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Unschärferelation und Kollaps der Wellenfunktion
 
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Geo64319d
Gast





Beitrag Geo64319d Verfasst am: 10. Sep 2015 23:52    Titel: Unschärferelation und Kollaps der Wellenfunktion Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Gilt die Unschärferelation nur bis zum Kollaps der Wellenfunktion, d.h. die Welleneigenschaft ist unscharf, nach der Wechselwirkung zeigt sich aber ein "scharfes" Teilchen?

Meine Ideen:
Leider konnte ich eine Erklärung dazu nicht finden. Es geht mir z.B. um den berühmten Doppelspalt. Schießt man Elektronen auf den Doppelspalt ohne Messung am Spalt, zeigt sich ein Interferenzmuster auf dem Schirm. D.h. die Welleneigenschaft existiert bis zur Wechselwirkung am Schirm, also überlagern sich die Elektronen (selbst einzeln abgeschossen) am Spalt und danach. Hier kann man keinen Ort oder Impuls mit 100% Genauigkeit angeben. Spätestens auf dem Schirm sind aber konkret abgegrenzte einzelne Einschläge ersichtlich, die doch dann einen genauen Ort und Impuls darstellen. Die Welleneigenschaft ist dann also weg und die Teilcheneigenschaft offenbart sich.

Heißt das, die Unschärfe geht im Kollaps von Welle zu Teilchen verloren? Ähnlich müßte es dann ja auch bei einer Wechselwirkung zwischen Photon und Elektron sein, z.B. beim photoelektrischen Effekt. Auch hier wird die zuvor unbestimmte Photonenwelle zum Photon an einem bestimmten Ort mit einem festen Impuls, oder?

Überhaupt, kann doch die Impuls- und Energieerhaltung nur dann gewahrt bleiben, wenn die Teilchen in der Wechselwirkung einen fest definierten Impuls bzw. eine fest definierte Energie haben. Würde hier eine Unschärfe gelten, wäre doch auch die Erhaltung unscharf.

Sehe ich das richtig, oder mache ich einen Denkfehler?
Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 11. Sep 2015 00:01    Titel: Antworten mit Zitat

Ich glaube, Du hast die Unschärferelation nicht richtig verstanden. Die Impulsunschärfe sowie die Ortsunschärfe sowie die Erwartungswerte von Ort und Impuls sind alles Größen, die sich aus der Wellenfunktion zu einem festen Zeitpunkt berechnen (d.h. sie sind unabhängig davon, wie die Wellenfunktion davor aussah oder in Zukunft aussehen wird – in dieser Hinsicht ist die QM einfacher als die klassische Mechanik). Die Unschärferelation ist zu jedem Zeitpunkt separat gültig. Es gibt eine Orts- bzw. Impulsunschärfe vor dem Kollaps und es gibt diese Unschärfen nach dem Kollaps. Sowohl davor als auch danach besteht zwischen ihnen die Unschärferelation.

Desweiteren gibt es einen wichtigen Satz, das Ehrenfest-Theorem, der besagt, daß sich die Erwartungswerte von Ort und Impuls klassisch verhalten (daß sie den klassischen Bewegungsgleichungen genügen). Daraus folgt insbesondere die Erhaltung von Impuls und Energie, wenn man darunter die Erwartungswerte versteht.

PS: Und zwar ist der Impuls-Erwartungswert



sowie



und ist die Impulsunschärfe. Es ist wohl wirklich etwas ungewohnt, daß man aus der Wellenfunktion zu einem Zeitpunkt vollständige Information zum Impuls erhält, da man ja in der klassischen Mechanik aus der Position eines Teilchens überhaupt nichts über seinen Impuls aussagen kann.
Geo64319q



Anmeldungsdatum: 11.09.2015
Beiträge: 1

Beitrag Geo64319q Verfasst am: 11. Sep 2015 00:34    Titel: Antworten mit Zitat

Ich verstehe nicht, wie es eine Ortsunschärfe nach der Wechselwirkung am Schirm geben kann. Dort kann man den Ort doch genau ablesen. Und der Impuls müßte sich doch aus der Intensität des Einschlages ableiten lassen.

Und bei der Wechselwirkung mit dem Detektorschirm bricht doch auch die Wellenfunktion zusammen.

Man kann zwar nicht sagen, wo das Elektron langgeflogen ist, also eine Bahn bestimmen, aber der Einschlagsort ist doch völlig eindeutig bestimmt.

Mir ist schon klar, daß eine Wellenfunktion teilweise kollabieren kann, also bestimmte Bahnen ausgeschlossen werden können (z.B. durch Messung am Spalt), aber es muß doch auch einen kompletten Kollaps geben, sonst würde auch die klassische Makrowelt letztendlich immer unscharf sein.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18026

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Sep 2015 08:01    Titel: Antworten mit Zitat

Der Kollaps der Wellenfunktion kann sicher nicht realistisch verstanden werden,; er ist nach heutiger Auffassung i) entweder nur im Sinne unserer Kenntnis, Information über das System oder ein Ensemble von Systemen o.ä. zu verstehen, ii) oder er wird explizit abgelehnt.

Der Kollaps selbst widerspricht dem Axiomen zur Zeitentwicklung im Rahmen der QM, d.h. er kann nicht mit ihm einer Stufe stehen.

Konkret zur Unschärfenrelation: diese ist eine mathematisch exakt beweisbare Schlussfolgerung aus der QM; insbs. bezieht sie sich nicht auf die Messung selbst, sondern auf die mathematische Beschreibung des Zustandes (der Wellenfunktion).

http://www.physikerboard.de/topic,37756,-faq---heisenbergsche-unschaerferelation.html

Wenn man rein mathematisch einen naiven Kollaps annehmen möchte, dann besagt dieser, dass ein qm Zustand in einen anderen qm Zustand kollabiert; für beide Zustände gelten die selben mathematischen Regeln, also gilt auch für beide die Unschärfenrelation. Diese ist wird Zuge des Kollapses also nicht verletzt.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18026

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Sep 2015 11:38    Titel: Antworten mit Zitat

Geo64319q hat Folgendes geschrieben:
... aber es muß doch auch einen kompletten Kollaps geben, sonst würde auch die klassische Makrowelt letztendlich immer unscharf sein.

Das ist noch heutiger Auffassung eine Folge der Dekohärenz, und diese kommt zunächst ohne Kollaps aus (d.h. diesen kann, muss man aber nicht im Sinne einer Interpretation einführen, während die Dekohärenz selbst ein realer und mathematsich ableitbarer Effekt ist)

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 11. Sep 2015 12:18    Titel: Antworten mit Zitat

Geo64319q hat Folgendes geschrieben:
Ich verstehe nicht, wie es eine Ortsunschärfe nach der Wechselwirkung am Schirm geben kann. Dort kann man den Ort doch genau ablesen. Und der Impuls müßte sich doch aus der Intensität des Einschlages ableiten lassen.


"genau" kann man einen Ort sowieso nie ablesen, Die mathematisch vorsichtigere Formulierung der QM, die noch einen Kollaps beinhaltet, läßt keinen Kollaps zu einer reinen Punktverteilung zu, sondern bestenfalls Wellen, die auf ein kleines Detektorgebiet konzentriert sind. Wenn man von einem Punktkollaps spricht, dann nur, um einfacher damit rechnen zu können, aber sicher nicht, weil man dem Realität zuschreibt.

Wenn Du von einer Intensität des Einschlags sprichst, gehst Du bereits davon aus, daß ein Teilchen ankommt. Dafür mußt Du aber eine Ortsmessung machen und dabei würdest Du bereits Einfluß auf den Impuls nehmen. Das ist ein rein praktisches Problem, aber die Unschärferelation hat mit diesem Problem (was ja leider die in der Schule übliche Erklärung zur Unschärferelation ist) nicht allzu viel zu tun, sondern sie ist eine mathematisch exakt beweisbare Aussage, wie TomS schon gesagt hat.

Mir ist übrigens bei dem, was ich hier schreibe, sehr wohl bewußt, daß die Vorstellung vom Kollaps nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann. Ich will darauf hinaus, daß auch bei dem klassischen Formalismus der QM, der auf Dirac und von Neumann zurückgeht und einen Kollaps beinhaltet, niemals eine Verletzung der Unschärferelation eintritt.

PS: Ein echtes Teilchen mit klar definiertem Ort und Impuls gibt es sowieso nicht. Theoretisch (unmathematisch und unphysikalisch, aber als brauchbarer Rechentrick) kann man folgende Objekte zulassen:

– Etwas mit klar definiertem Impuls. Das ist eine ebene Welle.
– Ein "Punktteilchen". Hier sind einfach Ort und Impuls vertauscht, d.h. der Impuls ist sinusförmig über die ganze reelle Achse verteilt. Hier gibt es übrigens nicht einmal einen wohldefinierten Impulserwartungswert, aber es ist wohl trotzdem einleuchtend, von einer unendlichen Unschärfe zu sprechen.
[sorry, hier hab ich Mist erzählt: Bei einem klar definierten Impuls hat man eine Gleichverteilung im Raum, für eine ebene Welle hat man zwei zulässige Impulse mit umgekehrtem Vorzeichen; Analoges gilt für das Punktteilchen]
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