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Bedeutung der Lagrangedichte/Wirkungsprinzips
 
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Corbi



Anmeldungsdatum: 17.07.2018
Beiträge: 296

Beitrag Corbi Verfasst am: 17. Dez 2020 16:42    Titel: Bedeutung der Lagrangedichte/Wirkungsprinzips Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Als ich vor einem Jahr eine Vorlesung zur ART hörte behandelten wir wie man die Maxwellgleichungen aus einem Wirkungsprinzip/Lagrangedichte ableiten kann. Ich fragte den Professor damals wozu das gut sei, da wir ja die Maxwellgleichungen bereits kennen. (also warum konstruiert man eine abstrakte Größe wie die Lagrangedichte des EM-Felds um daraus ein bereits bekanntes Resultat ableiten zu können?) Seine Antwort war, dass eine Theorie, die sich aus einer Lagrangedichte ableiten lässt in sich selbst konsistent ist. Genau darum geht es mir bei dieser Frage. Was heißt es, dass eine Theorie in sich selbst konsistent ist? Was wäre ein Beispiel für eine inkosistente Theorie? Warum ist eine Theorie die sich aus einem Wirkungsrinzip ergibt konsistent? Und kann man bei Feldtheorien, deren Bewegungsgleichungen sich nicht aus einem Wirkungsprinzip ableiten lassen, davon ausgehen, dass diese Theorie falsch/inkonsistent ist?









Meine Ideen:
keine Ideen. Mir geht es nicht um die Frage, die ich ursprünglich dem Professor stellte. Mir ist mittlerweile bewusst welche sonstigen Vorteile die Formulierung über eine Lagrangedichte mit sich bringt aber, was es mit der Konsistenz auf sich hat und wie das mit der Lagrangedichte zusammenhängt habe ich nicht verstanden.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 17. Dez 2020 16:58    Titel: Re: Bedeutung der Lagrangedichte/Wirkungsprinzips Antworten mit Zitat

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Meine Frage:
Als ich vor einem Jahr eine Vorlesung zur ART hörte behandelten wir wie man die Maxwellgleichungen aus einem Wirkungsprinzip/Lagrangedichte ableiten kann. Ich fragte den Professor damals wozu das gut sei, da wir ja die Maxwellgleichungen bereits kennen. (also warum konstruiert man eine abstrakte Größe wie die Lagrangedichte des EM-Felds um daraus ein bereits bekanntes Resultat ableiten zu können?) Seine Antwort war, dass eine Theorie, die sich aus einer Lagrangedichte ableiten lässt in sich selbst konsistent ist. Genau darum geht es mir bei dieser Frage. Was heißt es, dass eine Theorie in sich selbst konsistent ist? Was wäre ein Beispiel für eine inkosistente Theorie? Warum ist eine Theorie die sich aus einem Wirkungsrinzip ergibt konsistent? Und kann man bei Feldtheorien, deren Bewegungsgleichungen sich nicht aus einem Wirkungsprinzip ableiten lassen, davon ausgehen, dass diese Theorie falsch/inkonsistent ist?


Nein, das kann man nicht. Und die Antwort des Professors finde ich etwas verwunderlich. Aus einer inkonsistenten Theorie -- vorausgesetzt dies ist im logischen Sinne gemeint -- kann man alles ableiten, sowohl die Maxwellgleichungen als auch die Proca-Gleichungen, als auch die Existenz Gottes (vorausgesetzt diese Behauptung läßt sich in der betrachteten Theorie formulieren). Man kann ebenso ableiten, daß jede einzelne Maxwellgleichung falsch ist und Gott nicht existiert. Das ist normalerweise mit Inkonsistenz gemeint: Es folgt eine Aussage und ihr Gegenteil. Damit folgen alle Aussagen vermöge eines Standardarguments genannt reductio ad absurdum.

Der Grund warum man so gerne Gleichungen aus Wirkungsprinzipien ableitet ist vermutlich das Noethertheorem, also die Aussage, daß zu jeder kontinuierlichen Symmetrie der Wirkung ein Erhaltungssatz gehört und umgekehrt. Für diesen Zusammenhang müssen es Symmetrien der Wirkung sein. Es gibt keinen analogen Zusammenhang zwischen Erhaltungsgrößen und kontinuierlichen Transformationen, die lediglich Symmetrien der Bewegungsgleichungen sind. Allerdings ist das Noethertheorem natürlich keine Garantie dafür, daß sich genau die korrekten oder relevanten physikalischen Gleichungen aus Wirkungsprinzipien ableiten lassen.

Daß die Maxwellgleichungen konsistent sind, könnte man übrigens im Prinzip dadurch beweisen, daß man eine Lösung konstruiert. Eine triviale Lösung reicht dafür aus. Dafür benötigt man ebenfalls keine Ableitung aus dem Wirkungsprinzip.
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8576

Beitrag jh8979 Verfasst am: 18. Dez 2020 00:09    Titel: Re: Bedeutung der Lagrangedichte/Wirkungsprinzips Antworten mit Zitat

In gewisser Weise in index_razors Stossrichtung:

Irgendwo muss man ja anfangen....mein Beginn wäre hier: die Herleitung einer Quantenfeldtheorie, die gewissen, allgemeinen, meist für vernünftig gehaltenen Bedingungen genügt (Lorentzinvarianz der S-Matrix, Cluster-Decomposition,....), führt auf Hamiltondichten mit Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren.

Und daraus dann: Die Symmetrien dieser Theorien (insbesondere die Lorentz-Symmetrie), lassen sich im Lagrange-Formalismus sehr viel besser beherrschen, als im Hamilton-Formalismus.

(siehe Band 1 von Steven Weinbergs "The Quantum Theory of Fields" #bestbookever).

PS: Die Antwort Deines Professors halte ich für schlicht wertlos. Ja, eine Theorie die sich aus dem Lagrange-Formalismus ergibt, ist in sich konsistent, aber wieso sollte es keine anderen Theorie geben. Dämliche Antwort. (Es gibt sie ja sogar, nämlich die Formulierung als Hamilton-Formalismus, auch wenn diese äquivalent ist/sein kann.... keine Lust auf Spitzfindigkeiten hier)


Zuletzt bearbeitet von jh8979 am 22. Dez 2020 00:28, insgesamt einmal bearbeitet
Corbi



Anmeldungsdatum: 17.07.2018
Beiträge: 296

Beitrag Corbi Verfasst am: 21. Dez 2020 22:50    Titel: Antworten mit Zitat

Allright, Vielen Dank!

Eigentlich ist mir diese Aussage des Professors auch nur wieder eingefallen weil in "Gravitation" von Misner, Thorne & Wheeler bei der Brans-Dicke-Gravitationstheorie auch steht, dass diese Theorie "self-consistent" ist und diese Theorie wird ja auch aus einer Lagrange-dichte konstruiert.

Ich arbeite gerade selber neben dem Studium an einer Modifikation der ART, die flache Rotationskurven zulässt ohne dabei die bekannte Form der Bahnkurven im Zentralfeld zu verändern.
Dann ist mir aufgefallen, dass sich die Feldgleichungen dieser Theorie (die eine gewisse Ähnlichkeit mit der Brans-Dicke-Theorie hat) nicht aus einer Lagrange-Dichte ableiten lassen.
Jetzt frage ich mich, ob das ein Problem darstellt oder ob ich auf die Lagrange-Dichte erstmal keinen Wert legen soll.
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8576

Beitrag jh8979 Verfasst am: 22. Dez 2020 00:27    Titel: Antworten mit Zitat

Corbi hat Folgendes geschrieben:

Ich arbeite gerade selber neben dem Studium an einer Modifikation der ART, die flache Rotationskurven zulässt ohne dabei die bekannte Form der Bahnkurven im Zentralfeld zu verändern.
Dann ist mir aufgefallen, dass sich die Feldgleichungen dieser Theorie (die eine gewisse Ähnlichkeit mit der Brans-Dicke-Theorie hat) nicht aus einer Lagrange-Dichte ableiten lassen.
Jetzt frage ich mich, ob das ein Problem darstellt oder ob ich auf die Lagrange-Dichte erstmal keinen Wert legen soll.

Solange Deine Theorie vernünftig ist, in sich schlüssig und bisherigen Experimenten nicht widerspricht, wüßte ich nicht was daran nicht gut sein sollte.... Lagrange hin oder her...interessante Theorien haben sich bisher stets dadurch ausgezeichnet, dass sie nicht logisch aus anderen hervorgingen... und meist einen anderen Formalismus benutzen.... viel Erfolg.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 22. Dez 2020 08:49    Titel: Antworten mit Zitat

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Allright, Vielen Dank!

Eigentlich ist mir diese Aussage des Professors auch nur wieder eingefallen weil in "Gravitation" von Misner, Thorne & Wheeler bei der Brans-Dicke-Gravitationstheorie auch steht, dass diese Theorie "self-consistent" ist und diese Theorie wird ja auch aus einer Lagrange-dichte konstruiert.


Ich sehe da überhaupt keinen Zusammenhang. "Self-consistent" bedeutet möglicherweise einfach, daß Lösungen existieren. In diesem Sinne sind alle Möglichkeiten offen: konsistente sowie inkonsistente Theorien, die jeweils aus Wirkungsprinzipien folgen oder auch nicht.

Ein Beispiel für eine inkonsistente Theorie, für die man ein Wirkungsprinzip hinschreiben kann, ist die Tensortheorie der Gravitation auf einer flachen Raumzeit. Diese Theorie, sowie ihre Inkonsistenz, wird übrigens auch im MTW diskutiert.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18026

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Dez 2020 11:05    Titel: Re: Bedeutung der Lagrangedichte/Wirkungsprinzips Antworten mit Zitat

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Seine Antwort war, dass eine Theorie, die sich aus einer Lagrangedichte ableiten lässt in sich selbst konsistent ist.

Speziell im Zusammenhang mit den Maxwellgleichungen könnte dies bedeuten, dass diese aus der Lagrangedichte folgen und somit den Verschiebungsstrom automatisch enthalten.

Ohne Lagrangedichte könnte man diverse Gleichungen formulieren, wobei diese evtl. untereinander inkonsistent sein könnten; man würde diese Inkonistenz zwar möglicherweise erkennen, damit jedoch nicht automatisch wissen, wie sie zu reparieren ist.

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Displacement_current#Mathematical_formulation

Das ist jedoch nur ein sehr spezieller Fall.

Die Lagrangedichte hilft also bei der Konstruktion der Theorien und der Vermeidung bestimmter Inkonsistenzen, ist jedoch nicht generell ein sicherer Garant für deren Konsistenz.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
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