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Hochtemperaturreaktor - Warum sicherer?
 
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D2007



Anmeldungsdatum: 08.03.2007
Beiträge: 2

Beitrag D2007 Verfasst am: 08. März 2007 22:52    Titel: Hochtemperaturreaktor - Warum sicherer? Antworten mit Zitat

Zu "Hochtemperaturreaktor" steht in Wikipedia u.A. folgendes:
"Ein sich automatisch aus der Bauweise ergebender Vorteil liegt in der Betriebssicherheit. Mit zunehmender Temperatur des Reaktors erhöht sich die thermische Geschwindigkeit der Brennstoffatome, was aufgrund der Dopplerverbreiterung die Wahrscheinlichkeit des Neutroneneinfangs durch 238Uran erhöht und dadurch die Reaktionsrate reduziert. Bauartbedingt gibt es also eine maximale Reaktortemperatur, und wenn diese unterhalb des Schmelzpunktes des Reaktormaterials liegt, kann keine Kernschmelze stattfinden."

Ich verstehe nun leider nicht, warum ein Hochtemperatirreaktor bauart bedingt sicherer ist, als z.B. ein Druckwasserreaktor. Was genau ist diese "Dopplerverbreiterung"? Dieser Effekt müsste doch auch bei allen anderen Reaktorarten auftreten. Warum führt er nur beim HTR dazu, dass eine Kernschmelze unmöglich ist?
dermarkus
Administrator


Anmeldungsdatum: 12.01.2006
Beiträge: 14788

Beitrag dermarkus Verfasst am: 09. März 2007 03:09    Titel: Antworten mit Zitat

Ich versuchs mal mit Hilfe eines konkreten Bildes und ein bisschen ausführlicher zu sagen:

http://www.uic.com.au/graphics/crosssection.gif

Wenn ein Uran 235 -Kern ein Neutron einfängt, dann wird er gespalten. Dabei entstehen zwei etwa halb so große Atomkerne und drei schnelle Neutronen, deren Geschwindigkeiten in dem vertikalen blauen Balken rechts im Bild liegen.

Wenn ein Uran 238-Kern ein Neutron einfängt, dann wird er nur selten gespalten, meist absorbiert er das Neutron nur und reduziert damit die Anzahl der Neutronen, die eine Kernspaltung auslösen können. Uran 238-Kerne fangen schnelle Neutronen, siehe die Kurve für den Neutronen-Einfangquerschnitt für Uran 238 im Eck ganz rechts unten: Sie bekommen also nur die Neutronen aus der Kernspaltung ab, die schneller als der Hauptteil sind (hellblauer Bereich rechts vom dunkelblauen Maximum).

Wenn nun die Uran 238-Kerne durch thermische Bewegung hin- und herzappeln, dann ändern sich dadurch die vorkommenden Relativgeschwindigkeiten zwischen den Uran 238 -Kernen und den Neutronen aus der Kernspaltung: Das Geschwindigkeitsspektrum wird durch die Dopplerverbreiterung breiter. Interessant sind dabei vor allem die Begegnungen, bei denen sich der Uran 238-Kern dem Neutron gerade entgegenbewegt, wenn das vorbeikommt. Denn dann addieren sich die Geschwindigkeiten, also verschiebt sich die Grenze, ab der ein Uran 238-Atom ein Neutron einfangen kann, in unserem Diagramm nach links, also gerade in den dunkelblauen Geschwindigkeitsbereich hinein, in dem besonders viele Neutronen sind. Und dies umso mehr, je größer die Temperatur ist, also je schneller die Atome hin- und herzappeln.

Dieser Effekt verringert also die Anzahl der Kernspaltungsreaktionen und damit die vom Reaktorkern erzeugte Leistung mit zunehmender Temperatur.

Andererseits steigt die durch Wärmestrahlung abgestrahlte Leistung mit der Temperatur. (Denn mit der Reaktortemperatur steigt die Temperaturdifferenz zur Umgebung.)

Also gibt es eine Temperatur, bei der genauso viel Leistung in Form von Wärmestrahlung abgestrahlt wird wie im Reaktor erzeugt wird. Selbst wenn man alle Kühlkreisläufe im Reaktor abschaltet, steigt die Temperatur also nicht weiter als bis zu dieser Maximaltemperatur an.

Hochtemperaturreaktoren kann man so bauen, dass diese maximale Temperatur z.B. bei rund 1000°C und damit weit unter der Temperatur liegt, bei der die Materialien im Reaktorkern schmelzen. Der Brennstoff ist hier in Kugeln "eingepackt", deren Material sehr hitzebeständig ist (bis ca. 2000°C), und die Leistungsdichte (erzeugte Leistung pro Volumen) ist in einem Hochtemperaturreaktor deutlich geringer als z.B. in Leichtwasserreaktoren (ca. 1/30).

Eine recht schöne Informationsquelle dazu scheint mir auch die englische Wikipedia-Seite zu sein:

http://en.wikipedia.org/wiki/Pebble_bed_reactor
D2007



Anmeldungsdatum: 08.03.2007
Beiträge: 2

Beitrag D2007 Verfasst am: 09. März 2007 15:45    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für die ausführliche Antwort!
Jeder Reaktor hat also theoretisch ein maximale Temperatur. Beim HTR liegt diese aufgrund der niedrigen Leistungsdichte aber unter dem Schmelzpunkt der Materialien (richtig?)

Edit: Der deutsche Prototyp für einen HTR war der THTR-300. Die Kugeln bestanden aus Uran-235 und Thorium-232. Aus dem Thorium wurde das spaltbare U-233 erbrütet und als Spaltstoff verwendet. U-238 war gar nicht vorhanden. Welcher Stoff hat hier die Neutronenn (bei höheren Energien) absorbiert?
dermarkus
Administrator


Anmeldungsdatum: 12.01.2006
Beiträge: 14788

Beitrag dermarkus Verfasst am: 09. März 2007 21:06    Titel: Antworten mit Zitat

D2007 hat Folgendes geschrieben:

Jeder Reaktor hat also theoretisch ein maximale Temperatur.

Das würde ich nicht ganz so allgemein formulieren wollen. Denn daraus würde man ja folgern "Ein Leichtwasserreaktor hat theoretisch eine maximale Temperatur." Aber du würdest einen geschmolzenen heißen Klumpen Brennmaterial nach einer Kernschmelze ja nicht mehr als Leichtwasserreaktor bezeichnen.

Zitat:

Beim HTR liegt diese aufgrund der niedrigen Leistungsdichte aber unter dem Schmelzpunkt der Materialien (richtig?)

Ich bin einverstanden, dass beim Hochtemperaturreaktor diese maximale Temperatur unter dem Schmelzpunkt der Materialien im Reaktorkern liegt. Das hat aber nicht nur einen einzigen Grund, sondern viele Gründe, die zusammenspielen müssen, damit das klappt. Dazu gehören die Temperaturbeständigkeit der Kugeln, die den Brennstoff enthalten, und die geringere Leistungsdichte, die eine starke Wärmeabstrahlung erleichtert, aber dazu gehören bestimmt auch andere Eigenschaften der Bauweise eines Hochtemperaturreaktors.

Zitat:

(...) U-238 war gar nicht vorhanden.

Woher hast du diese Aussage? Das würde mich wundern, wenn da U-235 drin gewesen ist und gleichzeitig kein U-238. Denn der Anteil von U-235 im natürlichen Uran beträgt weniger als 1 %, der Rest ist im wesentlichen U-238. Selbst in angereichertem Uran ist der Anteil von U-238 immer noch rund 20-mal größer als der von U-235.
Louie
Gast





Beitrag Louie Verfasst am: 27. Aug 2011 08:30    Titel: Alles leider nur ausweichende Antworten Antworten mit Zitat

Was sind denn nun die maximal möglichen Kernschmelztemperaturen, ohne wenn und aber für?
Uran-AKW´s
Plutonium-AKW´s
Thorium-AKW´s
Die Theorie, das das Erdinnere nur aus Eisen besteht dürfte doch auch Nonsens sein, da es wesentlich schwerere und zähere Metalle gibt, die nicht so leicht durch termische Strömungen zu verdrängen sind, zB Urane u. ä..
magician4



Anmeldungsdatum: 03.06.2010
Beiträge: 914

Beitrag magician4 Verfasst am: 27. Aug 2011 15:47    Titel: Antworten mit Zitat

wenn du mit "kernschmelztemperaturen" die temperaturen meinst, welche bei einem unfall auftreten bei dem die brennstaebe komplett die bauform verlieren ..

.. dann haengts natuerlich von der exakten art des unfalls ab, wie hoch die auftretenden spitzentemperaturen sind, und es gibt je nach bauform usw. weiterhin dann zu jeder type diverse moegliche szenarien:
- ein graphitmoderierter reaktor (tschernobyl) erlaubt halt andere unfall-randbedingungen mit anderen verlaeufen als ein siedewasserreaktor (fukushima), und selbst ein abklingbecken (gehoert ja in keine deiner kategorien) kann bei LOCA ne kernschmelze hinbekommten (moeglicherweise in fukushima 4 so geschenen, aktuellere infos bitte ich zu ergaenzen, verfuege nicht ueber den letzten sachstand)
- sehr entscheidend ist auch der zustand des brennstoffs, d.h. welche folgeprodukte dort mit ihrer spezifischen halbwertszeit akkumuliert sind (dies ist ein wichtiger aspekt fuer die abklingwaerme, welche bei kernschmelzen i.d.r. das eigentliche problem darstellt)
- da die auftretenden spitzentemperaturen u.a. auch stark von der form abhaengen in der die schmelze zusammenfliesst, spielt auch die geometrie des reaktrobodens (resp. des "darunter") eine rolle: je besser man verhindern kann das das ganze zu einer einzigen massiven kugelartigen schmelze zusammenfliessen kann, desto besser ist die selbst unter diesen bedingungen noch moegliche wermeabfuehrung aus der schmelze, um so geringer die spitzentemperatur.

--> es gibt sehr viele moegliche szenarien

speziell beim thoriumreaktor ist die "archillesferse" m.w.n. ein verlust des schutzgases mit nachfolgendem graphitbrand wg. lufteinbruch, und dass man unter solchen bedingungen stahl zum schmelzen bekommt (schliesslich wird er ja so hergestellt) ist ja bekannt.
gelingt es also nicht den reaktor-stahlmantel zu kuehlen, so hast du auch dort dann eine ggf. sehr hohe freisetzung des nuclearen inventars.
auch hier ist wiederum materialzustand usw. fuer den feinverlauf mitentscheidend, wobei speziell das problem des gaphitabriebs hier hohe bedeutung hat (kohle-feinstaubexplosion), sofern ich es noch korrekt erinnere.

--> ohne wenn und aber: fuer alle drei reaktor-grunddtypen sind szenarien beschreibbar, unter denen es zum verlust der kontrolle ueber das geschehen kommt, und das material mehr oder weniger vollstaendig feigesetzt werden koennte

die frage was alles schiefgehen muss damit es dazu kommt, die eintrittswahrscheinlichkeit , und die frage wieviel zeit man wohl hat um da noch was zu machen: darin unterscheiden sich die typen meiner ansicht nach am gravierensten


ansonsten:
Zitat:
Die Theorie, das das Erdinnere nur aus Eisen besteht dürfte doch auch Nonsens sein, (...)

ich finde es ja erfrischend, mit welcher leichtigkeit du da qua kraft deiner messerscharfen ueberlegungen forchungsergenbnisse aus ~ einem jahrhundert geophysikalischer untersuchungen beiseite wischt, respekt...

p.s.: es ist eisen -nickel-legierung, im inneren kern fest, darum herum geschmolzen, die namensgebender hauptbestandteil dessen ist , was sich da so tummelt
und ja, es ist natuerlich NICHT analytisch reinste "nur-aus-eisen-und-nickelatomen-und-sonst nix-anderem-garnicht" legierung: a bisserl dit und dat ist da natuerlich auch mit drin


gruss

ingo
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