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Stimmgabel, Dämpfungsglied und mechanische Impedanz
 
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DrEinerAnderenFachrichtu
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Beitrag DrEinerAnderenFachrichtu Verfasst am: 08. Aug 2020 18:18    Titel: Stimmgabel, Dämpfungsglied und mechanische Impedanz Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Guten Tag!

Ich bin leider Physik-Laie und habe Fragen zur Akustik bei Stimmgabeln.

Background der Fragen:
Eine Stimmgabel wird oft mit dem Stiel gegen eine Resonanzfläche aus Holz ge-drückt, um die Schwingungen hörbar zu machen. Im Stielbereich liegt der Schwin-gungsknoten des Grundtons. Die Amplitude ist also geringer als an den Spitzen der Zinken? Der schottische Instrumentenbauer Thomas Machell hat 1885 ein Stimmgabelklavier (Dulcitone) erfunden. Er koppelt sehr erfolgreich und laut (!) Stimmgabeln (ohne Stiel) in der Nähe der Stimmgabel-Zinken an einen Resonanzboden, indem er eine halbkreisförmige Feder dazwischensetzt. Er schrieb, dass er dies vor allem deshalb machte, um Geräusche zu unterdrücken, die beim An-schlagen der Stimmgabel auf den Resonanzboden übertragen werden, wenn eine Stimmgabel mit dem Stiel montiert ist.

Bei der Vermessung von Gabeln eines historischen Instruments, habe ich festge-stellt, dass der Positionen, an denen die halbkreisförmigen Federn mit der Stimmgabel verbunden sind, immer bei etwa bei 11,2% der Stimmgabel-Länge liegen, wenn man sich die Stimmgabel auseinandergebogen als Klang-Stab vor-stellt. Dies würde auch ziemlich genau 50% der Strecke entsprechen, die bei der Montage von Xylophon- oder Glockenspiel-Klangstäben gewählt wird; dort liegt der Schwingungsknoten des Grundtons bei ~22,42%. Machells Dulcitone wird über eine Klaviertastatur gespielt. Die Klavierhämmer schlagen ebenfalls bei 11,2% auf. In einem Vortrag schreibt er, dass hiermit musikalisch störende (un-harmonische) Obertönte verhindert werden. Experimentell kann ich sagen: dies stimmt für seine Stimmgabeln und solche, die ich selbst nachgebaut habe.
Ein Schema von Machells Stimmgabel-Befestigung im Instrument ist hier:
http://www.friendsofsquarepianos.co.uk/s/cc_images/cache_75549381.jpg

Nun meine Fragen:
1. Frage ist: was passiert "formell" physikalisch bei der Kopplung über die solche halbkreisförmige Feder? Ist das korrekt? Wie lässt sich er Zusammenhang zwischen den mechanischen Impendanzen beschreiben? Also vom Stimm-gabelzinken aus Stahl über die Feder aus Federstahl auf die Brücke (Steg) aus Hartholz und den Resonanzbodens aus Nadelholz? Was hat hier eine hohe Impendanz? Was eine Niedrige? Kann man akustische und mechani-sche Impendanz gleichsetzen? Liegt das Problem der Ankopplung an der "Härte" bzw. dem Elastizitätsmodul der Materialien? Wie müsste ein idealer mechanischer Impendanzwandler hier aufgebaut sein, falls es überhaupt eine Frage der Impendanzen ist?


2. Frage: Stimmgabeln werden oft wie obertonfreie Sinusgeneratoren darge-stellt. Praktisch klingen Stimmgabeln als Flachstahl aber sehr unterschied-lich, je nachdem an welcher Position die Zinke angeschlagen wird. Ist es zulässig, eine Stimmgabel ohne Stiel einfach als gebogenen Klangstab zu betrachten? (Dies wäre aus meiner laienhaften Sicht ein gutes Modell, denn die Lage der Schwingungsknoten für verschiedene Obertöne von Klangstäben sind natürlich in der praktischen Instrumentenbau-Literatur gut dokumentiert (Wichtig für die Stimmung von Obertönen von Klang-platten und -stäben))



Meine Ideen:
Ich vermute, dass durch die halbkreisförmige Feder eine Impendanzwandlung mittels eines Dämpfungsgliedes passiert. Ein schwingender Stimmgabel-Zinken, den man an einen Resonanzboden hält führt ja zu einem so-fortigen "Übersteuern". Der Resonanzboden reagiert nur mit einem lauten Klirren und die Stimmgabel wird so schnell in ihrer Vibration gebremst, dass der Ton fast sofort verschwindet.

Wie gesagt, ich bin Physik-Laie....
Bei meinem Nachbau habe ich ähnlich (gute) Ergebnisse auch mit normalen spiralförmigen Druckfedern erreicht. Die Federform also scheint keinen großen Einfluss zu haben, außer dass man beim Bau über den Biegeradius von Blattfedern die Spannung leichter regulieren kann als bei Spiralfedern.
Brillant



Anmeldungsdatum: 12.02.2013
Beiträge: 1973
Wohnort: Hessen

Beitrag Brillant Verfasst am: 08. Aug 2020 19:15    Titel: Antworten mit Zitat

Interessanter Beitrag, ich mag ungewöhnliche Instrumente und habe mir erstmal ein paar Beispiele für Dulcitones angehört.

Warum die Schwingungen mit der Blattfeder übertragen werden, ist für mich nicht ersichtlich. Man könnte wohl auch Stimmgabeln mit Stiel nehmen und den Stiel am Resonanzboden befestigen.

Leider kann ich zur Antwort auf deine Fragen nichts beitragen.
DrEinerAnderenFachrichtun



Anmeldungsdatum: 09.08.2020
Beiträge: 1

Beitrag DrEinerAnderenFachrichtun Verfasst am: 09. Aug 2020 01:38    Titel: Zur Frage des Stiels / Schwingungsknoten des Grundtons Antworten mit Zitat

Danke trotzdem!! smile


Zur Anmerkung wegen des Stiels der Stimmgabel,
also der Montage im Schwingungsknoten des Grundtones:
Es gibt natürlich historische Stimmgabelklaviere, bei denen die
Gabeln MIT Stiel gefertigt wurden und wo der Stiel als Verbindung zur Brücke genutzt wird.

z.B.
    das Fender Rhodes :-)
    das Tuning-Fork Piano von Georg Wood (1843),
    das Stimmgabelklavier von Georg Stock (1898)
    die Campanella von Klein Piano Bau (ca. 1940)
    das Stimmgabelklavier des Großmeister Johann Heinrich Pape
    das "Adiaphon" von Fischer (& Fritzsche) (1882)
    und noch weitere, nach denen ich weltweit in Archiven fahnde smile


Bis auf das elektromechanische Rhodes haben aber ausnahmslos
alle eine Problem mit dem Attack des Tons, weil eine am Stiel fixierte Gabel beim Anschlagen stark rumpelt. Darum sind sie fast alle von der Bildfläche verschwunden, bis auf das Dulcitone.

Nur Meister Machell hat es mit der kuriosen Ankopplung über eine Blatt-Feder geschafft, dieses Instrumentenbau-Problem zu lösen.
Das Instrument, das ich gerade restauriert habe wurde vor
130 Jahren einfach genial clever konstruiert.


Ich möchte nun den physikalischen Hintergrund besser verstehen,
komme aber nicht wirklich weiter.


Die "Ankopplung" eines Resonanzbodens an Klangerzeuger geschieht eigentlich bei vielen Instrumenten über vermittelnde Zwischenglieder. In der Regel ein Steg bzw. eine Brücke, ein Rahmen, ein Nagel oder ein
Hohlraumresonator (Kopplungsmedium = Luft)

Bei Saiteninstrumenten ist die Sache klar: Durch die definierte Position des Stegs überträgt die Saite an einem nicht-frei schwingende Teil (= ein Saitenende) im 90° Winkel eine transversale Auslenkung auf ein relativ hartes Material (z.B. Ahorn), das relativ breit an einer einer Stelle des Resonanzkörpers aufliegt, die zwar steif, aber trotzdem mininmal beweglich ist. Zum Beispiel der Bereich zwischen den f-förmigen Löchern einer Geige. (Viele glauben, dass diese "Schalllöcher" dem Schallaustritt dienen. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Es geht an dieser Stelle erstmal um die Beweglichkeit bei tieferen Frequenzen)

Bei einer Kalimba ist es schon komplexer. Da schwingt nur ein Ende des Klangerzeugers. Und der muss dann sehr fest montiert werden. Am Besten auf Stahl, der widerum auf einer sehr massiven Platte befestigt ist. Wenn man eine Kalimba-Zunge direkt an einem Gitarren-Korpus anschrauben würde, ginge das natürlich nicht. Hier muss also auch erst eine ziemlich starke Impendanzwandlung stattfinden.

Beim Dulcitione/Stimmgabelklavier, wie Machell es baut, ist mir die Sache allerdings völlig unklar. Vor allem, warum das so phantastisch funktioniert :-)

Die Feder ist ja in schwingenden Systemen eine Art Dämpfer. Die recht hohe Energie, die beim Aufschlag eines Klavierhammers an eine Stimmgabel übertragen wird, ist notwendig, um die Stimmgabel zum Schwingen zu bringen. Andererseits ist die Amplitude, selbst bei leichtem Anschlag noch zu groß für den Resonanzboden. Bei direkter Übertragung bekäme man nur einen Aufprallknall und eine sofort gedämpfte Stimmgabel, die ihre Energie entweder vollständig an den weichen Resonanzboden abgegeben hat, oder mit dessen mechanischer Reflexion (Klirren) konfrontiert wird.

Meiner laienhaften Auffassung nach, verteilt die Feder einfach als eine Art schwingungsfähiger Widerstand die Abgabe der Energie über einen längeren Zeitraum, so dass der Resonanzboden ein Quäntchen Zeit hat, sich einzuschwingen und nicht in Sekundenbruchteilen (~ 2 x 1/f) beim Ankommen des zweiten Wellenbauchs übersteuert.

Nun hätte ich aber gerne gewusst, ob diese Auffassung physikalisch korrekt ist :-)
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