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Warum Newton'sche "Axiome"?
 
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Eudoxus



Anmeldungsdatum: 18.11.2020
Beiträge: 2

Beitrag Eudoxus Verfasst am: 18. Nov 2020 20:59    Titel: Warum Newton'sche "Axiome"? Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Aus 'Wortbedeutung.info'
Axiom:
1) meist Philosophie: unbeweisbare aber in sich einsichtige Wahrheit, die daher nicht bewiesen werden muss und allgemein als gültig und richtig anerkannt wird
2) meist Mathematik, Logik: nicht abgeleitete Aussage, die als Ausgangspunkt einer deduktiven Theorie dient

Warum werden Newons Postulate "Axiome" genannt? Die Aussagen sind doch sehr wohl beweisbar?




Meine Ideen:
Ich könnte von mir aus die zweite Aussage "F=ma" als Definition der Kraft sehen, aber wo ist die Axiomatik hier?
ML



Anmeldungsdatum: 17.04.2013
Beiträge: 3390

Beitrag ML Verfasst am: 18. Nov 2020 23:18    Titel: Re: Warum Newton'sche "Axiome"? Antworten mit Zitat

Hallo,

Eudoxus hat Folgendes geschrieben:

Warum werden Newons Postulate "Axiome" genannt? Die Aussagen sind doch sehr wohl beweisbar?


in den Naturwissenschaften kann man Gesetzmäßigkeiten immer nur experimentell belegen, aber nie sicher beweisen. Allenfalls kann man beweisen, dass Vermutungen unzutreffend sind.

Ich denke, der Begriff "Axiom" drückt im Wesentlichen aus, dass ausgehend von den Axiomen alle weiteren wesentlichen Aussagen innerhalb der Theorie abgeleitet werden können. Der Begriff bezieht sich also mehr auf "Vollständigkeit" als auf "unbewiesen".



Viele Grüße
Michael
Eudoxus



Anmeldungsdatum: 18.11.2020
Beiträge: 2

Beitrag Eudoxus Verfasst am: 19. Nov 2020 08:42    Titel: Antworten mit Zitat

Erstmal Danke für die Antwort. Ich bin allerdings noch nicht richtig zufriedengestellt.

[q] in den Naturwissenschaften kann man Gesetzmäßigkeiten immer nur experimentell belegen, aber nie sicher beweisen. Allenfalls kann man beweisen, dass Vermutungen unzutreffend sind.[/q]

Das stimmt. Den Wahrheitsgehalt von Gesetzmäßigkeiten kann man aber dennoch untersuchen. Das gilt auch für Newtons Gesetze. Ich kann ja experimentell prüfen und verwerfen. "Axiome" haben keinen untersuchbaren Wahrheitsgehalt, Axiome geben das Grundgerüst, aus dem weitere Aussagen ableitbar sind.

Was du mit "Vollständigkeit" meinst, wird mir nicht ganz klar, kannst du das erläutern?
Danke nochmal smile
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5041

Beitrag DrStupid Verfasst am: 19. Nov 2020 09:03    Titel: Re: Warum Newton'sche "Axiome"? Antworten mit Zitat

Eudoxus hat Folgendes geschrieben:
Warum werden Newons Postulate "Axiome" genannt? Die Aussagen sind doch sehr wohl beweisbar?


Das kommt darauf an, was man als bekannt voraussetzt. Wenn Du beispielse nicht weißt, ob ein System abgeschlossen und inertial ist, dann kannst Du sie nicht beweisen oder widerlegen.

So ist das allerdings nicht gemeint. Newton hat ja experimentelle Belege für die Gültigkeit seiner Axiome vorgelegt. Ich nehme an, dass er von Axiomen spricht, weil sie nur gemeinsam gelten und nicht jedes für sich allein.

Eudoxus hat Folgendes geschrieben:
Ich könnte von mir aus die zweite Aussage "F=ma" als Definition der Kraft sehen, aber wo ist die Axiomatik hier?


Davon abgesehen, dass eine solche "Definition" nur sagt, wie groß eine Kraft ist, aber nicht, was Kräfte sind, würde sie auch für Scheinkräfte gelten. Die sind aber zumindest nach der ursprünglichen Fassung der Newtonschen Axiome keine Kräfte.
Steffen Bühler
Moderator


Anmeldungsdatum: 13.01.2012
Beiträge: 7242

Beitrag Steffen Bühler Verfasst am: 19. Nov 2020 09:09    Titel: Antworten mit Zitat

Willkommen im Physikerboard!

Ich kann mich erinnern, wie unser Physikdozent immer vehement darauf bestanden hat, dass keines der drei Axiome beweisbar sei. Für das zweite ist zum Beispiel offenbar die Äquivalenz von schwerer und träger Masse entscheidend, wie auch dieses Paper beschreibt. Und ich weiß noch, wie er immer sagte, dass der gemessene Proportionalitätsfaktor zwar in der Tat sehr nahe an Eins ist und es tatsächlich zu stimmen scheint, aber ein Beweis liegt deswegen noch lange nicht vor.

Viele Grüße
Steffen
ML



Anmeldungsdatum: 17.04.2013
Beiträge: 3390

Beitrag ML Verfasst am: 19. Nov 2020 10:00    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

Eudoxus hat Folgendes geschrieben:

"Axiome" haben keinen untersuchbaren Wahrheitsgehalt,

In der eigenen Theorie nicht, aber vielleicht in einer anderen Theorie.

Zitat:

Axiome geben das Grundgerüst, aus dem weitere Aussagen ableitbar sind.
Was du mit "Vollständigkeit" meinst, wird mir nicht ganz klar, kannst du das erläutern?


Die Vollständigkeit meine ich in dem Sinne, dass man mit den Axiomen ein komplettes in sich schlüssiges Theoriegebäude füllen kann.

Nehmen wir beispielsweise die Peano-Axiome der natürlichen Zahlen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Peano-Axiome
Aus ihnen kann man viele oder sogar alle Zusammenhänge ableiten, die wir für natürliche Zahlen als richtig erachten. Wenn man eines oder mehrere der Axiome aus der Liste streicht, funktionieren diese Beweise zum Teil nicht mehr. Nehmen wir beispielsweise das Induktionsaxiom heraus, können wir Beweise, die wir sonst mit vollständiger Induktion durchgeführt hätten, nicht mehr auf diese Weise durchführen. Wenn dieses Axiom unabhängig von den anderen ist, wovon ich ausgehe, würde ich erwarten, dass im reduzierten Peano-Axiomensystem einige uns bekannte Zusammenhänge nicht mehr beweisbar sind. Man kann diese Aussagen dann weder beweisen (weil das Induktionsaxiom fehlt), noch widerlegen (weil die übrigen Axiome nicht im Widerspruch zum Induktionsaxiom stehen).

Nimmt man von den Newton'schen Axiomen eines weg, so erhält man nicht mehr das, was wir als "Klassische Mechanik von Massenpunkten" verstehen, sondern etwas anderes, das zwar nicht im Widerspruch zur klassischen Mechanik steht, aber viele Beobachtungen nicht erklären/vorhersagen kann.


Viele Grüße
Michael
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5041

Beitrag DrStupid Verfasst am: 19. Nov 2020 10:15    Titel: Antworten mit Zitat

Steffen Bühler hat Folgendes geschrieben:
Ich kann mich erinnern, wie unser Physikdozent immer vehement darauf bestanden hat, dass keines der drei Axiome beweisbar sei.


Wie ich oben schon erwähnte hat Newton sie experimentell bestätigt. Das konnte er, weil er Inertialsysteme unabhängig von den Axiomen mittels der Fixsterne definiert hat (Heute könnten wir stattdessen die kosmische Hintergrundstrahlung verwenden). Wenn man weiß, dass man in guter Näherung in einem Inertialsystem ruht und externe Kräfte mit hinreichender Sicherheit auszuschließen sind, dann kann man die Newtonschen Axiome experimentell über die Impulserhaltung prüfen. Das hat Newton mit Stoßversuchen getan und dabei festgestellt, dass der Impuls sich niemals ändert.

Steffen Bühler hat Folgendes geschrieben:
Für das zweite ist zum Beispiel offenbar die Äquivalenz von schwerer und träger Masse entscheidend, wie auch dieses Paper beschreibt.


Die Newtonschen Axiome haben nichts mit der schweren Masse zu tun. Die kommt erst später mit dem Newtonschen Gravitationsgesetz ins Spiel. Die Äquivalenz von schwerer und träger Masse ist also nur bei Experimenten relevant, in denen die Gravitation von Bedeutung ist. Mit einem solchen Experiment befasst sich auch das verlinkte Paper. Dass es in diesem speziellen Fall nicht ohne das Newtonsche Äquivalenzprinzip funktioniert, heißt nicht, dass man die Newtonschen Axiome überhaupt nicht experimentell prüfen kann.

Davon abgesehen ist die in dem Paper aufgestellte Behauptung, die Äquivalenz von träger und schwere Masse sei "eine willkürliche Definition, und es gibt keine Erfahrung, die sie bewiese" falsch. Newton begründet sie beisielsweise mit Pendelexperimenten.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18026

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Nov 2020 10:45    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Steffen Bühler hat Folgendes geschrieben:
Ich kann mich erinnern, wie unser Physikdozent immer vehement darauf bestanden hat, dass keines der drei Axiome beweisbar sei.

Wie ich oben schon erwähnte hat Newton sie experimentell bestätigt.

Zunächst mal ist das nicht das selbe.

Beispiel Peano-Axiom “Jede natürliche Zahl n hat eine natürliche Zahl n' als Nachfolger”.

Das ist für bekannte Zahlen unmittelbar einsichtig und gewissermaßen experimentell bestätigt, jedoch nicht beweisbar.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 19. Nov 2020 10:57    Titel: Antworten mit Zitat

ML hat Folgendes geschrieben:

Die Vollständigkeit meine ich in dem Sinne, dass man mit den Axiomen ein komplettes in sich schlüssiges Theoriegebäude füllen kann.

Nehmen wir beispielsweise die Peano-Axiome der natürlichen Zahlen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Peano-Axiome
Aus ihnen kann man viele oder sogar alle Zusammenhänge ableiten, die wir für natürliche Zahlen als richtig erachten.


Definitiv nicht alle. Das ist eine Folge aus dem ersten Gödelschen Unvollständigkeitssatz und ein Grund für die Existenz von Nichtstandardmodellen der Arithmetik, d.h. Modellen, die alle Peano-Axiome erfüllen, aber völlig anders "aussehen" als die natürlichen Zahlen.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5041

Beitrag DrStupid Verfasst am: 19. Nov 2020 11:13    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zunächst mal ist das nicht das selbe.


Wir reden hier über Physik. Was man in der Mathematik oder Logik als Beweis bezeichnet, ist in der Physik nicht möglich. Wenn hier von einem Beweis gesprochen wird, dann kann damit nur eine experimentelle Bestätigung gemeint sein.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18026

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Nov 2020 13:01    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Zunächst mal ist das nicht das selbe.


Wir reden hier über Physik. Was man in der Mathematik oder Logik als Beweis bezeichnet, ist in der Physik nicht möglich. Wenn hier von einem Beweis gesprochen wird, dann kann damit nur eine experimentelle Bestätigung gemeint sein.

In der Physik spricht man aber nicht von Beweisen.

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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5041

Beitrag DrStupid Verfasst am: 19. Nov 2020 13:08    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
In der Physik spricht man aber nicht von Beweisen.


Physiker tun es nicht, aber Laien schon (siehe oben). Das kann man dann wörtlich nehmen und damit die Diskussion abwürgen oder man übersetzt es in etwas physikalisch sinnvolles.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18026

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Nov 2020 13:10    Titel: Antworten mit Zitat

Ja. Und deswegen sollte man darauf hinweisen, dass das in der Physik unüblich und irreführend ist.
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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5041

Beitrag DrStupid Verfasst am: 19. Nov 2020 13:23    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ja. Und deswegen sollte man darauf hinweisen, dass das in der Physik unüblich und irreführend ist.


Das hat ML in der ersten Antwort erledigt. Ich denke nicht, dass man das unbedingt in jeder weiteren Antwort wiederholen muss.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18026

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Nov 2020 13:47    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn der Sprachgebrauch weiterhin verwirrend ist, schon.
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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5041

Beitrag DrStupid Verfasst am: 19. Nov 2020 14:23    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Wenn der Sprachgebrauch weiterhin verwirrend ist, schon.


Zumindest bei Eudoxus kann ich in dieser Hinsicht keine Verwirrung erkennen. Er hat im zweiten Beitrag bestätigt, dass er es verstanden hat und die Frage darauf beschränkt, ob man die Axiome "experimentell prüfen und verwerfen" kann. Damit war die mathematische oder logische Beweisbarkeit vom Tisch.

In dem Beitrag von Steffen Bühler, auf den sich die von Dir zitierte Pasage bezieht, ist dann zwar wieder von Beweisen die Rede, aber das verlinkte Paper zeigt klar, worum es wirklich geht. In der Überschrift wird die Frage gestellt, ob man das 2. Newtonsche Axiom "experimentell beweisen" kann. Würde man das wörtlich nehmen, dann wäre das ein Widerspruch in sich. Tatsächlich ist hier eine experimentelle Bestätigung gemeint und genau darum geht es dann auch im Text. Dementsprechend habe ich geantwortet.

Natürlich kann man hier die unsaubere Formulierung bemängeln, aber ich wollte über Physik reden und nicht über Semantik.
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