dass etwas von uns unabhängig existiert. Nicht, dass es objektiv überprüfbar ist.

Ich denke, ersteres darf man im Kontext "Popper" und "Naturwissenschaft" so sagen.

Letzteres führt natürlich ggf. dazu, dass ersteres kritisiert wird; denn woher sollen wir von der objektiven Wirklichkeit wissen, wenn wir Aussagen dazu nicht objektiv überprüfen können. Aber die beiden Konzepte der Existenz und der Wahrnehmung bzw. Überprüfung derselben zu trennen, ist auf jeden Fall sinnvoll.

Seele oder Bewusstsein sind ein gutes Beispiel. Wohl jeder X, der für sich selbst von der (subjektiv wahrgenommen) Existenz seines Bewusstseins spricht, glaubt (mittels eines Analogiesschlusses), dass er auch bei seinem Gegenüber Y von der Existenz eines solchen ausgehen darf – also dass dessen Bewusstsein objektiv = unabhängig von X existiert, obwohl X tatsächlich keinen geeigneten Zugang zu dessen (Y) Bewusstsein hat. Ganz gewiss nicht subjektiv, aber eben auch nicht objektiv; objektiv kann er nur Handlungen wahrnehmen, die zu der Annahme passen, dass Y ebenfalls eine Bewusstsein habe (das ist der Analogieschluss).

Zur Diskussion steht also "<Jeder Mensch verfügt über eine der meinen vergleichbaren Ich-Wahrnehmung> wenn es sich um eine Tatsache handelt, dass er eine derartige Ich-Wahrnehmung hat." Ich denke, die Frage ist nicht, ob das wahr sein kann, sondern in wie weit das empirisch überprüfbar ist.

Ich sehe schon, ich muss wieder das Buch von Popper und Eccles "Das Ich und sein Gehirn" raussuchen, um zu verstehen, wie Popper diesbzgl. mit dem Wahrheitsbegriff und -kriterium umgeht.

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Beitrag Mister_X Verfasst am: 23. Apr 2024 11:44    Titel: Antworten mit Zitat

Vielleicht denke ich auch wieder zu trivial.

Erstmal denke ich, dass es nicht empirisch überprüfbar ist, ob das Gegenüber ein Bewusstsein hat. Da fehlt einfach der Zugang.
Das war aber gar nicht mein Ansinnen.

Mir ging es eher um folgendes: ausgehend von
Zitat:
jeder Aussage <X> über Tatsachen in der Wirklichkeit kommt in diesem Sinne ein absolute Wahrheit zu, genau dann, wenn die Aussage <X> mit den Tatsachen übereinstimmt.


Wenn jetzt zb ein dualistisch geprägter Philosoph annimmt, jeder Mensch habe eine immaterielle Seele. Denn existiert in dessen subjektiver Wirklichkeit in jedem Fall erstmal die Idee. Nun besteht auch die Möglichkeit, dass diese immaterielle Seele bei jedem Menschen tatsächlich existiert, wie das auch nun immer aussehen mag. Dann würde die subjektiven Wirklichkeit auch der uns unabhängigen Wirklichkeit entsprechen, welche in diesem Fall allerdings nicht objektiv überprüfbar ist und man deshalb objektiv nicht sagen kann, der Dualismus ist wahr oder falsch.



Das nur als Beispiel, ich will hier jetzt auch gar nicht den Dualismus diskutieren, mir viel halt gerade dieses Beispiel ein.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 23. Apr 2024 12:00    Titel: Antworten mit Zitat

Ja, genau so.

Mein Beispiel mit dem Bewusstsein funktioniert genauso, ist allerdings etwas "bodenständiger" jedoch trotzdem nicht überprüfbar.

Wichtig ist m.E., dass man beim Lesen genau beachtet, was der Autor jeweils mit "Wirklichkeit" meint; teilweise ist nur die wahrgenommene Wirklichkeit gemeint, auch wenn das nicht explizit gesagt wird; was darüber hinausgeht, wird ignoriert, abgelehnt …

Jedenfalls ist es wichtig, Aussagen über Bewusstsein von Aussagen über Beobachtungen, aus denen wir auf die Existenz von Bewusstsein schließen, zu unterscheiden.

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Beitrag Mister_X Verfasst am: 23. Apr 2024 13:48    Titel: Antworten mit Zitat

Okay, alles klar!

Wie gesagt, ich war über die Definition: jeder Aussage <X> über Tatsachen in der Wirklichkeit kommt in diesem Sinne ein absolute Wahrheit zu, genau dann, wenn die Aussage <X> mit den Tatsachen übereinstimmt. erst etwas irritiert, da es ja bei solchen philosophischen Diskussionen schwierig ist, zu sagen, was wirklich zur Wirklichkeit zählt. Und einfach zu sagen, nur das, was auch in der Wirklichkeit objektiv überprüfbar ist, existiert, finde ich zu kurz gegriffen. Wie in deinem oder meinem Beispiel klar dargelegt.

Und wie gesagt, empirisch überprüfbar halte ich keinen der beiden Sachverhalte....also prinzipiell.
Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 25. Apr 2024 18:48    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

ich würde hier gerne nochmal eine Logikfrage loswerden, die mir im Matheboard leider auch nicht so zu meiner Zufriedenheit beantwortet wurde.

Und zwar, wie man einen gültigen logischen Schluss ableitet.

Ich beziehe mich jetzt auf diese Quelle :fb10.uni-bremen.de/khwagner/grundkurs2/kapitel3.aspx

Zitat:
Ein Schluß ist dann gültig, wenn die Konklusion aus den Prämissen logisch folgt. Man nennt die logische Folge Implikation.

Definition 3.14. logische Implikation

Eine Aussage K ist die logische Implikation einer Menge von Aussagen caligp = {P1,…,P n} (symbolisch caligptrue K gdw. P1 ∧ P2 ∧ … ∧ Pn ⇒ K eine Tautologie ist.

Definition 3.15. Gültigkeit

Ein Schlußschema aus den Prämissen  = {P 1,…,Pn} und der Konklusion K ist gültig gdw. K, d.h. wenn das Konditional P1 ∧ P2 ∧ … ∧ Pn ⇒ K eine Tautologie ist; andernfalls ist das Schlußschema nicht gültig.

Definition 3.16. gültiger Schluß

Ein Schluß ist gültig, wenn er die Instanz eines gültigen Schlußschemas ist.

Um die Gültigkeit eines Schlußschemas zu beweisen, gilt es also zu zeigen, daß das Konditional aus der Konjunktion der Prämissen und der Konklusion eine Tautologie ist. In unserem Beispiel müßte also gezeigt werden daß (p ⇒ q) ∧ p) ⇒  q tautologisch ist.


Jetzt zitiere ich mal den Elvis aus dem Matheboard:

Zitat:
Die logische Schlußform "Modus tollendo tollens" hat eine ähnliche Form wie die Tautologie, wenn wir in der Tautologie die mit UND verknüpften Aussagen als Prämissen übereinander schreiben, darunter einen Schlußstrich ziehen und die rechte Seite der Implikation als Konklusion unter den Schlußstrich setzen.

Auf diese Art kann man aus jeder Tautologie mit Implikation eine logische Schlußform herleiten. Solche Schlußformen sind zulässige logische Denkformen. Über die Wahrheit von Prämissen und Konklusionen sagen die Schlußformen nichts aus.

Außerdem gibt es je nach gewählter Logik, d.h. je nachdem, wie man denken möchte, auch logische Schlußformen, die nicht aus einer Tautologie hergeleitet wurden oder hergeleitet werden können. Damit sind wir wieder am Anfang: Manche logische Schlüsse hängen mit Tautologien zusammen, manche nicht. Logische Schlüsse sind keine Tautologien. Logische Schlüsse sind keine Aussagen. Zu logischen Schlüssen gehören keine Wahrheiten und keine Wahrheitstafeln.

Konsequenzen: Wenn alle logischen Schlußformen Tautologien wären, dann könnten wir die Wahrheit immer berechnen. Das können wir aber nicht, wir müssen denken.
Der ganze Hype um die abgrundtief dumme "Künstliche Intelligenz" ist nur möglich, weil man zu vielen Menschen eingeredet hat, dass logisches Denken ganz einfach mit Aussagenlogik und trivialen Tautologien zusammenhängt. Tatsächlich ist noch nicht ein einziger mathematischer Satz von einer künstlichen Intelligenz formuliert, bewiesen oder verstanden worden. Das einzige was Maschinen können ist rechnen und labern.


Jetzt wären meine Fragen:

1. Wie sehen logische Schlüsse aus, die nicht aus einer Tautologie abgeleitet werden können? Gibt es solche auch in der Aussagenlogik?

2.Zu:
Zitat:
Konsequenzen: Wenn alle logischen Schlußformen Tautologien wären, dann könnten wir die Wahrheit immer berechnen. Das können wir aber nicht, wir müssen denken.
Das erschließt sich mir nicht. Wenn bei einem logischen Schluss die Prämissen falsch sind, folgt daraus beliebiges. Somit können wir die Wahrheit auch nur berechnen, wenn die Vorraussetzung gegeben ist, dass die Prämissen wahr sind. Oder klappt das etwa nicht?
Oder habe ich einen Denkfehler?

Danke für die Hilfe!
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 25. Apr 2024 20:00    Titel: Antworten mit Zitat

Eine Tautologie ist eine Formel, die unter allen Wahrheitsbelegungen der enthaltenen Variablen wahr ist.

"Sokrates ist ein Mensch" ⋀ "alle Menschen sind sterblich" → "Sokrates ist sterblich"

ist ein gültiger Schluss, folgt jedoch dem in der Aussagenlogik ungültigen A ⋀ B → C, ist also kein aussagenlogisch gültiger Schluss. Der Schluss ist nur deswegen gültig, weil in diesem Fall A wahr und B wahr ist.

Vermutlich ist das damit gemeint, wenn dein Diskussionspartner sagt
Zitat:
Wenn alle logischen Schlußformen Tautologien wären, dann könnten wir die Wahrheit immer berechnen. Das können wir aber nicht, wir müssen denken.



Anderes Beispiel:



ist ebenfalls kein aussagenlogisch gültiger Schluss. Er ist gültig für den Ring der natürlichen Zahlen, jedoch falsch für Matrizenringe.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 25. Apr 2024 20:32, insgesamt 2-mal bearbeitet
Zombiephilosoph
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Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 25. Apr 2024 20:03    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:

Jetzt wären meine Fragen:

1. Wie sehen logische Schlüsse aus, die nicht aus einer Tautologie abgeleitet werden können? Gibt es solche auch in der Aussagenlogik?

Hatten wir das nicht schon? Du zitierst es ja selbst "Ein Schlußschema aus den Prämissen  = {P 1,…,Pn} und der Konklusion K ist gültig gdw. K, d.h. wenn das Konditional P1 ∧ P2 ∧ … ∧ Pn ⇒ K eine Tautologie ist; andernfalls ist das Schlußschema nicht gültig."

"gdw" heisst genau dann wenn. Also gibt es keine Ausnahme.
Zitat:

2.Zu:
Zitat:
Konsequenzen: Wenn alle logischen Schlußformen Tautologien wären, dann könnten wir die Wahrheit immer berechnen. Das können wir aber nicht, wir müssen denken.
Das erschließt sich mir nicht. Wenn bei einem logischen Schluss die Prämissen falsch sind, folgt daraus beliebiges.
Nein, wenn die Prämissen widersprüchlich sind, folgt beliebiges, weil "Widerspruch -> beliebige Aussage" eine Tautologie ist, egal was der Inhalt von "beleibiege Aussage" ist. Aber "Wenn der Himmel grün ist, dann ist 2+2=5" hat zwar eine falsche Prämisse, ist aber keine Tautologie und damit kann man aus grünem Himmel auch nicht schließen dass 2+2=5 ist. Das haben wir schon ganz zu Anfang diskutiert. Bevor wir vom Thema abgekommen sind.
Mister_X hat Folgendes geschrieben:

Somit können wir die Wahrheit auch nur berechnen, wenn die Vorraussetzung gegeben ist, dass die Prämissen wahr sind. Oder klappt das etwa nicht?
Oder habe ich einen Denkfehler?
Wir hatten hier schon ganz viele Beispiele für falsche Aussagen, die aus korrekten Schlüssen abgeleitet worden sind. Es gibt unendlich viele. Aus jeder falschen Prämisse folgt eine falsche Aussage, weil p->p eine Tautologie ist. Also kann man mit korrekten Schlüssen allen auch keine Wahrheit berechnen. Trotzdem ist ein korrekter Schluß keine Tautologie.
Zombiephilosoph
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Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 25. Apr 2024 20:31    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Eine Tautologie ist eine Formel, die unter allen Wahrheitsbelegungen der enthaltenen Variablen wahr ist.

"Sokrates ist ein Mensch" ⋀ "alle Menschen sind sterblich" → "Sokrates ist sterblich"

ist ein gültiger Schluss, folgt jedoch dem Schlusschema A ⋀ B → C, ist also kein aussagenlogisch gültiger Schluss. Der Schluss ist nur deswegen gültig, weil in diesem Fall A wahr und B wahr ist.
Die Wahrheit der Prämissen hat absolut gar nix mit der Gültigkeit des Schlusses zu tun. Dein Schluss wird gültig mit der Regel

und mit modus ponens. Aber die Schlussregeln sind rein syntaktisch mit Wahrheit hat das nichts zu tun.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 25. Apr 2024 20:46    Titel: Antworten mit Zitat

Es ging mir nicht darum, den Schluss zu "reparieren", sondern um Beispiele für gültige Schlüsse, die nur aufgrund spezieller Wahrheitsbelegungen gültig sind, also keine Tautologien.

Evtl. ist das zweite Beispiel besser.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Zombiephilosoph
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Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 25. Apr 2024 20:52    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Es ging mir nicht darum, den Schluss zu "reparieren", sondern um Beispiele für gültige Schlüsse, die nur aufgrund spezieller Wahrheitsbelegungen gültig sind, also keine Tautologien.

Es gibt keine gültigen Schlüsse, die nur aufgrund spezieller Wahrheitsbelegungen gültig sind. Und kein gültiger Schluß ist eine Tautologie. Aber jeder Schluß A|- B ist gültig gdw. A -> B eine Tautologie ist. Dein zweites Beispiel ist auch kein gültiger Schluss, aber das hat nichts mit der Wahrheit der darin vorkommenden Formeln zu tun.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 25. Apr 2024 21:26    Titel: Antworten mit Zitat

Deswegen unterscheide ich "gültig" und "aussagenlogisch gültig"

Für natürliche Zahlen x,y mit x • y = 0 folgt, dass x = 0 oder y = 0.

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Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 25. Apr 2024 21:27    Titel: Antworten mit Zitat

Ja, ich hatte es schon mal angeschnitten.

Tut mir auch Leid, dass ich vielleicht nerve, aber ich würde es gerne verstehen.

Zitat:
Aber jeder Schluß A|- B ist gültig gdw. A -> B eine Tautologie ist.


Das meine ich eigentlich zu verstehen. Mir ging es darum, dass im Matheboard behauptet wurde, dass sich Schlussschema auch ableiten lassen, wenn keine Tautologien vorliegen. Das hätte mich jetzt auch interessiert.

Zitat:
Aus jeder falschen Prämisse folgt eine falsche Aussage, weil p->p eine Tautologie ist. Also kann man mit korrekten Schlüssen allen auch keine Wahrheit berechnen. Trotzdem ist ein korrekter Schluß keine Tautologie.


Folgt sicher eine falsche Aussage? Ich hätte jetzt eher gedacht, eine beliebige, da aus falschem ja auch richtiges folgen kann.
Zombiephilosoph
Gast





Beitrag Zombiephilosoph Verfasst am: 25. Apr 2024 21:36    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Für natürliche Zahlen x,y mit x • y = 0 folgt, dass x = 0 oder y = 0.
Warum führst Du hier jetzt Deine Privatterminologie ein? Was Du da hinschreibst ist keine logische Folgerung, weder Aussagenlogisch noch Prädikatenlogisch. Es gibt keine logischen Folgerungen, die nur für natürliche Zahlen gelten.
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