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Gutachten der DPG zum Karlsruher Physikkurs (KPK) - Seite 12
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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17902

Beitrag TomS Verfasst am: 07. Jul 2014 08:43    Titel: Re: KPK Antworten mit Zitat

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
1. Diesen Thread habe ich angefangen, um die Problematik des DPG-Gutachtens aufzuzeigen: eine Standesvertretung veröffentlicht ein "Gutachten", das bezüglich Entstehungsgeschichte, Struktur und Inhalt ein Skandal ist. Das ist das eigentliche Thema dieses Threads (das Gutachten ist nicht einfach nur schlecht).

Ja, das ist dein Ansinnen. Meine Meinung dazu war immer, dass wir als Außenstehende (außer zu den rein fachlichen Aspekten) recht wenig beitragen können.

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
2. Der KPK ist ein etwas anderer Physikkurs, dessen theoretische Basis immer wieder erfolglos in Frage gestellt worden ist. Dennoch gibt Fragen, die noch zu beantworten sind (Ist es bildungspolitisch zu verantworten, an verschiedenen Schulen so unterschiedliche Ansätze zu vertreten? Ist der Kurs anschlussfähig? Wird die Physik als Wissenschaft korrekt dargestellt). Dazu kann ich - und kaum jemand in diesem Forum - nicht fundiert Stellung nehmen, weil die Erfahrung fehlt.

Nun, man kann den KPK zunächst mal inhaltlich prüfen ohne ihn praktisch zu erproben. Dabei fallen bereits Probleme auf. Das mag sich dann in der Praxis noch anders darstellen.

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
3. Es gibt wohl kaum ein Schulfach, das so an der Tradition festhält wie die Physik. Das lässt sich leicht anhand von Schulbüchern überprüfen, die drei Generationen früher benutzt worden sind.

Da gebe ich dir recht; und ich denke, das habe ich hier selbst oft genug kritisiert.

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
4. Der Physikunterricht ist zu formellastig. Das sieht man auch in diesem Forum. Ich schätze, dass es in mehr als 50% der Threads darum geht, die richtigen Zahlen in die richtige Formel einzusetzen. Diese Denkweise hat sich extrem festgesetzt.

Auch diese Ansicht teile ich. Ich möchte jedoch zwischen formellastig und zahlenlastig unterschieden.

Mathematische Formeln sind die Grundlage, um physikalische Erkenntnisse korrekt, eindeutig, widerspruchsfrei und „sprachneutral“ festzuhalten; sie sind letztlich das Gerüst der Physik und ohne sie geht es nun mal nicht. Die Interpretation und Erklärung (teilw. auch Veranschaulichung) der Formeln ist dann Gegenstand des Unterrichts im Sinne von „Verstehen“. Die Zahlen dienen zuletzt dazu, den Kontakt zu realen Experimenten herzustellen. Die Physik als Wissenschaft ist keine Ansammlung von Fakten, sondern eine übergeordnete Struktur, die zu den Fakten passt.

Ich sehe das Problem also weniger bei den Formeln als vielmehr bei dem stupiden Einsetzen in die Formeln.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Alter Physiker



Anmeldungsdatum: 15.04.2013
Beiträge: 55

Beitrag Alter Physiker Verfasst am: 07. Jul 2014 09:35    Titel: Re: KPK Antworten mit Zitat

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:

Die Systemphysik, die wir in Winterthur aufgebaut haben, basiert auf dem KPK, der Kontinuumsmechanik und der systemdynamischen Modellbildung. Damit haben wir einen erfolgversprechenden Zugang zur Physik als Grundlage der Technik entwickelt, der ein grosses Potential hat. Und da kann ich es nicht hinnehmen, wenn die DPG behauptet, dass der Impulsstrom keinen Platz im Gebäude der Physik habe.


Die Argumente werden nicht dadurch besser, dass man verkürzend oder sinnentstellend zitiert. Im DPG-Gutachten steht:
"Fazit: Die eingangs gestellte Frage, ob die Aussagen des KPK über die Richtung des Impulsstroms experimentell überprüfbar sind, muss verneint werden. Deshalb ist die vom KPK eingeführte Richtung des Impulsstroms eine willkürlich festgelegte Konvention, der keine objektive Realität zukommt:
Es gibt diesen Strom in der Natur nicht. Damit hat der KPK-Impulsstrom auch keinen Platz im Gebäude der Physik und ganz gewiss auch nicht im Physikunterricht."

Die ganze Diskussion litt von Anfang an darunter, dass die KPK-Anhänger einzelne Stellen des Gutachtens aus dem Kontext herauslösten und dann begannen, eine Strohmann-Diskussion zu führen. Das "Zitat" von Systemdynamiker belegt diese Vorgehensweise.
Das Gutachten hat die Existenz von Impulsströmen nie in Frage gestellt. Lediglich die spezielle Form "KPK-Impulsstrom" ist ein sinnfreies Konzept.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17902

Beitrag TomS Verfasst am: 07. Jul 2014 09:41    Titel: Re: KPK Antworten mit Zitat

Alter Physiker hat Folgendes geschrieben:
Die ganze Diskussion litt von Anfang an darunter, dass die KPK-Anhänger einzelne Stellen des Gutachtens aus dem Kontext herauslösten und dann begannen, eine Strohmann-Diskussion zu führen.

Ja, Strohmann-Diskussionen gab es an allen Ecken.

Deswegen halte ich die Diskussion über das Gutachten für wenig zielführend.

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jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8571

Beitrag jh8979 Verfasst am: 07. Jul 2014 10:52    Titel: Re: KPK Antworten mit Zitat

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:

1. Diesen Thread habe ich angefangen, um die Problematik des DPG-Gutachtens aufzuzeigen: eine Standesvertretung veröffentlicht ein "Gutchten", das bezüglich Entstehungsgeschichte, Struktur und Inhalt ein Skandal ist. Das ist das eigentliche Thema dieses Threads (das Gutachten ist nicht einfach nur schlecht).
2. Der KPK ist ein etwas anderer Physikkurs, dessen theoretische Basis immer wieder erfolglos in Frage gestellt worden ist. Dennoch gibt Fragen, die noch zu beantworten sind (Ist es bildungspolitisch zu verantworten, an verschiedenen Schulen so unterschiedliche Ansätze zu vertreten? Ist der Kurs anschlussfähig? Wird die Physik als Wissenschaft korrekt dargestellt). Dazu kann ich - und kaum jemand in diesem Forum - nicht fundiert Stellung nehmen, weil die Erfahrung fehlt.

Das sind schlicht Behauptungen von Dir, die (nicht nur) hier so gut wie niemand teilt.
Systemdynamiker



Anmeldungsdatum: 22.10.2008
Beiträge: 594
Wohnort: Flurlingen

Beitrag Systemdynamiker Verfasst am: 08. Jul 2014 05:49    Titel: Rückblick Antworten mit Zitat

Diesen Thread (und weitere auf drei andern Foren) habe ich aus Empörung über die Vorgehensweise der DPG eröffnet. Ich habe damals den Link zum Gutachten und auch zu meinem Video angegeben (vergleicht mal das Eröffnungsdatum dieses Threads mit dem Datum auf dem Gutachten; Revisionen sind erlaubt, sollten aber deklariert werden). Für die DPG ist die Geschichte nach dem Beschluss der Mitgliederversammlung vom Tisch. Die Forums-Argumente sind auch langsam alle bekannt (kann jemand seriös abschätzen, wie viele Leute diese Beiträge regelmässig lesen?). Abschliessend ein paar grundsätzliche Gedenken und Fragen.

1. Eine ernsthafte Auseinandersetzung müsste in einer didaktischen Zeitschrift geführt werden. Die einzige, noch existierende deutschsprachige Physikdidaktik-Zeitschrift, die ich kenne, ist "Praxis der Naturwissenschaft - Physik in der Schule". Die Herausgeber haben bisher jeden meiner Beiträge gedruckt, aber die Resonanz ist recht bescheiden. "American Journal of Physics" kommt kaum in Frage, weil das Thema ausserhalb des deutschen Sprachraums nicht interessiert. Da bleibt noch "European Journal of Physics". Gibt es Alternativen?
2. Der KPK basiert zu einem guten Teil auf der Gibb'schen Funfamentalform. Das ist in Bezug auf eine umfassende Klärung des Energiebegriffs hilfreich, weil der erste Hauptsatz ein "modernes" Verständnis der Energie erst ermöglicht hat. Die Fixierung auf eine quasistatische Beschreibung stösst aber auch an Grenzen. Für die Mechanik geht man besser von der Kontinuumsbeschreibung aus. Nun komme ich immer mehr zur Überzeugung, dass man am besten von der relativistischen Kontinuumsmechanik ausgeht. Kennt jemand eine knappe Darstellung (etwa 100 Seiten, am besten als pdf), die zeitgemässe strukturiert ist (Bilanzgesetz, konstitutive Gesetze, Folgerungen), aber dennoch konkrete Beispiele behandelt?
3. Ausgehend von KPK und der Kontinuumsmechanik haben wir die systemdynamische Modellbildung in den Unterricht integriert. Das scheint sich zu einem Erfolgsmodell zu entwickeln. Es ist halt schon ein Unterschied, ob man die Fallbewegung aus 10 km Höhe im Vakuum zur Diskussion stellt und dann nach der Coriolisabweichung fragt, oder ob man den Sprung aus der Statosphäre mit möglichst guten Daten modelliert, nachsimuliert und dann die Resultate mit Messungen vergleicht. Diese Methode möchte ich losgelöst von der unsäglichen Diskussion um die Realexistenz der Impulsströme weiterentwickeln und weiter verbreiten.
4. In den neunziger Jahren habe ich nach weiteren Modellierungsmethoden ausschau gehalten. Dabei bin ich zuerst auf die elektromechanische Analogien (z.B. Küpfmüller: theoretische Elektrotechnik), dann auf die Bondgraphen (Bond Graph) und zuletzt auf die objektorientierten Modellierungssprachen (Modelica, VHDL-AMS) gestossen. All diesee Modellierungsansätze beruhen auf ähnlichen Ideen wie der KPK. Man kann die Geschichte sogar umdrehen und fragen, wie muss eine Modellbildungssprache aussehen, mit der man komplexe Systeme (multidomain, hybrid und unterschiedlichste Zeitkonstanten) effizient modellieren kann (wir reden hier von DAE mit einigen hundert skalaren Gleichungen).

Eine letzte Klarstellung noch: Entgegen der Behauptung in diesem Forum hat mir die Schulleitung nicht einen Maulkorb umgehängt (auch die Schweiz ist tendenziell ein Rechtsstaat, der seinen Bürgern ein paar rudimentäre Grundrechte zugesteht), sondern nur verlangt, dass ich explizit als Professor dieser Schule, deren Name jetzt nicht von Bedeutung ist, weder das Gutachten als "hinterfotzig" bezeichnen noch den Vorstand der DPG zum Rücktritt auffordern darf.

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Herzliche Grüsse Werner Maurer
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17902

Beitrag TomS Verfasst am: 08. Jul 2014 06:52    Titel: Antworten mit Zitat

Zu 1) kann ich leider nichts beitragen (außer dass du dir selbst Rechenschaft ablegen musst, was mangelnde Resonanz bedeuten kann);
2-4) sehe ich teilweise anders (*)

Den angeblichen "Maulkorb" bzw. eine entsprechende Aussage hier im Forum habe ich wohl überlesen (ich weiß aber nicht, ob das jetzt weiter diskutiert werden sollte)

(*) hier orientierst du dich zu sehr an deiner Methode - die ja nicht schlecht sein muss; m.E. müssen aber zuerst Zielsetzung und Inhalt geklärt werden - und da zeigen sich bereits Meinungsunterschiede; deswegen ist die Frage der Methode noch gar nicht zu diskutieren

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Alter Physiker



Anmeldungsdatum: 15.04.2013
Beiträge: 55

Beitrag Alter Physiker Verfasst am: 09. Jul 2014 13:56    Titel: Re: Rückblick Antworten mit Zitat

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:

1. Eine ernsthafte Auseinandersetzung müsste in einer didaktischen Zeitschrift geführt werden. Die einzige, noch existierende deutschsprachige Physikdidaktik-Zeitschrift, die ich kenne, ist "Praxis der Naturwissenschaft - Physik in der Schule". Die Herausgeber haben bisher jeden meiner Beiträge gedruckt, aber die Resonanz ist recht bescheiden.

Die "Praxis" haben wir schon vor Jahren gekündigt wegen absoluter KPK-Lastigkeit. Vor allem die Hefte, die H. Schwarze herausgab, waren eine Zumutung. Dazu kamen dann noch über 150 "Altlasten".

Vielleicht ändert sich aber bei der "Praxis" gerade einiges zum guten.

Zitat:
2. .. Für die Mechanik geht man besser von der Kontinuumsbeschreibung aus.

Der KPK und die Systemphysik haben den offensiv vertretenen Anspruch, moderne Konzepte zu liefern, die dem traditionellen Curriculum überlegen oder zumindest gleichwertig sind. Insbesondere wird behauptet, der KPK bereite besser auf die moderne Physik vor.
Hierzu einige Gedanken von J.A. Wheeler:

„Four no's,

No tower of turtles

No laws
No continuum

No space, no time.

Nothing so much distinguishes physics as conceived today from mathematics as the difference between the continuum character of the one and the discrete character of the other.“
John Archibald Wheeler: INFORMATION, PHYSICS, QUANTUM: THE SEARCH FOR LINKS
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17902

Beitrag TomS Verfasst am: 11. Jul 2014 07:55    Titel: Antworten mit Zitat

@Systemdynamiker: Ich finde es generell schade, dass ich auf kritische Beiträge, die sich inhaltlich mit dem KPK auseinandersetzen, keine oder nur unbefriedigende Antworten erhalte. Ich habe einiges zur Entropie in der statistischen Mechanik geschrieben (ein ja wohl noch immer modernes Konzept) und ich habe (meine eigenen) Kritikpunkte zur Darstellung der Quantenmechanik angebracht (ca. 6. Juli) - und leider keine Antworten erhalten.

Liegt das daran, dass es nicht in dein Weltbild passt? Oder ziehst du dich dann wieder auf den Standpunkt zurück, es ginge dir hier nur um das Gutachten?

Wenn du die Darstellung des KPK bzgl. der didaktischen Qualität diskutieren möchtest, dann kannst du das auch gerne hier tun, aber du musst akzeptieren, dass du nicht alleine festlegen kannst, welche Bereiche wir diskutieren und welche nicht.

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Systemdynamiker



Anmeldungsdatum: 22.10.2008
Beiträge: 594
Wohnort: Flurlingen

Beitrag Systemdynamiker Verfasst am: 27. Jul 2014 15:11    Titel: spezielle Relativität Antworten mit Zitat

TomS schreibt
Zitat:
@Systemdynamiker: Ich finde es generell schade, dass ich auf kritische Beiträge, die sich inhaltlich mit dem KPK auseinandersetzen, keine oder nur unbefriedigende Antworten erhalte. Ich habe einiges zur Entropie in der statistischen Mechanik geschrieben (ein ja wohl noch immer modernes Konzept) und ich habe (meine eigenen) Kritikpunkte zur Darstellung der Quantenmechanik angebracht (ca. 6. Juli) - und leider keine Antworten erhalten.

Weder die statistische Mechanik noch die Quantenmechanik werden im KPK oder im Gutachten der DPG thematisiert. Wieso soll ich zu etwas Stellung nehmen, das unter dem Thema dieses Threads nicht zur Diskussion steht?

In der Zwischenzeit habe ich versucht, das Konzept des Impulsstromes aus der speziellen Relativitätstheorie heraus zu begründen. Ich denke, das ist mir relativ gut gelungen: http://youtu.be/dj1rQTSLByI (das ganze Video dauert gut 20 Minuten, aber die entscheidende Botschaft kommt in den ersten 7 Miniuten).

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Herzliche Grüsse Werner Maurer
Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 27. Jul 2014 17:43    Titel: Antworten mit Zitat

Ich finde es falsch, in einem modernen Unterricht statistische Mechanik und Thermodynamik zu trennen. Die statistische Mechanik ist unser modernes Verständnis der Thermodynamik, es muss diskutierbar sein, derartige Aspekte in den Unterricht einzubringen. Man kann es auch ablehnen. Ich finde es grundsätzlich diskutabel, den Thermodynamikunterricht statistisch zu gestalten, genauso wie es grundsätzlich diskutabel ist, im Mechanikunterricht Impulsströme zu verwenden. Ich fände es auch grundsätzlich diskutabel, Lagrangesche Mechanik zu unterrichten, obwohl nicht sinnvoll. Aber die Physik ist dieselbe, ein Massepunkt bleibt ein Massepunkt, ob Newton oder Lagrange, ein Gas bleibt ein Gas, ob ich es als riesiges hamiltonsches System oder als kontinuierliches Ganzes betrachte. Es ist für Schüler kein Geheimnis, dass da Moleküle sind. Schüler lernen in Chemie und Biologie von Anfang an, Dinge mikroskopisch zu erklären und auf tiefere Prinzipien zurückzuführen (z.B. in Chemie Aggregatzustände durch Molekülbewegung erklären - in der Chemie der 7. Klasse betreiben Schüler im Grunde statistische Physik, wenn sie Temperatur mit der Bewegung der Moleküle in Verbindung bringen! - oder in Biologie, wo Diffusion mit der Brownschen Molekularbewegung erklärt wird).

Thermodynamik und damit statistische Physik wird im Gutachten wie auch im KPK thematisiert. Quantenmechanik wurde hier im Thread auch nicht wirklich diskutiert. Die Tendenz des KPK, Dinge zu trivialisieren, anstatt eine ehrliche Darstellung, die von Messvorschriften ausgeht, zu bringen, wird beim Entropiebegriff ganz deutlich. Entropie=umgangssprachliche Wärme ist wertlos. Genauso wertlos ist , wenn die statistische Physik nicht zeigen kann, dass die so definierten Begriffe zu experimentell zugänglichen Messvorschriften führen, die die Theorie falsifizierbar machen. Sie kann auch die Thermodynamik nicht ersetzen, wenn sie nicht zeigen kann, dass die so definierten Begriffe mit den alten übereinstimmen. Beides kann sie aber. Völlig anders sieht die Lage für den KPK aus.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17902

Beitrag TomS Verfasst am: 27. Jul 2014 19:39    Titel: Re: spezielle Relativität Antworten mit Zitat

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
TomS schreibt
Zitat:
@Systemdynamiker: Ich finde es generell schade, dass ich auf kritische Beiträge, die sich inhaltlich mit dem KPK auseinandersetzen, keine oder nur unbefriedigende Antworten erhalte. Ich habe einiges zur Entropie in der statistischen Mechanik geschrieben (ein ja wohl noch immer modernes Konzept) und ich habe (meine eigenen) Kritikpunkte zur Darstellung der Quantenmechanik angebracht (ca. 6. Juli) - und leider keine Antworten erhalten.

Weder die statistische Mechanik noch die Quantenmechanik werden im KPK oder im Gutachten der DPG thematisiert. Wieso soll ich zu etwas Stellung nehmen, das unter dem Thema dieses Threads nicht zur Diskussion steht?

Beides ist leider falsch!

Dass die statistische Mechanik und die Bedeutung der Entropie im diesem Rahmen nicht explizit thematisiert werden, ist ein Grundfehler des KPK, und das habe ich auch mehrfach so geschrieben. Deswegen steht dies hier schon zur Diskussion (und Jayk hat dazu einige Argumente angeführt).

Und zur Atomphysik (und damit zur QM) habe ich einen langen Beitrag geschrieben, der sich explizit mit dem (von die selbst verlinkten!) entsprechenden Teil des KPK auseinandersetzt. Deswegen steht dies ebenfalls zur Diskusion.

Siehe hier: http://www.physikdidaktik.uni-karlsruhe.de/Material_KPK.html

TomS hat Folgendes geschrieben:
Liegt das daran, dass es nicht in dein Weltbild passt? Oder ziehst du dich dann wieder auf den Standpunkt zurück, es ginge dir hier nur um das Gutachten?

Wenn du die Darstellung des KPK bzgl. der didaktischen Qualität diskutieren möchtest, dann kannst du das auch gerne hier tun, aber du musst akzeptieren, dass du nicht alleine festlegen kannst, welche Bereiche wir diskutieren und welche nicht.

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Systemdynamiker



Anmeldungsdatum: 22.10.2008
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Beitrag Systemdynamiker Verfasst am: 28. Jul 2014 08:44    Titel: Lehrplangestaltung Antworten mit Zitat

Selbstverständlich steht bei einer Lehrplangestaltung das gesamt Fach zur Diskussion, also in der Physik auch das 20. Jahrhundert. Lehrpläne sind aber auch auf die zur Verfügung stehende Zeit auszurichten. Als ich meine Tätigkeit als Physiklehrer aufgenommen hatte, standen fast 400 Kontaktstunden (Lektionen) für den Physikunterricht zur Verfügung. Heute sind es noch etwa 170. Damals habe ich noch Optik, Kern- und Teilchenphysik, rudimentäre statistische Mechanik (Entropie nur im Orts- statt im Phasenraum und nur qualitativ) unterrichtet. An deutschen Fachhochschulen sind es heute oft weniger als 100 Lektionen Physik (wieso hat man den Physikunterricht für Ingenieure derart zusammen gestrichen?). An Mittelschulen war die Entwicklung nicht derart dramatisch, ist aber in die gleiche Richtung gelaufen. Zudem strömen immer bildungsschwächere (nicht nur bildungsferne) Schüler an die Mittelschulen. Meine Lösung des Problems besteht in einem Physikkurs, der durch Kohärenz, Konsistenz und Relevanz zu überzeugen versucht. Kohärenz bedeutet, dass einmal eingeführte Begriffsstrukturen durchgezogen werden. Dazu gehört etwa die Bilanz einer Menge, die ich in der ersten Lektion am Beispiel des Volumens einführe und dann durch alle Gebiete durchziehe (also zum Beispiel Impuls-, Drehimpuls- und Entropiebilanz). Die Relevanz bezieht sich auf die zu vermutende berufliche, gesellschaftliche und persönliche zukünftige Tätigkeiten der Auszubildenden. Im Physikkurs für Aviatik stehen deshalb Flugbewegungen und generell die Physik (auch die Thermodynamik) des Flugzeuges im Fokus (diese Themen sind derart spannend, dass ich sie auch in andern Studiengängen behandeln würde). Die Konsistenz sollte eigentlich eine selbstverständliche Forderung sein, wird aber gerade von deutschsprachigen Physikbüchern bei weitem nicht erfüllt.

Dazu nochmals zwei Beispiel:
1. In der Translationsmechanik führe ich den Impuls als bilanzierfähige Primärmenge ein (zuerst nur eine Komponente), füge dann die Rolle der Energie dazu (Energiebilanz, zugeordneter Energiestrom und Prozessleistung). Diese ganze Begriffsstruktur lässt sich - wie ich in meinem letzten Video gezeigt habe - aus dem Energie-Impuls-Tensor ableiten. Geht man den traditionellen Weg, sind viele Hilfsbegriffe einzuführen, die später wieder überarbeitet werden müssen. Das "Gutachen" der DPG zeigt doch exemplarisch, wie sogar Professoren der theoretischen Physik die Aussagen der Newtonschen Gesetze missverstehen (gehört ja auch nicht zu ihrem Forschungsgebiet).
2. In der Thermodynamik führe ich die Entropie analog dazu als bilanzierfähige Primärmenge ein (ob man dieser Grösse "Wärme" sagen darf oder nicht, ist nicht die Kernfrage; entscheidend ist, dass die Studierenden begreifen, dass bei einem Wärmeaustausch Entropie und Energie übertragen werden und dass diese Energie vor 150 Jahren als Wärme definiert worden ist; deshalb sind die Begriffe "Wärmeinhalt" und "Umwandlung von Arbeit in Wärme" nicht zulässig). Der weitere Ausbau erfolgt dann analog zur Mechanik unter Berücksichtigung der Besonderheiten der TD (z.B. Speicherkopplung). Dieser Weg führt direkt in die Thermodynamik (das was bis heute als "phänomenologische" Thermodynamik unterrichtet wird, ist primär die Thermostatik homogener Systeme).
Ausgehend von dieser Struktur würde ich gerne statistische Mechanik und QM auch noch einbauen. Aber da müsste ich mehr Platz im Unterricht bekommen und die notwendige Zeit, um die theoretischen Strukturen zu klären.

Wenn ich nun das, was ich in den letzten 30 Jahren aufgebaut habe, mit dem vergleiche, was im Gutachten der DPG oder im Gerthsen (ein Gutachter ist Herausgeber dieses "Lehrbuches") steht, komme ich zum Schluss, dass hier eine Kaste von sich selber beweihräuchernden Physikpriestern den Boden unter den Füssen verloren hat.

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Herzliche Grüsse Werner Maurer
as_string
Moderator


Anmeldungsdatum: 09.12.2005
Beiträge: 5783
Wohnort: Heidelberg

Beitrag as_string Verfasst am: 28. Jul 2014 13:19    Titel: Re: Lehrplangestaltung Antworten mit Zitat

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
Dazu gehört etwa die Bilanz einer Menge, die ich in der ersten Lektion am Beispiel des Volumens einführe und dann durch alle Gebiete durchziehe (also zum Beispiel Impuls-, Drehimpuls- und Entropiebilanz).

Ich kann aber zumindest die Kritik an den Impulsströmen schon ganz gut verstehen. Es gibt zwar eine Energie- und Impulserhaltung, aber doch auch einen qualitativen großen Unterschied: Impuls ist ein Vektor und eine Bilanz muss alle drei Raumrichtung gesondert erfassen und die Raumrichtungen können auch noch willkürlich festgelegt werden (so lange sie senkrecht aufeinander stehen). Das als Töpfe zu sehen finde ich persönlich deutlich ungeschickter, als das eventuell bei Energie zu machen. Selbst da ist es zweifelhaft, weil auch die Energie vom Bezugssystem abhängt und durch einen mehr oder weniger gefüllten Topf etwas davon unabhängiges suggeriert wird.

Man kann im einzelnen sicherlich darüber unterschiedlicher Meinung sein, aber ich finde es im KPK zumindest eher zwanghaft, alles auf ein Grundprinzip zurück führen zu wollen, was aber bei weitem gar nicht so universell und allgemein ist, wie es der KPK den Schülern weismachen will...

Gruß
Marco
Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 28. Jul 2014 18:35    Titel: Re: Lehrplangestaltung Antworten mit Zitat

@Systemdynamiker: Nur, damit es keine Missverständnisse gibt - mit "Mittelschule" meinst du das, was in Deutschland die Gymnasien sind, oder? Ich frage deshalb, weil da, wo ich herkomme, unter "Mittelschule" das verstanden wird, was in anderen Teilen Deutschlands die Haupt- und Realschulen sind. Ich sehe kein Problem darin, dass bildungsfernere und bildungsschwächere Schüler kommen: Der Physikunterricht fängt in der sechsten Klasse an, die deutschen Gymnasien und WasAuchImmer-Schulen in der fünften. Das Problem, was du als Hochschullehrer hast, nämlich einen großen Haufen Studenten mit ganz unterschiedlichen Vorkenntnissen zu versorgen, ergibt sich doch dort überhaupt nicht. Man könnte höchstens einwenden, dass die Eltern weniger helfen können, doch der KPK trägt meiner Meinung nach in dieser Hinsicht mit seinen Privatterminologien eher dazu bei, das Problem zu vergrößern, statt es zu lösen.

Ich glaube dir, dass die Systemphysik eine gute Basis für Modellierung und Simulation ist. Für die Ausbildung von Ingenieuren ist das sicher ein großer Vorteil. Für die Ausbildung von Physikern finde ich diesen Aspekt nicht relevant, Computional Physics ist nur ein kleiner Bereich (verglichen mit dem "großen Ganzen" jedenfalls). Was für die Schulausbildung entscheidend ist, ist eine wesentlich schwierigere Frage...

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich nun das, was ich in den letzten 30 Jahren aufgebaut habe, mit dem vergleiche, was im Gutachten der DPG oder im Gerthsen (ein Gutachter ist Herausgeber dieses "Lehrbuches") steht, komme ich zum Schluss, dass hier eine Kaste von sich selber beweihräuchernden Physikpriestern den Boden unter den Füssen verloren hat.


Pech für die DPG, dass sie Dieter Meschede in der Gutachtergruppe haben, so müssen die sich das wohl anhören. Deine Abneigung gegenüber dem Gerthsen kann ich verstehen, obwohl ich zugeben muss, dass ich nicht wirklich viel davon gesehen habe. Dazu aber noch ein paar Anmerkungen:

1. Den Boden unter den Füßen verloren zu haben - das werfe ich in erster Linie Herrn Herrmann vor. Man kann das Gutachten der DPG kritisieren, insofern es sich fachlich gegen den KPK wendet. Selbst, wenn jeder fachliche Vorwurf im Gutachten falsch wäre, bliebe immer noch die Sache mit den ausgedachten Begriffen, Einheiten und die aggressive Vorgehensweise gegenüber Lehrern und Referendaren. Es gibt durchaus auch Lehrer, die nicht nach dem KPK unterrichten möchte, aber dazu gezwungen werden, weil sie ihre Schüler ja irgendwie auf die Prüfungen vorbereiten müssen. Und egal ob Physiker oder Ingenieur: Es soll vorgekommen sein, dass sehr teure internationale Projekte gescheitert sind, weil man sich nicht auf Einheiten festgelegt hat...
2. An welcher Stelle werden die Aussagen der newtonschen Gesetze missverstanden? Herr Bartelmann hat beispielsweise einen ausgezeichneten Ruf als Lehrer. Von ihm gibt es hervorragende Skripte zur Mechanik, teilweise auch Thermodynamik, Elektrodynamik und ART, die nicht schwer zu finden sind. Ich behaupte, dass diese ausgesprochen konsistent sind (und besser als viele Lehrbücher). Selbiges trifft auch auf die anderen beiden Heidelberger (Meier und Hüfner) zu und, soweit mir deren Namen etwas sagen, auf die gesamte Gutachtergruppe. Ob der Gerthsen gut ist oder nicht, darüber kann man streiten. Aber Herr Meschede hat einen Ruf als Pädagoge, indem er ein viel beachtetes Lehrbuch geschrieben hat. Auch Herr Herrmann hat einen Ruf als Pädagoge, denn der KPK hat ja schon für einigen Impact gesorgt, obwohl ich sein Lehrbuch, wie auch den Gerthsen, als schlecht beurteile. Warum sind in der Gutachtergruppe keine KPK-Vertreter? Vielleicht, weil es keine gibt. Rufe doch mal bei einem beliebigen Physikprofessor an und frage ihn, ob er schon mal vom KPK gehört hat oder nach ihm unterrichten würde oder es für den Schuleinsatz empfehlen würde. Ich erwarte eine relativ eindeutige Antwort. Auch den Vorwurf, da seien nur Theoretiker, möchte ich zurückweisen. Die Frage ist natürlich auch, ob ich einem Experimentalphysiker zutraue, ein Lehrkonzept zu beurteilen (nur Spaß^^). Da sind jedenfalls genug Experimentalphysiker und vor allem auch Lehrer dabei (die Frage ist, ob ich Lehrern das zutraue - wirklich kein Spaß, aber da es um den Einsatz an Schulen geht, ist das wohl obligatorisch).

Noch zu der Sache mit der Wärme: Die Aussage, Wärme sei definiert als die übertragene Energie, ist meines Erachtens nach falsch. In der Vorlesung sind wir folgendermaßen vorgegangen: es gibt ein diskretes Energiespektrum und die unterschiedlichen Niveaus sind mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten besetzt, . Bei quasistatischen Prozessen wird eine Änderung der Wahrscheinlichkeiten als Wärme, eine Änderung der Energieniveaus als Arbeit bezeichnet. Die übertragene Energie setzt sich aus beidem zusammen. Zu fragen, ob man "Wärme in Arbeit umwandeln" kann, ist für mich eine legitime Formulierung dafür, einem thermodynamischen System Wärme zuzuführen und im Gegenzug Arbeit zu bekommen. Auf beiden Seiten sind Prozessgrößen.

Man darf sich auch die Frage stellen, was Physikunterricht eigentlich erreichen soll. Wir reden da, glaube ich, gerade alle aneinander vorbei. Systemdynamiker hat ja zumindest eine Vorstellung geäußert, welche Ziele man mit Physikunterricht erreichen will: Vorbereitung von jungen Ingenieuren. Ich teile diese Ansicht nicht.

http://de.wikipedia.org/wiki/Physikunterricht#Geschichte_der_Physikdidaktik

Zitat:

Über die Unterrichtsgestaltung im Allgemeinen haben sich bereits Johann Friedrich Herbart und Johann Amos Comenius Gedanken gemacht. Eine klar differenzierbare fachspezifische Didaktik entwickelte sich jedoch erst mit dem allgemeinen Aufschwung naturwissenschaftlichen Unterrichts zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Georg Kerschensteiner etwa schätzte den formalen Bildungswert der Naturwissenschaften und insbesondere der Physik, die in besonderer Weise dazu geeignet sei, die Beobachtungskraft, Denkkraft, Urteilskraft und Willenskraft zu fördern. (vgl. Kircher 2007, 17) Diese Vorstellung schlägt sich bis heute in der Forderung nieder, Physikunterricht solle nicht nur im Sinne der Wissenschaftspropädeutik Grundlagenwissen sowie Arbeitstechniken der Fachwissenschaft vermitteln, sondern auch zur "persönlichen Entfaltung und sozialer Verantwortung" beitragen, (vgl. Richtlinien Physik. NRW. 2001).

Das heißt nicht, dass ich diese Ansichten teile, aber ich glaube, das deckt sich gut mit den Vorstellungen in entsprechenden Lehrplänen.

Historisch vermute ich die Wurzeln bei Platon:
Zitat:
[..] nur durch sorgfältige Erziehung läßtsich ein guter Regenz heranbilden, wie er Platos Ideal entspricht. Uns scheint es unbegreiflich, warum der jüngere Dionysius, Tyrann von Syrakus, durchaus Geometrie lernen mußte, um ein guter Regent zu werden; in Platos Augen aber war es wesentlich. Er war zu sehr Pythagoreer, um glauben zu können, daß wahre Weisheit ohne Mathematik denkbar wäre. Damit ist ein oligarchisches Prinzip angedeutet.

(Bertrand Russell, Philosophie des Abendlandes)

Physikalische Ausbildung hat sich zunächst nach den Bildungszielen, die in den Lehrplänen festgelegt sind, zu richten. Diese schreiben normalerweise, dass die gymnasiale Ausbildung in erster Linie der Persönlichkeitsbildung zu dienen hat. Dann ist es zunächst falsch, zu argumentieren, der KPK sei geeignet für die Ausbildung von Ingenieuren. Ebenso falsch ist es, zu argumentieren, der KPK sei ungeeignet für die Ausbildung von Physikern. Richtig ist es aber, zu argumentieren, der KPK führe zur Isolation der Schüler.

Dann kann man sich fragen, ob die so festgelegten Ziele überhaupt zeitgemäß sind und den Bedürfnissen der Gesellschaft gerecht werden. Ich finde diesen Ansatz nicht verwerflich, verstehe aber, dass man diesbezüglich anderer Meinung sein kann. Das heißt aber nicht, dass dies dazu berechtigt, den Unterricht entsprechend zu gestalten, solange die Lehrpläne fächerübergreifend(!) eine klare Richtlinie geben. In jedem Fall bin ich aber der Ansicht, dass ein Gymnasium eine allgemeinbildende Bildungseinrichtung bleiben sollte. Dort findet keine Berufsausbildung statt, ebenso wenig an Universitäten. Anders ist das an Fachhochschulen.

@as_string: Sehe ich ähnlich. Aber an der Schule spielt das wohl keine so große Rolle, weil die Probleme ja in der Regel eindimensional sind. Ob da jetzt mit drei Töpfen oder drei Komponenten gerechnet wird, finde ich gleich-richtig oder gleich-falsch.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 28. Jul 2014 22:37    Titel: Antworten mit Zitat

@Systemdynamiker: Du gehst nach wird vor nicht auf die Kritik ein.

Wenn ich behaupte, dass die Darstellung der Entropie im KPK unvollständig und zumindest unglücklich ist, dann bleibt sie das auch dann, wenn du die fehlende Zeit im Unterricht anführst; entweder findest man eine vernünftige Lösung, oder man verzichtet auf irreführende Halbwahrheiten; der Hinweis auf Zeit ändert nichts an der Sache (man kann nicht Y lehren und es gleichzeitig X nennen)

Wenn ich behaupte, dass die Darstellung der Atomphysik und QM im KPK ziemlich abwegig ist, dann bezieht sich das auf den online publizierten Text; dieser ist ja offensichtlich unabhängig davon, wie viel davon im Unterricht behandelt wird; lässt man beispielsweise die Kern- und Teilchenphysik weg, wird dadurch die Darstellung der Atomphysik nicht besser

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as_string
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Beitrag as_string Verfasst am: 29. Jul 2014 00:10    Titel: Antworten mit Zitat

Ach, die ganze Diskussion hingt doch schon an einer einfachen Tatsache: Systemdynamiker hat "seine" "Systemphysik" auf einigen Grundsätzen des KPK aufgebaut und dieses verfeinert, vielleicht wirklich auch mit einem guten, nützlichen, etc Ergebnis.
Systemdynamiker fühlt auch indirekt seine Systemphysik durch das Gutachten beschmutzt.
Ich lese aber nur den KPK und das Gutachten dazu und muss feststellen: Den KPK empfinde ich in weiten Bereichen (besonders auch außerhalb der Mechanik) als ziemlicher Unfug und muss dem Gutachten weitestgehend zustimmen. Über einige Details kann man sich vielleicht streiten, etc, aber im großen und ganzen ist es doch zumindest "erstaunlich", dass viele recht bekannte Physik-Professoren auch genau dieser Auffassung sind, oder?
Ich kenne die Heidelberger Profs übrigens, weil ich mal in HD studiert habe... Ich traue denen eigentlich wirklich einiges zu, wenn es auch nicht alle meine "Lieblings-Profs" waren... smile

Offenbar geht es aber Systemdynamiker gar nicht wirklich so sehr um den KPK sondern eigentlich um seine "Systemphysik". Und nun wird die ganze Zeit munter aneinander vorbei geredet: Wir und das Gutachten kritisiert den KPK, Systemdynamiker verteidigt aber die Systemphysik, die wir ja gar nicht kennen... Deshalb will er eigentlich auch gar nicht so sehr auf die Kritik an so was wie Atomphysik eingehen, weil das offenbar in seiner Systemphysik gar nicht vorkommt (korrigiere mich, wenn ich da falsch liege!)

Auch ich denke, es bringt wenig Schülern ein System an die Hand zu geben, wie man etwa eine Simulation im Computer machen könnte. Außer in sofern, dass damit eventuell manche Zusammenhänge in der Physik eher klar werden könnten.

Ich weiß nicht... Nach allem was ich inzwischen über das Thema gelesen habe, bin ich sehr froh, dass sich der DPG deutlich zu diesem Irrsinn geäußert hat!

Gruß
Marco

PS: @Systemdynamiker: Mit Deinen ganzen "Verschwörungstheorien" manövrierst Du Dich nur in die Ecke der Cranks. Akzeptiere doch einfach mal, dass offenbar ein Großteil der Physik den KPK tatsächlich für Schwachsinn hält (salopp gesagt...)! Du überlegst Dir die ganze Zeit Gründe, warum die ein ganz tolles System öffentlich als Schwachsinn bezeichnen sollten und denkst, das könne nur sein, um eigene Interessen (u. a. auch finanzielle...) zu schützen. Aber ziehe doch einfach mal in Betracht, dass es eventuell doch einfach auch Schwachsinn ist!
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 29. Jul 2014 06:51    Titel: Antworten mit Zitat

Marco, ich gebe dir in vielem Recht.

@Systemdynamiker: ich würde mich wirklich freuen, wenn du dich mit der von uns hier geäußerten Kritik (siehe z.B. mein Beitrag zur Atomphysik) auseinandersetzt, und nicht mit anderen Kritiken, die nicht von uns stammen (ich bin z.B. weder Lehrer, noch Physikdidaktiker, ich habe kein Buch verfasst und bin an keinen derartigen Einnahmequellen irgendwie beteiligt, ich bin kein DPG-Mitglied, ich habe keinerlei persönliche Interessen - außer dass ich als Physiker eine Meinung dazu habe, was Physik ist und was nicht)

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Beitrag Systemdynamiker Verfasst am: 02. Aug 2014 17:56    Titel: Verfahren Antworten mit Zitat

Wir schreiben hier bunt gemischt über theoretische und fachdidaktische Fragen. Dabei argumentiert jeder aus seiner eigenen, meist gut begründbaren Perspektive. Ich denke, diese Fragen können seriös nur über wissenschaftliche Publikationen geklärt werden und nicht in einem Thread, der eigenen Gesetzen folgt.

In einer wissenschaftlichen Publikation würde man aber das Gutachten weglassen, weil es nicht einmal minimalste Standards erfüllt. Und um das geht es mir in diesem Thread. Nun habe ich die Zusammensetzung der Gutachtergruppe einmal unter Beizug einer Sachverständigenordnung untersucht. Das Ergebnis ist aus meiner Sicht niederschmetternd für die DPG.
Link zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=W3Hiq9IxDr4

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Beitrag Halloikus Verfasst am: 03. Aug 2014 01:53    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo, also ich habe jetzt nicht den ganzen Thread von hinten bis vorne durchgelesen und verstanden. Aber was ich sagen kann ist das, selbst wenn sich diese andere Sichtweise als besser herausstellen würde, es eine infinitesimal kleine Wahrscheinlichkeit gibt das diese neue Sichtweise eingeführt wird. Man überlege sich einfach mal was für einen Aufwand betrieben werden müsste um die ganzen formalien neu einzuführen. Das alleine ist für viele Grund genug das alte System beizubehalten, und sei es auch auf Kosten der Schüler. Und Vergleiche zur ART und SRT oder QM sind falsch, weil diese Physik(die richtig ist in ihren mehr oder weniger IMO richtigen Interpretationen) schon bald über 100 Jahren gelehrt wird usw.. Von daher, egal ob das System besser ist oder nicht. Gegen Windmühlen kann man nicht gewinnen. Geben Sie (Systemdynamiker) einfach auf und suchen sich ein vielversprechenderes Hobby. Obwohl man das auch zu Dirac oder Heisenberg hätte sagen könnte... Heutzutage weiß man es aber besser.
Diese Diskussion ergibt sich eh als Sinnlose wenn man mein Argument zusammen mit dem Argument von Münschhausen's Trilemma nimmt. Nach diesem gibt es nur drei Arten wie eine Diskussion wie diese Enden kann, die Diskussion führt :


1. Zu einem Zirkelschluss, (die Conclusio soll die Prämisse beweisen, benötigt diese aber, um die Conclusio zu formulieren) oder

2. zu einem Infiniten Regress (es wird immer wieder eine neue Hypothese über die Begründbarkeit eines letzten Grundes formuliert, die sich jedoch wiederum als unzureichend erweist oder wieder in einen Zirkel führt) oder

3. zum Abbruch des Verfahrens.

Diese Diskussion führt IMO zu dem zweiten Punkt und ist daher sinnlos. Ich würde vorschlagen, einfach den Thread nach 3. von einem Mod beenden zu lassen.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 03. Aug 2014 07:10    Titel: Re: Verfahren Antworten mit Zitat

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
Wir schreiben hier bunt gemischt über theoretische und fachdidaktische Fragen. Dabei argumentiert jeder aus seiner eigenen, meist gut begründbaren Perspektive. Ich denke, diese Fragen können seriös nur über wissenschaftliche Publikationen geklärt werden und nicht in einem Thread, der eigenen Gesetzen folgt.

D.h. das Medium, das du jetzt seit Monaten verwendest, ist ungeeignet. Und daher gehst du nicht auf die Argumente ein.

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
Nun habe ich die Zusammensetzung der Gutachtergruppe einmal unter Beizug einer Sachverständigenordnung untersucht. Das Ergebnis ist aus meiner Sicht niederschmetternd für die DPG.
Link zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=W3Hiq9IxDr4

Die Alternative ist also youtube

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Beitrag Systemdynamiker Verfasst am: 03. Aug 2014 09:05    Titel: Gutachten Antworten mit Zitat

Halloikus hat mir einen guten Rat gegeben

Zitat:
Gegen Windmühlen kann man nicht gewinnen. Geben Sie (Systemdynamiker) einfach auf und suchen sich ein vielversprechenderes Hobby.


Den Vergleich mit Don Quijote habe ich schon in einem Vortrag an der Mathmod (Wien 2012) verwendet, ihm aber den Vergleich zu Winkelried (damals haben wir die Habsburger vertrieben) gegenübergestellt ( https://www.youtube.com/watch?v=OrUVbvBNfUE ab 19:19, dieses Video gibt auch eine Übersicht über die Systemphysik). Dieser Problematik bin ich mir also bewusst.

Halloikus hat mit seiner Analyse ins schwarze getroffen. Ein Alternativkurs hat nur eine Chance, wenn er über kleine Veränderungen einen für viele sichtbaren Mehrwert schafft oder wenn der Leidensdruck im alten Kurs zu hoch ist (evolutionäres Postulat). Also auch ohne Intervention der DPG würde der KPK an deutschen Schulen kaum einen grossen Durchbruch erzielen (wie die letzten 30 Jahre gezeigt haben).

Dieser Thread hat sich in eine Richtung entwickelt, die ich nicht gewollt, aber auch nicht aktiv verhindert habe (ich schreibe halt gern über die Vorteile der Systemphysik). Nehmen wir an, der Karlsruher Physikkurs sei didaktisch fragwürdig (erzeugt Fehlvorstellungen) und fachlich falsch (verletzt die empirisch geprüften Voraussagen der heute allgemein akzeptieren Theorien). Auch dann hätte das Gutachten der DPG formal und inhaltlich korrekt seinen müssen.

1. Zum Formalen: Gutachten müssen unabhängig, weisungsfrei, gewissenhaft und neutral sein. Einige Gutachter sind aber weder unabhängig (Vorstandsmitglieder) noch neutral (schreiben seit über 20 Jahren gegen den KPK). Offensichtlich hat hier eine Gruppe von harten KPK-Gegnern eine grosse Standesorganisation für den eigenen Kleinkrieg missbraucht. Das ist für mich die schlimmste Form der Korruption.

2. Inhaltlich setzt sich das Gutachten nicht mit dem KPK auseinander. Dazu müsste man über Lernziele, Bildungsstandards und Fachdidaktik diskutieren. Und das wollen und können die Gutachter nicht, weil sie ja die Wahrheit verkünden wollen. Dieser Aspekt ist für mich erschreckend, weil damit aus einer Wissenschaft eine Religion gemacht wird.

3. Mit den Ergänzenden Bemerkungen für Fachkollegen zeigen die Gutachter, dass sie von Kontinuumsmechanik kaum etwas verstehen. Die Eulergleichung ist ein Spezialfall (materielles Bilanzgebiet, keine Gravitation) der Impulsbilanz. Die allgemeine Gleichung kann, wie ich letzthin gezeigt habe, direkt aus dem Energie-Impuls-Tensor abgeleitet werden und lautet wie folgt: die lokale Änderungsrate der Impulsdichte plus die Divergenz der konvektiven Impulsstromdichte plus die Divergenz der leitungsartigen Impulsstromdichte ist gleich der Volumenkraftdichte (gravitativ oder elektromagnetisch). Daraus (und nicht aus der Eulergleichung) lässt sich auch die Punktmechanik ableiten, indem man zu materiellen Koordinaten (eigentlich materielles Bilanzgebiet) übergeht, die Oberflächenkraft als Flächenintegral (offene Fläche) über den Spannungstensor und die Gravitationskraft als Volumenintegral (ganzes Volumen) über Dichte mal Gravitationsfeldstärke) definiert. Wenn ich als Bonsai-Professor, der in seiner Lehrtätigkeit kaum über den Dreisatz hinaus kommt, das so klar sehe, sollten diese Zusammenhänge auch den Platzhirschen der DPG klar sein. Entweder sind diese Zusammenhänge wissentlich falsch dargestellt worden, dann wäre das ganze Gutachten eine hinterhältige Aktion, oder das Gutachten ist von einem Dilettanten verfasst worden und andere haben aus lauter Googwill unterschrieben und sehen nun keine Rückzugsmöglichkeit mehr.

Punkt 1 müssen wir nicht diskutieren. Das ist und bleibt eine Schweinerei (wie auch die nachträglich vorgenommene Umdatierung). Das wird an der DPG hängen bleiben. Punkt 2 müsste zum Beispiel an einem Symposium behandelt werden. Punkt 3 gäbe ein paar gute Threads ab wie z.B. zweites und drittes Newtonsches Gesetz aus der Sicht der Kontinuumsphysik oder wie definiert man eine Kraft.

Dieser Thread muss nicht geschlossen werden, weil jeder Faden aufhört, sobald das Interesse erlischt. Aber vielleicht will jemand noch zu diesen drei Punkten Stellung nehmen. Die Systemphysik wollte ich hier nicht thematisieren. Das mache ich auf meinem Youtube-Kanal ( https://www.youtube.com/channel/UCGbUeWAgo3oXBBsNzPYa3Wg ) und in meinem Wiki ( www.systemphysik.ch ).

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Beitrag TomS Verfasst am: 03. Aug 2014 09:37    Titel: Antworten mit Zitat

Ich versuche mich mal an einer Zusammenfassung.

Bzgl. des Gutachtens der DPG und der Gutachter bleibt sicherlich ein sehr ungutes Gefühl zurück; das betrifft die formale Vorgehensweise sowie teilweise auch inhaltlichen Punkte (Systemdynamiker würde das noch drastischer formulieren).

Die Aktionen und Reaktionen seitens der KPK-Befürworter kann ich nicht beurteilen; es gibt dazu jedoch Aussagen, dass auch da (im Vorfeld, d.h. nicht erst nach dem Gutachten) nicht ganz einwandfrei vorgegangen wurde; an weiteren Spekulationen möchte ich mich nicht beteiligen.

Die (teilweise berechtigte) Kritik am Gutachten der DPG wertet nicht automatisch den KPK auf; das ist meine zentrale Aussage!

In diesem Thread wurden auch vom Gutachten unabhängige Kritikpunkte am KPK vorgebracht und ausführlich begründet, jedoch leider kaum zur Kenntnis genommen (das ist schade, weil hinter dieser Kritik hier sicher keine nicht-neutrale Position versteckt ist).

Umgekehrt werten diese Kritikpunkte am KPK natürlich nicht automatisch andere didaktische Ansätze auf.

Eine ernsthafte Diskussion setzt selbstverständlich Neutralität sowie eine geeignete Plattform voraus; ob und wo wir diese im deutschsprachigen Raum finden, kann ich nicht beurteilen; die in den vergangenen Jahren wechselweise vorgetragenen "Argumente" lassen jedoch befürchten, dass diese ernsthafte Diskussion auf Jahre hinaus nicht möglich sein wird.

Inhaltlich krankt der KPK an einigen offensichtlichen Schwächen, insbs. an einer Privatterminologie sowie teilweise an einem "Verbiegen" bzw. "Überstrapazieren" von Analogien. Weitere Detailprobleme kann man den einzelnen Beiträgen in diesem Thread entnehmen.

Generell krankt die Physikdidaktik daran, dass es ihr nicht gelingt, den Anschluss an die moderne Physik herzustellen. Physik ist zu oft nur "Geschichte der Physik" (wobei ich nichts gegen Grundlagen der Physik habe; diese sind zwingend notwendig).

Meine Wahrnehmung hier im Forum ist, dass es sehr oft an einem Verständnis der Formeln mangelt. Häufig werden stumpfsinnig Zahlenwerte eingesetzt, nur um ein Resultat zu produzieren. Dieser Ansatz führt natürlich zu nichts (außer zu Frustration). Wenn dieses "Rechnen" jedoch der Anspruch der Didaktiker ist, dann wird auch klar, warum sie an der modernen Physik scheitern (weil die Formeln für die Schüler - und evtl. auch für die Didaktiker - unverständlich sind).

Meine Schlussfolgerung ist, dass eine ergebnisoffene Grundsatzdiskussion über Konzepte der Physikdidaktik dringend erforderlich ist. Meine Befürchtung ist, dass sie nicht stattfinden wird.

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Beitrag Systemdynamiker Verfasst am: 03. Aug 2014 10:43    Titel: Was nun? Antworten mit Zitat

Den Schlussfolgerungen von TomS stimme ich praktisch vollständig zu. Insbesondere der Aussage, wonach das Schlechtmachen des Gutachtens nicht automatisch den KPK aufwertet (das war aber nie meine Absicht).

Der Umstand, dass sich der Physikunterricht und speziell die Physikprüfungen zu stark auf das numerische Auswerten von Formeln konzentrieren, dürfte der Hauptgrund dafür sein, dass die Physik sehr unbeliebt ist. Dabei gäbe es ausserhalb des KPK viele interessante Themen wie z.B.

1. Äquivalenzprinzip: beschleunigte Bezugssysteme, Orientierungslosigkeit des Piloten im Dunkeln, Gezeiten, Gezeitenkräfte beim Fall in ein kleines, schwarzes Loch. All diese Fragen sind im Geiste der ART ohne explizite Verwendung der Feldgleichungen zu beantworten.

2. Spinsysteme und Quantencomuter: spannend und interdisziplinär (anspruchsvoll, aber in einem Leistungskurs machbar)

3. Quanteneffekte, die das täglichen Leben beeinflussen: Sonnenbrand, Bosonen und Laser, Fermigas und die Stabiltät der Metalle

Sorry, jetzt bin ich selber wieder vom Thema abgekommen.

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Beitrag TomS Verfasst am: 03. Aug 2014 10:57    Titel: Antworten mit Zitat

Evtl. sollten wir diese Diskussion wirklich beenden und uns einer anderen zuwenden: Zielsetzung und Herausforderungen für einen modernen Physikunterricht. Darum muss es doch gehen! Wo findet eine derartige Diskussion heute statt?

Wenn DPG, Didaktik-Unterorganisation und KPK oder andere "Schulen" dazu nicht willens oder nicht der Lage sind, dann sollte man sie auch nicht weiter beachten. Wenn aus diesen Gremien heraus nichts fruchtbares hervorgebracht wird, müssen sich neue Strukturen etablieren.

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Beitrag Systemdynamiker Verfasst am: 10. Aug 2014 14:13    Titel: spezielle Relativität Antworten mit Zitat

Unabhängig von der ganzen Diskussion um KPK und Gutachten sollte man beachten, dass sich auch unsere Vortstellung von der Kontinuumsmechanik in den letzten 150 Jahren gewandelt hat. Dazu ein kleiner Diskussionsbeitrag http://youtu.be/VPCPgNJ2BEg
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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Aug 2014 12:07    Titel: Antworten mit Zitat

Ein paar Anmerkungen:

0:23 - der Energie-Impuls-Tensor fällt vom Himmel; es bleibt unklar, was das sein soll; z.B. wird nicht klar, worin er sich von Energie und Impuls (als Vektoren) unterscheidet; es wird nicht klar, dass es sich um eine Dichte handelt

1:35 - es wäre schön, die Lorentztransformation explizit vorzuführen; da es sich um einen Tensor handelt ist dies keineswegs trivial

2:12 - jetzt sprichst du auf einmal von Massendichte; vorher war es ja richtigerweise die Energiedichte; außerdem bleibt leider unklar, warum man die erste Spalte und die erste Zeile unterschiedlich bezeichnest (bei dir: Impulsdichte und Massenstromdichte); und natürlich muss es wieder Energiestromdichte heißen!

btw.: die dt. Wikipedia ist da auch nicht wirklich gut

3:12 - Energieerhaltung und Impulserhaltung ist m.E. nicht richtig, denn es handelt sich nicht um Energie und Impuls, sondern um die jeweiligen Dichten; die erste Gleichung besagt, dass die zeitliche Änderung eines Energieinhaltes (eines Volumens) dem Energiestrom durch die Oberfläche (des Volumens) entspricht

wenn du diese Begriffe einführen möchtest, dann musst du geeignet projizieren und integrieren

3:59 - die Zerlegung des Terms erfolgt nicht in "Masse und Energie", sondern in "Ruheenergie und kinetische Energie" bzw. deren Dichten

4:10 - gleiches gilt für "Massenstromdichte" und Energiestromdichte"

4:30 - auch bei der Interpretation die selbe Begriffsverwirrung

4:40 - 5:30 das mit dem Faktor 1/2 sowie die Erklärung dazu bleibt leider völlig rätselhaft

4:50 - jetzt mit Galilei-Transformation zu beginnen ist verwirrend; du hast ein Lorentz-kovariantes Objekt nicht-kovariant zerlegt (nämlich nach Potenzen von v/c) und betrachtest nun die Galilei-Transformation einzelner Terme; das ist nicht sinnvoll

6:40 - sorry, aber die Schwierigkeiten resultieren ausschließlich aus deiner Zerlegung

7:00 - wenn du schon relativistisch argumentierst, dann doch bitte korrekt; stelle die Energie (!) und den Impuls als Vierervektor (E,p) an den Anfang und motiviere die invariante Ruhemasse aus der Invarianz unter Lorentz-Transformation; da kommst du mit weniger Formeln deutlich weiter

7:25 - ja, das Koordinatensystem benötigst du; aber du brauchst es schon früher, und du darfst nicht versäumen, dass die Interpretation deiner Terme in T teilweise davon abhängen!

generell: du legst zweimal ein Koordinatensystem fest, nämlich einmal durch die Hauptachsentransgormation sowie durch den Boost in eine spezielle Richtung; es bleibt ungesagt, dass die Form deiner Terme davon abhängt

7:35 - jetzt wird in einem Nebensatz klar, dass du mit Impuls auf einmal den Viererimpuls meinst; bisher war das nicht so;

7:40 - und die Bezeichnung der vier Komponenten als vier "skalare Mengen" ist mathematisch natürlich eine Katastrophe; eine einzelne Komponente eines Vektors ist kein Skalar!

9:00 - die Schreibweise der Formel (7) ist eine arge Zumutung

Mein Resümee: Ob der Zugang zur Systemphysik über die spezielle Relativitätstheorie Vorteile bringt, kann ich nicht beurteilen; aus Sicht der Relativitätstheorie richtest du allerdings riesige Verwirrung an! Du baust alles aus der Sicht eines speziellen Bezugssystem auf, und führst sofort nicht-relativistische Näherungen ein. Die Terminologie ist teilweise sehr verwirrend

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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Aug 2014 13:23    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn du z.B. an einer homogenen, isotropen Flüssigkeit interessiert bist, solltest du mit einem mit der Strömung mitbewegten Bezugssystem beginnen (= im Ruhesystem); der Energie-Impuls-Tensor hat dann (wie bei dir) die spezielle Form



In einem beliebigen Bezugssystem mit Vierergeschwindigkeit u der Flüssigkeit gilt allgemein



Diese Form sollte auch aus deiner Lorentz-Transformation folgen.

Im Ruhesystem



reduziert sich das natürlich auf den o.g. Spezialfall.

Generell findest du hier in Kapitel 8 eine sehr gute und mathematisch elegante Einführung in die relativistische Hydrodynamik einschließlich des nicht-relativistischen Grenzfalls: http://www.thphys.uni-heidelberg.de/~wolschin/Hydrodynamik.pdf

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Beitrag Systemdynamiker Verfasst am: 11. Aug 2014 20:19    Titel: Verbesserung Antworten mit Zitat

@TomS: Herzlichen Dank für die fundierte und ausführliche Kritik. Das Video ist ein wenig unstrukturiert, weil ich zuviele Kompromisse eingegangen bin.

Als Verbesserung sehe ich folgendes:

1. Ziel klar deklarieren: Energietransport in der Mechanik (z.B. durch Transmissionsriemen) ist letztlich ein relativistisches Phänomen, Unterscheidung zwischen konvektivem und leitungsartigem (KPK) Impulstrom mach in der RT keinen Sinn. Spezielle Lortentz-Transformation (Boost) und Drehung im Raum sind nur aus nichtrelativistischer Sicht grundsätzlich verschieden.

2. Erster Teil: kovariante Formulierung, Einstein-Notation, nur Energie und Impuls als Begriffe verwenden, eventuell Energie-Impuls eines Körpers vor Energie-Impuls-Tensors eines Kontinuums einführen, Lorentztransformation; Zweiter Teil: Entwicklung nach v/c, Vernachlässigung kleiner Terme bei kleiner Geschwindigkeit, Galilei-Transformation, Interpretation in den nichtrelativistischen Begriffen Masse, Impuls und Energie, eventuell eine andere Schreibweise (Nabla-Operator).

Eine isotrope Flüssigkeit eignet sich nicht, weil dann bei einer Drehung im Raum eben nichts passiert und ich ja gerade zeigen will, dass bei Drehung im Raum (klassisch betrachtet) das gleiche mit den Impulskomponenten passiert wie mit Energie und Impuls bei einem Boost.

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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Aug 2014 20:47    Titel: Re: Verbesserung Antworten mit Zitat

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
@TomS: Herzlichen Dank für die fundierte und ausführliche Kritik.

freut mich sehr

zu (1) und (2) stimme ich im wesentlichen zu

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
Eine isotrope Flüssigkeit eignet sich nicht, weil dann bei einer Drehung im Raum eben nichts passiert und ich ja gerade zeigen will, dass bei Drehung im Raum (klassisch betrachtet) das gleiche mit den Impulskomponenten passiert wie mit Energie und Impuls bei einem Boost.

Verstehe ich nicht. Du startest mit einer isotropen, ruhenden Flüssigkeit. Du führst einen Boost durch, was gleichbedeutend mit der Einführung einer gerichteten Strömung ist; das Medium bleibt jedoch homogen (das bedeutet dass deine Herangehesweise sowie die von mir o.g. Formel äquivalent sein müssen - sollte man nachprüfen).

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Beitrag Systemdynamiker Verfasst am: 14. Aug 2014 19:26    Titel: dritte Version Antworten mit Zitat

Nun habe ich einige der Kritikpunkte von TomS aufgenommen und die dritte Version formuliert: https://www.youtube.com/watch?v=NDwbjp2rqrw

Einen Kritikpunkt verstehe ich nicht ganz
Zitat:
generell: du legst zweimal ein Koordinatensystem fest, nämlich einmal durch die Hauptachsentransformation sowie durch den Boost in eine spezielle Richtung; es bleibt ungesagt, dass die Form deiner Terme davon abhängt


Boost und Hauptachsentransformation sind doch beides mögliche Transformationen in der Raum-Zeit. Aber wir betrachten diese beiden Transformationen nicht als gleichberechtigt. Die Wahl eines IS wird doch als viel entscheidendere Massnahme angesehen (dazu gibt es eigene Kapitel in Lehrbüchern) als die Wahl des räumlichen Koordinatensystems. Und dennoch sind beide Festlegungen notwendig, um einen Vorgang zu rechnen und zu diskutieren.

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TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 14. Aug 2014 19:53    Titel: Antworten mit Zitat

Natürlich benötigst du das für deine Berechnungen.

Aber du verwendest die spezielle Form des Tensors auch, um die Elemente zu interpretieren. Und das ist natürlich gefährlich, da du ja gar nicht die allgemeinstmögliche Form betrachtest.

Du legst fest, dass der Tensor bereits diagonal sein soll. Anschließend betrachtest du einen Boost in ein durch diese zuvor erfolgte Diagonalisierung ausgezeichnete Richtung. Das ist lediglich ein Spezialfall (du darfst das tun, solltest es aber erwähnen, gerade um den Leuten klarzumachen, dass es gefährlich ist, zu sehr die einzelnen Komponenten im Blick zu haben; ein Tensor ist ein Gebilde, das letztlich nur als Ganzes betrachtet werden sollte)

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Beitrag Adam Verfasst am: 12. Okt 2014 09:51    Titel: Newton Antworten mit Zitat

Bei aller Kritik an der Realexistenz der Impulsströme sollte man nicht vergessen, dass die Newton-Mechanik von den meisten Schüler nicht verstanden wird.
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Beitrag Systemdynamiker Verfasst am: 13. Okt 2014 04:46    Titel: Test zur Newton-Mechanik Antworten mit Zitat

Zu @Adams Frage habe ich einen aktuellen Test mit 84 Studierenden, die über unterschiedliche Vorbildung verfügen (42 gymnasiale Matura, 29 technische Berufsmatura, 13 andere Berufsmatura). Die Ergebnisse sind ziemlich ernüchternd. So glaubt die Mehrheit, dass ein Astronaut die Erde schwächer anzieht, als dieser von der Erde angezogen wird. Und ganz wenige haben begriffen, dass bei einer Kreisbewegegung die Beschleunigung nach innen zeigt. Hier die Resultate im Detail
https://www.youtube.com/watch?v=maBmbb8CGbA

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Beitrag ## Verfasst am: 13. Okt 2014 11:27    Titel: Re: Test zur Newton-Mechanik Antworten mit Zitat

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
... Und ganz wenige haben begriffen, dass bei einer Kreisbewegegung die Beschleunigung nach innen zeigt. ...


Rhetorische Frage: Welche Beschleunigung zeigt nach innen, die Zentripetal oder Zentrifugalbeschleunigung?
Systemdynamiker



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Beitrag Systemdynamiker Verfasst am: 13. Okt 2014 11:50    Titel: Re: Test zur Newton-Mechanik Antworten mit Zitat

## hat Folgendes geschrieben:
Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
... Und ganz wenige haben begriffen, dass bei einer Kreisbewegegung die Beschleunigung nach innen zeigt. ...


Rhetorische Frage: Welche Beschleunigung zeigt nach innen, die Zentripetal oder Zentrifugalbeschleunigung?


Die Beschleunigung bezüglich des Bezugssystems. Oder gibt es mehrere Beschleunigungenzu einem festen Zeitpunkt? Oder sogar mehrere Geschwindigkeiten? Oder mehrere Aufenthaltsorte?

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Beitrag TomS Verfasst am: 13. Okt 2014 22:29    Titel: Antworten mit Zitat

Also du meinst (im einfachsten Fall der Kreisbewegung) das negative Vorzeichen in





Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
Und ganz wenige haben begriffen, dass bei einer Kreisbewegegung die Beschleunigung nach innen zeigt.


So einfach ist das aber nicht. Setzen wir einfach mal F=ma und versetzen wir uns in die Rolle des kreisenden Beobachters. Im Kettenkarussell weist die "gefühlte" Kraft und damit auch die "gefühlte" Beschleunigung nach außen. Im Falle der Bewegung eines Himmelskörpers im freien Fall ist die "gefühlte" Kraft natürlich Null. Es fehlt also die Angabe des Bezugssystems (die im Video mündlich nachgeliefert wird) sowie andernfalls die Ursache der Kreisbewegung.

Man muss das also vorab genauer spezifizieren, was gemeint ist, ansonsten deckt man lediglich die unpräzise Fragestellung auf.

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Jayk



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Beitrag Jayk Verfasst am: 13. Okt 2014 23:54    Titel: Re: Test zur Newton-Mechanik Antworten mit Zitat

Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
## hat Folgendes geschrieben:
Systemdynamiker hat Folgendes geschrieben:
... Und ganz wenige haben begriffen, dass bei einer Kreisbewegegung die Beschleunigung nach innen zeigt. ...


Rhetorische Frage: Welche Beschleunigung zeigt nach innen, die Zentripetal oder Zentrifugalbeschleunigung?


Die Beschleunigung bezüglich des Bezugssystems. Oder gibt es mehrere Beschleunigungenzu einem festen Zeitpunkt? Oder sogar mehrere Geschwindigkeiten? Oder mehrere Aufenthaltsorte?


Um mit Größen rechnen zu können, muss man Idealisierungen treffen. Die Orte werden als Ortsvektoren bezüglich eines Bezugssystems beschrieben. Mathematisch streng wäre es dann schon verboten, die Orte gleichzusetzen, da sie Vektoren unterschiedlicher Räume sind. Man kann sie aber durch eine Transformation auseinander erhalten (sagen wir also, zwei Vektoren sind gleich, wenn sie durch diese Transformation auseinander hervorgehen). Bereits die Geschwindigkeit hängt aber in diesem Sinne vom Bezugssystem ab (das ist z.B. wichtig, wenn man für die freie Rotation eines Starrkörpers eine Winkelgeschwindigkeit definieren will: die ist nämlich, wie man zeigen kann, i.A. nicht die Zeitableitung eines Vektors, der bloß von der aktuellen Drehkonfiguration des Körpers abhängt, wie zum Beispiel eines irgendwie gearteten Winkels, man muss die vom Bezugssystem übertragene Geschwindigkeit zur Definition heranziehen). Das liegt daran, dass die Transformation zwischen den beiden Bezugssystemen zeitabhängig ist und sich also bei der Geschwindigkeit in Form der Kettenregel bemerkbar macht.

Für die Beschleunigung trifft das natürlich erst recht zu.

Zur Verteidigung: Wenn nach einer Kreisbewegung gefragt ist, ist es wohl natürlich, die Beschleunigung in dem Bezugssystem anzugeben, in welchem die Bewegung einen Kreis beschreibt. Und in diesem zeigt sie in der Tat nach innen (petere = aufsuchen, im Gegensatz zu fugare = fliehen).
asasasasaassa
Gast





Beitrag asasasasaassa Verfasst am: 14. Okt 2014 00:49    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

So einfach ist das aber nicht. Setzen wir einfach mal F=ma und versetzen wir uns in die Rolle des kreisenden Beobachters.
In diesem Bezugssystem ist es aber auch keine Kreisbewegung mehr. Offensichtlich, wenn man nach der Beschleunigung eines Körpers fragt, welcher eine Kreisbahn beschreibt, dann wird auch ein Bezugssystem impliziert, in welchem er eigentlich eine soclhe Kreisbewegung beschreibt und nicht z.B. ruht oder gerade aus fliegt. Ich sehe da keine triviale Mehrdeutigkeit.
TomS
Moderator


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Beiträge: 17902

Beitrag TomS Verfasst am: 14. Okt 2014 06:34    Titel: Antworten mit Zitat

asasasasaassa hat Folgendes geschrieben:
Offensichtlich, wenn man nach der Beschleunigung eines Körpers fragt, welcher eine Kreisbahn beschreibt, dann wird auch ein Bezugssystem impliziert ....

Offensichtlich nicht. Jedenfalls nicht laut dem Ergebnis der Befragung. Also muss man fragen, warum nicht. Ein Grund ist, dass man den Befragten eine große Auswahl an Interpretationsmöglichkeiten bietet.

Man kann dann nicht unterscheiden, ob die Befragten im o.g. Sinn interpretiert und daraufhin falsch geantwortet haben, oder ob sie einfach anders interpretiert haben.

Schlussfolgerung: unzureichende Analysemethode. Das Ergebnis zeigt nicht, dass die Schüler die Physik falsch verstehen, sondern nur, dass sie den Lehrer missverstehen. Auch eine wertvolle Erkenntnis.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
bassiks



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Beiträge: 194

Beitrag bassiks Verfasst am: 14. Okt 2014 07:04    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
In diesem Bezugssystem ist es aber auch keine Kreisbewegung mehr. Offensichtlich, wenn man nach der Beschleunigung eines Körpers fragt, welcher eine Kreisbahn beschreibt, dann wird auch ein Bezugssystem impliziert, in welchem er eigentlich eine soclhe Kreisbewegung beschreibt und nicht z.B. ruht oder gerade aus fliegt. Ich sehe da keine triviale Mehrdeutigkeit.


Wenn wir schon mal dabei sind: Wie definierst du denn eine Kreisbewegung? Wie kommst du darauf, dass die tatsächliche Bahn sich ändert wenn ich sie aus einem anderen Bezugssystem betrachte? Es ändert sich nur die Beschreibung. Egal in welchem Bezugssystem ich die Bewegung beschreibe, ich werde der Ansicht sein, dass das "kreisende" Objekt eine Periodizität (sagen wir mal alle "2*pi*R" Meter) der Umwelt wahr nimmt. Wenn x also die parametrisierte Bahn des Objekts ist, dann gilt x~x+2*pi*R. Das verstehe ich unter einem Kreis.

Ich bin allerdings auch der Meinung dass hier nicht wirklich eine Mehrdeutigkeit (vor allem für Schüler) vorliegt, aber TomS hatte recht mit seiner Ausführung und deine Argumentation finde ich nicht korrekt (den Teil mit "In diesem Bezugssystem ist es aber auch keine Kreisbewegung mehr.").
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