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Born, Bohm, Everett - pragmatisch, realistisch, abgefahren?
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Cuby



Anmeldungsdatum: 21.11.2019
Beiträge: 29

Beitrag Cuby Verfasst am: 22. Nov 2019 02:32    Titel: Born, Bohm, Everett - pragmatisch, realistisch, abgefahren? Antworten mit Zitat

Hallo,
ich habe die Aufgabe übernommen, einen vergleichenden Vortrag mit anschließender Diskussion über die drei Varianten der QM zu halten. Da ich kein Physiker bin (aber Grundkenntnisse in Diff.- & Integral-Rchg. habe), legte ich zunächst keinen großen Wert auf den mathematischen Formalismus, aber je tiefer ich mich einarbeitete, desto faszinierender, aber auch verwirrender fand ich die manchmal sogar verzweifelten Versuche, die Quantenwelt und ihren Formalismus zu verstehen, weshalb ich es hier zum Thema machen und mehr darüber erfahren möchte.
Ich bin zu folgendem „Überblick“ über die QM-en gekommen:
[Hier sollte eigentlich eine Tabelle stehen - but how to do?]

Wird eine Messung an einem präparierten QM-System durchgeführt, ist die Wahrscheinlichkeit, den Messwert a zu erhalten, gegeben durch die Born’sche Regel , die nach eigenem Bekunden Borns in seiner Nobelpreisrede durch Analogieschluss aus Einsteins Lichtquantenhypothese entwickelt wurde;
=> theoretisch unbegründet aber gerechtfertigt durch Messresultate.

=> Das Problem: Unter der Dynamik der linearen Schrödinger-Gleichung sollte das Messgerät ebenfalls einen Überlagerungszustand und keinen Eigenzustand annehmen. Tatsächlich ist eine Überlagerung makroskopisch verschiedener Zustände empirisch nicht beobachtet worden. Dieses Problem ist formuliert in

Maudlins Trilemma, das folgende Postulate umfasst:

1. Die Quantenmechanik wird vollständig durch die ψ-Fkt. (Schrödinger-Glg.) beschrieben.
2. Die zeitliche Dynamik folgt der linearen, kontinuierlichen ψ-Fkt. in Form von Superpositionszuständen.
3. Die daraus erhaltenen Resultate sind definit und diskret.

Diese Postulate können nicht widerspruchsfrei alle drei zutreffen, eines muss abgelehnt werden.

A) Lösung 1: Ablehnung von (2) Kopenhagener Interpretation (KI)

- Der kontinuierlichen, deterministischen und zeitlich-reversiblen unitären Zeitentwicklung des Vektors |Ψ⟩ wird ein zweiter Formalismus hinzugefügt: eine spontane, diskontinuierliche, indeterministische und zeitlich-irreversible Zeitentwicklung von |Ψ⟩ auf einen Eigenvektor |Ψi⟩ bei einer Messung von Ô mit dem Messwert ai. Das ist die Projektion bzw. der Kollaps mit der objektiven Wahrscheinlichkeitsdichte gemäß der Bornschen Regel.
- Strenge Trennung von QM-System & klassisch zu beschreibendem Messgerät (Heisenberg-Schnitt)

=> Das Problem: je nachdem, ob in der Bornschen Formulierung der Ausdruck „bei einer Messung“ akzentuiert wird, man ihm also wesentliche Bedeutung zumisst, oder ob auf ihn verzichtet werden kann, ergibt sich ein völlig anderes Realitätsbild:

Wird der Ausdruck nicht akzentuiert kann man realistisch interpretieren, dass dem quantenphysikalischen System sämtliche Eigenschaften zu jeder Zeit zukommen und dass es sich deterministisch entwickelt. Dann aber ist die Standard-Quantenmechanik unvollständig, da ontologisch offenbar mehr vorliegt, als epistemisch bestimmt werden kann, so dass sie durch verborgene Parameter ergänzt werden muss.

Wird der Ausdruck hingegen akzentuiert, lässt das formal die Auffassung zu, dass das mikroskopische Quantensystem in der Regel keineswegs schon zeitlich vor der Messung von Ô die entsprechende Eigenschaft ai hätte, sondern dass sie erst durch den Messakt sozusagen aus dem Hilbertraum extrahiert und zugeordnet wird; verallgemeinert heißt das, dass erst durch die Messung die Realität aus der Möglichkeit der Überlagerung in die Wirklichkeit gebracht wird.

B) Lösung 2: Ablehnung von (1): Bohm’sche QM

- Die QM ist unvollständig. Der Schrödinger-Glg. wird die zusätzliche Bewegungs-Glg. der Teilchen hinzugefügt, so dass das System aus einem ψ-Führungsfeld (mit Phase S) und den klassischen Teilchen mi besteht: die Teilchen vollziehen die Dynamik und das über die Phase S gekoppelte Feld führt die Teilchen, die durch Anfangsort Q0 und Anfangszustand ψ0 als Bohmsche (nicht Newtonsche!) Trajektorie festgelegt ist: ein einmal -verteiltes System bleibt erhalten (Q-Glg.-Hypothese, Konti-Glg.) mit der Konsequenz, dass:

- Bei der Durchführung eines Experiments zur Messung von z. B. der Spinkomponente der Ausgang durch die Wellenfunktion und den Anfangsort festgelegt wird. Die gemessenen Eigenschaften kommen dem Objekt somit intrinsisch zu.

Frage: Gibt es noch immer keine Möglichkeit, den Unterschied empirisch zu verifizieren?

- Die Wellenfunktion repräsentiert nicht eine Wahrscheinlichkeitsamplitude, sondern ein Potential, die die Bahn des quantenmechanischen Teilchens bestimmt.

F: Woran lässt sich das formal erkennen?

- Die hermiteschen Operatoren der üblichen Quantenmechanik spielen in der Bohmschen Mechanik keine fundamentale Rolle, sondern treten als mathematische Objekte auf, die Wahrscheinlichkeitsverteilungen kodieren.

F: Den Unterschied verstehe ich nicht ganz.

C) Lösung 3: Ablehnung von (3): Everetts VWI
- Das Messgerät (der Beobachter) wird als Teil des Q-Systems in den Vorgang integriert und befindet sich ebenfalls in der Überlagerung. Der Messakt (allg.: die Wechselwirkung) bringt die Wellenfunktion dazu, in makroskopisch getrennte (disjunkte) Zweige zu dekohärieren, die praktisch nicht mehr miteinander wechselwirken. Das Kollaps-Postulat ist überflüssig.
- Die Messung wird somit als spezielle Art der Interaktion zweier Quantensysteme behandelt und ist damit von den Axiomen her nicht mehr ausgezeichnet. Die Verzweigungen sind keine räumlich getrennten Welten, sondern getrennte relative Zustände im jeweiligen Hilbertraum, wobei kein Element der Überlagerung ignoriert, sondern jedes mögliche Messergebnis im eigenen Zweig realisiert wird.
- Die VWI enthält keinen Kollaps und erklärt dessen angebliches Erscheinen mit dem Mechanismus der Quanten-Dekohärenz, was die QM-Paradoxa wie EPR oder Schrödingers Katze erklärt, da jedes mögliche Resultat eines Ereignisses in seiner eigenen Historie des Zweiges definiert ist und tatsächlich existiert. In jedem Element der Superposition ist der Beobachterzustand mit dem entsprechenden Zustand des Systems korreliert.

- Ich verstehe die VWI so, dass „die Welt“ nicht vervielfacht, sondern aufgespalten wird. Jede Wechselwirkung führt in einen separierten (?) relativen Zustand, vllt. ähnlich der Kopenhagener „Extraktion“ mit dem Unterschied, dass die restlichen „Möglichkeiten resp. Wahrscheinlichkeiten“ nicht zu Null kollabieren, sondern in den Zweigen real fortbestehen.

F: Das kommt mir noch etwas abenteuerlich vor, obwohl offensichtlich viele daran glauben! Welche Stringenz führt zu dieser Auffassung?

Das wäre jetzt (kompakt) mein Verständnis dieser drei Theorien mit ein paar Verständnisfragen. Sind die o.a. QM-en im Prinzip soweit richtig wiedergegeben?

Dann möchte ich jetzt gerne am Beispiel des DS-Experimentes fortfahren.

1) Welche Unterschiede & Gemeinsamkeiten ergeben sich, wenn man mit den Varianten A-C ein DS-Experiment durchführt? Wie sähe das in einer mathematischen Formulierung aus?

ad A (KI): das Teilchen stößt auf den DS, „verwandelt“ sich in eine Welle, interferiert mit sich selbst, „verwandelt“ sich wieder in ein Teilchen und hinterlässt eine Markierung am D-Schirm. Oder: ein Teilchen kann an zwei Orten gleichzeitig sein und zudem mit sich selbst interferieren.
Frage: Welcher allgemeine Formalismus gilt vor und nach der Messung?

ad B (BM): das Teilchen folgt der durch die ergänzte Schrödingergleichung festgeschriebenen Bahn. Die ψ-Fkt. repräsentiert hier keine Wahrscheinlichkeitsamplitude, sondern ein Potential, das die Bahn des quantenmechanischen Teilchens bestimmt. Da die Bohmschen Trajektorien sich nicht schneiden, gelangt kein Teilchen an Stellen, an denen die Wellenfunktion durch destruktive Interferenz verschwindet.
Frage: Formalismus

ad C (VWI): Messprozess & Wechselwirkungsprozess unterscheiden sich prinzipiell nicht; bei jedem dynamischen Prozess gelangt ein Zweig in die reale Wirklichkeit, während alle anderen in die verborgene Wirklichkeit gehen. Messungen scheinen bei Everett nur einen definiten Ausgang zu haben, während tatsächlich die Wellenfunktion (mit ihren Überlagerungszuständen) die vollständige Beschreibung darstellt.

F: Hier erkenne ich wohl Intention und Konzept, mir ist aber nicht klar, was bzgl. der Messungen gemeint ist.

2) Welche Bedeutung haben mathematischen Entitäten in den Varianten A-C?

Hier würde ich gern eine tabellarische Übersicht der von den Theorien zugeschriebenen Eigenschaften der mathematischen Terme anfertigen zB. ψ(Bohm) = physikalisches Feld, ψ(KI) = W-Amplitude. Wäre das sinnvoll oder zu überambitioniert?

Fragen zum Grundverständnis:
Vorab: Ist es richtig, dass weder die Schrödinger-Glg. noch das Bornsche Postulat streng hergeleitet wurden, sondern aus pragmatischen Gründen auch mit viel Intuition im Hinblick auf das Resultat mehr oder weniger zugeschnitten wurden?

3) Wie ist es zu erklären, dass diese drei Varianten der QM, (die für meinen Geschmack etwas abstruse KI, die mir relativ klare & anschauliche BM und die etwas abgefahrene VWI) zu den gleichen Resultaten kommen, obwohl sie unter den maßgeblichen Entitäten tw. Gegensätzliches verstehen? Was macht sie alle drei gewissermaßen „richtig“? Nur das Resultat? Die Fokussierung auf Born’s Postulat? Spielt es doch keine Rolle, „ob wir von der Existenz einer vektorwertigen Funktion x(t) sprechen, oder ob wir von der Existenz einer Masse reden, deren Bewegung wir mittels einer vektorwertigen Funktion x(t) beschreiben“ (wie ich hier irgendwo gelesen habe), wenn es doch nur auf das Resultat ankommt?

4) Soweit ich sehe, sind alle Variationen der Quantentheorie Variationen der Schrödinger-Glg.. Sie und die Superposition scheinen das unumstößliche Fundament zu sein, obwohl sie nicht streng hergeleitet wurde, wie Schrödinger selbst äußerte.

Mir stößt in diesem Zus.-hang immer wieder das m.E. problematische Begriffspaar „Möglichkeit & Wirklichkeit“ auf. Man kann durchaus der Auffassung sein, dass mathematische Formalismen per sé nur Möglichkeiten darstellen, die durch konkrete Randbedingungen dann realisiert werden. Aber die Möglichkeit, einen freien Fall so einzurichten, dass ich mit der konkreten Geschwindigkeit vi auf den Boden aufschlage ist doch etwas anderes als diese „virtuellen Zustands-Schwebungen“ und auch die Wurfparabel als Überlagerung hat etwas "Anschauliches". Auf der anderen Seite scheint aber die ψ-Fkt. allen Falsifikationen zu trotzen – ist mir irgendwie unbegreiflich - nein, eher philosophisch unbefriedigend.

Wenn ich mal über den Rand schaue: Die Allgemeine Relativitätstheorie ist nicht-linear, dynamisch-chaotische Prozesse sind nicht-linear, unser Gehirn arbeitet nicht-linear – es sieht so aus, als sei die Natur selbst nicht-linear und damit – wenn ich es recht verstanden habe – eben nicht superpositional! Diese Nichtlinearität scheint mir das Fundamentale der Natur zu sein!

Dennoch kommt mir Naivling die Bohmsche QM noch am attraktivsten, weil am anschaulichsten vor - vorerst!


Zuletzt bearbeitet von Cuby am 27. Nov 2019 13:05, insgesamt 2-mal bearbeitet
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18067

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Nov 2019 23:29    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Cuby, zunächst mal herzlich willkommen im Forum - und meine Hochachtung zu deinem beachtenswerten Beitrag zum Einstieg. Viel Spaß bei uns im Forum!

Die Entwicklung des Themas anhand des Maudlin-Trilemmas ist dir m.E. sehr gut gelungen.

Bevor wir tiefer in die Diskussion einsteigen, zunächst ein paar Anmerkungen, Präzisierungen oder Nachfragen.


Zu A)

Zitat:
Wird der Ausdruck [bei einer Messung] nicht akzentuiert, kann man realistisch interpretieren, dass dem quantenphysikalischen System sämtliche Eigenschaften zu jeder Zeit zukommen und dass es sich deterministisch entwickelt. Dann aber ist die Standard-Quantenmechanik unvollständig, da ontologisch offenbar mehr vorliegt, als epistemisch bestimmt werden kann, so dass sie durch verborgene Parameter ergänzt werden muss.

Was meinst du mit „akzentuiert“?

Was meinst du damit, dass dem System „ sämtliche Eigenschaften zu jeder Zeit zukommen“? Meinst du damit, dass dem System ohne bzw. vor einer Messung sämtliche Eigenschaften zukommen? Welche Eigenschaften meinst du?

Vor bzw. ohne Messung können wir ja nicht erkennen oder prüfen, welche Eigenschaften dem System zukommen. Und wenn wir umgekehrt prüfen - also messen - dann kommen dem System offenbar nur einige - nämlich die gemessenen - Eigenschaften zu.

Zitat:
Wird der Ausdruck [bei einer Messung] hingegen akzentuiert, lässt das formal die Auffassung zu, dass das mikroskopische Quantensystem in der Regel keineswegs schon zeitlich vor der Messung von Ô die entsprechende Eigenschaft ai hätte, sondern dass sie erst durch den Messakt zugeordnet wird; verallgemeinert heißt das, dass erst durch die Messung die Realität aus der Möglichkeit der Überlagerung in die Wirklichkeit gebracht wird.


Ja.

Ich verstehe nicht, wie du beide Optionen logisch konsistent behalten willst.


Zu B)

Zitat:
Bei der Durchführung eines Experiments zur Messung von z. B. der Spinkomponente der Ausgang durch die Wellenfunktion und den Anfangsort festgelegt wird. Die gemessenen Eigenschaften kommen dem Objekt somit intrinsisch zu.

Dabei stößt du gleich auf ein wesentliches Problem der Quantenmechanik nach deBroglie-Bohm. Das Teilchen trägt zwar die Eigenschaft „Ort“, jedoch nicht die Eigenschaft „Spin“. Das Teilchen ist - bis auf Ort und Impuls - ein eigenschaftsloses Punktteilchen.

Zitat:
Gibt es noch immer keine Möglichkeit, den Unterschied empirisch zu verifizieren?

Insoweit die Quantenmechanik nach deBroglie-Bohm anwendbar ist, existieren keine empirischen Unterschiede. Das Problem ist jedoch, dass diese Formulierung nicht immer anwendbar ist; insbs. ist sie nicht auf Quantenfeldtheorien erweiterbar.

Es gibt gegenteilige Auffassungen, siehe z.B. die genannten Autoren in https://en.m.wikipedia.org/wiki/De_Broglie%E2%80%93Bohm_theory#Quantum_field_theory .

Aber die Diskussion sollten wir uns besser für später aufheben.


Zu C)

Zitat:
Die Messung wird somit als spezielle Art der Interaktion zweier Quantensysteme behandelt und ist damit von den Axiomen her nicht mehr ausgezeichnet.

Die Messung sowie die Bornsche Regel kommen im reduzierten Axiomensystem der Everettschen Quantenmechanik nicht mehr vor.

Zitat:
Ich verstehe die VWI so, dass „die Welt“ nicht vervielfacht, sondern aufgespalten wird. Jede Wechselwirkung führt in einen separierten (?) relativen Zustand, vllt. ähnlich der Kopenhagener „Extraktion“ mit dem Unterschied, dass die restlichen „Möglichkeiten resp. Wahrscheinlichkeiten“ nicht zu Null kollabieren, sondern in den Zweigen real fortbestehen.

Beziehst du dich hier auf Everett oder auf die modernen Darstellungen auf Basis der Dekohärenz? Die wesentlichen Vertreter der modernen Auffassung würden diese Diskussion um Begriffe als eher irrelevant ansehen.

Zitat:
Das kommt mir noch etwas abenteuerlich vor, obwohl offensichtlich viele daran glauben! Welche Stringenz führt zu dieser Auffassung?

Zum ersten das schlichte Akzeptieren der Inhalte des - reduzierten bzw. minimalen - mathematischen Formalismus: der Formalismus macht zutreffende Vorhersagen, also glaube ich den Vorhersagen des Formalismus solange, bis ich eine experimentelle Widerlegung habe“.

Zum zweiten der Wunsch nach einer ontologischen bzw. realistischen und in sich logisch konsistenten Interpretation: der Formalismus is ein strukturell teures Abbild der - auch ohne bzw. unabhängig von einer Messung - existierenden Realität.

Zum dritten die Erkenntnis, dass die Kollapsinterpretation dies nicht leistet: sie ist in sich nicht logisch konsistent, da sie zwei widersprüchliche Entwicklungen des Zustandes enthält (unitär, deterministisch und reversibel gemäß der Schrödingergleichung, nicht-unitär, stochastisch und irreversibel gemäß des Kollapses).


Soviel dazu. Sieht doch gut aus, oder?

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Cuby



Anmeldungsdatum: 21.11.2019
Beiträge: 29

Beitrag Cuby Verfasst am: 23. Nov 2019 23:04    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Hallo Cuby, zunächst mal herzlich willkommen im Forum - und meine Hochachtung zu deinem beachtenswerten Beitrag zum Einstieg. Viel Spaß bei uns im Forum!
Die Entwicklung des Themas anhand des Maudlin-Trilemmas ist dir m.E. sehr gut gelungen.

Hallo Tom, sei herzlich bedankt auch für dein Urteil, sowas motiviert!

Zitat:
Was meinst du mit „akzentuiert“?

„Wesentliche Bedeutung zumessen“, „unverzichtbar“.

Zitat:
Was meinst du damit, dass dem System „ sämtliche Eigenschaften zu jeder Zeit zukommen“? Meinst du damit, dass dem System ohne bzw. vor einer Messung sämtliche Eigenschaften zukommen? Welche Eigenschaften meinst du?

Ja. Eigenschaften wie Masse, Impuls, Ladung, Spin, die das Objekt (Elektron, Photon, …) unabhängig von der Messung hat.
Ich weiß nicht, ob die traditionelle Unterteilung von primären Qualitäten (die das Objekt „an-sich“, unabhängig von irgendeiner Wechselwirkung hat) und sekundären Qualitäten (abhängig von der Wechselwirkung) hier sinnvoll ist.

Zitat:
Vor bzw. ohne Messung können wir ja nicht erkennen oder prüfen, welche Eigenschaften dem System zukommen. Und wenn wir umgekehrt prüfen - also messen - dann kommen dem System offenbar nur einige - nämlich die gemessenen - Eigenschaften zu.

Was ja ontologisch nicht ausschließt, dass es darüber hinaus weitere Eigenschaften hat – die Schrödinger-Glg. also erweitert werden muss. Das wäre ja dann die realistische Auffassung.

F: Ich bin mir nicht im Klaren darüber, was „Präparation“ im Detail bedeutet. Es wird eine Grundgesamtheit von identischen Teilchen erzeugt, welche durch einen Zustand ψ eines der Teilchen repräsentiert wird (wiki). Wie sieht so eine P. praktisch aus?

*************************

Mir scheint, dass man hins. der Messung nicht ohne eine bestimmte philosophische Auffassung deren Resultate interpretieren kann. Die KI sieht offensichtlich einzig in den Messresultaten einen Bezug zur Realität und nicht in der Überlagerung ψ; aus diesem Grund muss sie wohl darauf bestehen, dass „bei einer Messung“ explizit im Formalismus oder in der Definition auftaucht. Damit reduziert sie die physikalische Realität – etwas überspitzt – auf das, was im Display erscheint oder im Detektor tickt; möglw. aus dem Grund, um dem Vorwurf der Unvollständigkeit zu entgehen oder zu entgegnen.

Wäre die KI anderer Auffassung dergestalt, dass ψ selbst die physikalische Realität repräsentiert, ginge sie das Risiko ein, dass bei der Messung möglw. etwas „durch die Lappen geht“, da ψ selbst nicht gemessen werden kann, sondern nur ψ^2 – sie also einen Teil des ontologischen Bestandes epistemisch nicht erfasst.

Zitat:
Aber die [Bohm-] Diskussion sollten wir uns besser für später aufheben.

OK.

Zitat:
Ich verstehe nicht, wie du beide Optionen logisch konsistent behalten willst.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich deinen Einwand recht verstehe. Im Rahme der KI kann man beide Optionen wohl nicht aufrechthalten, ohne am Formalismus etwas zu ändern. Das ist ja gerade der Widerspruch, den du unten beschreibst („Zum Dritten die Erkenntnis…“), oder?

Zitat:
Beziehst du dich hier auf Everett oder auf die modernen Darstellungen auf Basis der Dekohärenz? Die wesentlichen Vertreter der modernen Auffassung würden diese Diskussion um Begriffe als eher irrelevant ansehen.

Ich habe unterschiedliche Quellen benutzt, wie

- deine Ausführungen hier im Forum
- O. Passon, et. al. – Philosophie der Quantenphysik
- D. Dürr – Verständliche Quantenmechanik
- D. Zeh - Physik ohne Realität
- Diverse Vorlesungsscripte (Internet),

dabei aber wohl nicht unterschieden; meine Beschäftigung mit der VWI ist noch relativ jungen Datums und mein Eindruck ist, dass sie in der Literatur nicht übereinstimmend klar dargestellt wird; kann aber auch an meinem Verständnis liegen.

Zitat:
Zum ersten das schlichte Akzeptieren der Inhalte des - reduzierten bzw. minimalen - mathematischen Formalismus: der Formalismus macht zutreffende Vorhersagen, also glaube ich den Vorhersagen des Formalismus solange, bis ich eine experimentelle Widerlegung habe“.

Ja, klarer Standpunkt vor Ockhams Hintergrund! Ich habe gerade eben hier im Forum deine
„FAQ - fundamentale Regeln der Quantenmechanik nach Everett verfasst am: 06. Aug 2018“ gefunden.

Zitat:
Zum zweiten der Wunsch nach einer ontologischen bzw. realistischen und in sich logisch konsistenten Interpretation: der Formalismus is ein strukturell teures Abbild der - auch ohne bzw. unabhängig von einer Messung - existierenden Realität.

Sieht so aus, als sollte ich mich intensiver damit beschäftigen. Was meinst du mit „teures Abbild“ - komplex?

Zitat:
Zum dritten die Erkenntnis, dass die Kollapsinterpretation dies nicht leistet: sie ist in sich nicht logisch konsistent, da sie zwei widersprüchliche Entwicklungen des Zustandes enthält (unitär, deterministisch und reversibel gemäß der Schrödingergleichung, nicht-unitär, stochastisch und irreversibel gemäß des Kollapses).

Darüber müssen wir nicht lange diskutieren. Das habe ich begriffen!
Zitat:

Soviel dazu. Sieht doch gut aus, oder?

Das sieht sehr gut aus! Darauf ein single malt ... Auf dein Wohl!Prost
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18067

Beitrag TomS Verfasst am: 25. Nov 2019 16:59    Titel: Antworten mit Zitat

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Was meinst du damit, dass dem System „ sämtliche Eigenschaften zu jeder Zeit zukommen“? Meinst du damit, dass dem System ohne bzw. vor einer Messung sämtliche Eigenschaften zukommen? Welche Eigenschaften meinst du?

Ja. Eigenschaften wie Masse, Impuls, Ladung, Spin, die das Objekt (Elektron, Photon, …) unabhängig von der Messung hat.

Da du das Ganze im Kontext der KI betrachtest: relevant für eine ontische Interpretation sind nicht nur die Eigenschaften sondern natürlich auch die Vorgänge.

Zu den Eigenschaften ist zu sagen, dass bestimmte Eigenschaften unabhängig von einer Messung existieren, z.B. Masse und Ladung, da es sich dabei nicht um Eigenschaften handelt, die am Zustandsvektor hängen, sondern um Eigenschaften, die für das System sozusagen statisch vorgegeben werden; das ändert sich aber in der Quantenfeldtheorie, wenn Masse (Ruheenergie) oder Ladung eines Systems dynamische – wenn auch invariante also erhaltene – Größen werden. Generell kannst du davon ausgehen, dass einem System viele (klassische) Eigenschaften nicht ohne Messung zukommen können; es gibt dazu diverse no-go Theoreme (Details sollten wir noch diskutieren)

Die Vorgänge können nicht logisch konsistent und ontisch interpretiert werden, da offenbar zwei verschiedene, sich gegenseitig widersprechende Vorgänge existieren – die unitäre Zeitentwicklung sowie der nicht-unitäre Kollaps. Daher wird heute die – häufig nicht einheitliche – „Kopenhagener Interpretation“ durch moderne und sehr klare Varianten ersetzt: der Zustandsvektor beschreibt zu jedem Zeitpunkt ausschließlich das (subjektive) Wissen über einen Zustand; im Zuge einer Messung findet ein Update dieses Wissens statt. Man verabschiedet sich also vollständig von „Eigenschaften eines Systems“, sondern interpretiert den Formalismus rein epistemisch. Siehe insbs.

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Quantum_Bayesianism#/search


Cuby hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Vor bzw. ohne Messung können wir ja nicht erkennen oder prüfen, welche Eigenschaften dem System zukommen. Und wenn wir umgekehrt prüfen – also messen – dann kommen dem System offenbar nur einige – nämlich die gemessenen – Eigenschaften zu.

Was ja ontologisch nicht ausschließt, dass es darüber hinaus weitere Eigenschaften hat – die Schrödinger-Glg. also erweitert werden muss. Das wäre ja dann die realistische Auffassung.

Die realistische Auffassung ist zunächst nicht, dass man den Formalismus erweitert, sondern dass man das, was der Formalismus als real existierende Eigenschaften zulässt, als solche interpretiert – jedoch nicht mehr.

Bsp. 1.: wenn Gesamtspin 1 bekannt ist, dann ist die Spinkomponente bzgl. einer beliebig gewählten Richtung zunächst unbekannt; wenn die Spinkomponente bzgl. dieser Richtung gemessen und damit bekannt wird, dann ist und bleibt die Spinkomponente bzgl. einer dazu senkrechten Richtung sicher unbekannt – und kann und darf nicht als „real existierende Eigenschaft“ aufgefasst werden; das wäre inkonsistent.

Bsp. 2: wenn für ein verschränktes Teilchenpaar mit jeweils Einzelspin 1 der Gesamtspin 0 bekannt ist, dann ist die Spinkomponente eines Einzelspin bzgl. einer beliebigen Richtung zunächst unbekannt – Rest dito.


Cuby hat Folgendes geschrieben:
Ich bin mir nicht im Klaren darüber, was „Präparation“ im Detail bedeutet. Es wird eine Grundgesamtheit von identischen Teilchen erzeugt, welche durch einen Zustand ψ eines der Teilchen repräsentiert wird (wiki). Wie sieht so eine P. praktisch aus?

Betrachte die Messung an einem Spin-½-System a la Stern-Gerlach: nach dem Aufsplitten des Strahls – jedoch ohne Messung – in zwei Einzelstrahlen ist für jedes Teilchen offenbar eine Spinkomponente scharf definiert, d.h. das System ist diesbzgl. präpariert (eine Messung bestätigt, dass man je Strahl zu 100% diese eine Spinkomponente erhält)


Cuby hat Folgendes geschrieben:
Mir scheint, dass man hins. der Messung nicht ohne eine bestimmte philosophische Auffassung deren Resultate interpretieren kann. Die KI sieht offensichtlich einzig in den Messresultaten einen Bezug zur Realität und nicht in der Überlagerung ψ

Noch nicht mal in der Dichte rho sondern eigtl. nur in den tatsächlichen Messergebnissen in einem konkreten Experiment; nicht immer wird rho gemessen.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
... aus diesem Grund muss sie wohl darauf bestehen, dass „bei einer Messung“ explizit im Formalismus oder in der Definition auftaucht. Damit reduziert sie die physikalische Realität – etwas überspitzt – auf das, was im Display erscheint oder im Detektor tickt; möglw. aus dem Grund, um dem Vorwurf der Unvollständigkeit zu entgehen oder zu entgegnen.

Ja.

Eine epistemische Interpretation moderner Prägung vermeidet die Widersprüche der Anfangszeit der Kopenhagener Interpretation und fasst ausschließlich ein tatsächliches Messergebnis realistisch auf.


Cuby hat Folgendes geschrieben:
Wäre die KI anderer Auffassung dergestalt, dass ψ selbst die physikalische Realität repräsentiert ...

... müsste sie das Problem lösen, dass ψ real kollabiert bzw. nicht kollabiert, je nach dem ob eine Messung stattfindet oder nicht.


Cuby hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Beziehst du dich hier auf Everett oder auf die modernen Darstellungen auf Basis der Dekohärenz? Die wesentlichen Vertreter der modernen Auffassung würden diese Diskussion um Begriffe als eher irrelevant ansehen.

Ich habe unterschiedliche Quellen benutzt, wie

- deine Ausführungen hier im Forum
- O. Passon, et. al. – Philosophie der Quantenphysik
- D. Dürr – Verständliche Quantenmechanik
- D. Zeh – Physik ohne Realität
- Diverse Vorlesungsscripte (Internet),

dabei aber wohl nicht unterschieden; meine Beschäftigung mit der VWI ist noch relativ jungen Datums und mein Eindruck ist, dass sie in der Literatur nicht übereinstimmend klar dargestellt wird ...

Ja.

Zunächst mal musst du sichergehen, dass die Dekohärenz mitbetrachtet wird. Zu Dürr kann ich wenig sagen – außer, dass er kein Anhänger der VWI war und damit evtl. nicht die beste Quelle. Zeh hat die Dekohärenz zwar maßgeblich mitentwickelt, ist jedoch bzgl. klarere Argumentation m.E. nicht die beste Quelle.

Carroll und Wallace liefern m.E. die besten – nicht unbedingt einfachsten – Darstellungen.

https://www.quantamagazine.org/why-the-many-worlds-interpretation-of-quantum-mechanics-has-many-problems-20181018/

Außerdem empfehle z.Zt. gerne

https://www.springer.com/de/book/9783662542750

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Zum ersten das schlichte Akzeptieren der Inhalte des - reduzierten bzw. minimalen - mathematischen Formalismus: der Formalismus macht zutreffende Vorhersagen, also glaube ich den Vorhersagen des Formalismus solange, bis ich eine experimentelle Widerlegung habe“.

Ja, klarer Standpunkt vor Ockhams Hintergrund! Ich habe gerade eben hier im Forum deine
„FAQ – fundamentale Regeln der Quantenmechanik nach Everett verfasst am: 06. Aug 2018“ gefunden.

OK.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Zum zweiten der Wunsch nach einer ontologischen bzw. realistischen und in sich logisch konsistenten Interpretation: der Formalismus ist ein strukturell teures Abbild der – auch ohne bzw. unabhängig von einer Messung – existierenden Realität.

Sieht so aus, als sollte ich mich intensiver damit beschäftigen. Was meinst du mit „teures Abbild“ – komplex?

Schreibfehler: soll „treu“ heißen; das bezieht sich auf den mathematischen Begriff „faceful“.

Zitat:
Darauf ein single malt ... Auf dein Wohl!

Welcher darf’s denn sein?

Bei mir war am Wochenende ein Hazelburn 13 y.o., 50.8%, Cadenhead im Glas. :teufel:

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Cuby



Anmeldungsdatum: 21.11.2019
Beiträge: 29

Beitrag Cuby Verfasst am: 26. Nov 2019 13:37    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Da du das Ganze im Kontext der KI betrachtest: relevant für eine ontische Interpretation sind nicht nur die Eigenschaften sondern natürlich auch die Vorgänge.

O.k.
Zitat:
Zu den Eigenschaften ist zu sagen, dass bestimmte Eigenschaften unabhängig von einer Messung existieren, z.B. Masse und Ladung, da es sich dabei nicht um Eigenschaften handelt, die am Zustandsvektor hängen, sondern um Eigenschaften, die für das System sozusagen statisch vorgegeben werden; das ändert sich aber in der Quantenfeldtheorie, wenn Masse (Ruheenergie) oder Ladung eines Systems dynamische – wenn auch invariante also erhaltene – Größen werden. Generell kannst du davon ausgehen, dass einem System viele (klassische) Eigenschaften nicht ohne Messung zukommen können; es gibt dazu diverse no-go Theoreme (Details sollten wir noch diskutieren)

Ja gerne. Dazu hätte ich auch noch die eine oder andere Frage.
Zitat:
Die Vorgänge können nicht logisch konsistent und ontisch interpretiert werden, da offenbar zwei verschiedene, sich gegenseitig widersprechende Vorgänge existieren – die unitäre Zeitentwicklung sowie der nicht-unitäre Kollaps. Daher wird heute die – häufig nicht einheitliche – „Kopenhagener Interpretation“ durch moderne und sehr klare Varianten ersetzt: der Zustandsvektor beschreibt zu jedem Zeitpunkt ausschließlich das (subjektive) Wissen über einen Zustand; im Zuge einer Messung findet ein Update dieses Wissens statt. Man verabschiedet sich also vollständig von „Eigenschaften eines Systems“, sondern interpretiert den Formalismus rein epistemisch. Siehe insbs. https://en.m.wikipedia.org/wiki/Quantum_Bayesianism#/search

Schau' ich mir an.

Zitat:
Cuby schrieb: Was ja ontologisch nicht ausschließt, dass es darüber hinaus weitere Eigenschaften hat – die Schrödinger-Glg. also erweitert werden muss. Das wäre ja dann die realistische Auffassung.

Mit „realistische Auffassung“ ist die gewöhnliche Etikettierung im Bohmschen Sinn gemeint. Macht das einen Unterschied? (Ich bin mir auch nicht sicher, ob das Verhältnis Quantentheorie/BM so wie oben dargestellt überhaupt Sinn macht – ich glaube, den Satz vergessen wir mal).
Zitat:
Die realistische Auffassung ist zunächst nicht, dass man den Formalismus erweitert, sondern dass man das, was der Formalismus als real existierende Eigenschaften zulässt, als solche interpretiert – jedoch nicht mehr.
Bsp. 1.: wenn Gesamtspin 1 bekannt ist, dann ist die Spinkomponente bzgl. einer beliebig gewählten Richtung unbekannt; wenn die Spinkomponente bzgl. dieser Richtung gemessen und damit bekannt ist, dann ist die Spinkomponente bzgl. einer dazu senkrechten Richtung sicher unbekannt – und kann und darf nicht als „real existierende Eigenschaft“ aufgefasst werden; das wäre inkonsistent.

(Damit ich mit der Terminologie/Notation etwas vertrauter werde): Weil das Skalarprodukt als geometrische Projektion eines Vektors auf einen anderen Vektoren den Winkel bestimmt; wenn dieser 90° ist, steht B senkrecht auf A und das Skalarprodukt: A | B = 0 ist. Korrekt so?
Zitat:
Bsp. 2: wenn für ein verschränktes Teilchenpaar mit jeweils Einzelspin 1 der Gesamtspin 0 bekannt ist, dann ist die Spinkomponente eines Einzelspin bzgl. einer beliebigen Richtung zunächst unbekannt – Rest dito.

Bsp. 1-2 sind ausschließende Kriterien, wenn ich recht sehe; was sind zulassende?
Zitat:
Noch nicht mal in der Dichte rho sondern eigtl. nur in den tatsächlichen Messergebnissen in einem konkreten Experiment; nicht immer wird rho gemessen.

Handelt es sich hier um die reellen Eigenwerte selbstadjungierter bzw. hermitescher Operatoren, Ô|A⟩ = λ|A⟩, die man auch als Observable auffasst?
Zitat:
[…] Eine epistemische Interpretation moderner Prägung vermeidet die Widersprüche der Anfangszeit der Kopenhagener Interpretation und fasst ausschließlich ein tatsächliches Messergebnis realistisch auf.

Meinst du hier mit moderner Prägung die formale Ableitung der Schrödinger-Glg. ψ(r, t) aus der Hamilton-Fkt. H(q, p, t)?
Zitat:
Zunächst mal musst du sichergehen, dass die Dekohärenz mitbetrachtet wird…

Geht klar! Den Artikel habe ich mir ‘runtergeladen und
Dein (https://www.springer.com/de/book/9783662542750) = Mein (- O. Passon, et. al. – Philosophie der Quantenphysik).
Ja, das ist wirklich gut! Ist meine Hauptquelle.

- *** -
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 26. Nov 2019 19:41    Titel: Antworten mit Zitat

So, bzgl. einiger Punkte sind wir auf der Zielgeraden.


„Realistische Auffassung“ verstehe ich immer so, dass der Formalismus die Realität *) in gewissen Aspekten „treu repräsentiert“.

Das kann man nun auf alle mögliche Formalismen anwenden:

1) beim Kollaps / KI läuft man m.E. in einen offensichtlich Widerspruch - s.o.
2) im Rahmen der Bohmschen Quantenmechanik würden Teilchen und Wellenfunktion die Realität *) beschrieben
3) im Falle der Everettschen Auffassung moderner Prägung würde der Zustandsvektor inkl. der Verzweigung die Realität *) beschrieben; weitere Eigenschaften wie Zweige, Messwerte je Zweig etc. wären emergente Elemente der Realität

*) „Realität“ bedeutet immer „Realität ohne bzw. unabhängig von Messung oder Beobachtung“.


Was du mit dem Skalarprodukt sagen möchtest ist mir unklar.


Bzgl. der „... reellen Eigenwerte selbstadjungierter bzw. hermitescher Operatoren, Ô|A⟩ = λ|A⟩, die man auch als Observable auffasst“ hast du völlig recht.


Kriterien für real existierende und den Quantenobjekten zukommende Eigenschaften sind schwierig. Ich halte z.B. wenig davon, Eigenwerte von selbstadjungierten Operatoren als Eigenschaften von Teilchen aufzufassen - nicht nur, weil dies im Falle mehrerer Operatoren i.A. nicht funktioniert, sondern weil „Teilchen“ bereits eine zumeist unzutreffende Interpretation ist.


Mit der „epistemische Interpretation moderner Prägung“ meine ich keinen speziellen Formalismus sondern eine präzise und tatsächlich rein epistemische Interpretation - s.o. den QBism. Bei „Kopenhagen“ ging m.M.n. viel durcheinander.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Cuby



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Beitrag Cuby Verfasst am: 27. Nov 2019 10:32    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
So, bzgl. einiger Punkte sind wir auf der Zielgeraden.
„Realistische Auffassung“ verstehe ich immer so, dass der Formalismus die Realität *) in gewissen Aspekten „treu repräsentiert“.
[...]
*) „Realität“ bedeutet immer „Realität ohne bzw. unabhängig von Messung oder Beobachtung“.

Ja Konsens. Dann lass uns den Terminus hier vorläufig so festhalten.


Zitat:
Was du mit dem Skalarprodukt sagen möchtest ist mir unklar.

Ich ziehe es mal auseinander:

1. Ein Skalarprodukt ist die geometrische Projektion eines Vektors auf einen anderen Vektor, was den Winkel bestimmt; das Skalarprodukt zweier senkrecht aufeinander stehender Vektoren ist: A | B = 0.

2. Tom schrieb: "… dann ist die Spinkomponente bzgl. einer dazu senkrechten Richtung sicher unbekannt – und kann und darf nicht als „real existierende Eigenschaft“ aufgefasst werden; das wäre inkonsistent."

Hat die sichere Unkenntnis der senkrechten Spinkomponente mit dem verschwindenden Skalarprodukt zu tun?


Zitat:
Kriterien für real existierende und den Quantenobjekten zukommende Eigenschaften sind schwierig. Ich halte z.B. wenig davon, Eigenwerte von selbstadjungierten Operatoren als Eigenschaften von Teilchen aufzufassen - nicht nur, weil dies im Falle mehrerer Operatoren i.A. nicht funktioniert, sondern weil „Teilchen“ bereits eine zumeist unzutreffende Interpretation ist.

Mit der „epistemische Interpretation moderner Prägung“ meine ich keinen speziellen Formalismus sondern eine präzise und tatsächlich rein epistemische Interpretation - s.o. den QBism. Bei „Kopenhagen“ ging m.M.n. viel durcheinander.

Das sind Bemerkungen zu denen ich noch eine Menge Fragen hätte; ich gehe mal davon aus, dass wie dazu noch kommen?

- *** -

Sorry – ganz übersehen:
Zitat:
Bei mir war am Wochenende ein Hazelburn 13 y.o., 50.8%, Cadenhead im Glas. Teufel

Das sieht nach einer kleinen Feier aus – was immer auch der Anlass war, er scheint dir des Feierns wert - meinen Glückwunsch dazu.
Zitat:
Welcher darf’s denn sein?

Ok. der Hazelburn soll ‘s dann sein bei der nächsten Gelegenheit…
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 27. Nov 2019 13:18    Titel: Antworten mit Zitat

Fangen wir von hinten an: nein, den Hazelburn gab‘s ohne besonderen Anlass zusammen mit ein paar Freunden. Single Malt Whiskies sind ein großes Hobby ...

Zu den Fragen der Interpretation später mehr.

Zum Spin: der vektor-wertige Spinoperator besteht - als Vektor - aus drei Komponenten; diese entsprechen im wesentlichen den Pauli-Matrizen. Wenn du der i-ten Spinkomponente einen scharfen Wert zuweisen willst, dann muss die spinor-wertige Wellenfunktion eine Eigenfunktion zu diesem i-ten Spinoperator sein. Die drei Pauli-Matrizen haben jedoch nicht-verschwindende Kommutatoren, woraus folgt, dass es keine gemeinsame Eigenfunktion gibt. Andersherum: wenn z.B. für i = 3 eine Eigenfunktion vorliegt, der Spin also sicher in 3-Richtung zeigt, dann kann diese Eigenfunktion nicht auch Eigenfunktion zu i = 1 oder 2 sein. Demnach liegen für i =1 oder 2 keine Eigenwerte vor.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 28. Nov 2019 21:56, insgesamt einmal bearbeitet
Cuby



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Beitrag Cuby Verfasst am: 27. Nov 2019 14:15    Titel: Antworten mit Zitat

Ein kurzes Fazit. Ich versuche mal, den 1. Teil bis hierher zusammenzufassen:

Das Maudlinsche Trilemma erlaubt eine Einordnung der o.a. unterschiedlichen QM-Interpretations-Varianten in Bezug darauf, welche Bedeutung der Schrödinger-Glg. zugemessen wird.

Da einige Terme (Schrödinger-Glg, Bornsche Regel) zwar mathematisch konsistent, aber ihr Zus.-hang & Bezug zur Realität bzw. zu einer Messung und auch ihre theoretische Begründung unklar ist, muss interpretiert werden.

Die Interpretation bzw. die realistische oder nicht-realistische Auffassung einer Variante richtet sich insbesondere nach bestimmten philosophischen Annahmen & Voraussetzungen.

Def.: "Als „realistische Auffassung“ wird hier verstanden, dass der Formalismus die Realität in gewissen Aspekten „treu repräsentiert“ wobei „Realität“ immer als „Realität ohne bzw. unabhängig von Messung oder Beobachtung“ gedeutet wird."

Daraus ergibt sich u.a. die Frage, wer warum welchem mathematischen Term (zB der ψ-Fkt.) Realitätscharakter zuweist bzw. welche Rolle Observable für den Erkenntnisprozess spielen. Gibt es dafür – wider allem Anschein - strenge Kriterien?
- *** -
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 28. Nov 2019 22:06    Titel: Antworten mit Zitat

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Da einige Terme ... zwar mathematisch konsistent, aber ihr Zus.-hang & Bezug zur Realität bzw. zu einer Messung und auch ihre theoretische Begründung unklar ist, muss interpretiert werden.

Das gilt eigtl. auch ohne Quantenmechanik - bereits seit Newton. Nur konnte man damals einen naiven Realitätsbegriff anwenden, ohne sich wirklich Rechenschaft abzulegen.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Daraus ergibt sich u.a. die Frage, wer warum welchem mathematischen Term (zB der ψ-Fkt.) Realitätscharakter zuweist bzw. welche Rolle Observable für den Erkenntnisprozess spielen. Gibt es dafür – wider allem Anschein - strenge Kriterien?

Strenge Kriterien im Sinne der Naturwissenschaftlichen sicher nicht. Das ist Metaphysik, und daher z.B. nicht testbar.

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Beitrag Cuby Verfasst am: 29. Nov 2019 00:17    Titel: Antworten mit Zitat

Ich würd mich gern nochmal im Formalismus üben:

Geg (1) das zu messende Quantensystem (S), und (2) das Messgerät (M), das mit dem Quantensystem in Mess-Wechselwirkung steht und schließlich durch ein Signal Auskunft über den Zustand von S gibt.
1. Der Anfangszustand des Quantensystems S sei eine Superposition ψ bezüglich der Eigenschaften {si}, die von M gemessen werden sollen:



Das Messgerät M selbst ist zunächst in einem neutralen Anfangszustand |φo〉M und nimmt die Zustände |φi〉M ein, wenn S im Zustand |si〉S ist. Die Alternativen {φi} entsprechen den verschiedenen Zeigerstellungen. Dann ist der Anfangszustand des Gesamtsystems:



2. Nun findet eine Wechselwirkung zwischen dem Quantensystem S und dem Messgerät statt, sodass der Zustand des Messgeräts (die Zeigerstellung) mit dem Zustand des Quantensystems korreliert ist. Quantensystem und Messgerät bilden einen gemeinsamen, verschränkten Zustand:



3. Nach den Postulaten der orthodoxen Quantenmechanik kommt es nun zu einer Reduktion des Quantenzustandes in den Zustand k und zwar mit der Wahrscheinlichkeit :



Während der erste Schritt – durch die Wechselwirkung wird der Gesamtzustand von Quantenssytem und Messgerät verschränkt – im Rahmen der Quantentheorie leicht durch eine Schrödinger-Gleichung beschrieben werden kann, ist eine Beschreibung des zweiten Schritts – die Reduktion des Zustands – durch eine Schrödinger-Gleichung nicht möglich. Das wird schon alleine daran offensichtlich, dass der zweite Schritt ein stochastischer ist, während die Schrödinger-Gleichung deterministisch ist.
Wäre das korrekt dargestellt?


Zuletzt bearbeitet von Cuby am 29. Nov 2019 11:19, insgesamt 2-mal bearbeitet
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 29. Nov 2019 06:23    Titel: Antworten mit Zitat

Hab‘ deine Formeln ein wenig aufgeräumt ;-)

Ja, formal ist alles in Ordnung.

Bei 3. sollte „nach den Postulaten der orthodoxen Quantenmechanik ...“ stehen.

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Beitrag Cuby Verfasst am: 29. Nov 2019 11:24    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Hab‘ deine Formeln ein wenig aufgeräumt ;-)
Ja, formal ist alles in Ordnung.
Bei 3. sollte „nach den Postulaten der orthodoxen Quantenmechanik ...“ stehen.

Bestens! Danke!
Wie sollen wir jetzt weitermachen? Mit der Frage:
1) Welche Unterschiede & Gemeinsamkeiten ergeben sich, wenn man mit den Varianten A - C ein DS- oder Stern-Gerlach-Experiment durchführt? Wie sähe das in einer mathematischen Formulierung aus?
Cuby



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Beitrag Cuby Verfasst am: 30. Nov 2019 23:25    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Cuby hat Folgendes geschrieben:
Da einige Terme ... zwar mathematisch konsistent, aber ihr Zus.-hang & Bezug zur Realität bzw. zu einer Messung und auch ihre theoretische Begründung unklar ist, muss interpretiert werden.

Das gilt eigtl. auch ohne Quantenmechanik - bereits seit Newton. Nur konnte man damals einen naiven Realitätsbegriff anwenden, ohne sich wirklich Rechenschaft abzulegen.

Könnte man nicht auch so formuieren "... bereits seit Newton, als dieser anfing, sich über verwendete Begriffe keine Rechenschaft mehr abzulegen"?

Zitat:
Cuby hat Folgendes geschrieben:
Daraus ergibt sich u.a. die Frage, wer warum welchem mathematischen Term (zB der ψ-Fkt.) Realitätscharakter zuweist bzw. welche Rolle Observable für den Erkenntnisprozess spielen. Gibt es dafür – wider allem Anschein - strenge Kriterien?

TomS hat Folgendes geschrieben:
Strenge Kriterien im Sinne der Naturwissenschaftlichen sicher nicht. Das ist Metaphysik, und daher z.B. nicht testbar.

Aber irgendjemand muss doch festlegen, welche Größe nach welchen Kriterien einem Hermiteschen Operator O mit Reellem Eigenwert zuzuordnen ist. Nur empirische?

Was ist dann mit den mathematischen Termen, die zB aus Symmetriegründen "erzeugt" werden müssen?

Gibt es überhaupt allg. Vorschriften oder Kriterien, nach denen eine Größe eine Observable genannt werden darf? Und ist jede Observable grds. beobachtbar?
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 01. Dez 2019 11:53    Titel: Antworten mit Zitat

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Könnte man nicht auch so formuieren "... bereits seit Newton, als dieser anfing, sich über verwendete Begriffe keine Rechenschaft mehr abzulegen"?

Ich denke nicht, dass man sich zu Zeiten Newtons keine Rechenschaft mehr abgelegt hat, ich bin jedoch kein Experte. Ich habe eher den Eindruck, dass man sich im Rahmen der heutigen Physik zumeist keine Rechenschaft mehr ablegt - außer im Rahmen der Quantenmechanik - und dabei übersieht, dass dies auch zuvor bereits notwendig war bzw. gewesen wäre.


Cuby hat Folgendes geschrieben:
Aber irgendjemand muss doch festlegen, welche Größe nach welchen Kriterien einem Hermiteschen Operator O mit reellem Eigenwert zuzuordnen ist.

Das kommt darauf an, von welcher Seite du an die Sache rangehst.

Eine quantenmechanische Theorie wird heute zumeist durch Quantisieren einer klassischen Theorie konstruiert; dabei versucht man die klassischen Größen - von denen man eine Vorstellung hat - in die Quantenmechanik zu übertragen. Dazu kommen ein paar weitere etablierte Größen wie z.B. die S-Matrix, oder Größen, die aus Symmetrieüberlegungen resultieren. Im weitesten Sinne ist das eine pragmatische Vorgehensweise ohne den Anspruch, Grundlagen oder metaphysische Voraussetzungen zu durchdenken. Das gesamte Standardmodell ist so entstanden - und zusammen mit seinem Erfolg auch der blinde Fleck der Physiker gerade für die Grundlagen.

Formal ist jeder beliebige selbstadjungierte Operator eine „Observable“, unabhängig davon, ob dem jetzt auch eine real beobachtbare Größe entspricht bzw. wie man die Messung konstruiert. Dabei leitet einen wieder die o.g. Herangehensweise.

Gegeben sei ein beliebiges, vollständiges Orthonormalsystem und beliebige, reelle Koeffizienten. Dann ist



ein selbstadjungierter Operator - und damit eine „ Observable“.


Cuby hat Folgendes geschrieben:
Was ist dann mit den mathematischen Termen, die zB aus Symmetriegründen "erzeugt" werden müssen?

Was genau meinst du damit?

Symmetrieüberlegungen sind zumeist klassisch motiviert.


Cuby hat Folgendes geschrieben:
Gibt es überhaupt allg. Vorschriften oder Kriterien, nach denen eine Größe eine Observable genannt werden darf? Und ist jede Observable grds. beobachtbar?

s.o.:



Und eine derartige „Observable“ muss nicht zwingend praktisch beobachtbar sein. Insbs. folgt aus der Definition kein Hinweis, wie das Messverfahren auszusehen hat.

Physiker sind häufig sehr unpräzise und unterscheiden nicht zwischen dem selbstadjungierten Operator einerseits und der tatsächlich beobachtbaren Größe sondern nennen beides „Observable“ bzw. identifizieren beides - ein extrem schlampiger Sprachgebrauch.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Observable

Eine Observable ... ist in der Physik ... der formale Name für eine Messgröße und den ihr zugeordneten Operator, die im Zustandsraum ... wirken ...“.

Da hast du‘s.

Wenn es der Kontext erfordert - und ich mir dessen bewusst bin - dann versuche ich, dies präziser zu formulieren:

https://www.physikerboard.de/topic,56592,-faq---fundamentale-regeln-der-quantenmechanik-nach-everett.html

„4. Eine beobachtbare Größe, d.h. eine Observable eines Quantensystems wird durch eine selbstadjungierten Operator repräsentiert, der auf die Zustandsvektoren in wirkt“.

Normalerweise nimmt jedoch niemand darauf Rücksicht, dass die Größe, die gemessen wird, etwas anderes ist als das mathematische Objekt, das diese Größe repräsentiert. Und niemand legt sich darüber Rechenschaft ab, dass die Größe, die gemessen wird, etwas anderes ist als deren Messwerte. Z.B. ist der Hamiltonoperator H etwas anderes als die Energie E eines realen Systems, und diese ist etwas anderes als die Gesamtheit der in einem Experiment tatsächlich gemessenen Werte.

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Beitrag Cuby Verfasst am: 01. Dez 2019 19:12    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Cuby hat Folgendes geschrieben:
Könnte man nicht auch so formuieren "... bereits seit Newton, als dieser anfing, sich über verwendete Begriffe keine Rechenschaft mehr abzulegen"?

Ich denke nicht, dass man sich zu Zeiten Newtons keine Rechenschaft mehr abgelegt hat, ich bin jedoch kein Experte. Ich habe eher den Eindruck, dass man sich im Rahmen der heutigen Physik zumeist keine Rechenschaft mehr ablegt - außer im Rahmen der Quantenmechanik - und dabei übersieht, dass dies auch zuvor bereits notwendig war bzw. gewesen wäre.

Nach allem, was ich bisher gelesen habe, kann ich dem nur zustimmen.
Selbst Newton hatte keinen Schimmer, wie er die G-Kraft deuten sollte, die Leibniz (glaube ich) als okkult bezeichnete.
Zitat:
Cuby hat Folgendes geschrieben:
Aber irgendjemand muss doch festlegen, welche Größe nach welchen Kriterien einem Hermiteschen Operator O mit reellem Eigenwert zuzuordnen ist.
ComS hat Folgendes geschrieben:
Das kommt darauf an, von welcher Seite du an die Sache rangehst.

Ja, spannend. Unbedingt festhalten!.
Zitat:
Eine quantenmechanische Theorie wird heute zumeist durch Quantisieren einer klassischen Theorie konstruiert; dabei versucht man die klassischen Größen - von denen man eine Vorstellung hat - in die Quantenmechanik zu übertragen. Dazu kommen ein paar weitere etablierte Größen wie z.B. die S-Matrix, oder Größen, die aus Symmetrieüberlegungen resultieren. Im weitesten Sinne ist das eine pragmatische Vorgehensweise ohne den Anspruch, Grundlagen oder metaphysische Voraussetzungen zu durchdenken. Das gesamte Standardmodell ist so entstanden - und zusammen mit seinem Erfolg auch der blinde Fleck der Physiker gerade für die Grundlagen.

Ah so läuft das! Ja, dann muss man sich nicht wundern, wenn ein blinder Fleck mit durchgezogen wird.

Zitat:
„ Eine Observable ... ist in der Physik ... der formale Name für eine Messgröße und den ihr zugeordneten Operator, die im Zustandsraum ... wirken ...“.
„4. Eine beobachtbare Größe, d.h. eine Observable eines Quantensystems wird durch eine selbstadjungierten Operator repräsentiert, der auf die Zustandsvektoren in wirkt“.

Der Unterschied m.E. ist klar zu erkennen! Du ("4. ..") scheinst zwischen Theorie und Ontologie deutlich zu unterscheiden. Dem stimme ich zu.

Zitat:
Normalerweise nimmt jedoch niemand darauf Rücksicht, dass die Größe, die gemessen wird, etwas anderes ist als das mathematische Objekt, das diese Größe repräsentiert. Und niemand legt sich darüber Rechenschaft ab, dass die Größe, die gemessen wird, etwas anderes ist als deren Messwerte. Z.B. ist der Hamiltonoperator H etwas anderes als die Energie E eines realen Systems, und diese ist etwas anderes als die Gesamtheit der in einem Experiment tatsächlich gemessenen Werte.

Das hört sich wirklich etwas schlampig an - was heißt schlampig? Ich kann mir darüber kein Urteil erlauben! - zumindest nach Verwechslung von mathem. und realen Entitäten; ...könnte aber durchaus u.a. ein Grund für die Quantenkonfusion gewesen sein. Würde ich gerne noch drauf eingehen.

Du schriebst w.o, dass sich manche Eigenschaften aus formalen Gründen nicht schon vor der Messung zuordnen lassen. Da wüsste ich gerne mehr darüber. Der Spin zB?

Und vllt. noch eine Bestätigung bzw. Korrektur:

Wir hatten w.o. festgestellt:

QM-System & Messgerät nach der Messung (KI)


Könnte man nach dem gleichen Muster feststellen:

QM-System & Messgerät nach der Messung (VWI)
(nur (1) oder (2) ... sichtbar.

bzw.:

QM-System & Messgerät nach der Messung (DBB)
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 01. Dez 2019 22:28    Titel: Antworten mit Zitat

Gehen wir die Punkte mal der Reihe nach an.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Du schriebst w.o, dass sich manche Eigenschaften aus formalen Gründen nicht schon vor der Messung zuordnen lassen. Da wüsste ich gerne mehr darüber.


Man muss zunächst mal klarstellen, was mit „Eigenschaften“ eigtl. gemeint ist. Häufig verwendet man einen naiven Begriff, der letztlich i) das Wesen des betrachteten Systems, ii) dessen formale Beschreibung sowie iii) die Messgröße - implizit - identifiziert. Das ist natürlich Quatsch, zumindest dann, wenn man sich keine Rechenschaft darüber ablegt.

Betrachten wir einen Massenpunkt in einen Potential mit

ii) der formale Beschreibung



iii) Messgrößen wären z.B. Zeiten T und Positionen X, und damit die Messergebnisse



Die „Eigenschaft Energie“ im Sinne von (i) sehe ich nirgendwo. Wir können sie entweder als theoretisches Konstrukt auffassen und lediglich die Messwerte (iii) als primär auffassen - dann bleibt die Frage, warum für (iii) eine formale Beziehung wie (ii) gilt, oder wir können (i) als primär auffassen - dann beschreibt (ii) eine tatsächliche, reale Beziehung, und in (iii) erscheint etwas, was in (i) bereits existiert.

(Sorry, das ist natürlich noch keine wirklich gründliche metaphysische Betrachtung)

Soweit klar? Dann müssen wir uns jetzt ansehen, wie dies in der Quantenmechanik aussieht ...

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Cuby



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Beitrag Cuby Verfasst am: 02. Dez 2019 09:28    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Gehen wir die Punkte mal der Reihe nach an.
Man muss zunächst mal klarstellen, was mit „Eigenschaften“ eigtl. gemeint ist. Häufig verwendet man einen naiven Begriff, der letztlich i) das Wesen des betrachteten Systems, ii) dessen formale Beschreibung sowie iii) die Messgröße - implizit - identifiziert. Das ist natürlich Quatsch, zumindest dann, wenn man sich keine Rechenschaft darüber ablegt.

Betrachten wir einen Massenpunkt in einen Potential mit

ii) der formale Beschreibung



iii) Messgrößen wären z.B. Zeiten T und Positionen X, und damit die Messergebnisse



Die „Eigenschaft Energie“ im Sinne von (i) sehe ich nirgendwo. Wir können sie entweder als theoretisches Konstrukt auffassen und lediglich die Messwerte (iii) als primär auffassen - dann bleibt die Frage, warum für (iii) eine formale Beziehung wie (ii) gilt, oder wir können (i) als primär auffassen - dann beschreibt (ii) eine tatsächliche, reale Beziehung, und in (iii) erscheint etwas, was in (i) bereits existiert.

Ich neige eher zu der Konstruktions-Auffassung - bin mir aber nicht sicher, ob man dieses Thema in so ein Prokrustesbett einer 2-wertigen Logik zwingen kann. Ich werde mir das nochmal vornehmen - jedenfalls scheint mir "was denn Realität sei"! ein komplexes diskutables Thema. Ansonsten:

Zitat:
Soweit klar?
Soweit klar!
Cuby



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Beitrag Cuby Verfasst am: 04. Dez 2019 11:57    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe mir das Wahrsch.-Theorem nochmal angesehen und ich glaube, auch ein bisschen besser verstanden.

a) Der Zustand eines quantenmechanischen Systems wird durch einen Vektor ψ ∈ H in einem Hilbertraum H repräsentiert.

b) Eine beobachtbare Größe oder Observable eines quantenmechanischen Systems wird durch einen selbstadjungierten Operator Ô im Hilbertraum H repräsentiert.

c) Die Menge aller möglichen Messergebnisse einer Observablen Ô wird durch das Spektrum σ(Ô) ⊆ R repräsentiert.

Mathematisch wichtiger Unterschied zur KM: einem zB klassischen Feld/Trajektorie wird jedem Punkt ein Wert zugeschrieben, einem quantenmechanischen aber eine „Superposition“ verschiedener Eigenzustände der zu messenden Observablen.

=> Die Quantenmechanik sagt das Messergebnis nicht exakt voraus, sondern gibt über die Bornsche Regel nur Wahrscheinlichkeiten dafür an, dass das Messergebnis in eine vorgegebene (messbare) Teilmenge des Spektrums σ (einer Superposition verschiedener Eigenzustände einer Observablen Ô) fällt und durch den Messakt zufällig ausgewählt wird.
Cuby



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Beitrag Cuby Verfasst am: 09. Dez 2019 13:40    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dann müssen wir uns jetzt ansehen, wie dies in der Quantenmechanik aussieht ...


Ich habe mal was vorbereitet:

Die Postulate der Quantenmechanik

1. Die Beschreibung eines Quantensystems erfolgt im Rahmen eines normierten Vektorraumes, des separablen Hilbertraumes H.

F: Was zwingt zum mathematischen Superpositions-Verfahren?

2. Der Zustand eines einzelnen Quantensystems wird durch einen normierten Vektor ψ als Element dieses Hilbertraumes H repräsentiert.

zB1. Der Zustand eines aus zwei verschiedenen Objekten zusammengesetzten Systems:
|ϕ〉=|↑a〉_1 |↓a〉_2.
Ganz analog zur klassischen Physik kann also in Produktzuständen jedem der Teilsysteme ein eindeutiger Zustand zugeschrieben werden.

zB2. Der Zustand eines aus zwei gleich präparierten Objekten zusammenhängenden, verschränkten Systems:
|ψ⟩ = 1/√2 [ |↑a⟩_1 |↓a⟩_2 − |↓a⟩_1|↑a⟩_2 ].

F: Warum "minus"?

3. Die Zeitentwicklung eines einzelnen isolierten Quantensystems erfolgt durch einen unitären Zeitentwicklungsoperator

U(t)=exp (-iHt) mittels: |ψ(t)⟩=U(t) |ψ(0)⟩

Diese Regel ist vollständig äquivalent zur Schrödingergleichung:
i ħ d/dt |Ψ(t)⟩= \hat{H} |Ψ(t)⟩

F: Was heißt das?


4. Eine beobachtbare Größe, d.h. eine Observable eines Quantensystems wird durch einen selbstadjungierten (hermetischen) Operator A repräsentiert, der auf die Zustandsvektoren |ψ〉 in H wirkt.

F: Welche Bedeutung hat "selbstadjungiert"?

5. Die möglichen Messwerte einer Observable entsprechen dem Spektrum des korrespondierenden selbstadjungierten Operators A.

F: Wodurch ist definiert? Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl?

Im Falle eines reinen Punktspektrums sind dies gerade die Eigenwerte (A-a) |a〉 = 0

F: Punktspektrum? Formel ?

6. Sei a die Menge aller verallgemeinerten Eigenvektoren des selbstadjungierten Operators A mit Spektralwerten und sei das Quantensystem in einem Zustand präpariert, der mittels des Zustandsvektors ψ repräsentiert wird. Wird eine Messung einer Observablen A durchgeführt, so ist die Wahrscheinlichkeit, den Messwert a zu erhalten, gegeben durch die Bornsche Regel:
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 09. Dez 2019 22:24    Titel: Antworten mit Zitat

Fangen wir mit dem letzten Beitrag an:

Zu 1.
Ein normierter Raum ist ein Prä-Hilbertraum, ein separabler normierter Raum ein Banachraum; du benötigst jedoch noch ein Skalarprodukt und damit einen separablen Hilbertraum.

Die Superposition wird erzwungen durch die Schrödingergleichung: da die Schrödingergleichung eine lineare Gleichung ist, sind Superpositionen immer zulässig, du kannst sie nicht ausschließen. Außerdem ist die Frage, ob eine Superposition vorliegt, einzig von der Wahl der Basis abhängig.

Zu 2.
In einem System mehrerer ununterscheidbarer Teilchen muss das System unter Austausch von Teilchen symmetrisch oder antisymmetrisch sein; d.h. ein Zustand muss unabhängig davon sein, ob Teilchen 1 Zustand a und Teilchen 2 Zustand b einnimmt, oder ob umgekehrt Teilchen 1 Zustand b und Teilchen 2 Zustand a einnimmt. Dies wird für zwei Teilchen realisiert mittels



Das Vorzeichen plus/minus gilt für Bosonen/Fermionen.

Zu 3.







Die letzte Gleichung wird durch den o.g. Zeitentwicklungsoperator U(t) formal gelöst.

Zu 4.
Neben der formalen Definition von Selbstadjungiertheit hat jeder derartige Operator A die wesentliche Eigenschaft, dass er ein ausschließlich reelles Spektrum hat, das Messwerte repräsentieren kann.

Zu 5.
Vergiss das Thema diskretes vs. kontinuierliches Spektrum, nicht-beschränkte Operatoren, Resolvente usw.; das ist mathematisch recht kompliziert und führt uns hier zu keinerlei neuen Erkenntnissen. Betrachten wir beschränkte Operatoren bzw. noch einfacher einen endlich-dimensionalen Hilbertraum.

In diesem Fall entspricht das Spektrum der Gesamtheit der Eigenwerte a, d.h. der Gesamtheit aller Zahlen a, für die eine Lösung der Gleichung



existiert:



https://en.m.wikipedia.org/wiki/Spectral_theory
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Spectrum_(functional_analysis)
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Decomposition_of_spectrum_(functional_analysis)

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Beitrag Cuby Verfasst am: 10. Dez 2019 02:46    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Fangen wir mit dem letzten Beitrag an:
Die Superposition wird erzwungen durch die Schrödingergleichung: da die Schrödingergleichung eine lineare Gleichung ist, sind Superpositionen immer zulässig, du kannst sie nicht ausschließen. Außerdem ist die Frage, ob eine Superposition vorliegt, einzig von der Wahl der Basis abhängig.

Ja, das ist mir schon klar, dass die Schröd-glg. Superpositionen zulässt, aber was zwingt zur Verwendung der Schröd-glg.? Zumal sie ja nicht mal streng hergeleitet und begründet wurde! Irgendwie wundert's mich etwas, dass dieser Zustand, von dem niemand weiß, was er zu bedeuten hat, so lange hingenommen wird und niemand versucht, einen neuen eindeutigeren Ansatz hinzulegen. Ok, never change a winning team, aber wenn nur auf die Resultate geschaut wird...

Der Rest waren noch ein paar Verständnisfragen, die ich noch so aufgesammelt hatte.

Wir könnten jetzt im Programm weitermachen, of niet?
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 10. Dez 2019 07:06    Titel: Antworten mit Zitat

Cuby hat Folgendes geschrieben:
... aber was zwingt zur Verwendung der Schröd-glg.? Zumal sie ja nicht mal streng hergeleitet und begründet wurde!

Wie jede physikalische Theorie wird die Quantenmechanik damit die Schrödingergleichung letztlich durch den Erfolg gerechtfertigt, also dadurch, dass experimentell bestätigte Vorhersagen abgeleitet werden.

Bei geeigneten Prämissen kann man auch die Schrödingergleichung strikt ableiten; allerdings würdest du dann an dieser Stelle die Prämissen kritisieren - man kommt nie aus dieser Nummer aus.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Irgendwie wundert's mich etwas, dass dieser Zustand, von dem niemand weiß, was er zu bedeuten hat, so lange hingenommen wird und niemand versucht, einen neuen eindeutigeren Ansatz hinzulegen.

Nun, lange hingenommen wurde das nicht; die Diskussionen gingen eigtl. sofort los, sogar schon vor Schrödinger, nämlich zur Heisenbergschen Matrizenmechanik. Die Schrödingergleichung erschien als großer Fortschritt, da eine vertraute Formulierung im Sinne einer Feldtheorie vorlag.

Was meinst du mit einem eindeutigeren Ansatz?

Was wäre für dich der nächste Schritt im Programm?

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index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 10. Dez 2019 09:48    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Zu 1.
Ein normierter Raum ist ein Prä-Hilbertraum, ein separabler normierter Raum ein Banachraum; du benötigst jedoch noch ein Skalarprodukt und damit einen separablen Hilbertraum.


Du verwechselst anscheinend "separabel" und "vollständig". Ein Banachraum ist ein vollständiger normierter Raum. Es gibt aber nicht-separable Banachräume, sowie separable normierte Räume, die nicht vollständig, also keine Banachräume sind.

Ein Prä-Hilbertraum ist übrigens ein Vektorraum mit hermiteschem innerem Produkt, nicht lediglich ein normierter Raum. Ein Hilbertraum ist ein vollständiger Prä-Hilbertraum, egal ob separabel oder nicht.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 10. Dez 2019 10:00    Titel: Antworten mit Zitat

du hast recht
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Beitrag Cuby Verfasst am: 10. Dez 2019 12:53    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Wie jede physikalische Theorie wird die Quantenmechanik damit die Schrödingergleichung letztlich durch den Erfolg gerechtfertigt, also dadurch, dass experimentell bestätigte Vorhersagen abgeleitet werden.

Wenn man nicht mehr verlangt, ist das ja auch i.O. Wenn man aber wissen will, wie der Objektbereich beschaffen ist, ist das etwas wenig.

Zitat:
Bei geeigneten Prämissen kann man auch die Schrödingergleichung strikt ableiten; allerdings würdest du dann an dieser Stelle die Prämissen kritisieren - man kommt nie aus dieser Nummer aus.

Das würde ich auch als normalen Entwicklungsgang bezeichnen; auch scheinbar stabile Prämissen können durch neue Erkenntnisse wegbrechen.
Mir schwebt Einsteins "Elektrodynamik..." vor Augen:
1 el.-dyn. Prämisse (c=const), 1 methodische (Lorenz-Trafos) und die saubere Ableitung der SRT. Aber das ist wohl der ideale Ausnahmefall. Mich wundert nur, dass einer Gleichung wie Psi, die selbst noch ein Rätsel ist, Fundamentalcharakter zugesprochen wird.

Zitat:
Nun, lange hingenommen wurde das nicht; die Diskussionen gingen eigtl. sofort los, sogar schon vor Schrödinger, nämlich zur Heisenbergschen Matrizenmechanik. Die Schrödingergleichung erschien als großer Fortschritt, da eine vertraute Formulierung im Sinne einer Feldtheorie vorlag.
Was meinst du mit einem eindeutigeren Ansatz?

Ja, das sind Geburtswehen; aber es muss eine vitale und interessante Zeit gewesen sein, wenn man mal im Briefwechsel Einstein-Born blättert, wo Einstein Heisenbergs UR als "Quanten-Ei" bezeichnet.
Nein, ich meine heute, 100 Jahre später: Alle schreien, wie verrückt die QT ist, viele kokettieren sogar damit, aber keiner kommt auf eine bessere Lösung, also einen Ansatz, dessen Komponenten einen eindeutigen Bezug zu den Elementen der Realität haben. Ich habe den Eindruck, diese Grundlagen- und -begriffsklärungen hatten und haben nicht gerade die oberste Priorität.
Kann aber auch an mir liegen, ich denke, nach unserer Diskussion bin ich schlauer.

Zitat:
Was wäre für dich der nächste Schritt im Programm?

Mein Vorschlag wäre, die drei Theorien unter u.g. Fragestellung abzuklopfen und tabell.-vergleichend gegenüberzustellen. Beispiel:

KI:
Welchen mathematischen Formalismus benutzt sie in welcher Bedeutung?
Die Schrödinger-Glg. ψ ist eine rein epistemisch-mathematische Hilfsgröße ohne Bezug zur Realität.
Der Eigenwert des Operators λ repräsentiert das reale Messresultat als einzige Realität.

Wie wird der (Mess-) Prozess beschrieben ?
1. Durch die kontinuierliche Schrödinger-Glg. und 2. durch v.Neumanns Projektionspostulat / diskontinuierliche Bornsche Regel (Kollaps)

Welche Bedeutung haben die Unschärferelationen ?
Fundamentale intrinsische Unschärfe der Objekte.

Wie wird das Doppelspalt- oder Stern-Gerlach-Experiment interpretiert?
Nicht Welle oder Teilchen passiert den Spalt, sondern die Wellenfunktion mit den Eigenschaften eines zB. Elektrons

Welche Ontologie folgt aus der Theorie? Welche Eigenschaften kommen dem Objekt unabhängig von der Messung „an-sich“ zu, welche erst durch Wechselwirkung ? Kann man hier von primären und sekundären Qualitäten sprechen?
Antirealismus, Indeterminismus, Lokalität

So in etwa und ausführlicher mit allen drei Theorien. Macht das Sinn?
Cuby



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Beitrag Cuby Verfasst am: 10. Dez 2019 13:06    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ein Banachraum ist ein vollständiger normierter Raum. Es gibt aber nicht-separable Banachräume, sowie separable normierte Räume, die nicht vollständig, also keine Banachräume sind.
Ein Prä-Hilbertraum ist übrigens ein Vektorraum mit hermiteschem innerem Produkt, nicht lediglich ein normierter Raum. Ein Hilbertraum ist ein vollständiger Prä-Hilbertraum, egal ob separabel oder nicht.

Na, bei diesen komplizierten Räumlichkeiten wundert's mich nicht...
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 10. Dez 2019 21:43    Titel: Antworten mit Zitat

Schwierig.

Wenn man die ART und die QM vergleicht, so hat man bei ersterer den Vorteil, dass man zumindest teilweise beim etablierten Weltbild bleiben kann: klassische Objekte - Materie- bzw. Energieansammlungen - sind Teile der Realität, sind lokalisierbar und tragen lokale Eigenschaften.

Das funktioniert bei der QM nicht mehr. Demzufolge ist es konsequent, dass dieser klassische Objektbegriff auch nicht in den mathematischen Formalismus übertragen wird bzw. übertragen werden kann. Man erkennt dabei übrigens den unvollständigen Schritt der Bohmschen Mechanik, die zwar wieder klassische Teilchen einführt, diesen jedoch nicht alle relevanten Eigenschaften zuschreiben kann, sondern das Quanten- bzw. Führungsfeld weiterhin als Träger von Eigenschaften benötigt. Siehe z.B. für den Spin:

https://en.m.wikipedia.org/wiki/De_Broglie%E2%80%93Bohm_theory#Spin

Anders gefragt: welcher mathematischen Entität können wir denn einen Bezug zur Realität zusprechen, wenn nicht einer bekannten? wenn nicht den bekannten Entitäten, welchen dann?

Das hieße in letzter Konsequenz, dass du eine weitere, vollkommen neuartige mathematische Entität benutzen müsstest, um einerseits den Formalismus und die Ergebnisse der QM rekonstruieren zu können und andererseits eine dir genehme Ontologie zu konstruieren.

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Beitrag TomS Verfasst am: 10. Dez 2019 22:06    Titel: Antworten mit Zitat

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Welchen mathematischen Formalismus benutzt sie in welcher Bedeutung?
Die Schrödinger-Glg. ψ ist eine rein epistemisch-mathematische Hilfsgröße ohne Bezug zur Realität.
Der Eigenwert des Operators λ repräsentiert das reale Messresultat als einzige Realität.

Der Eigenwerte repräsentiert m.E. nur die potentiell mögliche Messgröße, da ja lediglich eine rein epistemische Interpretation vorliegt. Es gibt kein mathematisches Objekt mit gleichzeitigem Realitätsbezug, dem ich den Eigenwerten als reales Messresultat zuordnen könnte: die Wellenfunktion ist es nicht, und das Messgerät kommt im Formalismus nicht vor.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Wie wird der (Mess-) Prozess beschrieben ?
1. Durch die kontinuierliche Schrödinger-Glg. und 2. durch v.Neumanns Projektionspostulat / diskontinuierliche Bornsche Regel (Kollaps)

Wie genau soll eine Beschreibung des Messprozesses erfolgen, wenn einerseits eine quantenmechanische Wechselwirkung gem. (1) sowie andererseits ein Kollaps gem. (2) vorliegt? Ich würde nicht von einer „Beschreibung des Messprozesses“ sprechen.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Welche Bedeutung haben die Unschärferelationen ?
Fundamentale intrinsische Unschärfe der Objekte.

Die Unschärferelationen ist zunächst eine rein mathematische Aussage für die Wellenfunktion. Da du dieser jedoch keinen direkten Realitätsbezug zugestehst, kannst du das auch für die Unschärferelationen nicht tun.

Und was wären denn „die Objekte“?

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Wie wird das Doppelspalt- oder Stern-Gerlach-Experiment interpretiert?
Nicht Welle oder Teilchen passiert den Spalt, sondern die Wellenfunktion mit den Eigenschaften eines zB. Elektrons

Die Wellenfunktion kann - als mathematisches Objekt - nicht den Doppelspalt passieren. Da dir wiederum der Realitätsbezug fehlt, kannst du nicht sagen, was diesen passiert.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
So in etwa und ausführlicher mit allen drei Theorien. Macht das Sinn?

Ja - mit den notwendigen Präzisierungen.

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Cuby



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Beitrag Cuby Verfasst am: 11. Dez 2019 00:22    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Schwierig.
Wenn man die ART und die QM vergleicht, so hat man bei ersterer den Vorteil, dass man zumindest teilweise beim etablierten Weltbild bleiben kann: klassische Objekte - Materie- bzw. Energieansammlungen - sind Teile der Realität, sind lokalisierbar und tragen lokale Eigenschaften.

Das finde ich ganz erstaunlich, dass (aus meiner Sicht) bei "ein und derselben Natur" so unterschiedliche mathematische Verfahren wie bei ART & QM angewandt werden und zum Ziel führen! Aber immerhin liegen ja einige Größenordnungen dazwischen, was vllt. auch eine vorläufige Erklärung ist! Würde ich aber gerne nochmal darauf eingehen wollen.

Zitat:
Das funktioniert bei der QM nicht mehr. Demzufolge ist es konsequent, dass dieser klassische Objektbegriff auch nicht in den mathematischen Formalismus übertragen wird bzw. übertragen werden kann.

Funktioniert das nicht, weil der klassische Objektbegriff nicht übertragen werden kann, oder kann nicht übertragen werden, weil etwas Grundsätzlicheres nicht funktioniert? Was wäre das?

Zitat:
Man erkennt dabei übrigens den unvollständigen Schritt der Bohmschen Mechanik, die zwar wieder klassische Teilchen einführt, diesen jedoch nicht alle relevanten Eigenschaften zuschreiben kann, sondern das Quanten- bzw. Führungsfeld weiterhin als Träger von Eigenschaften benötigt. Siehe z.B. für den Spin:

Sehr schön. Wichtige Info für mich! Ich hatte das bis jetzt nicht für einen Nachteil gehalten, vor allem, weil dem Spin auch etwas Ominöses anhaftet. Aber ich denke, zu Bohm kommen wir noch.

Zitat:
Anders gefragt: welcher mathematischen Entität können wir denn einen Bezug zur Realität zusprechen, wenn nicht einer bekannten? wenn nicht den bekannten Entitäten, welchen dann?

Wenn ich das richtig sehe, gibt es da wohl zwei Verfahren der Zuordnung von Elementen der Natur zu Elementen der Mathematik:

1. Induktiv vom Objekt per Def. zum mathematischen Repräsentanten: Kraft --> Vektor "F".
2. Durch Deduktion: da müsstest du mir mit einem Beispiel aushelfen.

Ich könnte mir an dieser Stelle gut vorstellen, dass es zu folgender Situation kommen kann: "Ich weiß zwar nicht genau, was ich da abgeleitet habe, aber die Eigenschaft nenne ich mal Spin und kann damit erstmal weitermachen."
(Wenn dir das jetzt ein wenig naiv vorkommt, bitte ich um Nachsicht: ich versuche mir ein Bild von der Arbeit eines Physikers zu machen).
Wenn das so richtig ist und wenn diese Situation öfters vorkommt, dann ist natürlich die Gefahr sehr groß, das man nachher nur noch mit "Eigenschaftsbündeln" arbeitet und die - zurückgestellte - Grundklärung nicht mehr für erforderlich hält. Dazu noch ein unpräziser Sprachgebrauch: nicht die natürlichen Entitäten Teilchen oder Welle passieren den Spalt, sondern das mathematische Konstrukt Wellenfunktion.

Oder liege ich völlig daneben?
(ich denke, es ist klar, dass es mir hier nicht um ein Gemeckere gegen die Physikerzunft geht!)

Zitat:
Das hieße in letzter Konsequenz, dass du eine weitere, vollkommen neuartige mathematische Entität benutzen müsstest, um einerseits den Formalismus und die Ergebnisse der QM rekonstruieren zu können und andererseits eine dir genehme Ontologie zu konstruieren.

Nein. Mir geht es nicht um die Konstruktion einer mir genehmen Ontologie, sondern um die Bedingungen einer klaren und eindeutigen Beschreibung dessen, was wir Realität nennen und um den Weg, auf dem sie zu erreichen ist (eigentlich um das Verhältnis Wissenschaft /Mathe /Natur). Dieser Anspruch ist asymptotisch zu verstehen. Und wenn sich klar und deutlich herausstellen sollte, dass ein Elektron drei Ohren hat, dann akzeptiere ich das.

- *** -
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Dez 2019 07:00    Titel: Antworten mit Zitat

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Das funktioniert bei der QM nicht mehr. Demzufolge ist es konsequent, dass dieser klassische Objektbegriff auch nicht in den mathematischen Formalismus übertragen wird bzw. übertragen werden kann.

Funktioniert das nicht, weil der klassische Objektbegriff nicht übertragen werden kann, oder kann nicht übertragen werden, weil etwas Grundsätzlicheres nicht funktioniert? Was wäre das?

Der klassische Objektbegriff hantiert mit lokalisierten Teilchen, denen sozusagen Eigenschaften wie Ort, Impuls, Spin, ... angeklebt sind. Zunächst mal können wir keine Theorie formulieren, die einerseits diese klassischen Begriffe bewahrt, und die andererseits experimentell überprüfbare und zutreffende Vorhersagen macht. Die Bohmsche Mechanik geht diesen Schritt auch nicht vollständig - s.u.

Anders gesagt, wenn du eine Dynamik formulierst, die einem lokalisierten, klassischen Teilchen die Eigenschaften „Ort“ und „Spin“ zuschreibt, dann liefert diese Theorie falsche Vorhersagen.

Das gilt übrigens für eine sehr große Klasse von Theorien.

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Bell%27s_theorem
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Kochen%E2%80%93Specker_theorem

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Man erkennt dabei übrigens den unvollständigen Schritt der Bohmschen Mechanik, die zwar wieder klassische Teilchen einführt, diesen jedoch nicht alle relevanten Eigenschaften zuschreiben kann, sondern das Quanten- bzw. Führungsfeld weiterhin als Träger von Eigenschaften benötigt. Siehe z.B. für den Spin:

Sehr schön. Wichtige Info für mich! Ich hatte das bis jetzt nicht für einen Nachteil gehalten, vor allem, weil dem Spin auch etwas Ominöses anhaftet.

Dem Spin haftet nichts ominöses an ;-)

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich das richtig sehe, gibt es da wohl zwei Verfahren der Zuordnung von Elementen der Natur zu Elementen der Mathematik:

1. Induktiv vom Objekt per Def. zum mathematischen Repräsentanten: Kraft --> Vektor "F".
2. Durch Deduktion: da müsstest du mir mit einem Beispiel aushelfen.

i) Induktion bzw. ii) Deduktion bezeichnen doch etwas anderes, nämlich die Methoden bzw. logischen Schlüsse, wie man von i) ausgehend von Einzelfällen zu einer allgemeingültigen Theorie gelangt, bzw. wie ii) ausgehend von einer allgemeingültigen Theorie konkrete Spezialfälle zurückgewonnen werden.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Induktion_(Philosophie)
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Deduktion

Nach Popper liefert die Induktion jedoch keine logischen Schlüsse, sondern allenfalls Hypothesen.

Alle Menschen sind sterblich.
Sokrates ist ein Mensch.
—-
ii) Deduktion: Sokrates ist sterblich.

Sokrates ist sterblich.
Sokrates ist ein Mensch.
—-
i) Induktion: Alle Menschen sind sterblich.

Aber:

Sokrates ist ein Philosoph.
Sokrates ist ein Mensch.
—-
i) Induktion: Alle Menschen sind Philosophen.

Daher bemüht Popper im Kontext der Falsifikation den iii) Modus tollens

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Modus_tollens

Wenn es geregnet hat, ist die Straße nass.
Die Straße ist nicht nass.
—-
iii) modus tollens: Es hat nicht geregnet.

All dies hat m.E. nichts mit dem ontologischen Status der in der Theorie gegebenen Entitäten zu tun.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
ich denke, es ist klar, dass es mir hier nicht um ein Gemeckere gegen die Physikerzunft geht!)

Natürlich, das ist klar.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Das hieße in letzter Konsequenz, dass du eine weitere, vollkommen neuartige mathematische Entität benutzen müsstest, um einerseits den Formalismus und die Ergebnisse der QM rekonstruieren zu können und andererseits eine dir genehme Ontologie zu konstruieren.

Nein. Mir geht es nicht um die Konstruktion einer mir genehmen Ontologie, sondern um die Bedingungen einer klaren und eindeutigen Beschreibung dessen, was wir Realität nennen und um den Weg, auf dem sie zu erreichen ist.

Halten wir fest: es geht dir um eine klaren und eindeutigen Beschreibung dessen, was wir Realität nennen, sowie um die Voraussetzungen, dies tun zu können. Richtig?

Was bedeutet für dich Realität?

Welche Rolle spielen für dich Theorien, die zugunsten einer realistischen Auffassung zu bizarr erscheinenden Ergebnissen kommen - Stichwort „viele Welten“.

Wie willst du weitermachen, insbs. bei deinem Vergleich der unterschiedlichen Interpretationen der Quantenmechanik?

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Anmeldungsdatum: 21.11.2019
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Beitrag Cuby Verfasst am: 11. Dez 2019 18:23    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
i) Induktion bzw. ii) Deduktion bezeichnen doch etwas anderes, nämlich die Methoden bzw. logischen Schlüsse, wie man von i) ausgehend von Einzelfällen zu einer allgemeingültigen Theorie gelangt, bzw. wie ii) ausgehend von einer allgemeingültigen Theorie konkrete Spezialfälle zurückgewonnen werden.

Für diese Übersicht etwas allgemeiner, da es nicht um Aussagen, sondern um Begriffe und deren Zuordnung zu Elementen der Natur und mathematischer Repräsentation geht.

Du hast hier irgendwo mal sinngemäß geschrieben, dass eine neue Theorie nicht unbedingt dadurch entsteht, dass die alte experimentell relativiert wird, sondern sich auch auf vorwiegend deduktivem Weg ergeben kann. Ich glaube, du hast als Beispiel die Quantenfeldtheorie angeführt.

Daraus schließe ich, dass es mind. zwei Wege oder Quellen der Begriffsbildung gibt:
1 aus der konkreten Praxis heraus: induktive Begriffsbildung.
2 aus der allgemeinen Theorie heraus: deduktive Begriffsbildung.

Wie man es benennt, ist letztlich Vereinbarung. Ich wollte nur einen möglichen Unterschied herausstellen – ob und mit welchen Konsequenzen, müssen wir dann sehen. Oder fällt dir hier schon etwas dazu ein?
Klare und eindeutige Begriffsbildung dürfte auch in der Physik zu den wichtigsten Grundoperationen einer Theorienbildung gehören - wie ich aber deinen Ausführungen entnehme, sind wohl nicht alle dieser Meinung.

Zitat:
Halten wir fest: es geht dir um eine klaren und eindeutigen Beschreibung dessen, was wir Realität nennen, sowie um die Voraussetzungen, dies tun zu können. Richtig?

Eigentlich doch etwas detaillierter & umfangreicher:

- Prinzipielle Voraussetzungen, Aufbau, Verfahren und Konsequenzen der Theorien.

- Bedeutungsunterschiede im mathematischen Formalismus und deren Elemente wie lineare selbstadjungierte Operatoren; „Minimal“-Formalismus.

- Status ermittelter Objekteigenschaften: Wert-Definiertheit, Nicht-Kontextualität

- die Auffassung von Realität, Zusammenhang und Einheitlichkeit der Natur in den Theorien.

- Verhältnis zum ART-Formalismus: Gemeinsamkeiten?

- Status der Theorien selbst.

- ...

Zitat:
Was bedeutet für dich Realität?

Nachdem ich in den letzten Wochen gelernt habe, dass die Frage ungleich schneller zu stellen als zu beantworten ist, bin ich etwas zurückhaltender mit einer Vorstellung davon. Aber den Begriff hatten wir ja auch schon festgelegt:

> *) „Realität“ bedeutet immer „Realität ohne bzw. unabhängig von Messung oder Beobachtung“.<
Den sollten wir zugrundelegen.

Zitat:
Welche Rolle spielen für dich Theorien, die zugunsten einer realistischen Auffassung zu bizarr erscheinenden Ergebnissen kommen - Stichwort „viele Welten“.

Das erste Ergebnis unserer Zusammenarbeit ist: die VWI ist wohl weniger abgefahren als ich dachte!
Das zweite: die Mathematik ist total abgefahren !!!

Zitat:
Wie willst du weitermachen, insbs. bei deinem Vergleich der unterschiedlichen Interpretationen der Quantenmechanik?

Inhaltlich:
Vgl. von Voraussetzungen, Verfahren, Minimalformalismus, Resultat und Konsequenzen der Theorien.

Methodisch:
Ich bereite vor - du gibst Rückmeldung hins. Richtigkeit, Vollständigkeit, etc. Wir beginnen mit der KM (als Referenz).

Einverstanden?

(Kann man hier irgendwo diese nervigen Animationen der Smilies abschalten?)
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18067

Beitrag TomS Verfasst am: 12. Dez 2019 21:16    Titel: Antworten mit Zitat

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Du hast hier irgendwo mal sinngemäß geschrieben, dass eine neue Theorie nicht unbedingt dadurch entsteht, dass die alte experimentell relativiert wird, sondern sich auch auf vorwiegend deduktivem Weg ergeben kann.

Daraus schließe ich, dass es mind. zwei Wege oder Quellen der Begriffsbildung gibt:
1 aus der konkreten Praxis heraus: induktive Begriffsbildung.
2 aus der allgemeinen Theorie heraus: deduktive Begriffsbildung.

Wie man es benennt, ist letztlich Vereinbarung. Ich wollte nur einen möglichen Unterschied herausstellen – ob und mit welchen Konsequenzen, müssen wir dann sehen. Oder fällt dir hier schon etwas dazu ein?

Ich wollte nur darauf hinweisen, dass dies nichts mit einem Realitätsbezug oder ontologischem Anspruch zu tun hat.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Klare und eindeutige Begriffsbildung dürfte auch in der Physik zu den wichtigsten Grundoperationen einer Theorienbildung gehören - wie ich aber deinen Ausführungen entnehme, sind wohl nicht alle dieser Meinung.

Ein Teil der Physiker ist damit zufrieden, wenn die Theorie funktioniert.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
„Realität“ bedeutet immer „Realität ohne bzw. unabhängig von Messung oder Beobachtung“.

Gut.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Welche Rolle spielen für dich Theorien, die zugunsten einer realistischen Auffassung zu bizarr erscheinenden Ergebnissen kommen - Stichwort „viele Welten“.

Das erste Ergebnis unserer Zusammenarbeit ist: die VWI ist wohl weniger abgefahren als ich dachte!
Das zweite: die Mathematik ist total abgefahren !!!

Die VWI ist lediglich bzgl. ihrer Konsequenzen eine Zumutung. Die Mathematik ist Standard, sehr präzise formuliert, gut verstanden, und nicht sooo schwierig.

Cuby hat Folgendes geschrieben:

Zitat:
Wie willst du weitermachen, insbs. bei deinem Vergleich der unterschiedlichen Interpretationen der Quantenmechanik?

Inhaltlich:
Vgl. von Voraussetzungen, Verfahren, Minimalformalismus, Resultat und Konsequenzen der Theorien.

Methodisch:
Ich bereite vor - du gibst Rückmeldung hins. Richtigkeit, Vollständigkeit, etc. Wir beginnen mit der KM (als Referenz).

Einverstanden?

Einverstanden.

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Cuby



Anmeldungsdatum: 21.11.2019
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Beitrag Cuby Verfasst am: 12. Dez 2019 23:10    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich wollte nur darauf hinweisen, dass dies nichts mit einem Realitätsbezug oder ontologischem Anspruch zu tun hat.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Klare und eindeutige Begriffsbildung dürfte auch in der Physik zu den wichtigsten Grundoperationen einer Theorienbildung gehören - wie ich aber deinen Ausführungen entnehme, sind wohl nicht alle dieser Meinung.


Nochmal ganz langsam:
Physikalische Begriffsbildung hat keinen Bezug zur Realität?

Bisher bin ich davon ausgegangen, dass Begriffe gerade die, wenn nicht sogar einzige Verbindung des Mentalen zur Realität herstellen!
Das müsstest du mir nochmal auseinandersetzen.

Zitat:
Die VWI ist lediglich bzgl. ihrer Konsequenzen eine Zumutung. Die Mathematik ist Standard, sehr präzise formuliert, gut verstanden, und nicht sooo schwierig.

Da haben wir uns missverstanden. Ich meinte nicht die Mathematik der VWI, die, soweit ich mich damit beschäftigt habe, sogar ich einigermaßen verstehe.
Nein, ich meinte den gesamten mathematischen Quantenformalismus, vor allem, nachdem index-razor seine Raum-Orgie abgezogen hatte (nix für ungut razor, du wolltest ja nur klarstellen, aber damit hättest du auftreten können! Und ich bin mir klar darüber, das meine Worte die eines Nichtphysikers sind.)

Auf der anderen Seite bemerke ich, dass mich der Formalismus zunehmend fasziniert und darüber auch mehr erfahren möchte.

Nur komme ich mit einigen Ausdrucksweisen nicht klar: wenn davon geredet wird, dass zB weder Teilchen noch Welle den Spalt passieren, sondern die Wellenfunktion - ein mathematisches Objekt! Hatten wir ja schon kurz angetickt.

Goed. Dann müsste ich mich jetzt ein wenig präparieren und würde dann mit der KM 'rüberkommen.

-***-
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 15. Dez 2019 09:50    Titel: Antworten mit Zitat

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Physikalische Begriffsbildung hat keinen Bezug zur Realität?

Das habe ich nicht behauptet.

Physikalische Begriffsbildung kann durchaus etwas mit der Realität zu tun haben. Anhand der Quantenmechanik kannst du jedoch erkennen, dass noch nicht mal bzgl. des selben mathematischen Objektes bzw. Begriffes Einigkeit herrschen muss, welcher Bezug zur Realität nun genau besteht.

Bsp. Zustandsvektor:
- nach instrumenteller Lesart ein Werkzeug zur Berechnung messbarer Größen
- nach ontischer Lesart ein Repräsentant der Realität

Worauf ich jedoch eigtl. hinweisen wollte ist, dass m.E. weder der induktive noch der deduktive Zugang zu einer Theorie eine dieser Lesarten auszeichnet. Man kann z.B. sowohl die Everettsche d.h. zumeist ontische Lesart als auch den explizit nicht-ontischen QBism deduktiv / axiomatisch begründen.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Physik
Zitat:
Die VWI ist lediglich bzgl. ihrer Konsequenzen eine Zumutung. Die Mathematik ist Standard, sehr präzise formuliert, gut verstanden, und nicht sooo schwierig.

Da haben wir uns missverstanden. Ich meinte nicht die Mathematik der VWI, die, soweit ich mich damit beschäftigt habe, sogar ich einigermaßen verstehe.
Nein, ich meinte den gesamten mathematischen Quantenformalismus, vor allem, nachdem index-razor seine Raum-Orgie abgezogen hatte ...

Er ist bzgl. Funktionalanalysis hier der Chef. Der mathematische Rahmen ist jedoch für alle Interpretationen identisch - soweit ich sehe mit Ausnahme von deBroglie-Bohm - und die meisten dieser mathematischen Probleme spielen bei der Diskussion der Interpretationen keine Rolle.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Nur komme ich mit einigen Ausdrucksweisen nicht klar: wenn davon geredet wird, dass zB weder Teilchen noch Welle den Spalt passieren, sondern die Wellenfunktion - ein mathematisches Objekt!

Nichts dergleichen!

Teilchen
Wenn wir annehmen, dass ein klassisches Teilchenbild zutrifft, dann können wir die Beobachtungen am Doppelspalt nicht erklären: wenn wir den zweiten Spalt öffnen, gelangen mehr Teilchen durch beide Spalte als vorher durch einen; trotzdem beobachten wir im Muster auf dem Schirm Stellen, an denen weniger Teilchen Teilchen auftreffen als dies für einen geöffneten Spalt der Fall war. Wir haben also keine mathematische Theorie, die mittels eines Teilchenbildes einen Bezug zur Realität - oder auch nur zu den Phänomenen - herstellt, und die die Phänomenen zutreffend beschreibt.

Wellen
Wenn wir annehmen, dass ein klassisches Wellenbild zutrifft, dann können wir das Interferenzmuster am Doppelspalt zunächst erklären; allerdings können wir nicht erklären, warum das Interferenzmuster aus einzelnen teilchen-artigen Erscheinungen - einzelnen Punkten - aufgebaut ist.

Anders formuliert: zur Berechnung der Phänomene benötigen wir immer die Wellenfunktion, bei der Beobachtung erscheinen uns jedoch immer einzelne, unteilbare und lokalisierte Teilchen.

Wellenfunktion
Bei den o.g. Teilchen oder Wellen handelt es sich um Elemente der Realität; dass diese Erklärungen nicht zutreffen, zeigt uns, wie die Realität nicht ist: sie enthält auf fundamentaler Ebene weder klassische Teilchen noch Wellen. Bei der Wellenfunktion handelt es sich jedoch zunächst nicht um ein Element der Realität, sondern um ein mathematisches Objekt, das der Schrödingergleichung genügt; mathematische Objekte passieren jedoch keine realen experimentellen Anordnungen; ein derartiger Sprachgebrauch wäre ein Kategoriefehler. Dass wir die Wellenfunktion als Element der Realität auffassen, setzt eine bestimmte philosophische Position voraus - eine ontische Auffassung des Formalismus‘ - die nicht alle Physiker teilen. Wenn wir dies tun und die Wellenfunktion als Element der Realität auffassen, dann landen wir zunächst wieder bei den Wellen; wie wir zuvor gesehen haben, löst dies jedoch nicht alle Probleme, d.h. selbst unter der Voraussetzung dieser ontischen Sichtweise ist das Wellenbild alleine nicht ausreichend.

D.h. in letzter Konsequenz, ein reale Entität passiert den Doppelspalt, liefert einzelne Punkte sowie insgs. ein Interferenzmuster, und wir können dies mittels der mathematischen Objektes Wellenfunktion sowie weiterer mathematischer Regeln wie insbs. der Schrödingergleichung beschreiben. Das ist der unstrittige Kern der Quantenmechanik. Die Interpretationen unterscheiden sich nun insbs. darin, welchen Bezug sie zwischen externer Realität, subjektivem Wissen sowie mathematischem Formalismus herstellen.

Zum Vergleich diverser Interpretationen der Quantenmechanik:

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Interpretations_of_quantum_mechanics#Comparison

die Tabelle erspart dir viel Zeit und wäre eine gute Basis für eine weitere Diskussion

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Anmeldungsdatum: 21.11.2019
Beiträge: 29

Beitrag Cuby Verfasst am: 16. Dez 2019 18:19    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Cuby hat Folgendes geschrieben:
Physikalische Begriffsbildung hat keinen Bezug zur Realität?

Physikalische Begriffsbildung kann durchaus etwas mit der Realität zu tun haben. Anhand der Quantenmechanik kannst du jedoch erkennen, dass noch nicht mal bzgl. des selben mathematischen Objektes bzw. Begriffes Einigkeit herrschen muss, welcher Bezug zur Realität nun genau besteht.

Ok. Geklärt!

Zitat:
Der mathematische Rahmen ist jedoch für alle Interpretationen identisch - soweit ich sehe mit Ausnahme von deBroglie-Bohm - und die meisten dieser mathematischen Probleme spielen bei der Diskussion der Interpretationen keine Rolle.

Das wirkt beruhigend. Ich hatte schon befürchtet, dass es daran scheitern könnte. Wir werden wahrscheinlich an der einen oder anderen Stelle darauf zurückkommen, nehme ich an.

Zitat:
[...] Ausdrucksweisen [...]Nichts dergleichen! [...] Teilchen ... Welle ... Wellenfunktion [...]

Soweit klar, denke ich!

Zitat:
Zum Vergleich diverser Interpretationen der Quantenmechanik:

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Interpretations_of_quantum_mechanics#Comparison

die Tabelle erspart dir viel Zeit und wäre eine gute Basis für eine weitere Diskussion

Ganz hervorragend! Das wird sie! Danke.

- *** -
Cuby



Anmeldungsdatum: 21.11.2019
Beiträge: 29

Beitrag Cuby Verfasst am: 17. Dez 2019 23:04    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Tom, anbei der erste Entwurf bzgl. der KM. Ich habe hierbei nicht die Leitfragen zugrunde gelegt, weil es m.e. wenig Sinn macht; vielmehr wollte ich die grundsätzliche Semantik und den Formalismus herausstellen.
Aus der Intuition heraus ist, glaube ich, noch einiges zu präzisieren.
Zudem möchte ich noch Lagrange-Formalismus und Hamilton-Prinzip anschließen. Aber step by step.

DIE KLASSISCHE MECHANIK

A) Allgemeine Charakterisierung

1. Historisch ist sie die Synthese des mechanisch-physikalischen Wissens ihrer Zeit.

2. Methodisch ist sie die vollständige Mathematisierung der Physik in Form eines auf drei Axiomen beruhenden deduktiven Systems, aus dem die Lösungen mechanischer Probleme abgeleitet werden können. Die Axiome ihrerseits werden aus dem vorliegenden empirisch gewonnenen Datenbestand induktiv hergeleitet.

3. Philosophisch ist sie die Grundlage für das Mechanistische Paradigma (Weltbild).


B) Theorien-Hintergrund

1. Der absolute unbewegliche Raum, damit die Bewegung eines Systems als beschleunigt bzw. gradlinig gleichförmig definiert werden kann. Trägheitskräfte werden durch den absoluten Raum hervorgerufen „Beweis“: Newtons Eimer.

2. Die absolute gleichförmig fließende Zeit, damit die Bewegung eines Systems als gleichförmig definiert werden kann.

=> Absoluter Raum & Absolute Zeit gehen den Dingen ontologisch voran (ontologisches Primat).

3. Der relative gewöhnliche Raum.

4. Die relative scheinbare und gewöhnliche Zeit.

=> Relativer Raum und Relative Zeit dienen der Festlegung von Koordinaten- bzw. Bezugssystemen.


C) Grundannahmen, Grundbegriffe: Newton‘sches Axiomensystem

1. Der Trägheitssatz ... definiert das Inertialsystem

2. ... stellt die Verbindung der Grundgrößen her.

3. ... repräsentiert Wechselwirkung, actio = reactio.

4. ... schreibt vektorielle Addition der Kräfte vor (später zugefügt).


D) Zuordnung und Definitionen, Messung

1. Natürliche beobachtete Entitäten: Kräfte, Örter, Bewegung // Zeit, Gegenstände

2. Mathematische Entitäten: Vektoren () // Skalare ()

3. Physikalische Größe, verbunden zum empirischen Grundgesetz nebst Definitionen:

Kraft ; Beschleunigung ; Geschwindigkeit ;

=> Eine natürliche Entität wird qua Zuordnung einer geeigneten mathematische Entität durch eine Physikalische Größe repräsentiert.

Operationalisierung: , , , sind messbare Größen, für die geeignete Messverfahren bzw. Normale anzugeben sind.
Auch kanonisch konjugierte Größen (wie Ort und Impuls) eines physikalischen Objekts sind prinzipiell zu jedem Zeitpunkt gleichzeitig mit beliebig hoher Genauigkeit bestimmbar.


E) Raumgeometrie / Kausalität / Determinismus

Die Trägheitsanalyse führt auf die Geradenglg.:

Sind und zum Zeitpunkt gegeben, liegt die Trajektorie für alle Zeiten fest.

Folgerungen

1. Der Raum ist flach und wird durch den 3-dimensionalen Euklidischen Raum repräsentiert.

2. Ontologisches Grundprinzip Kausalität : Ist der Zustand eines physikalischen Systems S' die Folge des vorhergehenden Zustandes S und durch einen physikalischen Mechanismus M erwirkt, dann ist S die Ursache von S'.

3. Epistemologisches Grundprinzip Determinismus: Entsprechend dem Ontologisches Grundprinzip der Kausalität lässt sich bei hinreichend genauer Kenntnis aller Gesetze und Parameter des physikalischen Systems S das Verhalten/der Zustand des Folgesystems S' exakt bestimmen und vorhersagen. Ausdruck dieses strengen Determinismus ist der Laplace‘sche Dämon.

4. Zeitfolgebestimmung auf Basis der Kausalität: ist der Zustand eines Systems S zum Zeitpunkt tS gegeben und bringt S S‘ zum Zeitpunkt tS‘ hervor, dann heißt tS zeitlich vor bzw. früher als tS‘:

F) Bezug zur Realität, Lokalität

Realismus: Die ermittelten Eigenschaften eines Systems kommen ihm unabhängig von Wechselwirkungen bzw. Messungen real intrinsisch zu.

Lokalität: Wechselwirkung der Objekte erfolgt über die mechanischen Größen Impuls und Energie.

=> Die KM ist eine realistische und lokale Theorie.


G) Relativitätsprinzip

Galilei-Transformation auf ein Bezugssystem mit

; ; ; ; ;

=> Das Grundgesetz der KM ist kovariant gegen GT, was zu (!) führt.


H) Philosophie: Mechanistisches Paradigma (Kuhn)

Schlüsselbegriffe
Kraft, Masse, Trägheit, Beschleunigung

Materie-, Prozess- & Gesamtstruktur
diskret-atomistisch & nomologisch (gesetzmäßig),
grundlegender durchgehender Kausalnexus,
strenge Subjekt - Objekt - Trennung.

Ontologie
Naiver Realismus: ermittelte Eigenschaften und Strukturen kommen den Dingen selbst intrinsisch zu. Wahrnehmung entspricht prinzipiell der Realität.

Epistemologie
Prinzipiell vollständige Erkennbarkeit bei gegebenen Anfangsbedingungen & bekanntem Gesetz.

Mathematisch
Eindeutiger Bezug mathematischer Elemente zu den entsprechenden Elementen der Realität.

Konsequenzen

Der Mensch ist eine Maschine (de la Mettrie), der Kosmos je nach philosophischer Couleur ein Uhrwerk (Hooke), ein Sensorium Gottes (Newton), eine prästabilierte Harmonie (Leibniz) und über Allem schwebend hat Laplace‘ Dämon die Welt algorithmisch fest im Griff!

In der physikalischen Welt Newtons sind Entitäten wie Zufall, freier Wille und transzendente Gottheiten obsolet geworden; I. Kant - dt. Philosoph und engagierter Newtonianer - versucht sie in seinen Kritischen Schriften wieder zu restaurieren.

Philosophisch bezeichnet man die Auffassung, dass der Formalismus der Klassischen Mechanik die reale physikalische Welt repräsentiert und dass dessen Materie die grundlegende Entität ist, als Materialismus. Das nicht-materielle Ideelle, Geistige ist das ontologisch Sekundäre, das daraus Abgeleitete (kein Geist ohne materielle Grundsubstanzen & Prozesse des Hirns).

Im Gegenzug fasst der philosophische Idealismus das nicht-materielle Ideelle als ontologisch primär auf, aus dem das Materielle abgeleitet ist (kein Hirn ohne vorhergehende geistig-ideelle Schöpfung).

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"Doch sah ich das Unmögliche vollbracht." [John Bell zur Bohm'schen QM]


Zuletzt bearbeitet von Cuby am 31. Dez 2019 12:41, insgesamt einmal bearbeitet
Cuby



Anmeldungsdatum: 21.11.2019
Beiträge: 29

Beitrag Cuby Verfasst am: 30. Dez 2019 15:04    Titel: Antworten mit Zitat

Nach der Trockenübung jetzt die QM in ihrer
Kopenhagener Interpretation.

Leitfragen

Methodologisch. Welchen mathematischen Formalismus benutzt die Interpretation mit welcher Bedeutung & Begründung zB der Schlüsselterme und deren Stellung im strukturellen Gesamtzusammenhang?

Ontologisch. Wie und unter welchen Rahmenbedingungen werden das Quantensystem und die Vorgänge in ihm abgebildet (DS, St-G) insbes. der Messprozess? In welchem Verhältnis stehen die Elemente der Mathematik zu denen der Realität?

Philosophisch. Ist die Interpretation mit ihrem Formalismus als Fundamental-Theorie geeignet? Welche Konsequenzen hins. des Verständnisses von dem, was Realität genannt wird, ergeben sich daraus?
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Anlass der Entstehung der Quantenmechanik

Probleme bei der Erklärung neuer Phänomene der Wechselwirkung von Materie und Strahlung: Atomspektren, chemische Eigenschaften, diverse Experimente, das Phänomen der ganzen Zahlen, etc. Es galt, folgende Probleme zu lösen:

1. Der Tatsache, dass quantenmechanische Teilchen (Quanten) sowohl Teilchen- alsauch Welleneigenschaften haben, standen zunächst hilflos zwei getrennte Zuständigkeiten gegenüber: klassische Mechanik und Wellentheorie.

2. Die Tatsache, dass Materiewellen Interferenzen erzeugen.

3. Die Tatsache, dass bei Experimenten die Reihenfolge der Messung nicht beliebig ist (Ort, Impuls).

4. Die Tatsache, dass nicht die Schrödinger-Glg. das Messergebnis bringt, sondern erst deren Quadrat, die als Wahrscheinlichkeit festgelegt wird.


Schlüsselbegriffe

1. Welle-Teilchen-Dualismus, Komplementarität
2. Superposition, Materiewellen, Schrödinger-Glg. ψ (t)
3. Unschärferelationen, Nichtkommutativität konjugierter Operatoren,
4. Stochastik / Born‘sche Regel
5. Kollaps / von-Neumann-Postulat


ad 1.) Welle-Teilchen-Dualismus, Komplementarität

Wegen der Nicht-Vertauschbarkeit bei zB Ort- & Impulsmessungen, der Unvereinbarkeit von simultanen Wellen- & Teilcheneigenschaften sowie der allgemeinen Subjekt-Objekt-Problematik bestand Bohr darauf, die Komplementarität - als sich gegenseitig ausschließende aber dennoch bedingende Prinzipien - in die Theorie zu implementieren (zB die Experimentalanordnung - vor allem das Messgerät - als komplementären Bestandteil in die Beschreibung mit aufzunehmen).


ad 2.) Superposition, Schrödinger-Glg.

Zusammenhängende Systeme, wie sie sich im Quantenbereich zeigten, werden nicht durch Produktzustände, sondern durch Superposition von Produktzuständen repräsentiert. Das Phänomen der Superposition verlangt den mathematischen Formalismus der Vektorraum-Theorie. Als geeignet für die spezielle Struktur eines quantenmechanischen Vektorraums stellte sich der Hilbert-Raum mit seinem unendlichem Vorrat an Vektoren heraus, denn an den Zustandsvektor bzw. die Dgl. ψ (r, t) werden folgende Anforderungen gestellt:

1. Sie muss eine Dgl. 1. Ordnung sein, damit ψ (r, t=0) durch die Anfangsverteilung bestimmt ist.
2. Sie muss wegen der Fähigkeit zur Superposition linear sein.
3. Sie muss wegen der Normierung homogen sein.

Der dafür geeignete Zustandsvektor ist die Schrödinger-Funktion ψ.

Schrödinger fand sie mehr ratend, indem er die klassische Wellengleichung, die Hamilton-Jacobi-Gleichung und de-Broglies Materiewellen kombinierte.

Formal kann sie aus dem Hamilton-Formalismus unter Berücksichtigung der Korrespondenzregeln hergeleitet werden.

Mit ihr ist es möglich, u.a. die Energieniveaus der Elektronenhüllen zu beschreiben aber nicht den beim Experiment erfolgenden Übergang von einer kontinuierlichen Zeitentwicklung zu einem diskreten Vorgang, der Messung.

Beim Übergang ψ (t) zu ψa zum Zeitpunkt der Messung t‘ ergibt sich:

Für t < t‘: kontin.-determ. Zeitentwicklung ψ (t)

Für t‘ = t: nicht definiert (Kollaps)

Füt t > t‘: instantane (?) Zeitentwicklung, ψa (t‘)


Also zwei unterschiedliche Prozesse ψ (t) und ψa (t‘) und ein indefiniter, wobei der Prozess t > t‘ nicht unbedingt instantan sein muss, oder? Allerdings ist das Ereignis, das Moment der Wechselwirkung, bei t‘ instantan.

=> Die Schrödinger-Funktion – theoretisch unverstanden & unbegründet - ist keine Fundamental-Glg., sondern ein Postulat, das sich nur durch seinen Erfolg legitimiert.


ad 3.) Nichtkommutativität konjugierter Operatoren, UR

Wegen der Nicht-Vertauschbarkeit von kanonisch-konjugierten Größen bei Experimenten sah sich Heisenberg genötigt, die entsprechenden mathematischen Elemente aus der Matrizenrechnung – nichtvertauschende Kommutatoren – zu wählen, mit denen er die Unschärferelationen herleitete.
Er begründete sie zunächst empirisch mit einer nicht-störungsfreien Messung, dann mathematisch mit dem Matrizen- und schließlich mit den Fourier-Formalismus.

„Die Unschärfe ist somit nicht in erster Linie Folge einer nicht-störungsfreien Messung, sondern eine intrinsische Eigenschaft des Quantensystems selbst.“ (Heisenberg).
Das wäre eine ontologische Deutung.

„Die Unschärfe ist die Folge des Versuches, das Wellenpaket in klassischer Teilchenterminologie beschreiben zu wollen.“ (Bohr).
Das wäre eine epistemische Deutung.

„Die Unschärferelationen sind statistische Streurelationen, die eine Aussage darüber machen, wie bei einer Messung die Impulse streuen, wenn die Orte in einem bestimmten Intervall liegen.“ (C. Friebe, Popper)
Das wäre eine wohl eher (epistemisch-) metrologische Deutung.

„Die Unschärferelation folgt aus der Geometrie des in der QM verwendeten Hilbertraums sowie den speziellen Eigenschaften der Operatoren, die Ort und Impuls repräsentieren“ (TomS).
Das wäre die neutrale mathematische Formulierung.

F: Kannst du das etwas näher erläutern (Geometrie, spezielle E.)


ad 4.) Die Born‘sche Regel (s. Q4)

Ausgangssituation: Experimentell wird -entsprechend ermittelt, nicht !
=> was zählt, ist die Messung d.h. ihr wird der ontologische und methodische Primat eingeräumt. Das macht eine Ergänzung/Änderung des Formalismus erforderlich und führt auf die Born‘sche Regel

Born fand sie durch Analogieschluss in Einsteins Amplitudenquadrat in dessen Lichtquantenhypothese und führte mit ihr die Stochastik in die Quantenmechanik ein.

F: Das sieht mir auch mehr nach intuitiver Verzweiflungstat und Zuschnitt auf das Resultat aus. Warum -verteilt?

=> Die Born’sche Regel ist theoretisch unbegründet und legitimiert sich ebenfalls nur durch das Resultat.


ad 5.) Das von-Neumann-Postulat (s. Q5)

Die Messung induziert eine Entwicklung, die einen Zustand auf einen seiner Eigenvektoren mit der Wahrscheinlichkeit projiziert (Kollaps, Reduktion der Wellenfunktion).

Das verallgemeinerte Kollapspostulat besagt, dass nach der Messung der Zustand des Gesamtsystems durch ψa gegeben ist, falls der Wert a gemessen wurde. Das stellt sicher, dass bei nochmaligem Ablesen der Zeigerkonfiguration Y wieder ein Wert in Λj herauskommt.

F: Die "Sicherstellung" verstehe ich nicht. Warum "wieder ein Wert..."?

=> Das von-Neumann-Postulat ist theoretisch unbegründet und legitimiert sich ebenfalls nur durch das Resultat.
F: Bin mir aber nicht sicher?

Damit ergeben sich

Die Postulate der Quantenmechanik

Q1. Ein quantenmechanisches System ist repräsentiert durch den Hilbertraum und sein Zustand zu Zeit t durch den Vektor ψ(t) ∈ .

Q2. Eine quantenmechanische Größe A wird repräsentiert durch einen selbstadjungierten (alle reellen Werte enthaltenden) Operator A in , die möglichen Messwerte (seine Eigenwerte) a durch das Spektrum σ von A.

Q3. Sei ψ (to) der Zustand von zur Zeit t=0 dann ist der Zustand ψ (t) für alle Zeiten t gegeben durch den unitären Zeitoperator U: ψ (t) = U (t) ψ (to);

Q4. Sei ψa ein Zustand von für den gilt: A ψa = a ψa und sei A eine Observable mit dem Wert a, dann ist die Wahrscheinlichkeit P(a), den Messwert a zu erhalten, gegeben durch die Born’sche Regel P(a) = |ψ(t) ψa|.

Q5. Sei a der gemessene Wert von A dann ist der Zustand von beschrieben durch ψa.


Verständnisfragen

„Es ist unmöglich, durchgängig anzunehmen, dass es zur Zeit t mehr Eigenschaften am Quantensystem gibt, als sich aus ψ ableiten lassen (Gleason, Bell, Kochen, Specker).“ Stöckler in: Esfeld)
F: Wie lässt sich so etwas beweisen?

"Q1 - Q4 ist für die Erzeugung von Wahrscheinlichkeiten nicht geeignet weil ihm der konkrete Vektor ψ (t0) fehlt, der die Präparation beschreibt "(Stöckler in: Esfeld)
F: Was bedeutet „fehlender Vektor“? Wer oder was bestimmt, was sich in Hilberts Räumlichkeiten alles befindet?

Kommentar

Kann es sein, dass die Quantenmechanik weniger ein spezielles Messproblem hat, als vielmehr das allgemeine Problem, spontane Wechselwirkungsprozesse zu beschreiben, die die Kontinuität der Schrödinger-Glg. unterbrechen?

Merkwürdig finde ich, dass in einer Theorie, die sich Quantentheorie nennt, der Begriff "Quanten, Quantum" (zB als Objekt, das sowohl Wellen- alsauch Teilchencharakter hat) weder definiert noch im Gebrauch ist, sondern immer noch der klassische Ausdruck "Teilchen" - das aber nicht mehr als klassisches Teilchen angesehen werden darf, worauf man hinzuweisen nicht müde wird! Wäre da ein definiertes "Quant/um" nicht effektiver?

Es scheint, als finden sich eine Menge unbegründeter Postulate in der QM der KI - vom Anfang an! Es ist eigentlich so etwas wie ein Markenzeichen von ihr.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass in der Formulierung der QM unbedingt jeder seiner "Markierung" hinterlassen musste: Heisenberg seine Unschärfe (nachdem ihm Schrödingers Dgl. den Rang ablief), Born seine Stochastik (die für ihn den "freien Willen" restaurierte) und Bohr seine Komplementarität (und mit dieser Kierkegaardschen Philosophie der QM den dänischen Stempel verpasst).

Aus wissenschaftstheoretischer Sicht gilt eine Theorie dann als begründet, wenn der essenzielle Formalismus (hier: ψ) begründet ist. Da das hier nicht der Fall ist, haben wir die paradoxe Situation, dass eine nicht begründete Theorie äußerst erfolgreich arbeitet! Das mag für den Instrumentalisten hinreichend sein (insofern nicht paradox), aber philosophisch ist das doch eine sehr unbefriedigende Situation, oder?

Schätze ich das richtig ein, wenn ich behaupte, dass der QM aber - nach ihren Darstellungen zu schließen - noch immer der Geruch einer Labor-Theorie anhaftet?

Es sieht so aus, als könnte noch die eine oder andere Überraschung kommen, oder ist der künftige Weg abzusehen?


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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 02. Jan 2020 11:44    Titel: Antworten mit Zitat

Cuby hat Folgendes geschrieben:

ad 5.) Das von-Neumann-Postulat (s. Q5)

Die Messung induziert eine Entwicklung, die einen Zustand auf einen seiner Eigenvektoren mit der Wahrscheinlichkeit projiziert (Kollaps, Reduktion der Wellenfunktion).


Du vergißt fast durchgehend die Betragsbildung vor dem Quadrieren. Die Wahrscheinlichkeit ist . Denke daran, daß es sich bei den Entwicklungskoeffizienten und Wellenfunktionen um komplexe Größen handelt.

Zitat:

Das verallgemeinerte Kollapspostulat besagt, dass nach der Messung der Zustand des Gesamtsystems durch ψa gegeben ist, falls der Wert a gemessen wurde. Das stellt sicher, dass bei nochmaligem Ablesen der Zeigerkonfiguration Y wieder ein Wert in Λj herauskommt.

F: Die "Sicherstellung" verstehe ich nicht. Warum "wieder ein Wert..."?


Ohne Kontext ist die Aussage unverständlich. (Was soll z.B. Λj sein?). Das Kollapspostulat stellt sicher, daß sich unmittelbar nach der Messung des Wertes a bei einer Widerholung der Messung erneut der Wert a ergibt. Zumindest sofern sich der Zustand in der Zwischenzeit nicht aus anderen Gründen ändert. Dies folgt aus dem Kollapspostulat zusammen mit der Bornschen Regel mit . Das ergibt p(a)=1.

Zitat:

Kommentar

Kann es sein, dass die Quantenmechanik weniger ein spezielles Messproblem hat, als vielmehr das allgemeine Problem, spontane Wechselwirkungsprozesse zu beschreiben, die die Kontinuität der Schrödinger-Glg. unterbrechen?


Nein, das kann man nicht sagen. Stochastische Zustandsänderungen kannst du in der Quantenmechanik mit ähnlichen Methoden beschreiben wie in der klassischen Mechanik, d.h. mit stochastischen Differentialgeichungen. Diese werden gewöhnlich bei der Beschreibung offener Quantensysteme angewendet, deren Dynamik nicht einer Schrödingergleichung folgt. Ein prinzipielles Problem liegt also wohl nicht vor.

Ob es ein Meßproblem gibt und insbesondere worin es besteht, hängt aber vermutlich von der Interpretation ab.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18067

Beitrag TomS Verfasst am: 02. Jan 2020 18:12    Titel: Antworten mit Zitat

Cuby hat Folgendes geschrieben:

Kommentar

Kann es sein, dass die Quantenmechanik weniger ein spezielles Messproblem hat, als vielmehr das allgemeine Problem, spontane Wechselwirkungsprozesse zu beschreiben, die die Kontinuität der Schrödinger-Glg. unterbrechen?

Nein, wenigstens nicht nach dem üblichen Sprachgebrauch.

Eine Messung prägt dem Messgerät eine im Quantenzustand enthaltene Komponente im Sinne eines Messwertes ein.

Eine Wechselwirkung folgt dagegen der Schrödingergleichung.

Cuby hat Folgendes geschrieben:

Merkwürdig finde ich, dass in einer Theorie, die sich Quantentheorie nennt, der Begriff "Quanten, Quantum" weder definiert noch im Gebrauch ist, sondern immer noch der klassische Ausdruck "Teilchen" - das aber nicht mehr als klassisches Teilchen angesehen werden darf, worauf man hinzuweisen nicht müde wird! Wäre da ein definiertes "Quant/um" nicht effektiver?

Die Physiker sind sich der Tatsache bewusst, dass der Sprachgebrauch immer nur bestimmte Aspekte erfasst. Eine präzise Formulierung liegt dagegen in Form der Postulate und der Mathematik vor.

Cuby hat Folgendes geschrieben:

Es scheint, als finden sich eine Menge unbegründeter Postulate in der QM der KI - vom Anfang an! Es ist eigentlich so etwas wie ein Markenzeichen von ihr.

Jede Theorie startet mit nicht weiter zu hinterfragenden Postulaten. Die Diskussion derselben ist Aufgabe der Metaphysik, die Diskussion der experimentellen Konsequenzen Aufgabe der Physik.

Cuby hat Folgendes geschrieben:

Aus wissenschaftstheoretischer Sicht gilt eine Theorie dann als begründet, wenn der essenzielle Formalismus (hier: ψ) begründet ist. Da das hier nicht der Fall ist, haben wir die paradoxe Situation, dass eine nicht begründete Theorie äußerst erfolgreich arbeitet! Das mag für den Instrumentalisten hinreichend sein (insofern nicht paradox), aber philosophisch ist das doch eine sehr unbefriedigende Situation, oder?

Woher stammt diese Auffassung? Inwiefern wären andere Theorien wie die Newtonsche „besser begründet“? Was sagst du zum Popperschen Ansatz, dass letztlich nur experimentell überprüfbare Resultate zur Bewertung einer Theorie taugen?

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
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