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Andere von den Grenzen der Lichtgeschwindigkeit überzeugen - Seite 3
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Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
Beiträge: 824

Beitrag Qubit Verfasst am: 02. Feb 2021 16:37    Titel: Antworten mit Zitat

Nach meiner Erinnerung wird neben der Gruppeneigenschaft der linearwn homogenen Trafos (nur) vorausgesetzt, dass die resultierenden Kontraktionen nur vom Betrag der Relativgeschwindigkeiten abhängen sollen, nicht von ihrer Richtung?!

Aber ich weiss es nicht mehr ganz genau, schaue es mir heute abend nochmal genauer an..
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 02. Feb 2021 16:58    Titel: Antworten mit Zitat

Lass‘ mal; dieser Artikel wurde später mehrfach kritisiert. Alternativen nutzen dann die Maxwell-Gleichungen, aber das ist natürlich erst recht nicht Sinn der Sache.

Es gibt m.W.n. jedoch neuere Ansätze, die derartige Schwächen vermeiden. Ich bin auf der Suche.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
Beiträge: 824

Beitrag Qubit Verfasst am: 02. Feb 2021 17:04    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Lass‘ mal; dieser Artikel wurde später mehrfach kritisiert. Alternativen nutzen dann die Maxwell-Gleichungen, aber das ist natürlich erst recht nicht Sinn der Sache.

Es gibt m.W.n. jedoch neuere Ansätze, die derartige Schwächen vermeiden. Ich bin auf der Suche.


Okay, habe dir mal den Link zu dem Paper rausgesucht..
https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k15337j/f845.table

Vielleicht magst du trotzdem dir mal die ganze Publikation selber anschauen und deine Meinung kundtun?

Habe gerade etwas wenig Zeit dafür..
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 02. Feb 2021 18:08    Titel: Antworten mit Zitat

Einschub

Es gibt diverse Ansätze, auf das zweite Postulat zu verzichten und stattdessen Homogenität und Isotropie zu fordern.

https://zenodo.org/record/1424203
http://synset.com/pdf/100_en.pdf
https://arxiv.org/pdf/physics/0302045v1.pdf
https://arxiv.org/pdf/1412.4018.pdf

Auch wenn mir nicht alle Zusammhänge klar sind, sollte wohl gelten, dass nur drei mögliche linear-affine Transformationen mit dem Relativitätsprinzip sowie Homogenität und Isotropie vereinbar sind

Galilei-Invarianz (entspr. c = ∞)
Lorentz- bzw. Poincare-Invarianz (c)
(c = 0)
Da die Galilei-Invarianz experimentell widerlegt ist (c < ∞), bleibt die Lorentz- bzw. Poincare-Invarianz, die wiederum die Galilei-Invarianz als Grenzfall enthält.

Außerdem können logisch mittels Relativitätsprinzip sowie detailliert gruppentheoretisch *) drei „unverbundene“ Klassen von Teilchen identifiziert werden

v < c (m > 0, zeitartige)
v = c (m = 0, lichtartige)
v > c (m² < 0, tachonisch)

Letztere dürfen nicht zu v < c wechseln bzw. mit gewöhnlichen Teilchen in Wechselwirkung treten, da dies eine Verletzung der Kausalität zur Folge hätte *)

*) folgt erst mittels Lorentz- bzw. Poincare-Transformation, die noch abzuleiten ist.

M.E. müssen jedenfalls sämtliche Argumente für die drei Klassen separat untersucht werden.

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jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8571

Beitrag jh8979 Verfasst am: 02. Feb 2021 19:03    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Es gibt diverse Ansätze, auf das zweite Postulat zu verzichten und stattdessen Homogenität und Isotropie zu fordern.

Im Anhang des ersten Bandes der Bergmann-Schaefer-Reihe wird aus dem Relativitätsprinzip und der Homogenität under des Isotope des Raumes hergeleitet, dass das Transformationsgesetz aussieht wie die Lorentztransformation mit einer (noch experimentell zu bestimmenden) Grenzgeschwindigkeit.

Leider ist meiner hier gerade unter mehrere Umzugskisten versteckt und ich finde auf die Schnelle auch keine Online-Version. Vielleicht hat ja jemand anderes das Buch zur Hand.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 02. Feb 2021 19:04    Titel: Antworten mit Zitat

Ok, hat die Idee doch Einzug in die Lehrbücher gefunden.

Rindler diskutiert das Thema wohl, aber ich habe sein Buch nicht.

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jh8979
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Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8571

Beitrag jh8979 Verfasst am: 02. Feb 2021 19:40    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ok, hat die Idee doch Einzug in die Lehrbücher gefunden.

Rindler diskutiert das Thema wohl, aber ich habe sein Buch nicht.

Hab es gerade noch (recht ausführlich) im Fließbach gefunden (sowohl im Mechanik-Buch als auch im ART-Buch) und in "Theoretische Physik" von Bartelmann et al (siehe Anhang).



Lorentztransformation.pdf
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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5029

Beitrag DrStupid Verfasst am: 02. Feb 2021 19:47    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Es gibt diverse Ansätze, auf das zweite Postulat zu verzichten und stattdessen Homogenität und Isotropie zu fordern.


Muss man die nicht ohnehin fordern. Einstein hat sich auf eins von beiden berufen (ich müsste jetzt nachsehen welches) um zu begründen, warum die gesuchte Transformation linear sein muss.
Nils Hoppenstedt



Anmeldungsdatum: 08.01.2020
Beiträge: 2019

Beitrag Nils Hoppenstedt Verfasst am: 02. Feb 2021 20:15    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Muss man die nicht ohnehin fordern. Einstein hat sich auf eins von beiden berufen (ich müsste jetzt nachsehen welches) um zu begründen, warum die gesuchte Transformation linear sein muss.


Die Linearität der Transformation kann man imho auch damit begründen, dass additive Erhaltungsgrößen nach der Transformation ebenfalls additiv erhalten sein müssen.
Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
Beiträge: 824

Beitrag Qubit Verfasst am: 02. Feb 2021 22:05    Titel: Antworten mit Zitat

Ich würde meinen, Homogenität und Isotropie ist grundlegend notwendig, um überhaupt eine (pseudo-) euklidische Metrik zu definieren.
Aber das ist nicht hinreichend, um das Postulat der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit herzuleiten.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5029

Beitrag DrStupid Verfasst am: 02. Feb 2021 22:16    Titel: Antworten mit Zitat

Nils Hoppenstedt hat Folgendes geschrieben:
Die Linearität der Transformation kann man imho auch damit begründen, dass additive Erhaltungsgrößen nach der Transformation ebenfalls additiv erhalten sein müssen.


Folgen die Erhaltungsgrößen, die von der Transformation betroffen sind, nach dem Noether-Theorem nicht auch aus Homogenität und Isotropie?
Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
Beiträge: 824

Beitrag Qubit Verfasst am: 02. Feb 2021 22:35    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Nils Hoppenstedt hat Folgendes geschrieben:
Die Linearität der Transformation kann man imho auch damit begründen, dass additive Erhaltungsgrößen nach der Transformation ebenfalls additiv erhalten sein müssen.


Folgen die Erhaltungsgrößen, die von der Transformation betroffen sind, nach dem Noether-Theorem nicht auch aus Homogenität und Isotropie?


Ja, das Noether-Theorem setzt kontinuierliche Symmetrien voraus, Invarianz unter "infinitesimalen" linearen Transformationen. Die betrachteten linearen-affinen Transformationen erfüllen das. So bedingt das eine das andere.
Nils Hoppenstedt



Anmeldungsdatum: 08.01.2020
Beiträge: 2019

Beitrag Nils Hoppenstedt Verfasst am: 02. Feb 2021 22:44    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Folgen die Erhaltungsgrößen, die von der Transformation betroffen sind, nach dem Noether-Theorem nicht auch aus Homogenität und Isotropie?


Ja klar. Und so schließt sich der Kreis. Rock
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 02. Feb 2021 23:03    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Ich würde meinen, Homogenität und Isotropie ist grundlegend notwendig, um überhaupt eine (pseudo-) euklidische Metrik zu definieren.

Ja sicher, aber diese Idee stammt m.W.n. nicht von Einstein sondern erst von Minkowski.

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Aber das ist nicht hinreichend, um das Postulat der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit herzuleiten.

Doch, genau das ist der entscheidende Gedanke der zitierten Arbeiten.

Ich schreibe gleich etwas dazu.

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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 02. Feb 2021 23:10    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Nils Hoppenstedt hat Folgendes geschrieben:
Die Linearität der Transformation kann man imho auch damit begründen, dass additive Erhaltungsgrößen nach der Transformation ebenfalls additiv erhalten sein müssen.


Folgen die Erhaltungsgrößen, die von der Transformation betroffen sind, nach dem Noether-Theorem nicht auch aus Homogenität und Isotropie?


Ja, das Noether-Theorem setzt kontinuierliche Symmetrien voraus, Invarianz unter "infinitesimalen" linearen Transformationen. Die betrachteten linearen-affinen Transformationen erfüllen das. So bedingt das eine das andere.

Homogenität und Isotropie führen auf Erhaltungsgrößen; diese entsprechen wiederum den Generatoren der Poincare-Algebra und führen auf die Invarianz unter Poincare-Transformationen.

Passt in der flachen Minkowski-Raumzeit der SRT wunderbar zusammen, ist aber - wie wir aus der ART wissen - nicht zwingend.

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Anmeldungsdatum: 17.10.2019
Beiträge: 824

Beitrag Qubit Verfasst am: 02. Feb 2021 23:13    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Aber das ist nicht hinreichend, um das Postulat der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit herzuleiten.

Doch, genau das ist der entscheidende Gedanke der zitierten Arbeiten.

Ich schreibe gleich etwas dazu.


Das kann ich nicht glauben! smile
Dann wären ja alle (linearen) Transformationen, die Homogenität und Isotropie erfüllen, zulässige Transformationen der SRT. Da muss es ein Gegenbeispiel geben. smile
Aber okay, wir sind gespannt..
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Feb 2021 00:13    Titel: Antworten mit Zitat

Teil 2

Zusammenfassend kommen die oben zitierten Arbeiten zu dem Schluss, dass das zweite Postulat in

Das Relativitätsprinzip: Die Gesetze der Physik nehmen in allen Inertialsystemen die gleiche Form an.
Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist in allen Inertialsystemen gleich.

nicht fundamental ist sondern durch Homogenität und Isotropie ersetzt werden kann. Wir gelangen also zu

Das Relativitätsprinzip: Die Gesetze der Physik nehmen in allen Inertialsystemen die gleiche Form an.
Die Homogenität und Isotropie der Raumzeit: Die Geometrie der Raumzeit zeichnet keine Orte oder Richtungen aus.

Aus diesen beiden Postulaten folgt, dass jede physikalische Theorie auf einer derartigen 4-dim. Raumzeit entsprechende Symmetrien aufweisen sollte, d.h. dass die Theorie mittels eines Wirkungsprinzips formuliert wird, wobei die Wirkung invariant unter der 10-dim. Symmetriegruppe dieser homogenen und isotropen Raumzeit ist. Desweiteren kann motiviert werden, dass diese Symmetrien mittels einer linearen Darstellung einer Liegruppe zu implementieren sind (ich sehe nicht, dass diese Argumente mathematisch zwingend sind und dass es keine anders gearteten Symmetriestrukturen geben kann)

Die Arbeiten argumentieren außerdem, dass aus der 4-dim. Darstellung dieser linearen Symmetriegruppe auf den Vierervektoren zwingend folgt, dass diese Symmetriegruppe einen einzigen freien Parameter c mit Dimension einer Geschwindigkeit enthält, und dass die Symmetrie für c = ∞ der Galilei- bzw. für c < ∞ der Poincare-Invarianz entspricht.

Zwischen diesen beiden Möglichkeiten kann experimentell unterschieden werden, der Wert von c wird als Naturkonstante mittels Messungen festgelegt.

In der Hamiltonschen Formulierung mit



wirken die 10 Größen - 4 Translationen, 3 Rotationen, 3 Boosts -







als Generatoren der entsprechenden Transformationen der 10-dim. Poincare-Gruppe.

Nach dem Noether-Theorem folgen aus der Invarianz der Wirkung 7 Erhaltungsgrößen. Die Symmetrie bzw. die Ladungserhaltung wird dabei durch die Poisson-Klammern ausgedrückt





Man beachte, dass diese Argumentation für jede beliebige Theorie gilt, die mit den beiden o.g. Postulaten verträglich ist, d.h. dass zunächst die Symmetriestruktur der Raumzeit fundamental ist und jede entsprechende Theorie diese lediglich „erbt“; außerdem ist der Wert von c universell, d.h. für alle Theorien auf dieser Raumzeit identisch; insofern ist Licht eben nicht ausgezeichnet.

Kurz: Die Existenz einer universellen Geschwindigkeit c basiert auf der geometrischen Struktur der Raumzeit; diese folgt letztlich aus den Postulaten der Homogenität und Isotropie sowie aus dem Relativitätsprinzip.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 03. Feb 2021 01:13, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Feb 2021 00:39    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Aber das ist nicht hinreichend, um das Postulat der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit herzuleiten.

Doch, genau das ist der entscheidende Gedanke der zitierten Arbeiten.

Ich schreibe gleich etwas dazu.


Das kann ich nicht glauben! smile
Dann wären ja alle (linearen) Transformationen, die Homogenität und Isotropie erfüllen, zulässige Transformationen der SRT.

Ich habe jetzt nicht alle Arbeiten bis ins letzte Detail durchgearbeitet, das Muster ist jedoch klar: konstruiere die allgemeinste lineare, affine Transformation eines Vierervektors (also eine reelle 4-dim. Darstellung einer Liegruppe) die mit den genannten Prinzipien verträglich ist; dies ist dann entweder die Galilei- oder die Poincare-Symmetrie (oder ein pathologischer Grenzfall c=0).

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Da muss es ein Gegenbeispiel geben. smile

In gewisser Weise der d=4 N=1 super-Minkowski-Raum als direkte Summe vier reeller (bosnischer) und vier Grassmann- (fermionischer) Dimensionen Big Laugh

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 03. Feb 2021 00:56, insgesamt einmal bearbeitet
jh8979
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Beiträge: 8571

Beitrag jh8979 Verfasst am: 03. Feb 2021 00:48    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:



Das kann doch nicht richtig sein: Die Energie ist nicht invariant unter Boosts...
Ansonsten gefällt mir Deine Ausführung sehr. Prost
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Feb 2021 00:58    Titel: Antworten mit Zitat

Danke, da muss wohl ein Impuls stehen ... Prost

Wieso liefern die Boosts eigentlich keine Erhaltungsgröße? Physikalisch ist das klar, aber normalerweise habe ich doch eine n-parametrige Liegruppe => n Generatoren => n erhaltene Ladungen.

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jh8979
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Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8571

Beitrag jh8979 Verfasst am: 03. Feb 2021 01:45    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Wieso liefern die Boosts eigentlich keine Erhaltungsgröße? Physikalisch ist das klar, aber normalerweise habe ich doch eine n-parametrige Liegruppe => n Generatoren => n erhaltene Ladungen.

Liefern sie, aka "Schwerpunktssatz".

Da sie aber explizit die Zeit enthalten, ist nicht die Lagrange-Funktion invariant, sondern "nur" die Wirkung und H (Poisson-anti)kommutiert nicht mit diesem Generator. Ein richtig schönes Verständnis, das über das Technische hinausgeht, habe ich an dieser Stelle leider nicht...

(im Anhang Weinbergs QFT-Version)



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TomS
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Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Feb 2021 07:21    Titel: Antworten mit Zitat

I remember ...





Auf Ebene des Noether-Theorems ist alles ok.

Aber wenn man das in einen unitären Operator übersetzen möchte, dann sieht das seltsam aus ...

Den Kommutator von K und H kann man ja in zwei verschiedenen Rechnungen anwenden: Einmal K als Generator eines Boosts von H; da ist die Interpretation klar. Und einmal H als Generator der Zeitentwicklung von K; und da verstehe ich immer noch nicht, woran genau der Übergang vom erhaltenen Strom j zur erhaltenen Ladung K scheitert (technisch ist das klar, es ist in beiden Fällen der selbe Kommutator). Hat das evtl. etwas mit den Eigenschaften von T und den Rand-Termen zu tun?

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TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Feb 2021 08:34    Titel: Antworten mit Zitat

Ja, ich denke, es liegt daran, dass der übliche Weg









im letzten Schritt scheitert.

Die beiden Integrale verschwinden nicht separat.

D.h. es gilt zwar Strom- jedoch nicht Ladungserhaltung ...

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TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Feb 2021 09:26    Titel: Antworten mit Zitat

Teil 3

Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse:

Aus den beiden Postulaten

Das Relativitätsprinzip: Die Gesetze der Physik nehmen in allen Inertialsystemen die gleiche Form an.
Die Homogenität und Isotropie der Raumzeit: Die Geometrie der Raumzeit zeichnet keine Orte oder Richtungen aus.

sowie der Implementierung einer entsprechenden Symmetrie mittels einer linearen, reellen, 4-dim. Darstellung einer Liegruppe auf dem Vektorraum der Vierervektoren folgt eine 10-dim. Symmetriegruppe, die einen einzigen freien Parameter c mit Dimension einer Geschwindigkeit enthält; für die Symmetrie folgen genau zwei Möglichkeiten:

c = ∞ mit Galilei- bzw.
c < ∞ mit Poincare-Invarianz.

Ersteres kann ausgeschlossen werden; c wird experimentell bestimmt (beides mittels der Elektrodynamik)

Der Parameter c ist universell, d.h. er hat für alle Theorien, die auf dieser Raumzeit betrachtet werden (Punktteilchen, Elektrodynamik, Quantenfeldtheorien beliebiger Wechselwirkungen ...) den selben Wert (und muss speziell für die Elektrodynamik mit der Lichtgeschwindigkeit assoziiert werden).

Damit existiert eine universelle Geschwindigkeit c.

Dass diese als universelle Grenzgeschwindigkeit aufgefasst werden kann, ist nun nicht universell. Es existieren drei „unverbundene“ Klassen von Teilchen

v < c (m > 0, zeitartige)
v = c (m = 0, lichtartige)
v > c (m² < 0, tachonisch)

v > c erscheint bei weiteren Überlegungen pathologisch und wird ausgeschlossen, jedoch nur in Verbindung mit weiteren physikalischen Prinzipien; rein geometrisch ist dieser Fall zulässig.

v = c gilt strikt für m = 0, d.h. es folgt rein geometrisch, dass für masselose Teilchen v < c unzulässig ist.

v < c gilt strikt für m > 0, d.h. es folgt ebenfalls rein geometrisch, dass für masselose Teilchen v = c unzulässig ist; dies entspricht der Tatsache, dass v = c eine universelle obere Grenzgeschwindigkeit für massebehaftete Teilchen darstellt.

Viele weiteren „Erklärungen“ für diese Tatsache sind Schlussfolgerung aus diesen geometrischen Überlegungen.


(im folgenden setze ich c = 1)

Relativistische Geschwindigkeitsaddition für massebehaftete Teilchen: diese folgt für Geschwindigkeiten v im wesentlichen aus einem Lorentz-Boost mit Geschwindigkeit u angewandt auf die Vierergeschwindigkeit



d.h.



D.h. letztlich stellt die o.g. Poincare-Invarianz sicher, dass Geschwindigkeiten auf < c beschränkt bleiben.


Divergenz der kinetischen Energie für massebehaftete Teilchen: diese folgt im wesentlichen wieder aus einem Lorentz-Boost mit Geschwindigkeit u angewandt auf einen Viererimpuls im Ruhesystem des Teilchens, d.h.



mit



D.h. letztlich folgt die Divergenz der Energie aus der o.g. Poincare-Invarianz.


Wellengleichungen: Die Grundlegende Idee besteht in der Lösung eines Anfangswertproblems auf raumartigen Hyperflächen; Störungen breiten sich längs der sogenannten Charakteristiken aus. Für Differentialgleichungen wie z.B.



entsprechen die Charakteristiken gerade dem Lichtkegel in x_0



d.h. Störungen propagieren auf (bzw. für m > 0 innerhalb) des Lichtkegels. Dies folgt letztlich Invarianz des Differentialoperators.


Quantenfeldtheorie: zunächst erzwingt die Poincare-Invarianz Wellengleichungen der Form



für ein Skalarfeld (bzw. analoge Gleichungen für Spin > 0)

Daraus folgen die Propagatoren G im Orts- bzw. Impulsraum





Die Forderung der Kausalität bzw. der Vorwärts-Propagation in der Zeit erzwingt, dass die retardierten Propagatoren im Ortsraum verschwinden, wenn x-y außerhalb des Lichtkegels liegt, d.h. wenn x und y raumartigen zueinander sind (für den Feynman-Propagator ist das etwas trickreicher).

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 03. Feb 2021 09:56, insgesamt 3-mal bearbeitet
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 03. Feb 2021 09:42    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
wie kann man am besten andere Menschen (vorzugsweise nicht-Physikern, Unwissenden und Laien) davon überzeugen, dass nichts schneller als das Licht sein kann?



TomS hat Folgendes geschrieben:
Kurz: Die Existenz einer universellen Geschwindigkeit c basiert auf der geometrischen Struktur der Raumzeit; diese folgt letztlich aus den Postulaten der Homogenität und Isotropie sowie aus dem Relativitätsprinzip.



Also das hat mich als physikalisch interessierten Laien jetzt völlig überzeugt.
Besonders auch Ausführungen wie: "Homogenität und Isotropie führen auf Erhaltungsgrößen; diese entsprechen wiederum den Generatoren der Poincare-Algebra und führen auf die Invarianz unter Poincare-Transformationen. ..." usw.


Ich kann selbst als physikalisch interessierter Laie nicht nachvollziehen, was das alles im Detail bedeutet. Aber ich habe den Verdacht, hier wird das Pferd von hinten aufgezäumt.

Die Natur richtet sich nicht nach den mathematisch- physikalischen Modellen, sondern wir erschaffen Modelle, welche die Natur vereinfacht beschreiben.

Es war ja nicht so, dass Mathematiker und Physiker erst eine Raumzeit mit bestimmten Eigenschaften definiert hätten und dabei festgestellt haben: "Oha, da ergibt das ja eine konstante Lichtgeschwindigkeit?!".

Nein, die Modelle wurden so formuliert, dass sie den gemessenen Ergebnissen entsprechen.

Wenn man also mit Laien diskutiert, sollte man argumentieren, dass es einfach keinerlei experimentelle Hinweise gibt, dass massenbehaftete Teilchen oder Informationen schneller als c sein können.

Erst dann entstanden physikalische Modelle, welche das im Einklang mit den Ergebnissen mathematisch berücksichtigen.



.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5029

Beitrag DrStupid Verfasst am: 03. Feb 2021 10:10    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Nein, die Modelle wurden so formuliert, dass sie den gemessenen Ergebnissen entsprechen.


Das ist zwar richtig, aber die entscheidende Botschaft besteht darin, dass man die Modelle nicht willkürlich formulieren kann. Aus elementaren Grundannahmen wie Homogenität, Isotropie und Relativitätsprinzip folgt, dass es nur eine mögliche Klasse von Transformationen gibt (mit der Galilei-Transformation als Grenzfall). Weil diese Grundannahmen bereits in der klassischen Mechanik als gegeben vorausgesetzt wurden, gab es von Anfang an die Möglichkeit einer invarianten Geschwindigkeit - auch als man das experimentell noch gar nicht feststellen konnte.
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 03. Feb 2021 10:51    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
aber die entscheidende Botschaft besteht darin, dass man die Modelle nicht willkürlich formulieren kann.


Man kann die Modelle formulieren wie man will, so lange sie die experimentellen Ergebnisse widerspiegeln und überprüfbare (falsifizierbare) Voraussagen machen.

Welches Modell sich letztlich durchsetzt, entscheidet Ockhams razor und auch das unterliegt einer Entwicklung, da neue Experimente zu entsprechend komplexeren Modellen führen können.


Zitat:
Aus elementaren Grundannahmen wie Homogenität, Isotropie und Relativitätsprinzip folgt, dass es nur eine mögliche Klasse von Transformationen gibt (mit der Galilei-Transformation als Grenzfall). Weil diese Grundannahmen bereits in der klassischen Mechanik als gegeben vorausgesetzt wurden, gab es von Anfang an die Möglichkeit einer invarianten Geschwindigkeit - auch als man das experimentell noch gar nicht feststellen konnte.


Die Mathematik hat solch eine Möglichkeit geboten, aber niemand wäre auf die Idee einer Lorenztransformation gekommen, wenn man nicht die entsprechenden experimentellen Ergebnisse gehabt hätte.

Das Modell richtet sich nach der Realität, nicht umgekehrt.


.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Feb 2021 11:47    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
wie kann man am besten andere Menschen (vorzugsweise nicht-Physikern, Unwissenden und Laien) davon überzeugen, dass nichts schneller als das Licht sein kann?


TomS hat Folgendes geschrieben:
Kurz: Die Existenz einer universellen Geschwindigkeit c basiert auf der geometrischen Struktur der Raumzeit; diese folgt letztlich aus den Postulaten der Homogenität und Isotropie sowie aus dem Relativitätsprinzip.


Also das hat mich als physikalisch interessierten Laien jetzt völlig überzeugt.
Besonders auch Ausführungen wie: "Homogenität und Isotropie führen auf Erhaltungsgrößen; diese entsprechen wiederum den Generatoren der Poincare-Algebra und führen auf die Invarianz unter Poincare-Transformationen. ..." usw.

Ich gehe eigentlich bei allen Erklärungen wie folgt vor: ich schreibe auf, was uns die Theorie sagt, anschließend versuche ich, das auf ein einfacheres Niveau runterzubrechen. Das hat den Vorteil, dass es zunächst mal richtig ist und bleibt - im Gegensatz zu irgendwelchen zwar "verständlichen" jedoch irreführenden bis falschen "Erklärungen". Tatsächlich drehen sich sehr viele Erklärungen hier im Forum darum, von derartigen "Erklärungen" zu Erklärungen zu gelangen.

Der zweite Punkt ist, dass bei Erklärungen in der Physik, also die Beantwortung von "Warum-Fragen" immer zu neuen "Warum-Fragen" führen. Ziel muss es also sein, soweit wie möglich zurückzugehen. Und wie man hier sieht ist das auch dringend notwendig, denn ihrer ursprünglichen Formulierung erklärt die SRT nichts, sie postuliert letztlich exakt das, was hier erklärt werden soll.

Ich kann's nicht ändern, ist halt so.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Ich kann selbst als physikalisch interessierter Laie nicht nachvollziehen, was das alles im Detail bedeutet.

Da die Erklärung jetzt komplett ist, können wir sie ja dahingehend geeignet umformulieren und vereinfachen. Da darfst du dich jetzt gerne einklinken.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Aber ich habe den Verdacht, hier wird das Pferd von hinten aufgezäumt.

Die Natur richtet sich nicht nach den mathematisch- physikalischen Modellen, sondern wir erschaffen Modelle, welche die Natur vereinfacht beschreiben.

Das ist oft richtig, aufgrund des axiomatischen Ansatzes der RT für diese jedoch gerade nicht! Noch offensichtlicher als bei der SRT ist das im Falle der ART.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Es war ja nicht so, dass Mathematiker und Physiker erst eine Raumzeit mit bestimmten Eigenschaften definiert hätten und dabei festgestellt haben: "Oha, da ergibt das ja eine konstante Lichtgeschwindigkeit?!".

Nein, die Modelle wurden so formuliert, dass sie den gemessenen Ergebnissen entsprechen.

Letzteres trifft auf die Maxwellsche Theorie zu, die eher induktiv entstanden ist, nicht jedoch auf die SRT, die deduktiv vorgeht, und die eher als Meta-Theorie anzusehen ist.

Im Gegensatz zu praktisch allen anderen Theorien, die ich kenne, werden sämtliche Schlussfolgerungen aus zwei Postulaten ableitet. Insofern ist die Erklärungskraft der SRT deutlich größer als die der Maxwellsche Theorie.

Z.B. erklärt die SRT auf Basis Homogenität, Isotropie und Relativitätsprinzip - zusammen mit recht viel Mathematik - dass die Phänomene "Licht u.a. el.-mag Wellen" mit ihren Eigenschaften "zwei Polarisationen", "konstante Ausbreitungsgeschwindigkeit" und "Linearität" durch die Maxwellsche Theorie beschrieben werden muss. Die Maxwellsche Theorie erklärt all dieses gerade nicht.

Die SRT als Meta-Theorie schafft dabei einen geometrischen Rahmen, dem alle Theorien, die auf einer derartigen Raumzeit formuliert werden sollen, folgen müssen - vom freien relativistischen Teilchen über die Maxwellsche Theorie bis hin zu Quantenfeldtheorien. Das ist die Leistung Einsteins, und alleine um die zu verstehen und zu würdigen, lohnt sich die Diskussion. *)

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Wenn man also mit Laien diskutiert, sollte man argumentieren, dass es einfach keinerlei experimentelle Hinweise gibt, dass massenbehaftete Teilchen oder Informationen schneller als c sein können.

Das ist zwar richtig, erklärt jedoch nichts. Es wurde aber nach einer Erklärung gefragt.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Erst dann entstanden physikalische Modelle, welche das im Einklang mit den Ergebnissen mathematisch berücksichtigen.

s.o. - trifft so bei der RT gerade nicht zu.

*) Es gibt nur zwei Physiker, die derartiges jeweils alleine erreicht haben: Newton und Einstein. Im Falle der Quantentheorie war dies ein Werk vieler, angefangen bei Heisenberg mit einem gewissen axiomatischen Anspruch bei Dirac und von Neumann, der jedoch noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann (siehe u.a. Bell und Everett et al.)

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 03. Feb 2021 12:22, insgesamt einmal bearbeitet
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 03. Feb 2021 11:49    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Man kann die Modelle formulieren wie man will, so lange sie die experimentellen Ergebnisse widerspiegeln und überprüfbare (falsifizierbare) Voraussagen machen.


Da die Physik eine exakte Wissenschaft ist, müssen die Voraussagen der Modelle quantitativ sein. Das bedeutet, dass sie mathematisch formuliert werden müssen und das wiederum führt zu den oben genannten Einschränkungen.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Die Mathematik hat solch eine Möglichkeit geboten, aber niemand wäre auf die Idee einer Lorenztransformation gekommen, wenn man nicht die entsprechenden experimentellen Ergebnisse gehabt hätte.


Genau da liegt das Problem. Wenn man sich darüber bewusst gewesen wäre, dass die Galilei-Transformation nicht die einzige theoretisch mögliche Transformation zwischen relativ zueinander bewegten Bezugssystemen, sondern nur ein Grenzfall der Lorentz-Transformation ist, dann wäre die SRT rund zwei Jahrzehnte früher entwickelt worden. So lange hatte man nämlich die entsprechenden experimentellen Ergebnisse, ohne zu wissen, was man damit anfangen soll.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 03. Feb 2021 12:00    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Das Modell richtet sich nach der Realität, nicht umgekehrt.

Das wird dem deduktiven Vorgehen Einsteins schlicht nicht gerecht. Deswegen sprechen wir hier auch nicht von "Modellen".

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TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 03. Feb 2021 12:52    Titel: Antworten mit Zitat

Abschluss

Ich fasse kurz zusammen, warum dieser etwas indirekte Zugang notwendig war und was die wesentliche Leistung der RT ist.

Zunächst wurde nach einer Begründung für Lichtgeschwindigkeit als Grenzgeschwindigkeit gefragt. Auf Basis der ursprünglichen Postulate Einsteins kann dies nicht wirklich begründet werden, da die Sonderrolle der Lichtgeschwindigkeit bereits in den Postulaten enthalten ist.

Gesucht ist also ein modifizierter axiomatischer Zugang, der zunächst vollständig ohne eine ausgezeichnete Geschwindigkeit formuliert werden kann, und der darüber hinaus allgemeingültig ist (statt auf das Phänomen „Licht“ verengt, was letztlich historische Gründe hat).

Die Forderung nach Homogenität und Isotropie des Raumes - zusammen mit dem unveränderten Relativitätsprinzip - leisten genau dies.

Ausgehend von diesen Postulaten folgt die SRT als Meta-Theorie; sie schafft einen universellen geometrischen Rahmen für alle weiteren Theorien, die auf dieser Raumzeit formuliert werden.

D.h. die Konstruktionsprinzipien
- die Existenz einer universellen Geschwindigkeit,
- die Poincare-Transformation als Symmetriestruktur der Raum-Zeit
- und aller darauf zu formulierenden Theorien sowie deren zulässige mathematische Strukturen
folgen aus
- zwei fundamentalen Postulaten
- dem experimentellen Nachweis einer endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit masseloser Teilchen.

Dies ist ein extrem starke Vorhersage: es kann keine zwei Feldtheorien geben, die voneinander abweichende Ausbreitungsgeschwindigkeit masseloser Teilchen aufweisen, und die mit der SRT sowie untereinander verträglich sind; anders formuliert: würden neue masselose Teilchen nachgewiesen werden, die eine andere Ausbreitungsgeschwindigkeit aufweisen, würde dies die SRT und alle darauf basierenden Theorien und bisher etablierten Theorien widerlegen. Kurz: der Nachweis eines masselosen, nicht elektromagnetisch wechselwirkenden Teilchens mit einer anderen Ausbreitungsgeschwindigkeit als der des Lichts falsifiziert die SRT sowie das gesamte Standardmodell.

Dies unterscheidet die RT fundamental von anderen physikalischen Theorien; deswegen nenne ich sie Meta-Theorie.

Dies bedeutet beispielsweise, dass die klassischen Phänomene "Licht u.a. el.-mag. Wellen" mit den Eigenschaften "zwei Polarisationen", "konstante Ausbreitungsgeschwindigkeit" und "Linearität" durch die Maxwellsche Theorie beschrieben werden müssen. Ähnliches gilt für weitere Feldtheorien, die wir heute im Standardmodell zusammenfassen oder als Erweiterungen desselben begreifen.

In gleicher Weise stellt die ART eine Meta-Theorie für die Konstruktion weiterer Feldtheorien zur Beschreibung gravitativ wechselwirkender Materie dar (das einzige seit Einstein fundamental neue geometrische Prinzip stellt wohl die lokale Supersymmetrie dar).

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Beitrag Frankx Verfasst am: 03. Feb 2021 13:17    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Das wird dem deduktiven Vorgehen Einsteins schlicht nicht gerecht. Deswegen sprechen wir hier auch nicht von "Modellen".


Wovon sprechen wir denn, wenn nicht von Modellen?


.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 03. Feb 2021 14:46    Titel: Antworten mit Zitat

Wir sprechen von Theorien, konkret von Meta-Theorien.

Die SRT ist im oben diskutierten Sinne eine Meta-Theorie, die Elektrodynamik eine Theorie; Modelle dienen der gezielten mathematischen Beschreibung einzelner physikalischer Phänomene - abgeleitet aus Theorien, meist unter jeweils vereinfachenden Annahmen, teilweise auch noch fragmentarisch sozusagen in einem Vorstadium zu einer echten Theorie.

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Frankx



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Beitrag Frankx Verfasst am: 03. Feb 2021 15:08    Titel: Antworten mit Zitat

Eine Theorie ist (für mich) eben ein etwas komplexeres Modell, welches mehr Aspekte der Realität erfasst. Aber sei es drum.

Dann formuliere ich es so um:
Die (Meta-)Theorie richtet sich nach der Realität, nicht umgekehrt.


.
Nils Hoppenstedt



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Beitrag Nils Hoppenstedt Verfasst am: 03. Feb 2021 15:13    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:

Die (Meta-)Theorie richtet sich nach der Realität, nicht umgekehrt.


Aber das ist doch der Fall. Die grundlegenden Postulate wie die Homogenität der Raumzeit und die Isotropie des Raumes entspringen ja der experimentellen Erfahrung.
Frankx



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Beitrag Frankx Verfasst am: 03. Feb 2021 16:00    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Aber das ist doch der Fall. Die grundlegenden Postulate wie die Homogenität der Raumzeit und die Isotropie des Raumes entspringen ja der experimentellen Erfahrung.

Eben.

Es geht aber darum, dass hier versucht wird, c aus den Theorien heraus zu erklären, obwohl die Theorien sich doch nach der Realität ausrichten, die Realität also das Primat hat.

Niemand käme auf die Idee, zu behaupten, nur weil auf einem Stadtplan an einer Stelle ein Haus eingetragen ist, dass dieses Haus dort auch definitiv real existiert muss.

Es könnte schon abgerissen sein, oder erst in Planung sein, oder der Zeichner hat sich geirrt, oder er hat seiner künstlerischen Freiheit etwas freien Lauf gelassen.

Wir können den Stadtplan dennoch für die meisten Zwecke gut verwenden. Im Zweifel muss man aber in der Realität nachschauen, ob das Haus existiert, oder nicht und eventuell muss man den Plan aktualisieren.

Es macht also wenig Sinn, zu behaupten, da steht definitiv ein Haus, nur weil es auf dem Plan eingetragen ist. Es hilft auch nichts, auf andere, größere, komplexere Pläne zu verweisen.
Wenn man jemanden von der Existenz dieses Hauses wirklich überzeugen will, muss man möglichst in der Realität nachschauen.

Wenn man also Laien von der Konstanz von c überzeugen will, sollte man imho zuerst auf die vergeblichen Versuche verweisen, das Gegenteil experimentell nachzuweisen.


.
DrStupid



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Beiträge: 5029

Beitrag DrStupid Verfasst am: 03. Feb 2021 16:38    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Es geht aber darum, dass hier versucht wird, c aus den Theorien heraus zu erklären, obwohl die Theorien sich doch nach der Realität ausrichten, die Realität also das Primat hat.


Warum "obwohl"? Die Möglichkeit einer invarianten Geschwindigkeit, einschließlich der daraus resultierenden Konsequenzen, kann aus der Theorie heraus erklärt werden, weil die Theorie sich nach der Realität ausrichtet. Es gehört doch gerade zu den Stärken einer Theorie - dass man daraus Aussagen ableiten kann, die über die konkreten Grundvoraussetzungen hinaus gehen, aus denen sie entwickelt wurde.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Niemand käme auf die Idee, zu behaupten, nur weil auf einem Stadtplan an einer Stelle ein Haus eingetragen ist, dass dieses Haus dort auch definitiv real existiert muss.


Ein Stadtplan ist keine geeignete Analogie für eine Theorie.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Wenn man also Laien von der Konstanz von c überzeugen will, sollte man imho zuerst auf die vergeblichen Versuche verweisen, das Gegenteil experimentell nachzuweisen.


Ohne den zugehörigen theoretischen Hintergrund bringen die Versuche allein auch nicht viel.
Frankx



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Beiträge: 981

Beitrag Frankx Verfasst am: 03. Feb 2021 17:29    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Ein Stadtplan ist keine geeignete Analogie für eine Theorie.


Ein Stadtplan ist ein menschengemachtes Werkzeug, welches einem hilft, sich in der Realität zurechtzufinden. Er ist ein mehr oder weniger gutes Abbild der Realität.
Ich kann mit seiner Hilfe auch Wege durch die Stadt suchen (z.B. Abkürzungen), die ich oder auch andere in dieser Form noch nie gegangen sind.

Ich finde, es ist eine recht gute Analogie, auch wenn nicht alles was hinkt ein Vergleich ist.

Wir hatten das Thema schon mehrfach in ähnlicher Form hier.

Irgendwie habe ich den Eindruck, manche fühlen sich oder ihr Fachgebiet herabgesetzt, wenn man darauf verweist, dass Mathematik und Physik mit ihren Modellen und Theorien letztlich menschengemachte Werkzeuge wie viele andere darstellen.

Dabei ist das gar nicht despektierlich gemeint. Ich bewundere durchaus die Leistungen. Nur stört mich diese mystische Verklärung.
In irgendeinem alten Thread hat TomS sinngemäß gefragt, welches Geheimnis dahinter steckt, dass sich die Natur so streng mathematisch verhält.

Meine Antwort ist: Die Mathematik (und die mit ihr formulierten physikalischen Theorien) folgt der Natur, weil sie als menschengemachte Werkzeug genau dafür entwickelt wurde.

Ergo macht es für mich wenig Sinn, c aus der Theorie heraus zu "erklären".

Wenn ich jemanden von der Konstanz von c überzeugen will, reicht es zu fragen, welches Experiment denn jemals etwas anderes ergeben hätte und welches Experiment geeignet wäre, dies zu widerlegen.


.
Nils Hoppenstedt



Anmeldungsdatum: 08.01.2020
Beiträge: 2019

Beitrag Nils Hoppenstedt Verfasst am: 03. Feb 2021 17:35    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:

Wenn ich jemanden von der Konstanz von c überzeugen will, reicht es zu fragen, welches Experiment denn jemals etwas anderes ergeben hätte und welches Experiment geeignet wäre, dies zu widerlegen.


Was soll denn daran überzeugend sein? Als Laie würde ich dann denken, dass bisher halt einfach nur die falschen Experimente gemacht wurden.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Feb 2021 17:43    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Eine Theorie ist (für mich) eben ein etwas komplexeres Modell, welches mehr Aspekte der Realität erfasst. Aber sei es drum.

Das wäre ein rein „quantitativer“ Unterschied, und wird der Sache nicht gerecht. Ich habe das aber oben sehr ausführlich erklärt und muss nicht mehr alles wiederholen, jedoch ganz kurz:

A) Der Nachweis eines einzigen masselosen, nicht elektromagnetisch wechselwirkenden Teilchens mit einer anderen Ausbreitungsgeschwindigkeit als der des Lichts würde die SRT sowie die gesamte darauf aufbauende relativistische Quantenfeldtheorie falsifizieren.
B) Die Messergebnisse zur Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstandes falsifizieren das klassische Drude-Modell zur elektrischen Leitfähigkeit in Festkörpern.

Ich hoffe, der Unterschied wird deutlich.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Die (Meta-)Theorie richtet sich nach der Realität, nicht umgekehrt.

Auch das wird der Sache nicht gerecht. Die Vorhersagen einer Theorie müssen mit der Realität übereinstimmen, das ist klar. Dennoch können unterschiedliche Theorien die selbe Realität beschreiben.

Eine Theorie ist vom Wesen her mehr als nur eine Rechenmaschine, die Zahlen produziert. Sie fördert unser Verständnis der Realität und wird nicht ausschließlich an den quantitativen Vorhersagen gemessen.

Das mag dir persönlich nicht relevant erscheinen, ist jedoch die Auffassung vieler theoretischer Physiker.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Es geht aber darum, dass hier versucht wird, c aus den Theorien heraus zu erklären, obwohl die Theorien sich doch nach der Realität ausrichten, die Realität also das Primat hat.

Niemand käme auf die Idee, zu behaupten, nur weil auf einem Stadtplan an einer Stelle ein Haus eingetragen ist, dass dieses Haus dort auch definitiv real existiert muss.

Evtl. geht die Existenz des Hauses ja auf einen Plan des Bauamtes zurück ;-)

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