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#ZDF: Wer ist der Beobachter?
 
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Zombiepriester



Anmeldungsdatum: 05.12.2016
Beiträge: 62

Beitrag Zombiepriester Verfasst am: 17. Jul 2017 22:09    Titel: #ZDF: Wer ist der Beobachter? Antworten mit Zitat

Hallo Forenmenschen
ZDF = Zombiepriester's dumme Fragen
Und ich hab eine Frage. Vielleicht ist meine Sieht hier ein bisschen durch Sci-Fi-Literatur und -Medien verfälscht, weist mich also auf durchaus auf Fehler hin.
Es geht um diese "Viele Welten" Theorie. Als Normie sagt man da ja einfach, es gibt unendlich viele Universen, die parallel Existieren und immer wenn man eine Entscheidung trifft, dann werden neue Universen mit den unterschiedlichen Möglichkeiten geschaffen (Wie auch immer ein Universum sich einfach so erschafft). Aber irgendwie klingt das für mich sehr komisch. Ich wende nun also mein Wissen über Quantenmechanik auf diese Paralleluniversentheorie an (Fehler hoffentlich nicht incoming):
In der Quantentheorie kann ja ein System im Superzustand sein, wenne s nicht gemessen wird. Es ist also sozusagen "in allen Zuständen gleichzeitig". Durch die Tat des Messens nimmt das Universum also den Zustand ein der gemessen wird. Es existieren also nicht parallel die Universen irgendwie nebeneinander sind und einfach neu erschaffen werden, nein, jede Möglichkeit ist schon in der Superposition drin und es gibt nur ein Universum, das dann halt den entsprechenden Zustand einnimmt. Aber da ergibt sich ein Problem: Wer ist der Beobachter? Die Menschen? Welcher Mensch? Und wenn ich das Universum beobachte und so den Zustand festlege, dann kann mein parallel-ich ja auch beobachten und den Zustand festlegen. Allgemein formuliert: Der Zustand des Systems müsste in dem Fall durch das System selbst (bzw. Teile in dem Fall ich) beobachtet werden, das ist doch irgendwie paradox. Und dann hab ich das weitergedacht und mir ist noch eine Frage gekommen? Was ist überhaupt das "Beobachten"? Was ist der Unterschied wenn ich das Universum beobachte, oder wenn ein Stein im All rumfliegt? Wir beide sind absolut nichts weiter als ein Haufen Moleküle. Warum hat meine Beobachtung also eine Auswirkung auf die Superposition und die des Steins nicht? Ich hoffe ihr könnt mir befriedigende Antworten liefern.
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8578

Beitrag jh8979 Verfasst am: 18. Jul 2017 00:29    Titel: Re: #ZDF: Wer ist der Beobachter? Antworten mit Zitat

Zombiepriester hat Folgendes geschrieben:
Was ist der Unterschied wenn ich das Universum beobachte, oder wenn ein Stein im All rumfliegt? Wir beide sind absolut nichts weiter als ein Haufen Moleküle. Warum hat meine Beobachtung also eine Auswirkung auf die Superposition und die des Steins nicht? Ich hoffe ihr könnt mir befriedigende Antworten liefern.

Wer sagt, dass es da einen Unterschied gibt?

Und nein, da wird Dir im Moment vermutlich niemand eine befriedigende Antwort liefern können...
Zombiepriester



Anmeldungsdatum: 05.12.2016
Beiträge: 62

Beitrag Zombiepriester Verfasst am: 18. Jul 2017 10:07    Titel: Antworten mit Zitat

Und auf das Paralleluniversumsthema?
winter



Anmeldungsdatum: 19.07.2012
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Wohnort: Berlin

Beitrag winter Verfasst am: 18. Jul 2017 13:28    Titel: Antworten mit Zitat

die Sache ist die, dass die Physiker sich den Dingern ausgesetzt sehen, die sie nicht verstehen. Deswegen versuchen sie, es mit Phantasie-Gebilden auszufüllen. Früher erfand man sogenannte "Götter". Jemand muss ja donnern und blitzen und leuchten. Und trotz Aufklärung sind heute führende Politiker führerndr Länder Gottesanbeter, also Abergläubige.

Die Idee von "parallelen Welten" ist so eine.. Man glaubt es oder nicht.. Ich nicht.. kompletter Unsinn schwachsinniger Halbidioten.. Das ist so eine Wissens-Mystifizierung. Gehört gar nicht zur Physik. Man hat aus Physik Unterhaltung gemacht, geile Theorien haben Konjunktur.

Man stelle sich Vorlesungsplan vor: Parallelwelt #23, Prof.Strunz, #54 Prof.Kunz. Wie geht es Dir? also im Parallelen viel besser.. und Sektenversammlungen zu "wie entscheide ich mich richtig, damit ich die beste parallele Welt erwische? Kostet paarundfufzig.

Übrigens die Frage schon "Wer"? Bedingt die Antwort "Gott". Wem nützt es? In Physik gibt es keinen "wer", sondern nur was. Weil wer ist ein Lebewesen, die Krönung der ----ääää Evolution, keiner Schöpfung von einem "er"...
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8578

Beitrag jh8979 Verfasst am: 18. Jul 2017 15:17    Titel: Antworten mit Zitat

winter hat Folgendes geschrieben:
die Sache ist die, dass die Physiker sich den Dingern ausgesetzt sehen, die sie nicht verstehen. Deswegen versuchen sie, es mit Phantasie-Gebilden auszufüllen. Früher erfand man sogenannte "Götter". Jemand muss ja donnern und blitzen und leuchten. Und trotz Aufklärung sind heute führende Politiker führerndr Länder Gottesanbeter, also Abergläubige.

Die Idee von "parallelen Welten" ist so eine.. Man glaubt es oder nicht.. Ich nicht.. kompletter Unsinn schwachsinniger Halbidioten.. Das ist so eine Wissens-Mystifizierung. Gehört gar nicht zur Physik. Man hat aus Physik Unterhaltung gemacht, geile Theorien haben Konjunktur.

Man stelle sich Vorlesungsplan vor: Parallelwelt #23, Prof.Strunz, #54 Prof.Kunz. Wie geht es Dir? also im Parallelen viel besser.. und Sektenversammlungen zu "wie entscheide ich mich richtig, damit ich die beste parallele Welt erwische? Kostet paarundfufzig.

Übrigens die Frage schon "Wer"? Bedingt die Antwort "Gott". Wem nützt es? In Physik gibt es keinen "wer", sondern nur was. Weil wer ist ein Lebewesen, die Krönung der ----ääää Evolution, keiner Schöpfung von einem "er"...

Wie wäre es, wenn Du weniger solchen Quatsch von Dir geben würdest, wenn Du schon keine Ahnung vom Thema hast.

Anmerkung als Moderator: Im Übrigen dieser Post ist in seiner ganzen Wortwahl und mit seinem "Inhalt" kurz vorm Spam-Ordner...
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8578

Beitrag jh8979 Verfasst am: 18. Jul 2017 15:18    Titel: Antworten mit Zitat

Zombiepriester hat Folgendes geschrieben:
Und auf das Paralleluniversumsthema?

Kannst Du Deine konkrete Frage dazu nochmal wiederholen?
Zombiepriester



Anmeldungsdatum: 05.12.2016
Beiträge: 62

Beitrag Zombiepriester Verfasst am: 18. Jul 2017 16:42    Titel: Antworten mit Zitat

Wie gesagt kommt mir diese Mainstream-Sci_fi Vorstellung komisch vor, dass halt Universen nebeneinander rumfliegen und bei jeder Entscheidung wird ein neues erschaffen, einfach so. Wie ich eher denke: Man hat halt das System(Universum) im Superzustand und wenn man beobachtet dann nimmt es halt den Zustand an, den man beobachtet. Und parallel wäre dann halt einfahc ein anderer Zustand. Aber wer oder was beobachtet dann das Universum und legt den Zustand fest? Ich oder du? Kann es überhaupt sein dass der Zustand eines Systems durch das System selbst oder einen Teil davon(z.B. ich) festgelegt wird?
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 18. Jul 2017 20:58    Titel: Antworten mit Zitat

Zombiepriester hat Folgendes geschrieben:

In der Quantentheorie kann ja ein System im Superzustand sein, wenne s nicht gemessen wird. Es ist also sozusagen "in allen Zuständen gleichzeitig". Durch die Tat des Messens nimmt das Universum also den Zustand ein der gemessen wird.


Das tut es eben nicht. Die Idee mit den "Vielen Welten" entspinnt sich u.a. um das Problem, folgende beiden Aussagen unter einen Hut zu bekommen

1) Der Quantenzustand ist die Beschreibung eines individuellen Systems.
2) Die Schrödinger-Gleichung liefert eine vollständige Beschreibung der Zeitentwicklung dieses Systems

Es ist vielleicht nicht einfach zu glauben, aber diese beiden Aussagen zusammengenommen, stellen die Interpretation der Quantenmechanik vor erhebliche Probleme.

Wie kommt das? Zum Beispiel durch das "Meßproblem" (landläufig unter "Schrödingers Katze" bekannt). Unter Voraussetzung 2) ist nämlich insbesondere zu verstehen, daß während einer Messung nicht irgendeine unfaßbare Magie passiert, sondern daß eine ganz normale Wechselwirkung zwischen System und Meßapparat stattfindet. Eine solche wird durch einen geeigneten Hamiltonoperator H beschrieben, der eine unitäre Zeitentwicklung erzeugt, etc. Also das übliche Programm innerhalb der Quantenmechanik.

Daraus folgt dann aber das sogenannte "Messungstheorem" ("measurement theorem"): Was auch immer während der Messung im Detail passiert, es führt kein Weg daran vorbei, daß sich das System danach in einem Superpositionszustand befindet, wenn es vorher in einem solchen war. Insbesondere ist der finale Zustand im allgemeinen eine Überlagerung von makroskopisch unterscheidbaren Zuständen, bestehend z.B. aus deutlich voneinander entfernten Zeigerpositionen auf einem Meßgerät. Diese Tatsache ist nun wieder schwer mit Position 1) zu vereinbaren. Denn wie soll ein einzelnes Meßgerät zwei unterschiedliche Zeigerstellungen anzeigen?

Eine mögliche Reaktion auf dieses Problem ist Kapitulation: Die Ensemble-Interpretation z.B. betrachtet 1) und 2) schlicht als unvereinbar miteinander. Statt auf ein individuelles Systems bezieht sich die Wellenfunktion auf ein Ensemble von identisch präparierten Systemen, über welches sie nur statistische Aussagen liefert. Damit bleiben allerdings eine Menge scheinbar sinnvoller Fragen prinzipiell unbeantwortet. Zum Beispiel gibt es keine kausalen Erklärungen für das Ergebnis individueller Messungen. Man weiß vor der Messung zwar, welchen Wert eine Messung irgendeiner Größe mit welcher Wahrscheinlichkeit ergeben wird, man weiß aber nicht, welchen Wert diese Größe vor der Messung wirklich hat.

Tatsächlich erlaubt die Quantenmechanik keine einfache Antwort auf solche Fragen. Man kann unter recht plausiblen Annahmen sogar beweisen, daß ein System vor einer Messung gar keinen bestimmten Wert haben kann. Daß sich dieser aber mit Sicherheit aus dem Ergebnis einer anderen beliebig weit entfernten Messung ergeben muß.

Ebenso ist fraglich, wie sich ohne die Identifikation von Zustandsbeschreibung und individuellem System die Quantenmechanik auf das ganze Universum anwenden lassen soll. Man kann sich zwar eine Menge von identisch präparierten Teilchen im Teilchenbeschleuniger problemlos vorstellen. Aber was soll eine Menge von identisch präparierten Universen bedeuten, außer eine dubiose theoretische Fiktion?

Das ist nun so ungefähr das ganze Problem, dessen Lösung die Viele-Welten-Interpretation sein soll. Und ohne diese Problematik einigermaßen verstanden zu haben, kann man auch nicht verstehen wozu die Lösung gut sein soll. Ob man die Lösung überzeugend findet, ist nochmal eine andere Frage. Nur als Warnung vorweg: Ich finde die MWI nicht besonders überzeugend. Es kann also sein, daß meine folgende Beschreibung ihr nicht ganz gerecht wird, aber ich versuche mein bestes.

Also was ist der Ansatz der Viele-Welten-Theorie? Kurz gesagt will sie eben nicht kapitulieren, sondern die Zeitentwicklung 2) mit der Auffassung 1), gemäß der die Quantenmechanik in der Lage ist eine vollständige Beschreibung einzelner Systeme zu liefern, in Einklang bringen. Wenn dies gelingt, stellt auch die Interpretation der "Wellenfunktion des Universums" natürlich kein eigenständiges Problem mehr da und löst sich von selbst.

Es geht also nicht darum irgendeinen Science-Fiction-Hokuspokus zu fabrizieren, sondern eher darum den Formalismus und die Phänomenologie der Quantentheorie innerhalb des realistischen Weltbildes zu verstehen, welches die klassische Naturwissenschaft sicher zum Teil auch mit hervorgebracht hat. Unter diesem Weltbild könnte man vielleicht unter anderem die Vorstellung verstehen, daß regulär auftretende individuelle Ereignisse eine kausale Erklärung innerhalb einer vollständigen Theorie finden müssen. Eine Aussage wie "Der tatsächliche Meßwert ist x. Aber er hätte auch y sein können und es existiert absolut kein Grund dafür." ist aus dieser Sicht einfach unbefriedigend. Hierfür nach einer Lösung zu suchen, ist also erstmal eine durchaus ehrenwerte Absicht.

Jede Interpretation die das versucht, muß natürlich dem Ergebnis des "Messungstheorems" irgendwie Rechnung tragen, also insbesondere klarstellen, was Überlagerungen makroskopische verschiedener Zustände bedeuten. Aus der Frage, wie das im Detail durchzuführen ist, haben sich scheinbar seit Everett mehere MWI-Schulen herausgebildet. Die Grundidee ist aber immer die, daß die einzelnen Komponenten in der Überlagerung des Zustands nach der Messung, tatsächlich real existierende "Zweige" des Gesamtsystems sind. Mit anderen Worten, das, was wir als "unser Universum" bezeichnen, ist lediglich ein Teil des gesamten Systems. Und dessen vollständige Beschreibung enthält auch immer das, was aus unserer Sicht lediglich nicht realisierte Möglichkeiten sind. Die obige Frage, wodurch gerade dieser Meßwert und nicht jener verursacht wurde ist damit natürlich hübsch gelöst: sie sind alle gleichermaßen verursacht durch die normale quantenmechanische Zeitentwicklung. Es gibt keine unerklärte Asymmetrie mehr zwischen den vielen möglichen Meßwerten vor der Messung und dem einzigen Meßwert nach der Messung und nichts mysteriöses am Begriff der "Messung" selbst. Wenn man das Meßproblem ernst nimmt, was man m.E. tun sollte, ist es nicht schwer die Attraktivität in dieser Lösung zu finden.

Hier stecken aber m.E. schon diverse Probleme drin, denn diese finale Zweigstruktur ist im allgemeinen nicht eindeutig. Man kann ein und dieselbe Wechselwirkung als "Messung" nicht-kommutierender Observablen interpretieren. Aber die jeweiligen Ergebnisse sind miteinander inkompatibel und können nicht gleichzeitig im selben Zweig realisiert sein. Welche Zweigstruktur existiert also wirklich? (Das ist m.W. als "Basisproblem" der MWI bekannt.) Auch ist nicht so richtig klar, wie man allein mit Hilfe der Axiome 1) und 2) einen quantitativen Zusammenhang zwischen der theoretischen Zweigstruktur und den empirischen, durch wiederholte Messungen an identischen Ausgangszuständen bestimmten, relativen Häufigkeiten der möglichen Messwerte herstellen soll. Dies ist ein Problem, denn die Bestimmung dieser relativen Häufigkeiten ist ein Eckpfeiler der Anwendung der Quantenmechanik auf reale Systeme. (Die Ensemble Interpretation und auch die, sagen wir mal, "orthodoxe Interpretation" "löst" das Problem einfach durch Postulieren der Bornschen Regel.)

Ich denke Everett selbst hatte keine richtige Lösung für diese Probleme. Modernen Vertretern seiner Interpretation sind sie aber wohl bewußt. (Ich denke Everett war der Ansicht das Problem mit den relativen Häufigkeiten gelöst zu haben, aber m.W. besteht weitgehend Einigkeit, daß ihm dies nicht gelungen ist.) Populäre Lösungsansätze für diese und ähnliche Probleme laufen unter den Stichworten Dekohärenz und Einselection. Es gibt irgendwo hier im Forum einen anderen Thread, der das ganze, soweit ich mich erinnere, etwas detaillierter diskutiert. Ich weiß nicht mehr wie er hieß--irgendwas mit "Ensemble" im Titel, glaube ich. Was mir an diesen modernen Varianten nicht gefällt ist, kurz gesagt, die Tatsache, daß sie meines Erachtens nur in solchen Situationen Lösungen anbieten, die sich auch völlig problemlos mit der Ensemble-Interpretation auf viel natürlichere Art interpretieren lassen. In diesen ist also m.E. die Existenzberechtigung der "vielen Welten" irgendwie abhanden gekommen.

Zitat:

Es existieren also nicht parallel die Universen irgendwie nebeneinander sind und einfach neu erschaffen werden, nein, jede Möglichkeit ist schon in der Superposition drin und es gibt nur ein Universum, das dann halt den entsprechenden Zustand einnimmt.


Ja aber das ist eines der Probleme, welches man lösen wollte: Warum gerade dieser Zustand und nicht ein anderer? Wie veträgt sich das mit der Schrödingergleichung?


Zuletzt bearbeitet von index_razor am 18. Jul 2017 21:12, insgesamt 3-mal bearbeitet
jh8979
Moderator


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Beitrag jh8979 Verfasst am: 18. Jul 2017 21:05    Titel: Antworten mit Zitat

Zombiepriester hat Folgendes geschrieben:
Wie gesagt kommt mir diese Mainstream-Sci_fi Vorstellung komisch vor, dass halt Universen nebeneinander rumfliegen und bei jeder Entscheidung wird ein neues erschaffen, einfach so.

Dies ist mMn einer der Hauptpunkte, an denen die Many-Worlds-Interpretation (MWI) missverstanden wird (der Name ist einfach unglücklich gewählt).

Die MWI sagt nicht aus, dass da irgendwie neue Universen entstehen, im Sinne von: alle Materie wird verdoppelt. Ein besserer Name wäre "No-Collaps-Interpretation", denn die MWI sagt im wesentlichen, dass die Wellenfunktion des Universums nicht kollabiert, sondern sich nur in Teile aufspaltet, die nicht mehr miteinander interferieren können. Nach einer Messung ist der Zustand es Universums also:
Zustand = Zustand Messwert 1 + Zustand Messwert 2
und Zustand Messwert 1/2 sind orthogonal zueinander.
Jeden Summanden in dieser Summe bezeichnet die MWI jetzt als "neue Universen", die nebeneinander existieren. Wie Du siehst, wurde hier aber keine neue Materie erschaffen.

Es bleiben natürlich Fragen:
* Wieso sind die Beien orthogonal, d.h. nicht interferenzfähig? (zumindest ein Teil der Antwort ist "Dekohärenz")
* Wieso nehmen wir als Menschen, dann immer nur jeweils einen dieser Teilsummanden war? (gute Frage, nichts genaues weiss man nicht)
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 18. Jul 2017 21:11    Titel: Antworten mit Zitat

jh8979 hat Folgendes geschrieben:

Die MWI sagt nicht aus, dass da irgendwie neue Universen entstehen, im Sinne von: alle Materie wird verdoppelt. Ein besserer Name wäre "No-Collaps-Interpretation", denn die MWI sagt im wesentlichen, dass die Wellenfunktion des Universums nicht kollabiert, sondern sich nur in Teile aufspaltet, die nicht mehr miteinander interferieren können.


"No-Collaps" ist aber mehrdeutig. Die Ensemble-Interpretation z.B. beinhaltet auch keinen Kollaps der Wellenfunktion. Sie benötigt ihn nicht, weil sie nicht behauptet eine Superposition makroskopisch unterscheidbarer Zustände sei eine Beschreibung eines einzelnen Systems.
jh8979
Moderator


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Beitrag jh8979 Verfasst am: 18. Jul 2017 21:16    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Nur als Warnung vorweg: Ich finde die MWI nicht besonders überzeugend.

Um ehrlich zu sein, ich glaube die meisten Physiker heutzutage hängen irgendeiner Form der MWI an, ob sie es so sagen würden (und selber wissen) oder nicht. Von der physikalischen Sicht ist es die eleganteste... aber Probleme sind natürlich vorhanden... smile

PS: Eine "Interpretation", der ALLE Physiker zustimmen würden, ist natürlich die "Shut up and calculate"-Interpretation. Augenzwinkern
jh8979
Moderator


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Beiträge: 8578

Beitrag jh8979 Verfasst am: 18. Jul 2017 21:19    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

"No-Collaps" ist aber mehrdeutig. Die Ensemble-Interpretation z.B. beinhaltet auch keinen Kollaps der Wellenfunktion. Sie benötigt ihn nicht, weil sie nicht behauptet eine Superposition makroskopisch unterscheidbarer Zustände sei eine Beschreibung eines einzelnen Systems.

... ich hab aktiv nachgedacht, ob ich "no collaps" als Ausdruck benutzen soll.... smile Das war halt nicht der Punkt, um den es geht... Antwort an mich selber: Nein, nicht benutzen smile
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 18. Jul 2017 23:08    Titel: Antworten mit Zitat

jh8979 hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Nur als Warnung vorweg: Ich finde die MWI nicht besonders überzeugend.

Um ehrlich zu sein, ich glaube die meisten Physiker heutzutage hängen irgendeiner Form der MWI an, ob sie es so sagen würden (und selber wissen) oder nicht.


Ist zwar schon eine Weile her, aber hier sieht das noch etwas anders aus. Everett ist zwar recht populär, aber die Kopenhagener Interpretation wird dort noch immer mit deutlichem Vorsprung vertreten. Selbst die "information-theoretical" Interpretationen liegen noch vor Many-Worlds. Aus unerfindlichen Gründen fehlt allerdings "shut-up-and-calculate" in der Umfrage und ich habe den Verdacht, daß diese Option das Ergebnis deutlich hätte beeinflussen können.

Allerdings kommt es mir auch so vor, daß MWI populärer wird und auch wenn ich ihr nicht viel abgewinnen kann, betrachte ich das mal optimistisch als Fortschritt gegenüber "shut-up-and-calculate", was mir eigentlich nur als Symptom für generelles Desinteresse an dem Problem der Interpretation der QM verständlich ist.

Zitat:

Von der physikalischen Sicht ist es die eleganteste... aber Probleme sind natürlich vorhanden... smile


Hier würde mich interessieren, warum du die Ensemble-Interpretation oder auch die Bohmsche Mechanik weniger elegant findest. Meines Erachtens kann die MWI den Vorteil an Eleganz nur gegenüber Kollaps-Interpretationen wirklich überzeugend geltend machen. Denn das eleganteste an ihr ist sicher die Tatsache, daß sie dem Meßprozeß keine Sonderrolle außerhalb des Formalismus zugesteht, was sie aber vor anderen modernen Interpretationen nicht auszeichnet.
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8578

Beitrag jh8979 Verfasst am: 18. Jul 2017 23:19    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Ist zwar schon eine Weile her, aber hier sieht das noch etwas anders aus. Everett ist zwar recht populär, aber die Kopenhagener Interpretation wird dort noch immer mit deutlichem Vorsprung vertreten. Selbst die "information-theoretical" Interpretationen liegen noch vor Many-Worlds. Aus unerfindlichen Gründen fehlt allerdings "shut-up-and-calculate" in der Umfrage und ich habe den Verdacht, daß diese Option das Ergebnis deutlich hätte beeinflussen können.

Ehrlich gesagt glaub ich, dass die Leute da nicht wissen was sie antworten (wie es mir damals auch ergangen wäre). Ich glaub "Kopenhagen" glaub keiner der ernsthaft über die QM nachgedacht hat.
Zitat:

Hier würde mich interessieren, warum du die Ensemble-Interpretation oder auch die Bohmsche Mechanik weniger elegant findest. .

Ensemble scheint mMn nur eine philosophische Variante von MWI zu sein (das mag meine Ignoranz sein, das geb ich zu). Bohm ist schlicht eine Umformulierung der nicht-relativistischen QM.. die es nie in die Relativistik geschafft hat...
Zitat:
Meines Erachtens kann die MWI den Vorteil an Eleganz nur gegenüber Kollaps-Interpretationen wirklich überzeugend geltend machen. Denn das eleganteste an ihr ist sicher die Tatsache, daß sie dem Meßprozeß keine Sonderrolle außerhalb des Formalismus zugesteht, was sie aber vor anderen modernen Interpretationen nicht auszeichnet

Welche anderen wären das denn? (siehe auch oben)
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 18. Jul 2017 23:59    Titel: Antworten mit Zitat

jh8979 hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:

Ist zwar schon eine Weile her, aber hier sieht das noch etwas anders aus. Everett ist zwar recht populär, aber die Kopenhagener Interpretation wird dort noch immer mit deutlichem Vorsprung vertreten. Selbst die "information-theoretical" Interpretationen liegen noch vor Many-Worlds. Aus unerfindlichen Gründen fehlt allerdings "shut-up-and-calculate" in der Umfrage und ich habe den Verdacht, daß diese Option das Ergebnis deutlich hätte beeinflussen können.

Ehrlich gesagt glaub ich, dass die Leute da nicht wissen was sie antworten (wie es mir damals auch ergangen wäre). Ich glaub "Kopenhagen" glaub keiner der ernsthaft über die QM nachgedacht hat.


Also schwer nachvollziehbar finde ich das auch. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, daß die Mehrheit der Physiker die Interpretation der Quantenmechanik nicht als ein Problem ansieht, welches wert ist, darin viel Aufmerksamkeit und ernsthaftes Nachdenken zu investieren. Ich kann das soweit zumindest auch ein bißchen nachvollziehen. Mir zumindest kommt das Thema so vor, als sei eine wirklich befriedigende Lösung nicht in Sicht.

Aber meinst du die Leute meinen eigentlich eine Variante von MWI, wenn sie "Kopenhagen" sagen? Das kommt mir irgendwie komisch vor. Auch wenn man annimmt, daß sie durch mehr Nachdenken zweifelsfrei darauf gekommen wären, daß die "Kopenhagener Interpretation" quatsch ist. Sicher sind die wenigsten ignorant genug um die "Kopenhagener Interpretation" nicht von der MWI unterscheiden zu können. Ich denke gerade mit nur oberflächlichem Verständnis erscheint MWI total unplausibel, eben eher wie schlechte Science-Fiction.

Zitat:

Zitat:

Hier würde mich interessieren, warum du die Ensemble-Interpretation oder auch die Bohmsche Mechanik weniger elegant findest. .


Ensemble scheint mMn nur eine philosophische Variante von MWI zu sein.


Oh, das ist interessant. Mir kommt es zumindest so vor, als hätten die MWI-Vertreter deutlich ausgeprägtere philosophische Neigungen als die der Ensemble-Interpretation. Kannst du etwas konkreter sagen, was du damit meinst?

Zitat:

Bohm ist schlicht eine Umformulierung der nicht-relativistischen QM.. die es nie in die Relativistik geschafft hat...


Das ("nicht in die Relativistik geschafft") stimmt natürlich in gewisser Weise. Wegen Bells Theorem kann es keine Theorie mit versteckten Variablen wirklich dahin schaffen. Soweit ich weiß gibt es aber schon Varianten, in denen ein ausgezeichnetes Bezugssystem selbst irgendwie als versteckte Variable existiert, also gibt es einerseits kein Konflikt mit Bell, andererseits aber auch keine beobachtbare Verletzung der Lorentz-Invarianz. (Mehr kann ich dazu im Augenblick leider nicht sagen.) Ich würde dir insofern zustimmen, daß das irgendwie nicht besonders elegant klingt. Andererseits bin ich mir nicht sicher ob der klassische Realismus nicht wichtiger ist, als ästhetische Präferenzen für eine bestimmte Symmetrie, die ich letztendlich nicht wirklich befriedigend rational begründen kann.

Zitat:

Zitat:
Meines Erachtens kann die MWI den Vorteil an Eleganz nur gegenüber Kollaps-Interpretationen wirklich überzeugend geltend machen. Denn das eleganteste an ihr ist sicher die Tatsache, daß sie dem Meßprozeß keine Sonderrolle außerhalb des Formalismus zugesteht, was sie aber vor anderen modernen Interpretationen nicht auszeichnet

Welche anderen wären das denn? (siehe auch oben)


Ich meine hauptsächlich "Ensemble" und "Bohm". Andere kenne ich eigentlich gar nicht.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Jul 2017 23:20    Titel: Antworten mit Zitat

Wow, sehr interessante Diskussion.

Ich hatte mir bereits einmal vorgenommen, einen FAQ-Beitrag zu schreiben, um zunächst mal die Missverständnisse bzgl. MWI aufzuklären, did. wesentlichen Ideen und Argumente zusammenzufassen und zuletzt auf einige wesentliche offene Probleme einzugehen.

Ich hatte das dann zurückgestellt, nicht zuletzt weil meine Argumente teilweise zu schwach waren, um gegen die Einwände von index_razor bestehen zu können. Nun lese ich von index_razor eine sehr gute Zusammenfassung - und das auch noch aus einer ggü. der MWI eher skeptischen Perspektive.

Frage: hättest du Lust, das im Sinne eines FAQ-Beitrages zusammenzufassen?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 20. Jul 2017 00:00    Titel: Antworten mit Zitat

Noch ein paar Anmerkungen:

Ich denke, die Dekohärenz behauptet, das Problem der "preferred basis" gelöste zu haben. Sie behauptet, dass sich eine Messung einer Observablen A bzw. ein entsprechendes Messgerät, dessen Wechselwirkung mit dem zu messenden Quantensytem in einem Hamiltonoperator H kodiert ist, gerade dadurch auszeichnet, dass das Gesamtsystem in der Basis |a> * |A> näherungsweise diagonal wird; |A> steht dabei für die "pointer states". Die durch |a> * |A> definierte Struktur ist robust und eindeutig. Die Frage, was geschieht, wenn diese Diagonalisierung mit den o.g. Eigenschaften nicht vorliegt, beantwortet sich trivialerweise dadurch, dass dann eben gerade keine Messung von A vorliegt! Z.B. misst ein Stern-Gerlach-Experiment bzgl. der z-Komponente eben gerade nicht die x-Komponente, und genau deswegen liegt bzgl. x auch weiterhin eine Superposition vor.

MW-, Ensemble- und shut-up-and-calculate-Interpretation rein physikalisch zu vergleichen greift m.E. zu kurz. Die wesentliche Unterscheidung ist bereits die philosophische Grundhaltung ontisch, epistemisch (trifft auch auf andere zu) und rein positivistisch. Wer die Diskussion ernsthaft führen will, muss sich der philosophischen Grundhaltungen bewusst werden. Wer sich dem verweigert benötigt letztlich keine Interpretation bzw. zieht sich auf shut-up-and-calculate zurück.

Der Unterschied zwischen MWI und Ensemble-I wurde m.E. von index_razor sehr gut zusammengefasst: erstere ist optisch bzgl. eines real existierenden Einzelsystems, letztere gerade nicht: die Ensemble-I spricht von einem Ensemble, auch wenn real kein solches vorliegt. Damit beschreibt sie ganz prinzipiell nicht, was real in einem Einzelsystem vorgeht.

Die Ensemble-I wird also genau dann zu einer vernünftige Interpretation, wenn ich mich bewusst von der Beschreibung von Einzelsystemen verabschiede. Die MWI ist dann vernünftig, wenn ich daran festhalte, dass der mathematische Formalismus ein einzelnes real existierende System strukturell treu beschreibt. Ich denke, man muss diese Grundhaltung kennen.

Kopenhagen ist für mich keine konsistente, eindeutige Interpretation sondern eine lose Sammlung von Ideen. Auch viele Lehrbücher kranken daran, dass sie keine präzise Definition vorweisen können, geschweige denn eine Diskussion der Interpretationen. Der wesentliche Mangel ist, dass angesichts der Einführung des Kollapspostulates offen bleibt, wann und warum der Messprozess zu einem Kollaps führt und damit der unitären Zeitentwicklung widerspricht, obwohl das Messgerät an sich den Regeln der Quantenmechanik gehorcht bzw. gemäß der Quantenmechanik konstruiert ist.

Zum Abschluss eine Frage: inwiefern ist die Ensemble-Interpretation in der Lage, auf einen Kollaps zu verzichten? Jede Messung an einem Einzelsystem führt doch dazu, dass ich ein neues, gedachten Ensemble einführe, das eben nicht mehr dem Superpositionszustand vor der Messung sondern dem kollabierten Zustand nach der Messung entspricht. Der Kollaps ist insofern nicht real, aber er ist im mathematischen Formalismus vorhanden.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 21. Jul 2017 17:21    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Nun lese ich von index_razor eine sehr gute Zusammenfassung - und das auch noch aus einer ggü. der MWI eher skeptischen Perspektive.


Ein schönes Kompliment. Vielen Dank. Die unfaire und unqualifizierte Darstellung von winter hat mich motiviert.

Zitat:

Frage: hättest du Lust, das im Sinne eines FAQ-Beitrages zusammenzufassen?


Wenn es nicht zu sehr eilt, sehr gern. Es gibt einige Artikel, die ich schon seit unserer letzten längeren Diskussion zum Thema und auf jeden Fall vorher noch gern lesen würde.

Auf deine Frage bezüglich Kollaps in der Ensemble Interpretation würde ich gern später noch eingehen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Jul 2017 10:13    Titel: Antworten mit Zitat

Das freut mich.

Ich würde übrigens auch beitragen - wenn du möchtest - sei es durch Vorschläge zur Struktur, eigene Darstellungen oder lediglich Diskussion.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 22. Jul 2017 20:31    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Zum Abschluss eine Frage: inwiefern ist die Ensemble-Interpretation in der Lage, auf einen Kollaps zu verzichten? Jede Messung an einem Einzelsystem führt doch dazu, dass ich ein neues, gedachten Ensemble einführe, das eben nicht mehr dem Superpositionszustand vor der Messung sondern dem kollabierten Zustand nach der Messung entspricht. Der Kollaps ist insofern nicht real, aber er ist im mathematischen Formalismus vorhanden.


Die Ensemble-Interpretation des Meßvorgangs erfordert an keiner Stelle die Einführung eines neuen Ensembles. Lediglich der Zustand des Ensembles ändert sich. Der Kollaps wird eben deshalb nicht benötigt, weil eine Superposition von makroskopisch verschiedenen Zuständen kein prinzipielles Problem für ein Ensemble ist.

Nehmen wir einen Stern-Gerlach-Apparat, der eine Messung an einem Spin-1/2-Teilchen vornimmt und die drei möglichen Basiszustände besitzt. Wie lautet nun die Ensemble-Interpretation des Meßprozesses? Genau wie in der MWI ist auch hier eine Messung nichts anderes als die Wechselwirkung zwischen zwei Teilsystemen, und das Resultat ist die unitäre Entwicklung des Initialzustands



in den Zustand



(Ich nehme der Einfachheit halber an, daß die Messung das System nicht stört. Das vereinfacht das Argument, ändert aber nichts an der Interpretation des Ergebnisses.)

Die Interpretation des Initialzustandes ist klar: Er beschreibt eine Grundgesamtheit, in welcher die Wahrscheinlichkeit des Teilchens Spin -1/2 zu besitzen gleich und die Wahrscheinlichkeit für Spin 1/2 gleich ist. Die Wahrscheinlichkeit für den Meßapparat "kein Ergebnis" anzuzeigen ist in diesem Ensemble unabhängig vom Zustand des Teilchen gleich eins.

Die Interpretation der makroskopischen Superposition im Endzustand ist nicht schwieriger als die der Superposition im Anfangszustand. Lediglich die Observable und die Indikatorvariable sind nun vollständig korreliert. Das bedeutet der Zustand beschreibt wiederum eine Grundgesamtheit (dieselbe wie vorher, aber in einem neuen Zustand), in welchem die Wahrscheinlichkeit, daß sowohl das Teilchen Spin -1/2 besitzt als auch der Meßapparat das entsprechende Ergebnis "Zeige '-'" anzeigt gleich , die Wahrscheinlichkeit für Spin 1/2 und der entsprechenden Anzeige des Meßapparats gleich ist. Andere Kombinationen, wie "Spin ist gleich +1/2 und 'Zeige '-'' " etc. haben die Wahrscheinlichkeit null.
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Beitrag index_razor Verfasst am: 22. Jul 2017 20:35    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich würde übrigens auch beitragen - wenn du möchtest - sei es durch Vorschläge zur Struktur, eigene Darstellungen oder lediglich Diskussion.


Ja, klar. Gern zu jedem der Punkte. Tatsächlich ist mir noch nicht ganz klar, wie ich den Artikel strukturieren würde. Ein paar Gedanken habe ich mir heute schon gemacht.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 27. Jul 2017 22:07    Titel: Antworten mit Zitat

Bei der Beschreibung kommt kein Kollaps ins Spiel, weil du nur eine Präparation oder Messung betrachtest. Wenn du nun jedoch nach der Messung mit dem Ergebnis |Zeige "+"> eine zweite Messung durchführst, musst du vom Zustand |+> |Zeige "+"> ausgehen, nicht mehr von einer Superposition.
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
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Beitrag index_razor Verfasst am: 28. Jul 2017 13:46    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Bei der Beschreibung kommt kein Kollaps ins Spiel, weil du nur eine Präparation oder Messung betrachtest. Wenn du nun jedoch nach der Messung mit dem Ergebnis |Zeige "+"> eine zweite Messung durchführst, musst du vom Zustand |+> |Zeige "+"> ausgehen, nicht mehr von einer Superposition.


Nein, im Gegenteil. Ich muß für die Behandlung der zweiten Messung von dem Zustand ausgehen, den mir die erste Messung hinterlassen hat. Aus der Anzeige "Zeige '+' " des Meßgeräts bei einer einzelnen Messung kann man nicht folgern, daß die Interferenzterme auf nachfolgende Messungen keinen Einfluß mehr haben.

Ich kann innerhalb des Meßapparats die Strahlen unterschiedlichen Spins trennen, die jeweiligen Meßwerte registrieren, beide Strahlen wieder rekombinieren und erneut messen. Wenn ich unterwegs eine Komponente des Zustandsvektors weglasse, wird meine statistische Vorhersage der zweiten Messung falsch. Wenn ich also irgendwie durch die Ensemble-Interpretation zur "Reduktion des Zustands" gezwungen wäre, wäre dies ein ernsthafter Einwand gegen diese Interpretation.

Aus Sicht der Ensemble-Interpretation ergäbe es aber absolut keinen Sinn, irgendeine Komponente zu vernachlässigen. Dies hieße nämlich, daß ich aus einer individuellen Messung mit dem Resultat "spin-up", also aus einer Stichprobe vom Unfang n=1, auf die gesamte Grundgesamtheit schließe, was sicher unzulässig ist. Der Fehler in deiner obigen Bemerkung liegt vermutlich in der scheinbar harmlosen Formulierung "mit dem Ergebnis |Zeige "+">". Bei |Zeige "+"> handelt es sich um die Beschreibung eines Ensembles von Meßgeräten. Ein solches Ensemble ist nicht das "Ergebnis" einer einzelnen Messung. Der Meßwert ist das Ergebnis und dieser wird durch den Zustand nicht determiniert bzw. variiert über das gesamte Ensemble, wenn das vermessene System nicht vorher in einem Eigenzustand war.

Durch die vorliegende Interferenz ist es vielmehr unmöglich, das gesamte Ensemble in Teilensembles zu zerlegen, die ihrerseits zu determinierten Ergebnissen gehören und außerdem eine vollständige Beschreibung aller nachfolgenden Phänomene gestatten. Dies ist nur dann durchführbar (wenn auch nicht aus prinzipiellen Gründen notwendig), sofern bestimmte physikalische Voraussetzungen vorliegen, welche Dekohärenz zur Folge haben. Diese Voraussetzungen können aber wiederum nur auf Basis der quantenmechanischen Zeitentwicklung vor, während oder nach der Messung begründet werden, indem man bspw. die Umgebung mit einbezieht.

Die Situation weist wieder eine vollkommene Parallelität zur MWI auf. Auch da kann ich nicht sinnvoll von getrennten Zweigen reden, solange noch Interferenz zwischen verschiedenen Komponenten des Zustandsvektors möglich ist. Deshalb spielt Dekohärenz in der modernen Auffassung der MWI wohl auch so eine wichtige Rolle. Für die Ensemble-Interpretation ist sie hingegen von keinerlei fundamentaler Bedeutung.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 29. Jul 2017 09:26    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Aus Sicht der Ensemble-Interpretation ergäbe es aber absolut keinen Sinn, irgendeine Komponente zu vernachlässigen. Dies hieße nämlich, daß ich aus einer individuellen Messung mit dem Resultat "spin-up", also aus einer Stichprobe vom Unfang n=1, auf die gesamte Grundgesamtheit schließe, was sicher unzulässig ist.

OK, diesen Punkt sehe ich sofort ein. Ja, man muss sich im Falle der Ensemble-Interpretation allen Betrachtungen davon verabschieden, einer einzelnen Messung selbst irgendeine Bedeutung bezogen auf den Formalismus zuzuschreiben. Dieser bezieht sich immer nur auf das Ensemble.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Durch die vorliegende Interferenz ist es vielmehr unmöglich, das gesamte Ensemble in Teilensembles zu zerlegen, die ihrerseits zu determinierten Ergebnissen gehören und außerdem eine vollständige Beschreibung aller nachfolgenden Phänomene gestatten. Dies ist nur dann durchführbar ... sofern bestimmte physikalische Voraussetzungen vorliegen, welche Dekohärenz zur Folge haben.

D.h. der mathematische Formalismus ist zunächst identisch zu dem der MWI, d.h. zunächst kein Kollaps, kein Projektionspostulat, ...

Frage: wie resultiert die Bornsche Regel, d.h. das Auftreten von Eigenwerten als zulässige Messwerte sowie das Wahrscheinlichkeitsmaß im Rahmen der Ensemble-Interpretation? Wie lautet das entsprechende Axiom? Ist das Wahrscheinlichkeitsmaß durch Gleason's Theorem bereits eindeutig definiert?
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Beitrag index_razor Verfasst am: 30. Jul 2017 14:50    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ja, man muss sich im Falle der Ensemble-Interpretation allen Betrachtungen davon verabschieden, einer einzelnen Messung selbst irgendeine Bedeutung bezogen auf den Formalismus zuzuschreiben. Dieser bezieht sich immer nur auf das Ensemble.


Ja, genau.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Durch die vorliegende Interferenz ist es vielmehr unmöglich, das gesamte Ensemble in Teilensembles zu zerlegen, die ihrerseits zu determinierten Ergebnissen gehören und außerdem eine vollständige Beschreibung aller nachfolgenden Phänomene gestatten. Dies ist nur dann durchführbar ... sofern bestimmte physikalische Voraussetzungen vorliegen, welche Dekohärenz zur Folge haben.

D.h. der mathematische Formalismus ist zunächst identisch zu dem der MWI, d.h. zunächst kein Kollaps, kein Projektionspostulat, ...


Ja, so sehe ich das. Der Unterschied liegt nur mehr oder weniger darin, welches Narrativ um die Bedeutung der Wellenfunktion selbst gesponnen wird. Ansonsten erscheinen mir beide Interpretationen völlig isomorph. Ein Wörterbuch, mit dem man jede Aussage der MWI in eine der Ensemble-Interpretation übersetzen kann ist, glaube ich, im Prinzip nicht schwer vorstellbar. Natürlich braucht die MWI kein spezielles Gegenstück zu "Ensemble", denn das was die gesamte Wellenfunktion beschreibt ist einfach ein einzelnes "System". Everetts "relative states" könnte man als "Teilensembles" zu festem Meßwert interpretieren, aber dieses Konzept ist problematisch in beiden Interpretationen und aus genau denselben Gründen: die einzelnen Zweige, bzw. Teilensembles interferieren miteinander, wodurch ihre Trennung voneinander willkürlich, mehrdeutig und im ganzen physikalisch irgendwie widersprüchlich wird.

Wirklich unproblematisch wird das Ganze also nur bei vorliegen von Dekohärenz bzgl. einer bevorzugten Basis, welch letztere aber gewöhnlich auf einer weitgehend willkürlichen Teilung von "Meßgerät" und "Umgebung" beruht. Auf jeden Fall aber profitiert von dieser Situation die Ensemble-Interpretation wieder in genau demselben Maße von der Verschärfung der Voraussetzungen. Die Amplitudenquadrate geben nun nicht nur die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Meßwerten , sondern für das Vorliegen des Systems in einem konkreten Zustand an. Das ist eine absolut realistische Deutung, die mir sogar weit natürlicher vorkommt, als die Deutung durch multiple Welten. Sie ist nicht zuletzt völlig analog zum allgemeinen Verständnis des Zusammenhangs zwischen statistischer Physik und Thermodynamik. Warum soll man in der QM von verschiedenen "Welten" reden, wenn man es unter praktisch denselben Voraussetzungen bei den klassischen Ensembles der statistischen Physik nicht tut?

Diese Isomorphie der beiden Interpretation ist auch ein Grund warum mich die MWI letztlich nicht überzeugt. Denn in der Ensemble-Formulierung sind die Unzulänglichkeiten klar und deren Vertreter zelebrieren anscheinend auch einen bewußten Agnostizismus bzgl. der Existenz von Lösungen gewisser Grundfragen. Nun lassen sich beide Interpretationen aber anscheinend durch reine Umformulierung ineinander transformieren. Statt "Psi beschreibt ein Ensemble", sage ich nun "Psi beschreibt ein individuelles System" etc. Und im Zuge dessen sollen diese Grundprobleme plötzlich gelöst worden sein? Das finde ich vollkommen unplausibel. Wenn das so wäre, kommt das im Übrigen der Behauptung gleich, daß es sich von vornherein nur um Scheinprobleme gehandelt hat, was ich nicht glaube.

Zitat:

Frage: wie resultiert die Bornsche Regel, d.h. das Auftreten von Eigenwerten als zulässige Messwerte sowie das Wahrscheinlichkeitsmaß im Rahmen der Ensemble-Interpretation? Wie lautet das entsprechende Axiom?


Wie du schon sagst: Es ist mehr oder weniger ein Postulat oder eine Menge von Postulaten und eigentlich kein "Resultat". Natürlich gibt es auch hier mehrere weitgehend äquivalente Formulierungen. Ich würde phänomenologisch davon ausgehen, daß eine Observable durch die Menge ihre möglichen Meßwerte definiert ist und daß es zu jedem dieser Meßwerte einen Zustand gibt, so daß die Wahrscheinlichkeit für in jedem Zustand gleich



ist. Mehr braucht man glaube ich nicht. Daraus folgen dann, daß



und



also die Zustände zu verschiedenen Meßwerten orthogonal sind und in ihrer Gesamtheit vollständig sind. Bis hierin brauche ich noch gar nicht von "Eigenwerten" zu sprechen, ich habe noch nicht mal der Observable einen Operator zugeordnet, nur den Zuständen. Das kann ich jetzt natürlich nachholen



etc. Da ich ihn also über seine Spektraldarstellung definiere, muß ich auch keinerlei technische Voraussetzungen an A stellen, die mir die Existenz dieser Darstellung garantieren. Ich habe nur eine etwas mysteriöse Grundgleichung (1), aus der alles andere so ziemlich zwanglos folgt.


Zitat:

Ist das Wahrscheinlichkeitsmaß durch Gleason's Theorem bereits eindeutig definiert?


So, wie ich das verstehe schon. Ich glaube aber das ist von untergeordneter Bedeutung zumindest für die Ensemble-Interpretation. Wie gesagt, man startet ja mehr oder weniger mit einem gewissen Wahrscheinlichkeitsmaß, vo der Art, die Gleason betrachtet. Es ist relativ unerheblich, daß das Theorem mir versichert, daß es keine weiteren Maße gäbe.
TomS
Moderator


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Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 30. Jul 2017 15:04    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen Dank!

Nur eine kurze Anmerkung zu

Zitat:
Warum soll man in der QM von verschiedenen "Welten" reden, wenn man es unter praktisch denselben Voraussetzungen bei den klassischen Ensembles der statistischen Physik nicht tut?

...

Und im Zuge dessen sollen diese Grundprobleme plötzlich gelöst worden sein? Das finde ich vollkommen unplausibel. Wenn das so wäre, kommt das im Übrigen der Behauptung gleich, daß es sich von vornherein nur um Scheinprobleme gehandelt hat, was ich nicht glaube.

Das ist kein physikalisches Problem.

Anhänger der Ensemble-Interpretation geben sich damit zufrieden, ausschließlich auf der Ebene von Ensembles zu argumentieren, und sie verzichten bewusst auf die Beschreibung einzelner Systeme. Anhänger der Everettschen Interpretation haben den Anspruch, dass der Formalismus etwas über die tatsächliche Seinsweise eines einzelnen Systems sagt; insofern ist die Ensemble-Interpretation insbs. dann nicht wirklich realistisch, wenn eben doch nur ein einzelnes System vorliegt.

Insofern glaube ich, dass die Einführung eines Wörterbuchs zwar evtl. formal möglich ist, jedoch nicht zum Kern der Interpretationen führt.

Aber wie gesagt, das ist kein physikalisches sondern ein philosophisches oder meinetwegen sprachliches Problem.

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