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Amplituhedron - Was bedeutet dieses Objekt?
 
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Nima
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Beitrag Nima Verfasst am: 01. Feb 2022 00:11    Titel: Amplituhedron - Was bedeutet dieses Objekt? Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Ich habe mehrfach gelesen, dass unsere Raumzeit ein emergentes Phänomen zu sein scheint. Die wahre Natur (wessen) wäre ein Amplituhedron. Doch ich verstehe überhaupt nicht die Rolle dieses geometrischen Objektes dabei.
Daher meine Frage: Hat das Universum die Form eines Amplituhedrons oder was bedeutet das Amplituhedron in der Physik?

Meine Ideen:
Ich bin für alle Antworten dankbar!
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 01. Feb 2022 07:36    Titel: Antworten mit Zitat

Die Zusammenhänge sind viel abstrakter; siehe hier:

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Amplituhedron

Hast du dir das mal durchgelesen?

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Nima
Gast





Beitrag Nima Verfasst am: 01. Feb 2022 10:34    Titel: Antworten mit Zitat

Gelesen ja, aber nicht verstanden. Ich verstehe überhaupt nicht die Rolle dieses geometrischen Objektes dabei. Hat das Universum die Form eines Amplituhedrons oder was bedeutet das Amplituhedron in der Physik?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 01. Feb 2022 17:41    Titel: Antworten mit Zitat

Das Amplituhedron ist eine abstrakte geometrische Struktur, die in einer völlig neuartigen Berechnung von Streuamplituden auftritt. Sie hat zunächst nichts mit Raum und Zeit zu tun.

Die Berechnungen der Streuamplituden werden üblicherweise im Impulsraum durchgeführt; eine graphische Notation dafür sind die Feynmandiagramme. Man kann die Streuamplituden jedoch auch im Ortsraum verstehen. Diese Berechnungen enthalten viele komplizierte und insbs. rein mathematische Artefakte, die sogenannten "virtuellen" Teilchen. Man hat nun festgestellt, dass man die Streuamplituden vollständig ohne diese "virtuellen" Teilchen und damit deutlich einfacher berechnen kann.

Dazu übersetzt man mathematische Objekte, die reale Teilchen repräsentieren, durch Objekte im sogenannten Twistorraum. Grob gesprochen funktioniert die Übersetzung zwischen Raumzeit und Twistorraum wie folgt:
1) ein Punkt in der Raumzeit entspricht dem Schnittpunkt aller Lichtstrahlen (im rein mathematischen Sinne) in diesem Punkt, also dem Lichtkegel
2) ein Lichtstrahl in der Raumzeit entspricht einem Punkt im Twistorraum
3) der Lichtkegel in der Raumzeit entspricht einer Sphäre im Twistorraum
Also entspricht ein Punkt in der Raumzeit einer Sphäre im Twistorraum.

Die Teilchen entsprechen allerdings nicht Punkten in der 4-dim. Raumzeit, sie werden zunächst durch ihre Viererimpulse repräsentiert, d.h. Punkte im 4-dim. Impulsraum. Dies übersetzt man in den Twistorraum.

Komplizierte Streuamplituden können nun mittels algebraischer Regeln aus einfacheren zusammengesetzt werden. Dabei tritt dieses geometrische Objekt namens Amplituhedron auf, das der n-dimensionalen Verallgemeinerung eines konvexen Polyeders entspricht. Die Streuamplitude entspricht dem Volumen dieses Amplituhedrons.

Man stellt also fest, dass man die physikalische Streuamplitude, wie sie zum Beispiel für die Streuung eines Elektrons an einem Quark im Proton berechnet wird, vollständig ohne die Verwendung von Größen in der Raumzeit definieren kann (Ort, Zeit, Abstand ...) und dass diese Berechnung sogar deutlich einfacher ist als die herkömmliche (allerdings funktioniert das m.W.n. nur in Spielzeugtheorien, die leider nicht die tatsächlich existierenden Teilchen beschreiben, insbs., der sogenannten supersymmetrischen Yang-Mills-Theorie, die Ähnlichkeiten mit der QCD hat; die Quarks entsprechen Superpartner der Gluonen; beide sind masselos).

Wenn man nun die Physik reduziert auf beobachtbare Phänomene und Prozesse, dann spielt der leere Raum schlicht keine Rolle mehr, denn er ist sicher unbeobachtbar. Beobachtbar sind lediglich Teilchen aus Wechselwirkungen, und dies kann man mittels der Streuamplituden beschreiben. Die Raumzeit verschwindet völlig aus der Beschreibung, es bleiben abstrakte mathematische Strukturen wie insbs. dieses Amplituhedron. Diese Strukturen leben nicht in Raum und Zeit, sie treten an die Stelle von Raum und Zeit.

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Nima
Gast





Beitrag Nima Verfasst am: 02. Feb 2022 07:32    Titel: Antworten mit Zitat

Das bedeutet also, dass diese Strukturen nicht in Raum und Zeit leben, sondern an die Stelle von Raum und Zeit treten. Raum und Zeit existieren in diesen Strukturen. Ist das nicht ein mathematischer Realismus wie von Max Tegmark? Mathematische Strukturen sind das eigentliche existierende und Raum und Zeit existieren in Wirklichkeit nicht? Existieren wir in einem gigantischen mathematischen Objekt dem amplituhedron?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 02. Feb 2022 12:53    Titel: Antworten mit Zitat

Nima hat Folgendes geschrieben:
Das bedeutet also, dass diese Strukturen nicht in Raum und Zeit leben, sondern an die Stelle von Raum und Zeit treten.

Ich denke, das habe ich unglücklich formuliert und dich dadurch verwirrt.

Nima hat Folgendes geschrieben:
Raum und Zeit existieren in diesen Strukturen.

Nein, genausowenig wie die Wasseroberfläche im H20-Molekül oder in dessen Wellenfunktion existiert.

Nima hat Folgendes geschrieben:
Ist das nicht ein mathematischer Realismus wie von Max Tegmark?

Das wäre eine mögliche metaphysische Lesart jedoch keine Notwendigkeit.


1) Wir müssen zwei Dinge unterscheiden, die Realität sowie deren mathematische Beschreibung. Unvollständig und heute sicher nicht vollumfänglich verstanden, dennoch mal eine grobe Idee für dich:
  • Raum und Zeit: in der Relativitätstheorie eine 4-dim. pseudo-Riemannsche Mannigfaltigkeit
  • Atome und Moleküle: in der Quantenmechanik insbs. der Hamiltonoperator sowie die entsprechenden Wellenfunktionen
  • ...


2) Es gibt verschiedene Ebenen der Beschreibung. Am Beispiel Wasser:
  • Protonen und Neutronen: die QCD
  • Atomkern: die Kernphysik
  • Wassermolekül: die Quantenmechanik mit den entsprechenden Wellenfunktionen
  • Wasserwellen: Hydrodynamik, Navier-Stokes-Gleichungen


Was die Diskussion des Amplituhedrons - aber auch andere Theorien - nahelegen, ist, dass Raum und Zeit nicht fundamental sind, sondern dass es analog zu Wasser in etwa wie folgt aussehen könnte:
  • ???: Amplituhedra (o.a. mathematische Strukturen)
  • Raum und Zeit: in der Relativitätstheorie eine 4-dim. pseudo-Riemannsche Mannigfaltigkeit

D.h. Raum und Zeit wären keine fundamentalen sondern emergente Entitäten, genauso wie Wasserwellen, die Wasseroberfläche oder Schneeflocken nicht fundamental sind.

Wichtig ist jedoch, dass du weißt, dass das alles keine gesicherte Erkenntnis ist. Wir sind in etwa in der Situation der Physiker vor 1900 bzgl. der Fragestellung der Atome - nicht in der Situation von 1930.

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