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Stimulierte Emission und Projektion der Zustände
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Quantumdot
Gast





Beitrag Quantumdot Verfasst am: 12. März 2023 20:35    Titel: Stimulierte Emission und Projektion der Zustände Antworten mit Zitat

Hallo der Standardlehrbuchweg zur Berechnung von stimulierter Emission geht etwa so, dass man bei einem initialen Zustand startet. In der Regel ein Eigenzustand des ungestörten Hamiltonoperators. Man betrachtet die zeitliche Entwicklung dieses Zustands unter einer kleinen Störung (z.B. durch ein elektromagnetisches Feld). Nach einer kurzen Zeit t befindet sich der Zustand dann in einer Superposition von mehreren Eigenzuständen des ungestörten Hamiltonoperators.
Und man berechnet dann die Übergangswahrscheinlichkeit in einen bestimmten Eigenzustand.

Mir ist dabei klar was genau das Quantenobjekt (z.B. ein Elektron) dazu veranlasst in einen der Eigenzustände zu "springen" und nicht einfach in dem Superpositionszustand zu bleiben.
Normalerweise finden solche Übergänge doch bei "Messungen" statt. Ein konkreteres Beispiel wäre halt atomarer Wasserstoff, der mit einem EM-Feld bestrahlt wird. Warum entwickeln sich die Elektronenzustände nicht die ganze Zeit deterministisch nach der Schrödingergleichung (Wassertstoffpotential + externes EM-Feld)? Ich sehe keinen Grund anzunehmen, dass der Elektronenzustand plötzlich in 1s, 2p oder wie auch immer projiziert wird.

Ein weiterer Punkt, den ich nicht so ganz verstehe, ist wie die Annahme gerechtfertigt ist, dass der initiale Zustand ein Eigenzustand des ungestörten Hamiltonoperators ist. Es kann ja auch ne Superposition sein.

Ich habe mich kann hier jemand aufklären
Danke.
Quantumdot
Gast





Beitrag Quantumdot Verfasst am: 14. März 2023 11:11    Titel: Antworten mit Zitat

Hi,
meine Frage ist noch up to date.

Vielleicht kann ich meine Unklarheiten noch etwas klarer machen.
Man berechnet die Eigenzustände des Hamiltonoperators des Wasserstoffatoms.
Alle linearkombinationen dieser Zustände sind aber auch mögliche Zustände in denen sich das Elektron befinden kann. Warum betrachtet man bei Berechnungen immer nur die Energieeigenzustände? Zum Beispiel wenn man das System mit einem EM-Feld stört.

und was veranlasst die Anwendung des Projektionspostulats nach dem dann das Elektron bspw nach einer Zeit t von 2p auf 1s fällt? Normalerweise wird das doch immer bei "Messungen" angewendet? Was ist dann hier die Messung? wobei der Begriff der Messung in der Quantenmechanik ja auch nicht so klar zu sein scheint.
Ich verstehe durchaus die Berechnungen und die mathematische Logik dahinter, aber ich bekomme ich Verknüpfungen zu dem was man dann wirklich beobachtet nicht so ganz hin.

Vielen Dank
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 17. März 2023 14:40    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Warum betrachtet man bei Berechnungen immer nur die Energieeigenzustände? Zum Beispiel wenn man das System mit einem EM-Feld stört.


Weil die Zeitentwicklung linear ist. Die Kenntnis der Zeitabhängigkeit einer Basis genügt also.

Zitat:

und was veranlasst die Anwendung des Projektionspostulats nach dem dann das Elektron bspw nach einer Zeit t von 2p auf 1s fällt?


So wie ich dich verstanden habe, wird lediglich eine "Übergangswahrscheinlichkeit" ausgerechnet, etc. Das ist noch keine Anwendung des Projektionspostulats. Das Wort "Übergangswahrscheinlichkeit" ist eher eine historische Fehlbezeichnung. Es handelt sich nicht um die Wahrscheinlichkeit für den Übergang in einen bestimmten Zustand (obwohl das anscheinend Borns ursprüngliche Idee war).

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It is just this lack of connection to a concern with truth -- this indifference to how things really are -- that I regard as of the essence of bullshit. -- Harry G. Frankfurt
Quantumdot
Gast





Beitrag Quantumdot Verfasst am: 18. März 2023 22:55    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

So wie ich dich verstanden habe, wird lediglich eine "Übergangswahrscheinlichkeit" ausgerechnet, etc. Das ist noch keine Anwendung des Projektionspostulats. Das Wort "Übergangswahrscheinlichkeit" ist eher eine historische Fehlbezeichnung. Es handelt sich nicht um die Wahrscheinlichkeit für den Übergang in einen bestimmten Zustand (obwohl das anscheinend Borns ursprüngliche Idee war).


Und worum handelt es sich stattdessen?
Wieso kann man damit dann korrekt die Intensität der Spektrallinien von Atomen berechnen?
Man stellt sich ja vor, dass das Elektron bspw von 2p nach 1s hüpft, aber zunächst hat man ja eine stetige deterministische Zeitentwicklung und das Elektron befindet sich in einem Superpositionszustand indem sich auch ein bisschen |1s> befindet. Was veranlasst das Elektron jetzt in den |1s> zustand zu springen?
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 19. März 2023 13:24    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:

So wie ich dich verstanden habe, wird lediglich eine "Übergangswahrscheinlichkeit" ausgerechnet, etc. Das ist noch keine Anwendung des Projektionspostulats. Das Wort "Übergangswahrscheinlichkeit" ist eher eine historische Fehlbezeichnung. Es handelt sich nicht um die Wahrscheinlichkeit für den Übergang in einen bestimmten Zustand (obwohl das anscheinend Borns ursprüngliche Idee war).


Und worum handelt es sich stattdessen?


Formal handelt es sich um die Wahrscheinlichkeit für einen Eigenwert der Energie. Relevant ist sie hier nur insofern, als sie zur Berechnung der mittleren Energie des Zustands beiträgt.

Zitat:

Wieso kann man damit dann korrekt die Intensität der Spektrallinien von Atomen berechnen?
Man stellt sich ja vor, dass das Elektron bspw von 2p nach 1s hüpft, aber zunächst hat man ja eine stetige deterministische Zeitentwicklung und das Elektron befindet sich in einem Superpositionszustand indem sich auch ein bisschen |1s> befindet. Was veranlasst das Elektron jetzt in den |1s> zustand zu springen?


Es ist nicht veranlaßt zu springen. Die Zeitentwicklung bleibt stetig und deterministisch. Die Intensität der Spektrallinien ist der Erwartungswert der quadrierten EM-Feldstärke (am Ort des Detektors). Dieser Erwartungswert hängt wiederum mit dem Erwartungswert der Atomenergie relativ zum Grundzustand zusammen, und in letztere geht die "Übergangswahrscheinlichkeit" ein.

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Quantumdot
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Beitrag Quantumdot Verfasst am: 19. März 2023 15:22    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:



Es ist nicht veranlaßt zu springen. Die Zeitentwicklung bleibt stetig und deterministisch. Die Intensität der Spektrallinien ist der Erwartungswert der quadrierten EM-Feldstärke (am Ort des Detektors). Dieser Erwartungswert hängt wiederum mit dem Erwartungswert der Atomenergie relativ zum Grundzustand zusammen, und in letztere geht die "Übergangswahrscheinlichkeit" ein.


Mal angenommen zum Zeitpunkt 0 sei das Elektron in einem Wasserstoffatom im Zustand . Es wird ein externes zeitabhängiges EM-Feld eingestrahlt und nach einer Zeit t befindet es sich in dem Zustand

mit U(t) als unitärer Zeitoperator. der Hamiltonoperator hat diese Form.
wobei V(t) ein Störoperator ist, der das externe EM-Feld beschreibt und H_0 der Operator für das isolierte Wasserstoffatom.
Dann ist die Atomenergie zur Zeit t (psi bezeichnet hier jetzt immer den Zustand zur Zeit t=0)

da der Gesamthamiltonoperator eine explizite Zeitabhängigkeit hat, ist dieser Ausdruck zeitlich nicht konstant.
Ist dann die abgegebene Energie
?

wie bekommt man daraus dann die Spektrallinienlage raus? Also die abgestrahlten Wellenlängen. Bisher wurde es immer so erklärt, dass das Elektron ja bspw von 2p nach 1s springt dabei ein Photon abgibt mit der Frequenz so dass das Photon die Energie aus der Differenz dieser beiden Zustände hat.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 19. März 2023 16:28    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:

Ist dann die abgegebene Energie
?


Ja, im Prinzip schon, allerdings die Gesamtenergie verteilt auf alle Moden. Über die Lage der Spektrallinien sagt das noch nichts.

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:

wie bekommt man daraus dann die Spektrallinienlage raus? Also die abgestrahlten Wellenlängen. Bisher wurde es immer so erklärt, dass das Elektron ja bspw von 2p nach 1s springt dabei ein Photon abgibt mit der Frequenz so dass das Photon die Energie aus der Differenz dieser beiden Zustände hat.


Das ist nur eine Heuristik. Das EM-Feld hat keine exakt scharfe Energie, da es sich ja nicht in einem stationären Zustand befindet (sonst könnte es keine Energie vom Atom bekommen). Und wie du ja selbst sagst, ist die Zeitentwicklung kontinuierlich. In Wahrheit berechnet man die spektrale Verteilung aus der Autokorrelation des EM-Feldes



Unter bestimmten Voraussetzungen (genaueres kann ich dir leider nicht sagen, aber dazu sollte sich einiges in Büchern zur Quantenoptik finden), ergibt das dann für einen relativ scharfen Peak um . Jedenfalls kommen in der Rechnung keinerlei "Quantensprünge" vor.

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Quantumdot
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Beitrag Quantumdot Verfasst am: 19. März 2023 16:37    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:


Unter bestimmten Voraussetzungen (genaueres kann ich dir leider nicht sagen, aber dazu sollte sich einiges in Büchern zur Quantenoptik finden), ergibt das dann für einen relativ scharfen Peak um . Jedenfalls kommen in der Rechnung keinerlei "Quantensprünge" vor.


Hab ich denn irgendwas nicht mitbekommen oder behandelt man das in typischen "Anfänger"quantenmechanikvorlesungen nicht so genau bzw. geht darüber hinweg?

Ich versteh jetzt nicht wie die Autokorrelationsfunktion des EM-Feldes mit der zeitlichen Entwicklung des Atomzustands zusammenhängt.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 19. März 2023 16:50    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:


Unter bestimmten Voraussetzungen (genaueres kann ich dir leider nicht sagen, aber dazu sollte sich einiges in Büchern zur Quantenoptik finden), ergibt das dann für einen relativ scharfen Peak um . Jedenfalls kommen in der Rechnung keinerlei "Quantensprünge" vor.


Hab ich denn irgendwas nicht mitbekommen oder behandelt man das in typischen "Anfänger"quantenmechanikvorlesungen nicht so genau bzw. geht darüber hinweg?


Höchstwahrscheinlich letzteres. Spektrale Verteilungen sind Eigenschaften des elektromagnetischen Feldes. Ihre Behandlung gehört also letztlich in die Quantenelektrodynamik bzw. Quantenoptik, zumindest wenn man von Zuständen mit nur ein paar Photonen redet.

Zitat:

Ich versteh jetzt nicht wie die Autokorrelationsfunktion des EM-Feldes mit der zeitlichen Entwicklung des Atomzustands zusammenhängt.


Letztlich über die quantisierten Maxwellgleichungen. Atom und EM-Feld sind aneinander gekoppelt. Diese Kopplung ändert den Zustand von Atom und EM-Feld.

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Beitrag Quantumdot Verfasst am: 19. März 2023 17:28    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

in paar Photonen redet.

Zitat:

Ich versteh jetzt nicht wie die Autokorrelationsfunktion des EM-Feldes mit der zeitlichen Entwicklung des Atomzustands zusammenhängt.


Letztlich über die quantisierten Maxwellgleichungen. Atom und EM-Feld sind aneinander gekoppelt. Diese Kopplung ändert den Zustand von Atom und EM-Feld.


Aber man bekommt ja mit der Quantenmechanik offenbar die richtigen Spektrallinie ohne Quantenelektrodynamik raus indem man die "Übergangswahrscheinlichkeiten" berechnet. In der Nähe der Spektrallinien haben sie einen scharfen Peak.
Ist das dann in der Quantenmechanik eine adhoc Annahme, dass die Peaks dieser Wahrscheinlichkeiten dann auch den tatsächlich gemessenen Spektrallinie entsprechen und die tiefere Begründung gibts erst in der Quantenelektrodynamik?

Also mir ist schon klar, dass die Quantenmechanik bzgl. der elektromagnetischen Wechselwirkung unvollständig ist. Es gibt ja auch noch keine Photonen in der Quantenmechanik und das EM-Feld fließt effektiv als klassisches Feld ein.

Da ich aber mit der Quantenelektrodynamik jetzt noch keine Erfahrung habe, reicht es mir vorerst aus, wenn ich weiß, was man streng formal aus der Quantenmechanik rausbekommt und wo man vielleicht zusätzliche adhoc Annahmen braucht, um Verbindungen zu Experimenten hinzubekommen.

Kann man also die Lage der Spektrallinien im Rahmen der Quantenmechanik nicht streng formal begründen und man nimmt dann nur an, dass die Maxima der "Übergangswahrscheinlichkeiten" (in der Regel ja bei (E1-E2)/hquer) der Lage der Spektrallinie entsprechen?
Wenn ich eine EM Welle mit ner Frequenz omega einstrahle, und dann die "Übergangswahrscheinlichkeit" von 2p nach 1s berechne, dann habe ich ein Maximum wenn die Frequenz omega=(E_1s-E2p)/hquer entspricht.
Meine Schwierigkeit besteht jetzt darin die Verbindung zwischen dieser berechneten Resonanz und den tatsächliche gemessenen Spektrallinien hinzubekommen. Wenn man das innerhalb der Quantenmechanik nicht kann, bin ich damit erstmal zufrieden.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 22. März 2023 11:11    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Ist das dann in der Quantenmechanik eine adhoc Annahme?

So würde ich das nicht nennen, jedoch ist die Quantenmechanik an der Stelle unvollständig.

Der Punkt ist, dass die Quantenmechanik keine Photonen enthält, sondern lediglich ein künstliches elektromagnetisches Feld eingeführt wird.

Eigentlich wäre der Übergang vom Zustand m > n in den Zustand n zu berechnen, wobei letzteres noch ein Photon im Impuls p enthält:



Das T bezeichnet einem zustandsunabhängigen Operator

Aber das kann die Quantenmechanik nicht. Stattdessen berechnen man also



Das V bezeichnet wieder einen Operator, der zwar unabhängig von Zustand psi ist, jedoch den „klassischen Zustand“ des externen Feldes beschreibt, also die ebene Welle.

Der Witz ist, dass das künstlich eingeführte elektromagnetisches Feld V auf ähnliche Matrixelemente führt. Dass das funktioniert, ist m.E. nicht trivial, es wird sozusagen im Nachhinein von der Quantenfeldtheorie gerechtfertigt.

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Da ich aber mit der Quantenelektrodynamik jetzt noch keine Erfahrung habe, reicht es mir vorerst aus, wenn ich weiß, was man streng formal aus der Quantenmechanik rausbekommt und wo man vielleicht zusätzliche adhoc Annahmen braucht, um Verbindungen zu Experimenten hinzubekommen.

Die zentrale Annahme ist m.E., dass man das resultierende Photon durch das externe Feld beschreiben kann.

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Kann man also die Lage der Spektrallinien im Rahmen der Quantenmechanik nicht streng formal begründen und man nimmt dann nur an, dass die Maxima der "Übergangswahrscheinlichkeiten" (in der Regel ja bei (E1-E2)/hquer) der Lage der Spektrallinie entsprechen?

Nein, das kann man schon berechnen, wie du ja selbst weißt.

Die Schwierigkeit ist doch nicht, dieses Übergangsmatrixelement zu berechnen, sondern es mit dem Experiment zu verknüpfen. Aber du denkst hier falsch herum. Historisch betrachtet war es doch nicht so, dass man das Matrixelement kannte und anschließend versucht hat, es zu verstehen und zu interpretieren. Es lag ein physikalisches Problem vor, und man hat versucht, ein einfaches Modell zu entwickeln, um es zu berechnen. Dieses Modell benutzt eben die zeitabhängige Störungstheorie und das externe Feld. Nachdem das funktioniert hat, war man erst mal zufrieden (ok, natürlich war den Physikern die Unvollständigkeit bewusst, weswegen ja letztlich die Quantenfeldtheorie entwickelt wurde).

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Wenn man das innerhalb der Quantenmechanik nicht kann, bin ich damit erstmal zufrieden.

Du kannst sogar noch einen Schritt zurückgehen. Die Quantenmechanik liefert streng genommen nicht mal eine Begründung für die Stabilität der Atome, da sie diejenige Wechselwirkung, die zu einem „Zerfall des vermeintlichen Grundzustandes“ führen könnte, gar nicht beschreibt; sie klammert die Wechselwirkung mit Photonen explizit aus.

D.h. eine strenge Begründung der Stabilität kann erst im Rahmen der Quantenfeldtheorie erfolgen. Die implizite Argumentation ist letztlich, dass die Einführung eines elektromagnetischen Feldes bzw. des entsprechenden Quantenfeldes die aus der Quantenmechanik bekannten Zustände der Elektronen kaum ändert, d.h. insbs., dass keine weiteren Zustände entstehen, deren Elektronen-Energie unterhalb der des quantenmechanischen Grundzustandes liegen, und die zusätzlich Photonen enthalten.

Ob sich dazu jemand im Rahmen der QED Gedanken gemacht hat, weiß ich nicht. I.A. ist dieses Problem unverstanden, die Quantenfeldtheorie noch nicht mal mathematisch sauber genug formuliert, um es überhaupt anzugehen.

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Quantumdot
Gast





Beitrag Quantumdot Verfasst am: 22. März 2023 16:18    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für eure guten Erklärungen


TomS hat Folgendes geschrieben:



Die Schwierigkeit ist doch nicht, dieses Übergangsmatrixelement zu berechnen, sondern es mit dem Experiment zu verknüpfen. Aber du denkst hier falsch herum. Historisch betrachtet war es doch nicht so, dass man das Matrixelement kannte und anschließend versucht hat, es zu verstehen und zu interpretieren. Es lag ein physikalisches Problem vor, und man hat versucht, ein einfaches Modell zu entwickeln, um es zu berechnen. Dieses Modell benutzt eben die zeitabhängige Störungstheorie und das externe Feld. Nachdem das funktioniert hat, war man erst mal zufrieden (ok, natürlich war den Physikern die Unvollständigkeit bewusst, weswegen ja letztlich die Quantenfeldtheorie entwickelt wurde).



Also mein Problem mit der Quantenmechanik ist ja nicht die Berechnung der Übergangsmatrixelemente. Generell ist mir auch klar wie man etwas in der Quantenmechanik berechnet und auch die mathematische Logik der Quantenmechanik (ist ja meistens lineare Algebra) ist mir klar.
Mein Problem ist den theoretischen Formalismus mit realen Experimente in Verbindung zu bringen und mir ist nicht klar, dass die Übergangsmatrixelemente wirklich den gemessenen Spektrallinie entsprechen. Natürlich kann man einmal die Übergangsmatrixelemente berechnen, diese mit experimentellen Daten vergleichen und dann findet man eine experimentelle Übereinstimmung.
Und da bin ich mir halt noch unsicher, was mein eigenes Unverständnis ist und was davon einfach ein Artefakt einer (unbekannten) Näherung ist, denn die Quantenmechanik ist ja offenbar eine Näherung etwas Fundamentalerem.


Die Quantenmechanik ist schließlich keine Wechselwirkungstheorie und beschreibt die Dynamik von Materie. Wechselwirkung fließt in die Theorie effektiv über Potentialfunktionen ein. Die Theorie macht aber überhaupt keine Aussage darüber wo die Wechselwirkung herkommt.
Im Grunde ist da die Quantenmechanik der klassischen Mechanik sehr ähnlich. Die klassische Mechanik behandelt auch nur den Materieteil und pflegt Wechselwirkungen effektiv über Kraft oder Potentialfelder ein.
Die erste Wechselwirkungstheorie, die man typischerweise behandelt, ist die klassische Elektrodynamik. Da ist die Situation umgekehrt. Man behandelt die Dynamik der Wechselwirkungsfelder (in diesem Fall elektrische und magnetische Felder) und bringt die Materie effektiv über Ladungs und Stromdichten ein.

Es handelt sich bei der klassischen Elektrodynamik um eine klassische Feldtheorie.
Die klassische Mechanik ist keine Feldtheorie, aber wenn man zur Quantenmechanik geht, hat man eine klassische Feldtheorie für Materie (Schrödingerfeld).

Also ist die Ausgangssituation doch, dass man zwei klassische Feldtheorien hat. Eine Theorie für die Materie (Quantenmechanik) und eine Theorie für die EM-Wechselwirkung (Elektrodynamik).

Nun braucht man eine Theorie die beides vereint und sowohl Materie als auch Wechselwirkungsfelder als dynamische Größte mit einfließen, um wirklich beides angemessen zu berücksichtigen. Ich habe dabei mal außen vorgelassen, dass man dafür eine lorentzinvariante Form der Quantenmechanik braucht.
Das liefert dann wohl die Quantenelektrodynamik, wobei man den Feldern noch eine Quantisierung unterziehen muss, da man nur so vernünftig eine vereinigte Theorie mit mehr als einem Teilchen formulieren kann.

Dass man nun bei der Quantenmechanik den Wechselwirkungsteil nur als effektive Funktionen aber nicht als dynamische Freiheitsgrade berücksichtigt, führt zu Unzulänglichkeiten in der quantenmechanischen Beschreibungen von Prozessen welche die EM Wechselwirkung mit einbeziehen. Ist das richtig?
index_razor



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Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 22. März 2023 17:43    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:

Also mein Problem mit der Quantenmechanik ist ja nicht die Berechnung der Übergangsmatrixelemente. Generell ist mir auch klar wie man etwas in der Quantenmechanik berechnet und auch die mathematische Logik der Quantenmechanik (ist ja meistens lineare Algebra) ist mir klar.
Mein Problem ist den theoretischen Formalismus mit realen Experimente in Verbindung zu bringen und mir ist nicht klar, dass die Übergangsmatrixelemente wirklich den gemessenen Spektrallinie entsprechen.


Die gemessenen Größen sind die Erwartungswerte von Feldkorrelationsfunktionen, sprich "Intensitäten", "Spektralverteilungen" etc., d.h. Eigenschaften des EM-Feldes. Aus der Quantenmechanik erhältst du als Ersatz die Spektralfunktion der Atomzustände



mit scharfen Peaks an den Stellen im Spektrum, die nichtverschwindende Übergangsamplituden mit den zugehörigen Eigenzuständen haben. Die Positionen stimmen aber nur näherungsweise, wenn die Wirkung der EM-Strahlung auf das Atom nicht berücksichtigt wird (Lamb-Shift). Diese Wechselwirkung trägt auch dazu bei, daß die Eigenzustände des atomaren Hamiltonoperators endliche Breite bekommen.

Zitat:

Es handelt sich bei der klassischen Elektrodynamik um eine klassische Feldtheorie.
Die klassische Mechanik ist keine Feldtheorie, aber wenn man zur Quantenmechanik geht, hat man eine klassische Feldtheorie für Materie (Schrödingerfeld).


Die Quantenmechanik ist keine klassische Feldtheorie für Materie. Bereits ein Zwei-Teilchen-Zustand läßt sich im allgemeinen nicht mehr durch eine Menge von Feldern beschreiben, sondern nur durch eine komplexe Funktion auf einem 6-dimensionalen Konfigurationsraum (im Gegensatz zu z.B. zwei Funktionen auf dem ). Diese Analogie führt also nicht weit.

Zitat:

Nun braucht man eine Theorie die beides vereint und sowohl Materie als auch Wechselwirkungsfelder als dynamische Größte mit einfließen, um wirklich beides angemessen zu berücksichtigen. Ich habe dabei mal außen vorgelassen, dass man dafür eine lorentzinvariante Form der Quantenmechanik braucht.
Das liefert dann wohl die Quantenelektrodynamik, wobei man den Feldern noch eine Quantisierung unterziehen muss, da man nur so vernünftig eine vereinigte Theorie mit mehr als einem Teilchen formulieren kann.


Ja, die Felder werden in der Quantenfeldtheorie zu Operatoren, was man als "Quantisierung" bezeichnet. Aber das Quantenfeld der Materie ist das quantisierte Diracfeld, nicht die 1-Teilchen-Wellenfunktion aus der Quantenmechanik. Das Diracfeld benötigt man allerdings nur, wenn man auch die Materie relativistisch beschreiben muß, wie in der Hochenergiephysik. Ansonsten kann man auch die klassischen Bewegungsgleichungen für Teilchen im EM-Feld quantisieren, was man in Anwendungen der Quantenoptik macht. Dabei wird die Materie nach wie vor durch Punktteilchen, nicht durch Felder beschrieben.

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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 22. März 2023 19:13    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Schwierigkeit ist doch nicht, dieses Übergangsmatrixelement zu berechnen, sondern es mit dem Experiment zu verknüpfen. Aber du denkst hier falsch herum. Historisch betrachtet war es doch nicht so, dass man das Matrixelement kannte und anschließend versucht hat, es zu verstehen und zu interpretieren. Es lag ein physikalisches Problem vor, und man hat versucht, ein einfaches Modell zu entwickeln, um es zu berechnen. Dieses Modell benutzt eben die zeitabhängige Störungstheorie und das externe Feld. Nachdem das funktioniert hat, war man erst mal zufrieden (ok, natürlich war den Physikern die Unvollständigkeit bewusst, weswegen ja letztlich die Quantenfeldtheorie entwickelt wurde).

Also mein Problem mit der Quantenmechanik ist ja nicht die Berechnung der Übergangsmatrixelemente. Generell ist mir auch klar wie man etwas in der Quantenmechanik berechnet und auch die mathematische Logik der Quantenmechanik (ist ja meistens lineare Algebra) ist mir klar.
Mein Problem ist den theoretischen Formalismus mit realen Experimente in Verbindung zu bringen und mir ist nicht klar, dass die Übergangsmatrixelemente wirklich den gemessenen Spektrallinien entsprechen.

Was genau ist dir denn unklar? Welche Formel bzw. welche Interpretation einer Formel?

Zunächst mal wird ja die Energie der Spektrallinien reproduziert.

Evtl. eine ganz gute Grundlage für eine Diskussion: http://www.physik.uni-leipzig.de/~rudolph/qm2.pdf


Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Natürlich kann man einmal die Übergangsmatrixelemente berechnen, diese mit experimentellen Daten vergleichen und dann findet man eine experimentelle Übereinstimmung.
Und da bin ich mir halt noch unsicher, was mein eigenes Unverständnis ist und was davon einfach ein Artefakt einer (unbekannten) Näherung ist, denn die Quantenmechanik ist ja offenbar eine Näherung etwas Fundamentalerem.

Wie gesagt, der wesentliche Knackpunkt ist, dass man einen Übergang mittels eines künstlich eingeführten externen Feldes beschreibt, obwohl in der Realität Quanten dieses Feldes produziert werden.

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Die Quantenmechanik ist schließlich keine Wechselwirkungstheorie und beschreibt die Dynamik von Materie. Wechselwirkung fließt in die Theorie effektiv über Potentialfunktionen ein. Die Theorie macht aber überhaupt keine Aussage darüber wo die Wechselwirkung herkommt.

Na ja, wenn du nach langer Rechnung den Hamiltonoperator der Quantenelektrodynamik anschaust, dann läuft das letztlich auf eine Art quantenmechanisches Vielteilchenproblem hinaus; die dir vertrauten Felder sind dann verschwunden.

Schau dir mal den einfachen quantenmechanischen Hamiltonian



an. Die ersten beiden Terme beschreiben üblicherweise ein a- und ein b-Teilchen in einem mehrdimensionalen harmonischen Oszillatorpotential (Summen über n bzw. k über die Dimensionen).

In der Quantenfeldtheorie interpretiert man nun die Eigenzustände des harmonischen Oszillators neu als Mehrteilchenzustände, d.h. ein Zustand mit |... N_n ...>, der bisher der N_n-ten Anregung eines Teilchens entsprach, wird als Zustand mit N_n einzelnen Quanten interpretiert. Die Algebra bleibt unangetastet.

Der dritte Term macht nun etwas Seltsames: das a_m reduziert das zugehörige N_m im Zustandsvektor um Eins, das a_n dagger erhöht das N_n um Eins. Außerdem wird das N_k für das b erhöht. (Und bei komplizierter Matrix Gamma resultiert eine riesige Summe über alle nicht-verschwindenden Terme)

Im einfachsten Fall liefert die Anwendung eines Terms der dritten Summe von H auf einen Zustand soetwas wie



In der Quantenmechanik interpretiert man das als Übergang eines a-Teilchens von einem in ein anderes Energieniveaus, sowie als Übergang des b-Teilchens vom Grundzustand in ein höheres Energieniveau.

Gemäß der Quantenfeldtheorie verschwindet das eine a-Quant, dafür tauchen ein anderes a-Quant und ein neues b-Quant auf - und man interpretiert das als Übergang des a-Quants von m nach n sowie als Erzeugung eines b-Quants.

Das einzige Problem, das wir in der Quantenmechanik bzgl. der Strahlungsübergänge also haben ist, dass wir kein b-Quant betrachten können - sie sind einfach nicht da - sondern ausschließlich a-Quanten.

D.h. der letzte Term ist stattdessen irgendetwas wie



ohne b's, wobei in Gamma der Effekt des künstlichen externen E-Feldes steckt.

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Nun braucht man eine Theorie die beides vereint und sowohl Materie als auch Wechselwirkungsfelder als dynamische Größte mit einfließen, um wirklich beides angemessen zu berücksichtigen. Ich habe dabei mal außen vorgelassen, dass man dafür eine lorentzinvariante Form der Quantenmechanik braucht.
Das liefert dann wohl die Quantenelektrodynamik, wobei man den Feldern noch eine Quantisierung unterziehen muss, da man nur so vernünftig eine vereinigte Theorie mit mehr als einem Teilchen formulieren kann.

Ja, das habe ich oben ganz grob skizziert.

Evtl. ist wirklich nur das dein Problem: du suchst in der QM etwas, was nicht drin steckt - das Photon. Aber der Effekt des Photonfeldes steckt in guter Näherung in dem Hamiltonoperator der zeitabhängigen Störungstheorie.


Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Dass man nun bei der Quantenmechanik den Wechselwirkungsteil nur als effektive Funktionen aber nicht als dynamische Freiheitsgrade berücksichtigt, führt zu Unzulänglichkeiten in der quantenmechanischen Beschreibungen von Prozessen welche die EM Wechselwirkung mit einbeziehen. Ist das richtig?

Ja, das ist richtig.

Wobei man eben zwei Dinge unterscheiden muss: dass die quantitativen Ergebnisse nicht genau passen, und dass die qualitative Erklärung irgendwie holprig ist.

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Quantumdot
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Beitrag Quantumdot Verfasst am: 22. März 2023 23:39    Titel: Antworten mit Zitat

Mein Verständnisproblem entsteht durch dem was ich häufig in der Lehrbuchliteratur lese, was index_razor gesagt hat und wie man das Experiment in der Realität durchführt.

Im Nolting steht zum Beispiel sowas wie, dass man annimmt das Elektron befinde sich in einem Energieeigenzustand. Dann entwickelt man eben diesen Zustand nach der Zeit und nähert dies halt durch ne Störungsreihe an.
Anschließend berechnet man halt die Übergangswahrscheinlichkeit in einen anderen Zustand und sagt, dass dort eine der Spektrallinien liegt. Im Nolting steht sogar sowas wie, dass das Elektron in diesen Zustand hüpft aufgrund von Wechselwirkungen mit umliegenden Teilchen, was dann eine "Messung" sei. keine Ahnung inwiefern das stimmt.

Auf der anderen Seite sagt index_razor, dass dieser Sprung in das andere Energieniveau nicht stattfindet.

Wenn man nun das reale Experiment betrachtet, würde man wahrscheinlich Wasserstoff in einer Balmerlampe betrachten. In der Lampe werden Wassermoleküle in angeregtes atomares Wasserstoff und eine Hydroxylgruppe aufgespalten. Durch spontane Emission (gibts in der Quantenmechanik ja nicht) geht der Wasserstoff in den Grundzustand über und die abgegebene Energie ist dann die EM-Strahlung, die man misst.

Aus quantenmechanischer Sicht gibt es für mich keinen Grund anzunehmen, dass das Elektron sich am Anfang in einem bestimmten Energieeigenzustand befindet. Darüber hat man eigentlich gar keine Information. Es könnte auch in irgendwelchen Superpositionszuständen (in Bezug zur Eigenbasis des Hamiltonoperators) sein.
Und wenn man das nun annimmt, dann befindet sich das Elektron aufgrund der expliziten Zeitabhängigkeit nach kurzer Zeit in einem Superpositionszustand.
ich weiß, dass das grad ein wenig schief ist, weil der eigentliche Prozess hierbei die spontane Emission ist, die es in der Quantenmechanik gar nicht gibt, aber man kann es sich theoretisch ja mit der stimulierten Emission ähnlich vorstellen.

Wenn das Elektron nun nach kurzer Zeit in einem Superpositionszustand ist, dann müsste doch, damit EM-Wellen in entsprechender Frequenz abgegeben werden können, ein entsprechender Übergang in einen Eigenzustand stattfinden. Es gibt für mich aber keinen Grund der dies veranlasst (Stichwort Messung) und laut index_razor passiert das auch nicht.

verstehst du jetzt besser mein Problem?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 23. März 2023 00:55    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Mein Verständnisproblem entsteht durch dem was ich häufig in der Lehrbuchliteratur lese, was index_razor gesagt hat und wie man das Experiment in der Realität durchführt.

Was index_razor sagt ist evtl. etwas abstrakt und mag zu kompliziert klingen; im Gegensatz dazu klingt Nolting sicher einfacher. Der Punkt ist aber, dass das, was index_razor sagt, eigentlich immer sehr präzise und korrekt ist - Nolting dagegen ...

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Im Nolting steht zum Beispiel sowas wie, dass man annimmt das Elektron befinde sich in einem Energieeigenzustand. Dann entwickelt man eben diesen Zustand nach der Zeit und nähert dies halt durch ne Störungsreihe an.
Anschließend berechnet man halt die Übergangswahrscheinlichkeit in einen anderen Zustand und sagt, dass dort eine der Spektrallinien liegt. Im Nolting steht sogar sowas wie, dass das Elektron in diesen Zustand hüpft aufgrund von Wechselwirkungen mit umliegenden Teilchen, was dann eine "Messung" sei.

Vergiss bitte das mit der Messung.

Und "dass da etwas hüpft" ist sicher Käse. Der Zustand des Elektrons entwickelt sich unitär und stetig gemäß der zeitabhängigen Schrödingergleichung, d.h. die Komponente des einen Zustandes klingt exponentiell ab, die anderen wachsen.

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Auf der anderen Seite sagt index_razor, dass dieser Sprung in das andere Energieniveau nicht stattfindet.

Ja, es gibt keinen Sprung.

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Aus quantenmechanischer Sicht gibt es für mich keinen Grund anzunehmen, dass das Elektron sich am Anfang in einem bestimmten Energieeigenzustand befindet. Darüber hat man eigentlich gar keine Information. Es könnte auch in irgendwelchen Superpositionszuständen (in Bezug zur Eigenbasis des Hamiltonoperators) sein.

Stimmt.

Das ändert aber nichts daran, dass für jede Komponenten des Eingangszustandes |m> wieder das selbe gilt: es folgen scharfe Spektrallinien für die Zielzustände |n>



Das Problem der Messung - was genau eine Messung ist, wann sie erfolgt, wie und warum genau es der vielen möglichen Messergebnisse realisiert wird - bleibt bestehen. Das ist bis heute das zentrale, ungelöste Problem der Quantenmechanik.

Im vorliegenden Fall ist das aber gerade kein Problem. Gefragt ist zunächst nach den möglichen Spektrallinien und deren statistischen Gewichten. Genau das liefern dir die Übergangsmatrixelemente. Ein Problem mit der Messung hast du erst dann, wenn du nach einem einzelnen Elektron fragst.

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
... dann müsste doch, damit EM-Wellen in entsprechender Frequenz abgegeben werden können, ein entsprechender Übergang in einen Eigenzustand stattfinden. Es gibt für mich aber keinen Grund der dies veranlasst (Stichwort Messung) und laut index_razor passiert das auch nicht.

Vergiss die Messung.

Was meinst du mit "Es gibt für mich aber keinen Grund der dies veranlasst"? Und mit "laut index_razor passiert das auch nicht"

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
verstehst du jetzt besser mein Problem?

Ja, du bringst die Mathematik und die Interpretation nicht übereinander, und du liest verschieden Texte, die irgendwie nicht zusammenpassen. Und du hast ein Problem mit dem Verständnis von „Messung“.

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Beitrag TomS Verfasst am: 23. März 2023 07:35    Titel: Antworten mit Zitat

Mal ein anderes Beispiel. Betrachte die radioaktiven Zerfallskanäle von Polonium 198:





Dem entsprechen Matrixelemente





Ersteres weißt eine scharfe Linie für das alpha-Spektrum auf, letzteres aufgrund der drei Teilchen im Endzustand ein kontinuierliches beta-Spektrum. Quadrieren und Integrieren über alle Energien im Zielzustand liefert die 57 % bzw. 43 %.

Polonium 198 entsteht insbs. durch den alpha-Zerfall von Radon 202, das wiederum auch andere Zerfallskanäle aufweist. Davon ausgehend erhalten wir aus der Zeitentwicklung letztlich Superpositionszustände



Wie das genau berechnet wird, ist egal.

Sandwichen mit dem Eingangszustand von links liefert die Matrixelemente mit den Energiespektren der jeweiligen Zerfälle sowie den statistischen Gewichten a_1 usw.

Wenn du dir die mathematische Struktur ansiehst, enthält sie alles, was man aus dem Experiment kennt.

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Beitrag Quantumdot Verfasst am: 23. März 2023 12:17    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für deine Antwort.

Ganz klar ist es mir immer noch nicht.
Vielleicht ist es hilfreich, dass mal konkret an einem n-Zustandssystem durchzuspielen.

Angenommen wir haben ein System mit den Energie Zuständen
mit den Energien

Der Einfachheithalber nehmen wir an, dass das System irgendwie so präpariert sei, dass wir wissen, dass es sich zu t= 0 im Zustand befindet.

Dieses System wird durch ein zeitabhängiges EM-Feld gestört. Dadurch befindet sich sich nach einer Zeit t in dem folgenden Superpositionszustand.



Jetzt betrachte ich die Änderung des Energiemittelwerts in Bezug zum Anfangszustand, d.h.


Setzt ich dort psi ein, bekomme ich nach einiger Rechnung und unter Ausnutzung von



Dieser Ausdruck beschreibt die mittlere Energieänderung des Systems nach einer Zeit t. Es ist hier die totale Änderung. In dem Ausdruck ist aber bereits ersichtlich, dass sich die totale Änderung aus verschiedenen Anteilen zusammensetztn, die man später mit den Frequenzen der emittieren Strahlung in Verbindung bringt. Mehr oder weniger scheint die Energieänderung sich aus den Differenzen der Energieeigenzustände zusammenzusetzen.
bezeichnet dabei den Anteil des "Übergangs" an der Gesamtenergie. Um Das jetzt mit Frequenzen in Verbindung zu bringen, müsste man jetzt sowas machen:


mit

Ist das an dieser Stelle im Rahmen der Quantenmechanik eine Annahme? weil man da ja die hineingesteckt hat, dass die Energie von EM-Strahlung mit einer frequenz omega gequantelt ist.

ich fühle mich auch noch unwohl dabei, dass ich eine mittlere Energie betrachte und das ist ja keine echte Energie die, das Teilchen zu einer Zeit t hat, sondern, würde man die Energie mehrmals "messen" und darüber mitteln, würde man diese Energie erhalten.
Außerdem ist mir immer noch unklar, wie man wirklich sauber darauf schließen kann, dass die einzelnen Summanden den real gemessenen Spektrallinien entsprechen. Vielleicht ist das ein wenig kleinlich, aber ich möchte es halt genau verstehen.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 23. März 2023 13:27    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Mein Verständnisproblem entsteht durch dem was ich häufig in der Lehrbuchliteratur lese, was index_razor gesagt hat und wie man das Experiment in der Realität durchführt.

Im Nolting steht zum Beispiel sowas wie, dass man annimmt das Elektron befinde sich in einem Energieeigenzustand. Dann entwickelt man eben diesen Zustand nach der Zeit und nähert dies halt durch ne Störungsreihe an.
Anschließend berechnet man halt die Übergangswahrscheinlichkeit in einen anderen Zustand und sagt, dass dort eine der Spektrallinien liegt. Im Nolting steht sogar sowas wie, dass das Elektron in diesen Zustand hüpft aufgrund von Wechselwirkungen mit umliegenden Teilchen, was dann eine "Messung" sei. keine Ahnung inwiefern das stimmt.


Mich würde interessieren was laut Nolting mit einem isolierten Atom passiert, das sich in einem angeregten Eigenzustand seines ungestörten Hamiltonoperators befindet. Bleibt es stabil, weil keine "umliegenden Teilchen" anwesend sind, mit denen es wechselwirken kann, und emittiert es folglich nie Strahlung? Das ist natürlich nicht der Fall. Die relevante Wechselwirkung findet zwischen Atom und dem EM-Feld statt, welches auch das einzige Medium ist, durch das verschiedene Atome miteinander wechselwirken. Es landet nach einiger Zeit im Grundzustand, d.h. es gilt , aber es "hüpft" dort nicht hin.

Ich kenne den Nolting nicht, aber vielleicht lohnt sich ein Vergleich mit Mandel, Wolf, "Optical Coherence and Quantum Optics". In Kap. 15 geht es um die Wechselwirkung eines Atoms mit dem EM-Feld. Dort werden die normalen quantenmechanischen Bewegungsleichungen für das gekoppelte System aus Atom und elektrischem Feld gelöst. Das Atom befindet sich anfangs in einem beliebigen Mischzustand (also noch allgemeiner als eine reine Superposition). Daraus werden dann physikalische Größen wie die Intensität der emittierten Strahlung ausgerechnet (also genau die Art von Größe, die du in deinem letzten Beitrag als "nicht echt" bezeichnet hast) um Phänomene wie spontane Emission zu beschreiben. Dabei gibt es keine Sprünge. Bei der nichtperturbativen Behandlung im Heisenbergbild gibt es nicht mal Photonen. Es gibt ein zeitabhängiges Feld und dessen Erwartungswerte im elektromagnetischen Vakuum.

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Zuletzt bearbeitet von index_razor am 23. März 2023 13:54, insgesamt 3-mal bearbeitet
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Beitrag index_razor Verfasst am: 23. März 2023 13:33    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:

Ist das an dieser Stelle im Rahmen der Quantenmechanik eine Annahme? weil man da ja die hineingesteckt hat, dass die Energie von EM-Strahlung mit einer frequenz omega gequantelt ist.


Ich würde sagen die Annahme ist: wenn die mittlere Energie abnimmt, muß sie irgendwo geblieben sein. Wenn man genauer beschreiben will wo sie geblieben ist, muß man zusätzliche Freiheitsgrade einführen, die Energie tragen können und mit dem Atom wechselwirken. Diese Freiheitsgrade beschreiben das elektromagnetische Feld. Ohne dieses Feld hat man keine Grundlage von "Photonen" zu reden.

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Zuletzt bearbeitet von index_razor am 23. März 2023 15:57, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag TomS Verfasst am: 23. März 2023 13:45    Titel: Antworten mit Zitat

Ich weiß nicht, was du mit der Betrachtung der mittleren Energie bezweckst. Willst du darauf hinaus, dass Energie fehlt, und man nicht weiß, wo sie steckt? Ja, sie fehlt, weil der Hamiltonoperator zeitabhängig und die Energie daher nicht erhalten ist. Und sie steckt nirgendwo, weil es kein Photonfeld gibt, in dem sie stecken könnte; dazu benötigst du die QED.

Hast du dir mal mein Spielzeugmodell oben angesehen? Das enthält dieses Problem nicht.


Dann musst du annehmen, dass du ein Photon registrierst und dass dieses aus genau einem Zielzustand d.h. aus genau einem Übergang stammt, obwohl deine Zeitentwicklung eine Superposition von Zuständen enthält. Das ist das Messproblem, das dir in irgendeiner Form in jeder Interpretation der Quantenmechanik über den Weg läuft.

Und ja, du musst ansetzen, dass die elektromagnetische Strahlung im Zuge des Übergangs gequantelt ist, obwohl du die Berechnung mittels eines künstlichen externen klassischen Feldes durchgeführt hast. Das ist wieder das o.g. Problem, dass die Berechnung gerade keine Photonen enthält.

Wie man sauber darauf schließen kann, dass die einzelnen Summanden den real gemessenen Spektrallinien entsprechen, entspräche einer Lösung des Messproblems - wofür's dann ein Ticket nach Stockholm für dich gäbe.

Ganz allgemein:

Du präparierst ein System, in einem Zustand psi(0), dieses entwickelt sich in den Zustand psi(t). Du misst eine Observable A und stellst psi(t) als Superposition bzgl. der Eigenbasis zu A dar; d.h.



Du beobachtest jedoch keine derartige Superposition, sondern immer nur einen einzelnen Zustand. Dies hängt eng mit dem Messproblem zusammen, und dafür ist keine mathematische Lösung oder Interpretation bekannt, die alle zufriedenstellt.

Ich sehe also zwei Probleme:
1) ein deiner Meinung nach unzureichendes Modell ohne Photonen, mit dem jedoch Photonen beschrieben werden; teilweise stattgegeben, sonst bräuchte es die QED nicht; dennoch liefert dieses Modell quantitativ sehr vernünftige Aussagen
2) ein deiner Meinung nach ungelöstes Problem im Umfeld der Messung, des Kollapses der Wellenfunktion bzw. der Zustandsreduktion, die stochastische Auswahl genau eines Ergebnisses trotz deterministischer Schrödingergleichung ... stattgegeben

(1) wird durch die QED gelöst, und (2) entweder durch "shut-up-and-calculate" d.h. "was interessiert der genaue Vorgang solange die Ergebnisse passen - oder es bleibt bis auf weiteres ungelöst; willkommen im Club.

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Beitrag Quantumdot Verfasst am: 23. März 2023 14:25    Titel: Antworten mit Zitat

Ich bin grad am Arbeiten weshalb ich nicht auf alles eingehen kann, wobei ich da viele interessante Gedanken finde, aber ich wollte noch einen Punkt aufgreifen. Auf den Rest gehe ich heute Abend ein.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Es landet nach einiger Zeit im Grundzustand, d.h. es gilt , aber es "hüpft" dort nicht hin.



In unserem Bildungssystem betrachtet man Spektrallinien bereits ohne sich um den quantenmechanischen Formalismus zu kümmern.
Dort tauchen dann Begriffe wie Orbitale und Quantensprünge auf. Man vermittelt die Vorstellung, dass das Elektron eines Wasserstoffatoms sich in einem Orbital (quantenmechanisch Eigenzustände des Hamiltonoperators und visualisiert als Betragsquadrat) befindet. und dann zwischen diesen Orbitalen Sprünge ausführt.
Ist das dann nicht eigentlich höchst irreführend, wenn nicht gar falsch? Denn erstens muss das Elektron sich gar nicht in einem der Orbitalzustände befinden und zweitens springt das Elektron gar nicht, sondern unterliegt einer stetigen unitären Zeitentwicklung.

Ich glaube, dass diese "Vorbildung" bei mir auch ein Hindernis war die Quantenmechanik zu verstehen.
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Beitrag TomS Verfasst am: 23. März 2023 14:42    Titel: Antworten mit Zitat

Zustimmung.

Diverse Probleme beim Verständnis der Quantenmechanik (und einige im Falle der Relativitätstheorie) sind dieser "Vorbildung" geschuldet. Es ist nicht leicht, diese "Vorbildung" zu vermeiden, auch an sich namhafte Wissenschaftler sind kein Garant für eine vernünftige Darstellung.

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Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 23. März 2023 15:16    Titel: Antworten mit Zitat

Witzigerweise kann man im Rahmen der de-Broglie-Bohm-Interpretation den "Quantensprung" anschaulich erklären. Es funktioniert aber nicht, wenn man mit dem reinen Zustand "high" beginnt und der niemals eine Störung erfährt. Ob es den jemals gibt und wie man das nachweisen würde ist die andere Frage.

Mischt man "high" mit ein bisschen "low", dann gibt es Interferenz und das Teilchen führt eine Schwingung mit der Frequenz (E_high - E_low) / h (bzw. Kreisfrequenz (E_high - E_low) / hquer) aus und erfährt eine zusätzliche Bremskraft aus der Rückwirkung der Bremsstrahlung, was wiederum die Psi-Welle beeinflusst.

Es ist in dieser Interpretation kein Sprung, sondern benötigt Zeit.

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Beitrag TomS Verfasst am: 23. März 2023 16:18    Titel: Antworten mit Zitat

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Es ist in dieser Interpretation kein Sprung, sondern benötigt Zeit.

Das ist kein Alleinstellungsmerkmal der de-Broglie-Bohm-Interpretation. Es gibt diverse non-collapse Interpretationen, allerdings ist keine wirklich allgemein akzeptiert, jede hat ihre eigenen Probleme.

Ich denke auch nicht, dass es sinnvoll ist, hier in irgendwelche Details abzutauchen. Der Punkt ist, dass der Fragesteller versteht, dass er mit seinen Problemen keineswegs alleine dasteht, und dass ein Teil seiner Verständnisprobleme der Literatur geschuldet sind, nicht sein Unvermögen.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 23. März 2023 16:30    Titel: Antworten mit Zitat

Es geht hier m.E. weder um das Meßproblem noch um die Unterschiede in den Interpretationen der QM, sondern um die Frage wie man prinzipiell in der Quantentheorie Atomspektren berechnet. Anders als das Meßproblem ist dies kein kontroverses Thema, auch wenn einige Lehrbücher es vielleicht besser erklären als andere. Insbesondere benötigt man in der Berechnung keine Quantensprünge. Das bedeutet noch nicht, daß Kollapsinterpretationen falsch sind, sondern nur, daß diese Frage nicht anhand des Problems der Atomspektren entschieden werden kann.
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Beitrag Quantumdot Verfasst am: 25. März 2023 18:43    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich weiß nicht, was du mit der Betrachtung der mittleren Energie bezweckst. Willst du darauf hinaus, dass Energie fehlt, und man nicht weiß, wo sie steckt? Ja, sie fehlt, weil der Hamiltonoperator zeitabhängig und die Energie daher nicht erhalten ist. Und sie steckt nirgendwo, weil es kein Photonfeld gibt, in dem sie stecken könnte; dazu benötigst du die QED.



Man kann hier zwei Standpunkte vertreten:
1. Die Grundgleichung ist nicht zeittranslationsinvariant. Folglich gibt es keine Energieerhaltung.
2. Das Modell ist unvollständig und aufgrund von Erfahrung, vermutet man, dass es ein Photonenfeld gibt in das die Energie reingeht.

Die Energiedifferenz stellt sich ja als Summe von den Energiedifferenzen der Energieeigenzustände dar. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass entsprechende Photonen emittiert werden. Unklar an dieser Stelle ist mir, dass man immer noch einen Superpositionszustand hat.
Mir ist auch nicht klar wie das von der QED gelöst wird.

In der QED macht man soweit ich weiß gerne störungstheoretische Betrachtungen.
Man geht von einem Anfangszustand aus, dann passiert eine Wechselwirkung und über bleibt ein Endzustand. Auch hier drückt man das durch Übergangsamplituden aus, aber auch hier hat man im Allgemeinen Superpositionszustände. Mal angenommen man habe nen Zustand, der ein Elektron und ein Positron repräsentiert. Jetzt kommt die Wechselwirkung und hinterher hat man zwei Photonen. Im Allgemeinen hat man doch dann am Ende nicht zwangsläufig diesen zwei Photonenzustand sondern da mischen sich noch irgendwelche anderen Zustände zu.
Oder greift hier das Messproblem, weil man anschließend eine "Photonenmessung" macht, wie auch immer das dann aussieht.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 25. März 2023 19:38    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:

Die Energiedifferenz stellt sich ja als Summe von den Energiedifferenzen der Energieeigenzustände dar. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass entsprechende Photonen emittiert werden. Unklar an dieser Stelle ist mir, dass man immer noch einen Superpositionszustand hat.
Mir ist auch nicht klar wie das von der QED gelöst wird.


Wie was gelöst wird? Jeder Zustand ist ein Superpositionszustand bzgl. irgendeiner Basis. Zustände mit fester Photonenzahl sind lediglich Eigenzustände des Hamiltonoperators des ungestörten (freien) EM-Feldes. Diese Basis spielt nur eine pragmatische Rolle z.B. bei der störungstheoretischen Berechnung von Streuprozessen, da dort nach einer gewissen Zeit tatsächlich freie Felder vorliegen, deren Energieverteilung man u.a. messen will. Du könntest aber zumindest prinzipiell genauso gut z.B. kohärente Zustände (ohne scharfe Photonenzahl) betrachten.

Zitat:

Jetzt kommt die Wechselwirkung und hinterher hat man zwei Photonen. Im Allgemeinen hat man doch dann am Ende nicht zwangsläufig diesen zwei Photonenzustand sondern da mischen sich noch irgendwelche anderen Zustände zu.
Oder greift hier das Messproblem, weil man anschließend eine "Photonenmessung" macht, wie auch immer das dann aussieht.


Das Meßproblem hast du, wenn du vorhersagen willst, wie die Detektorantwort auf den Endzustand eines Einzelsystems lautet, der eine Superposition von Eigenzuständen der gemessenen Größe ist. Ohne ein hinreichend detailliertes Modell des Detektors bleibt dir nur die empirisch gerechtfertigte Aussage, daß die statistische Verteilung der Meßergebnisse in einem Ensemble gleichpräparierter Systeme den Übergangswahrscheinlichkeiten ihrer Endzustände zu den zugehörigen Eigenzuständen entspricht. (Das kann man aber vermutlich genauso gut als notwendige Bedingung für einen "Detektor" ansehen.)

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Beitrag TomS Verfasst am: 25. März 2023 23:39    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Man kann hier zwei Standpunkte vertreten:
1. Die Grundgleichung ist nicht zeittranslationsinvariant. Folglich gibt es keine Energieerhaltung.
2. Das Modell ist unvollständig und aufgrund von Erfahrung, vermutet man, dass es ein Photonenfeld gibt in das die Energie reingeht.

Beides ok.

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Die Energiedifferenz stellt sich ja als Summe von den Energiedifferenzen der Energieeigenzustände dar. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass entsprechende Photonen emittiert werden. Unklar an dieser Stelle ist mir, dass man immer noch einen Superpositionszustand hat.

Warum genau ist das unklar?

Ich habe den Eindruck, du vermutest aufgrund irgendeiner Aussage in der Literatur, dass hier Messung vorliegen soll. Das ist nicht der Fall (und selbst wenn es so wäre, bliebe das Messproblem erst mal bestehen; dein Problem ist aber noch gar nicht das Messproblem).

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Mir ist auch nicht klar wie das von der QED gelöst wird.

Welches Problem genau soll die QED lösen? Gleichartige Quantisieren aller Felder, explizite Betrachtung von Photonen, Energieerhaltung? Das löst sie? Verschwinden von Superpositionen und Lösung des Messproblems? Das löst die nicht.

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
In der QED macht man soweit ich weiß gerne störungstheoretische Betrachtungen.
Man geht von einem Anfangszustand aus, dann passiert eine Wechselwirkung und über bleibt ein Endzustand. Auch hier drückt man das durch Übergangsamplituden aus, aber auch hier hat man im Allgemeinen Superpositionszustände. Mal angenommen man habe nen Zustand, der ein Elektron und ein Positron repräsentiert. Jetzt kommt die Wechselwirkung und hinterher hat man zwei Photonen. Im Allgemeinen hat man doch dann am Ende nicht zwangsläufig diesen zwei Photonenzustand sondern da mischen sich noch irgendwelche anderen Zustände zu.

Prinzipiell hast du eine Superposition aller erreichbaren Endzustände. Praktisch wird man in der Störungstheorie nur einen Teil davon betrachten.

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Oder greift hier das Messproblem, weil man anschließend eine "Photonenmessung" macht, wie auch immer das dann aussieht.

Ja, natürlich spielt letztlich das Messproblem eine Rolle, weil aus der Gesamtheit aller möglichen Endzustände nur genau einer hervorgeht.

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Beitrag Quantumdot Verfasst am: 26. März 2023 20:07    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Warum genau ist das unklar?

Ich habe den Eindruck, du vermutest aufgrund irgendeiner Aussage in der Literatur, dass hier Messung vorliegen soll. Das ist nicht der Fall (und selbst wenn es so wäre, bliebe das Messproblem erst mal bestehen; dein Problem ist aber noch gar nicht das Messproblem).


Mir ist halt unklar wodurch sich entscheidet, dass mit der Wahrscheinlichkeit, die sich aus der Übergangsamplitude ergibt (von bspw 2p nach 1s) ein Photon der entsprechenden Frequenz emittiert wird, was man letzten Endes in einem Detektor messen kann.
Vor der Emission hat man ja einen Superpositionszustand in dem auch Anteile von anderen Übergängen drinstecken.
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Beitrag TomS Verfasst am: 27. März 2023 00:57    Titel: Antworten mit Zitat

Kurz gesagt, du verstehst nicht, wie im Falle eines Superpositionszustandes genau einer der möglichen Zielzustände ausgewählt wird.

Aus dem angeregten Zustand 3p sind zwei mögliche Übergänge nach 1s oder 2s erlaubt. In der QED entwickelt sich der 3p-Zustand in eine Superposition



wobei jeder Zielzustand auch ein Photon geeigneter Frequenz enthält.

Ist das dein Problem? Dabei handelt es sich um das mehrfach genannte Messproblem.

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Beitrag Quantumdot Verfasst am: 27. März 2023 02:30    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:


Ist das dein Problem? Dabei handelt es sich um das mehrfach genannte Messproblem.


Ja das ist mein Problem.
Aber wo findet da eine Messung statt?
Quantumdot
Gast





Beitrag Quantumdot Verfasst am: 27. März 2023 02:55    Titel: Antworten mit Zitat

Sorry für den Doppelpost, aber mir fiel noch was ein.
Und zwar habe ich ein generelles Problem den Formalismus mit experimentellen Situationen in Einklang zu bringen.
Dazu musst du wissen, dass ich einen Mathe und Informatik Hintergrund habe.

Ich glaube ich habe schon ein recht gutes Verständnis vom quantenmechanischen Formalismus erlangt. Von mathematischer Perspektive ist das ja hauptsächlich lineare Algebra oder genauer Funktionalanalysis.

Ich habe aber jetzt ein Problem damit zu sagen was ich machen muss, um eine bestimmte Größe zu messen. Nehmen wir mal als Beispiel den Impuls.
Die Definition aus der klassischen Mechanik als Produkt von Masse von Geschwindigkeit, ist auf die Quantenmechanik nicht ohne Weiteres anwendbar, weshalb man sich erstmal klar machen muss, was Impuls da überhaupt bedeutet. In Anfängervorlesungen und Literatur fällt der Impulsoperator in Ortsdarstellung einfach so vom Himmel und es werden halbgare Begründungen dazu gegeben. Meine derzeitige Vorstellung ist, dass man solche Größen in der Quantenmechanik über Symmetrietransformationen definieren muss. Beim Impuls bedeutet das, dass der Impulsoperator der Generator von räumlichen Translationen ist. Das legt den Impulsoperator bis auf einer Konstanten fest, wenn man noch fordert, dass er hermitesch sein muss.
Das Eigenwertspektrum sind dann die Impulswerte.
Soweit so gut, ist das meine Vorstellung von Impuls. Wenn ich jetzt ein Quantensystem habe, woher weiß ich dann, wie ein Messsystem aufgebaut sein muss, um den Impuls zu messen?

Und noch eine andere Frage. Wie kann ich atomaren Wasserstoff experimentell so präparieren, dass ich genau sagen kann, dass es sich bspw im Zustand befindet.

Mein Problem dabei ist halt, dass man zwar sagt, dass man hermitesche Operatoren hat und deren Eigenwerte Messwerte sind, aber ich überhaupt keinen Anhaltspunkt habe anhand dessen ich sagen kann von welchem hermiteschen Operator es die Eigenwerte misst.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 27. März 2023 06:59    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
… weshalb man sich erstmal klar machen muss, was Impuls da überhaupt bedeutet … Meine derzeitige Vorstellung ist, dass man solche Größen in der Quantenmechanik über Symmetrietransformationen definieren muss. Beim Impuls bedeutet das, dass der Impulsoperator der Generator von räumlichen Translationen ist. Das legt den Impulsoperator bis auf einer Konstanten fest, wenn man noch fordert, dass er hermitesch sein muss.
Das Eigenwertspektrum sind dann die Impulswerte.

Da bist du doch gut unterwegs.

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich jetzt ein Quantensystem habe, woher weiß ich dann, wie ein Messsystem aufgebaut sein muss, um den Impuls zu messen?

Der mathematische Formalismus gibt dir tatsächlich recht wenig Hinweise, wie das Messgerät konkret zu konstruieren ist.

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Wie kann ich atomaren Wasserstoff experimentell so präparieren, dass ich genau sagen kann, dass es sich bspw im Zustand befindet.

Zu derartigen experimentellen Techniken muss ich selbst nachlesen.

Für eine weitere Diskussion solltest du dich aber auf ein Problem festlegen …

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TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 27. März 2023 08:30    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:
Ja das

TomS hat Folgendes geschrieben:
Aus dem angeregten Zustand 3p sind zwei mögliche Übergänge nach 1s oder 2s erlaubt. In der QED entwickelt sich der 3p-Zustand in eine Superposition



wobei jeder Zielzustand ein Photon geeigneter Frequenz enthält.

ist mein Problem.
Aber wo findet da eine Messung statt?

Hier hat noch keine Messung stattgefunden.

Führt man jedoch eine solche durch, so misst man im Detektor eben entweder das eine Photon oder das andere. Daraus schlussfolgert man, dass sich das Atom entweder im Zustand 1s oder im Zustand 2s befindet - nicht, wie es die Zeitentwicklung vorhersagt, im o.g. Superpositionszustand.

Der quantenmechanische Formalismus musste also ergänzt werden, dass nämlich im Kontext einer Messung eine andere Regel anzuwenden ist, derzufolge keine deterministische Zeitentwicklung gemäß der Schrödingergleichung erfolgt, sondern eine stochastische (Bornsche Regel, von Neumannsches Projektionspostulat).

Wie gesagt, bei diesem sogenannten Messproblem handelt es sich um das fundamentale Problem der Quantenmechanik, das sich bis heute einer zufriedenstellenden Lösung entzieht, und das bei der praktischen Anwendung zumeist ignoriert wird.

Ich schreibe später mehr dazu.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 27. März 2023 12:52, insgesamt einmal bearbeitet
Qubit



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Beitrag Qubit Verfasst am: 27. März 2023 10:16    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:

Ich habe aber jetzt ein Problem damit zu sagen was ich machen muss, um eine bestimmte Größe zu messen.


Wenn du in der QM eine "Messung" durchführst, dann setzt das letztlich - was immer dir auch Leute sagen wollen - einen "klassischen Messapparat" voraus, der keine Superposition möglicher Messergebnisse zeigt, sondern eben nur einen konkreten.
Das Problem aus QM-Sicht besteht darin, das QM-System und diesen (klassischen) Messapparat dabei quantenmechanisch zu beschreiben, also letztlich als ein QM-System (das dazu noch an die Umgebung koppelt).
Dabei darf dann auch der "klassische Schnitt" keine Rolle spielen, da aus Sicht der QM alles quantenmechanisch beschreibbar ist.
Ob das zu vermessende QM-System sich dabei selbst in einem Eigenzustand befindet, ist nur ein Postulat. Letztlich gibt es so ein isoliertes QM-System nicht mehr nach der Messung. Als "Hilfsbegriff" spricht man da historisch von einer "Präparation".
Quantumdot
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Beitrag Quantumdot Verfasst am: 27. März 2023 12:06    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Hier hat noch keine Messung stattgefunden.

Führt man jedoch eine solche durch, so misst man im Detektor eben entweder das eine Photon oder das andere. Daraus schlussfolgert man, dass sich das Atom entweder im Zustand 1s oder im Zustand 2s befindet - nicht, wie es die Zeitentwicklung vorhersagt, im o.g. Superpositionszustand.

Der quantenmechanische Formalismus musste also ergänzt werden, dass nämlich im Kontext einer Messung eine andere Regel anzuwenden ist, derzufolge keine deterministische Zeitentwicklung gemäß der Schrödingergleichung erfolgt, sondern eine stochastische ()Bornsche Regel, von Neumannsches Projektionspostulat).



Mal angenommen ich hätte ein Gas, diese Gasatome werden angeregt und es wird blaues Licht emittiert. Der Detektor befindet sich 100 meter davon weg.
Auf dem Weg zwischen dem System und dem Detektor kann ich meine Hand reinhalten. Dann stelle ich doch fest dass diese (bei ausreichender intensität) blau angeleuchtet wird. Ist die Hand für sich genommen schon eine Messung? Ist das Em-Feld bevor ich die Hand reinhalte nicht in einem Zustand eindeutiger Frequenz?
Sorry, aber mich verwirrt das total.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 27. März 2023 12:16    Titel: Antworten mit Zitat

Quantumdot hat Folgendes geschrieben:

Mir ist halt unklar wodurch sich entscheidet, dass mit der Wahrscheinlichkeit, die sich aus der Übergangsamplitude ergibt (von bspw 2p nach 1s) ein Photon der entsprechenden Frequenz emittiert wird, was man letzten Endes in einem Detektor messen kann.
Vor der Emission hat man ja einen Superpositionszustand in dem auch Anteile von anderen Übergängen drinstecken.


Das ist noch dieselbe Idee wie mit den Quantensprüngen im Atom nur erweitert um das EM-Feld. Aber die Antwort ist auch wieder dieselbe. Die Zeitenwicklung von Atom und EM-Feld ist immer noch vollkommen deterministisch und der Endzustand ist eindeutig definiert. Es gibt nicht mehrere mögliche Endzustände, und, entgegen deiner Unterstellung, entscheidet sich das System auch nicht irgendwann in einen Zustand mit fester Photonenzahl zu springen, wenn es vorher in einer Superposition von mehreren solcher Zustände war. (Dies wäre nur möglich, wenn die Dynamik selbst durch eine stochastische Differentialgleichung beschrieben würde. Solche Gleichungen verwendet man auch in der Quantenmechanik. Aber sie bedeuten immer, daß das System Umgebungseinflüssen unterworfen ist, die nicht im Detail modelliert werden. Solche Umgebungseinflüsse gibt es aber eben nicht in isolierten Systemen.)

Wie der Detektor auf diesen Superpositionszustand reagiert ist eine ganz andere und viel kompliziertere Frage. Und erst hier wird das Meßproblem überhaupt aufgeworfen. Dies hat nämlich nichts mit dem Endzustand des Systems zu tun, sondern besteht darin zu erklären, wieso das Meßgerät (oder makroskopische Systeme im allgemeinen) in einem Zustand mit scharfem Wert der Indikatorvariable übergehen und warum sich die statistische Verteilung dieser Meßwerte aus den Übergangswahrscheinlichkeiten des Endzustands von Atom und EM-Feld ergibt. Die Lösung dieser Probleme kannst du getrost (mußt du m.E. sogar) in die Dynamik des Meßgeräts verlegen. Wenn es dort keine Antwort gibt, dann nirgendwo in der Quantenmechanik.

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Beitrag TomS Verfasst am: 27. März 2023 12:55    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die Lösung dieser Probleme kannst du getrost (mußt du m.E. sogar) in die Dynamik des Meßgeräts verlegen. Wenn es dort keine Antwort gibt, dann nirgendwo in der Quantenmechanik.

Natürlich.

Aber so hat das der Nolting sicher nicht erklärt. Und eine Lösung hat das Messproblem auch dort nicht erfahren.

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index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 27. März 2023 13:26    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die Lösung dieser Probleme kannst du getrost (mußt du m.E. sogar) in die Dynamik des Meßgeräts verlegen. Wenn es dort keine Antwort gibt, dann nirgendwo in der Quantenmechanik.

Natürlich.

Aber so hat das der Nolting sicher nicht erklärt. Und eine Lösung hat das Messproblem auch dort nicht erfahren.



Ich glaube das muß es auch nicht. Ich hatte bisher auch nicht den Eindruck es ginge um die Dynamik des Detektors. Trotzdem erschienen mir die zitierten Aussagen Noltings fragwürdig. Deshalb habe ich ja oben als Vergleich Mandel, Wolf empfohlen. Da findet man übrigens auch eine semiklassische Beschreibung der Photodetektion, d.h ohne Photonen! Das sollte ein bißchen skeptisch machen gegenüber der Ansicht, einzelne Photonen seien letztlich das, was der Detektor registriert. Die Übergangswahrscheinlichkeiten der Atome im Detektor sind mit der Intensität des EM-Feldes (klassisch oder quantenmechanisch) verknüpft. Der Meßwert ist letztlich eine Zählrate, die der Detektor produziert; die gemessene Größe die Intensität des Feldes. Ein Einzelereignis (d.h. die Rate integriert über eine sehr kurze Zeit oder bei sehr geringer Intensität) ist keine Messung in diesem Sinne, weil kein Mensch im Detail weiß, was -- oder ob überhaupt irgendwas -- dieses Ereignis mit irgendeiner Eigenschaft des Systems zu tu hat. Viele Lehrbücher beantworten diese Frage einfach axiomatisch ohne die geringste physikalische Analyse des Meßprozesses, was verständlicherweise viele Fragen offen läßt.

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