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Beschränkungsgleichungen: warum koordinatenabhängig?
 
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MenschDerKeinenHutBesitzt



Anmeldungsdatum: 07.11.2018
Beiträge: 37

Beitrag MenschDerKeinenHutBesitzt Verfasst am: 22. Jun 2020 11:38    Titel: Beschränkungsgleichungen: warum koordinatenabhängig? Antworten mit Zitat

Im Abschnitt "Holonome Zwangsbedingungen
" des Artikels https://de.serlo.org/physik/theoretische-physik/theoretische-mechanik/lagrange-formalismus/zwangsbedingungen-ihre-folgen

Steht dass für Massenpunkte und holonome Zwangsbedingungen die Beschränkungsgleichung als geschrieben werden kann.
Daraus folge, dass die einzelnen Variablen bzw. Koordinaten (also ) abhängig voneinander sind, warum???

Was bedeutet abhängig in diesem Fall?

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Eventuell besitze ich demnächst einen Hut, dann ist mein Account-Name natürlich so lange unpassend bis ich den Hut verloren habe oder er mich.
TomS
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Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Jun 2020 12:14    Titel: Antworten mit Zitat

Beispiel: Ein Teilchen bewege sich i) auf einer Kugeloberfläche oder ii) einer komplizierteren Fläche.

Für (i) die Kugeloberfläche führt man Kugelkoordinaten ein, setzt den Radius r des Ortsvektors des Teilchens gleich dem Kugelradius R



und formuliert die Lagrangefunktion in der verbleibenden zwei Freiheitsgraden = den Winkeln. Fertig.

Alternativ formuliert man die Lagrangefunktion in drei Freiheitsgraden und führt einen zusätzlichen Term





ein, der die Zwangsbedingung



realisiert.

Für (ii) eine kompliziertere Fläche ist es meist unmöglich, explizite Koordinaten zu finden, die direkt den echten Freiheitsgraden entsprechen; d.h. man kann die Zwangsbedingung C nicht explizit lösen.

Stattdessen bleibt nur der Weg über die Zwangsbedingung C, die die Fläche spezifiziert. Daraus resultieren zum einen Zusatzterme in den Bewegungsgleichungen, zum anderen natürlich die Gleichung



Betrachte statt der Oberfläche einer Kugel die eines Ellipsoids



die die impliziten Abhängigkeiten enthält.

Ein komplizierterer Fall wäre die Bewegung zweier Massenpunkte auf dem Ellipsoiden, wobei die Massenpunkte zusätzlich durch eine masselose, starre Stange verbunden sind. Dafür benötigt man insgesamt drei Zwangsbedingung.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 22. Jun 2020 15:35, insgesamt einmal bearbeitet
MenschDerKeinenHutBesitzt



Anmeldungsdatum: 07.11.2018
Beiträge: 37

Beitrag MenschDerKeinenHutBesitzt Verfasst am: 22. Jun 2020 14:23    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe die entstandenen Fragen mit a-e) notiert.

Was die Abhängigkeit betrifft, ist also die Tatsache gemeint, dass bspw. bei (i) die nie isoliert betrachtet werden können, da die Summe der Quadrate von dem Quadrat des Kugelradius entsprechen muss.

a) Verständnisfrage: Bei einer Kreisbewegung in der x-y-Ebene könnte man ja die Zwangsbedingung wählen:
Dann könnte man diese Zwangsbedingung nicht als schreiben, also ist sie nicht holonom?


TomS hat Folgendes geschrieben:


Für (ii) eine kompliziertere Fläche ist es meist unmöglich, explizite Koordinaten zu finden, die direkt den echten Freiheitsgraden entsprechen; d.h. man kann die Zwangsbedingung C nicht explizit lösen.

Stattdessen bleibt nur der Weg über die Zwangsbedingung C, die die Fläche spezifiziert. Daraus resultieren zum einen Zusatzterme in den Bewegungsgleichungen, zum anderen natürlich die Gleichung



Betrachte statt der Oberfläche einer Kugel die eines Ellipsoids



die die impliziten Abhängigkeiten enthält.

b)
Also beim Ellipsoid wäre . Für feste würden doch den echten Freiheitsgraden entsprechen, wenn man das Problem in kartesischen Koordinaten betrachtet. Oder nicht?

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ein komplizierterer Fall wäre die Bewegung zweier Massenpunkte auf dem Ellipsoiden, wobei die Massenpunkte zusätzlich durch eine masselose, starre Stange verbunden sind. Dafür benötigt man insgesamt drei Zwangsbedingung.

c)
Seien der Ortsvektor von Masse 1 und der Ortsvektor von Masse 2.
Sei die Länge der Stange.






Anm.: Der Betrag bezieht sich auf die eukl. Betragsfunktion.

Auch hier hat man doch drei Freiheitsgrade, da wir zwei Teilchen betrachten, also gibt es 3*2 Koordinaten - 3 Zwangsbed. = 3 Freiheitsgrade.
Entsprechen somit nicht die expliziten Koordinaten den echten Freiheitsgraden?

TomS hat Folgendes geschrieben:


Für (ii) eine kompliziertere Fläche ist es meist unmöglich, explizite Koordinaten zu finden, die direkt den echten Freiheitsgraden entsprechen; d.h. man kann die Zwangsbedingung C nicht explizit lösen.

Stattdessen bleibt nur der Weg über die Zwangsbedingung C, die die Fläche spezifiziert. Daraus resultieren zum einen Zusatzterme in den Bewegungsgleichungen, zum anderen natürlich die Gleichung





Ich habe diesen Teil deiner Antwort leider nicht so ganz verstanden:

d) was meinst du eigentlich genau mit "echten" Freiheitsgrade?
e) Eine Spezifizierung der Fläche als Zwangsbedingung ist ja bspw. bei dem Beispiel (i) gegeben, aber warum sollte für eine beliebige Fläche folgen, und was meinst du mit "Zusatztermen" bei den Bewegungsgleichungen? Welche "Zusatzterme" resultieren denn bspw. in (i)?

Ich hoffe dass ich jetzt nicht zu viele Fragen auf einmal gestellt habe und meine Fragen sinnvoll formuliert sind - für mich ist das Thema noch neu.

Vielen Danke schon mal für deine bisherige Hilfe ! :)

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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Jun 2020 07:35    Titel: Antworten mit Zitat

Zu a)

Zunächst kannst du z = 0 einfach dadurch implementieren, dass du z nicht verwendest, das Problem also zweidimensional formulierst. Wenn du das nicht möchtest, dann benötigst du



so dass



festgelegt wird. In deinem Spezialfall wäre natürlich a = 0.

Wenn du mit Kreisbewegung meinst, dass die Bewegung auf dem Kreisrand mit Radius R stattfindet, dann wäre die holonome Zwangsbedingung



Wenn du jedoch eine Bewegung im Inneren der Kreisscheibe mit Radius R meinst, dann wäre die Zwangsbedingung



nicht-holonom.

Der Grund liegt in der Bedienung mit „<“.


Zu b)

Holonome Zwangsbedingung reduzieren die Anzahl der Freiheitsgrade.

Im Falle der Kugeloberfläche reduzierst du



von 3 auf 2 Freiheitsgrade; die Winkel wären die „echten“ Freiheitsgrade.

Im Falle der Oberfläche des Ellipsoiden reduzierst du



ebenfalls von 3 auf 2 Freiheitsgrade; die „echten“ Freiheitsgrade kannst du jedoch - zumindest zunächst - nicht explizit angeben; genau deswegen benötigst du ja den Ansatz mittels Lagrangemultiplikatoren.


Zu c)

Evtl. ist es sinnvoller



zu verwenden.

Deine Zählung ist korrekt:

Zwei Teilchen minus Fixierung auf Oberfläche minus Fixierung des Abstandes entspricht 2 * 3 - 2 - 1 = 3.

Die „echten“ Freiheitsgrade wären also genau drei unabhängige Größen; diese kannst du aber wiederum nicht explizit angeben. In Spezialfällen mag das gehen, z.B wenn sich beide Teilchen auf einer Kugeloberfläche befinden.


Zu d)

Die „echten“ Freiheitsgrade wären diejenigen, in denen sich die Lagrangefunktion ohne weitere Bedingungen direkt formulieren lässt - s.o; bzw. es wären diejenigen, die aus einer expliziten Lösung der Zwangsbedingungen folgen.


Zu e)

Rein mathematisch mag es komplizierte Flächen geben, für die keine Bedingung C = 0 formuliert werden kann. In den o.g. Beispielen ist das jedoch nicht der Fall.

Mit Zusatztermen meine ich folgendes: sei L die Lagrangefunktion des freien Teilchens in drei Dimensionen; sei C eine Zwangsbedingung für eine Fläche, auf der die Bewegung stattfinden soll; seien



Koordinaten, z.B. kartesische, Polarkoordinaten ...

Dann formulierst du das Problem mit Zwangsbedingung mittels der Lagrangefunktion



Wenn du nun die Euler-Lagrange-Gleichungen berechnest, dann erhältst du aus dem C-Term Zusatzterme, die sogenannten Zwangskräfte.

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Beitrag MenschDerKeinenHutBesitzt Verfasst am: 23. Jun 2020 10:30    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen Dank Tom, das war sehr hilfreich :)

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zu a)

Im Falle der Oberfläche des Ellipsoiden reduzierst du






Wenn ich die Oberfläche vom Ellipsoid in Kugelkoordinaten beschreibe:

würde ich als echte Freiheitsgrade ansehen.
Diese sind dann auch zeitabhängig.

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TomS
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Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Jun 2020 21:57    Titel: Antworten mit Zitat

MenschDerKeinenHutBesitzt hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich die Oberfläche vom Ellipsoid in Kugelkoordinaten beschreibe würde ich als echte Freiheitsgrade ansehen.

Das ist richtig, aber trotzdem wirst du den Radius r erst mal nicht los.

Im Falle der Kugel liegt eine Konstante R vor, im Falle des Ellipsoids eine komplizierte Funktion für r in Abhängigkeit von theta und phi. Im Falle des Ellipsoids kannst du diese Funktion sogar explizit angeben - das war von mir sehr verwirrend formuliert - in komplizierteren Fällen jedoch nicht.

Anyway, freut mich, wenn es geholfen hat.

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