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Kelvin1995
Gast





Beitrag Kelvin1995 Verfasst am: 18. Nov 2021 01:08    Titel: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

Hallo ich habe das Gefühl, dass ich irgendeinen wichtigen Punkt bei der Quantenmechanik misse. Vielleicht hat es auch was mit dem Messproblem zu tun. Ich bin mir da aber nicht sicher.

Beim Stern-Gerlach Experiment stellt man fest, dass es zwei Spinzustände gibt und in dem homogenen Magnetfeld, wird der Strahl entsprechend aufgespalten.

Nur ich verstehe nicht an welcher Stelle genau die Messung erfolgt. Man kann ja das System Spin-Teilchen + Magnetfeld mit der Pauli-Gleichung beschreiben. In der Literatur konzentriert man sich meistens auf den Spinfreiheitsgrad und lässt die Ortsfreiheitsgrade weg, aber genau darum geht es mir hier.

Entscheidet sich das Teilchen nach dem Durchlaufen des Magnetfeldes welchen Spinzustand es einnimmt, oder erst beim Auftreffen auf den Schirm?
Ich kann mir das so vorstellen, dass sich der Ortsteil der Wellenfunktion in einen Anteil aufspaltet der oben am Schirm liegt und einen Anteil der unten am Schirm liegt und dann beim Aufprall sich halt entscheidet ob das Teilchen oben oder unten ist.
Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass das Magnetfeld die Messung ist, da man es als abgeschlossenes System behandeln kann und der Zustand sich gemäß der Schrödingergleichung deterministisch entwickelt.

Überhaupt ist mir nicht so klar, was es bedeutet in der Quantenmechanik zu messen. Was also sind die Bedingungen dafür, dass der Zustand auf einen Eigenzustand projiziert wird?
willyengland



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Beiträge: 678

Beitrag willyengland Verfasst am: 18. Nov 2021 13:52    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Entscheidet sich das Teilchen nach dem Durchlaufen des Magnetfeldes welchen Spinzustand es einnimmt, oder erst beim Auftreffen auf den Schirm?

Nach meinem Verständnis haben die Teilchen auch schon vor dem Magnetfeld einen bestimmten Spin, eben +1/2 oder -1/2.
Das Magnetfeld erzeugt nur einen Energieunterschied, der dann zur Aufspaltung führt.

_________________
Gruß Willy
Kelvin1995
Gast





Beitrag Kelvin1995 Verfasst am: 18. Nov 2021 13:55    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

willyengland hat Folgendes geschrieben:
Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Entscheidet sich das Teilchen nach dem Durchlaufen des Magnetfeldes welchen Spinzustand es einnimmt, oder erst beim Auftreffen auf den Schirm?

Nach meinem Verständnis haben die Teilchen auch schon vor dem Magnetfeld einen bestimmten Spin, eben +1/2 oder -1/2.
Das Magnetfeld erzeugt nur einen Energieunterschied, der dann zur Aufspaltung führt.


In der Regel befinden sich die Teilchen aber vorher in einem Superpositionszustand und haben gar keinen definierten Spin.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18083

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Nov 2021 00:08    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Hallo ich habe das Gefühl, dass ich irgendeinen wichtigen Punkt bei der Quantenmechanik misse. Vielleicht hat es auch was mit dem Messproblem zu tun. Ich bin mir da aber nicht sicher.

Da bist du nicht alleine, die Physiker sind sich auch nicht einig.

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Beim Stern-Gerlach Experiment stellt man fest, dass es zwei Spinzustände gibt und in dem homogenen Magnetfeld, wird der Strahl entsprechend aufgespalten.

im inhomogenen Magnetfeld

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Entscheidet sich das Teilchen nach dem Durchlaufen des Magnetfeldes welchen Spinzustand es einnimmt, oder erst beim Auftreffen auf den Schirm?
Ich kann mir das so vorstellen, dass sich der Ortsteil der Wellenfunktion in einen Anteil aufspaltet der oben am Schirm liegt und einen Anteil der unten am Schirm liegt und dann beim Aufprall sich halt entscheidet ob das Teilchen oben oder unten ist.

Die Messung findet durch die Registrierung am Schirm statt.

(Und in gewisser Weise kann man sogar sagen, die Messung findet da statt, wo gemessen wird; ja, das ist zirkulär)

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass das Magnetfeld die Messung ist, da man es als abgeschlossenes System behandeln kann und der Zustand sich gemäß der Schrödingergleichung deterministisch entwickelt.

Ja, so kannst du das sehen.

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Überhaupt ist mir nicht so klar, was es bedeutet in der Quantenmechanik zu messen. Was also sind die Bedingungen dafür, dass der Zustand auf einen Eigenzustand projiziert wird?

Siehe oben: die Bedingungen dafür, dass der Zustand auf einen Eigenzustand projiziert wird, ist, dass eine Messung stattfindet.

Die Quantenmechanik kann und will in ihrer orthodoxen Kollaps-Interpretation die Messung gerade nicht quantenmechanisch erklären.

Es gibt übrigens diverse alternative Interpretation, die ohne einen Kollaps auskommen.

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schnudl
Moderator


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Beiträge: 6979
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Beitrag schnudl Verfasst am: 19. Nov 2021 09:36    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

willyengland hat Folgendes geschrieben:

Nach meinem Verständnis haben die Teilchen auch schon vor dem Magnetfeld einen bestimmten Spin, eben +1/2 oder -1/2.
Das Magnetfeld erzeugt nur einen Energieunterschied, der dann zur Aufspaltung führt.


Genau das wurde aber durch die Bell'schen Ungleichungen widerlegt. Die Teilchen befinden sich i.A. lediglich in einem Zustand, der für Messungen an einer Observablen eine gewisse Wahrscheinlichkeit vorgibt, das einen oder den anderen Ergebnis zu erhalten. Natürlich gibt es auch Zustände, die eine eindeutige Messung ergeben, aber allgemein kann man das nicht sagen.

Für einen Zustand, der in x-Richtung eine eindeutige Messung ergeben würde



ergibt die tatsächliche Messung in z-Richtung eine 50% Wahrscheinlichkeit für oder .

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willyengland



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Beitrag willyengland Verfasst am: 19. Nov 2021 12:40    Titel: Antworten mit Zitat

Aha, danke!
Verstehe ich das richtig, dass es manchmal möglich ist und manchmal nicht?
Ich erinnere mich, dass vor einigen Jahren von der Trennung von ortho und para Wasser berichtet wurde und man dieses sozusagen "in Flaschen füllen" kann.

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Gruß Willy
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 19. Nov 2021 12:52    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:

Überhaupt ist mir nicht so klar, was es bedeutet in der Quantenmechanik zu messen. Was also sind die Bedingungen dafür, dass der Zustand auf einen Eigenzustand projiziert wird?


Das sind zwei völlig verschiedene Fragen. Es gibt Gegenbeispiele zum Kollapspostulat. Einige haben wir vor ein paar Monaten in diesem Thread mit ganz ähnlicher Ausgangsfrage diskutiert.

Auf etwas wie einen Kollaps trifft man wieder bei der Behandlung der Dynamik offener Quantensysteme, wenn man die Zeitentwicklung eines Systems unter Umgebungseinfluß mittels stochastischer Differentialgleichung modelliert. Die Umbegung sorgt dabei für zufällige Störungen des Zustands, so daß die deterministische Zeitentwicklung gemäß Schrödingergleichung von stochastischen Sprüngen unterbrochen wird. Nach dem Sprung muß sich das System aber nicht auf einen speziellen Eigenzustand befinden und das ganze ist auch unabhängig davon, ob es sich bei diesen Prozessen um eine "Messung" handelt. (Obwohl natürlich jedes physikalische Modell des Meßprozesses das System als offen behandeln muß.) Man sollte sich auch stets klar machen, daß eine Messung aus physikalischer Sicht keine spezielle Dynamik benötigen kann.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18083

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Nov 2021 14:30    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Man sollte sich auch stets klar machen, daß eine Messung aus physikalischer Sicht keine spezielle Dynamik benötigen kann.
Da sind sich nicht alle Physiker einig - wir beide uns natürlich schon.

@Kelvin1995 - in der häufig diskutierten orthodoxen Interpretation spielt die Sichtweise von index_razor keine Rolle; dort ist das Kollapspostulat ein nicht weiter zu hinterfragendes Postulat. Nur damit du das einordnen kannst.

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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 19. Nov 2021 14:45    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Man sollte sich auch stets klar machen, daß eine Messung aus physikalischer Sicht keine spezielle Dynamik benötigen kann.
Da sind sich nicht alle Physiker einig - wir beide uns natürlich schon.

@Kelvin1995 - in der häufig diskutierten orthodoxen Interpretation spielt die Sichtweise von index_razor keine Rolle;


Das sehe ich anders. Man kann die Gegenbeispiele zum Kollapspostulat natürlich ignorieren. Aber lösen kann man sie innerhalb der orthodoxen Interpretation nicht. Damit bleiben sie dort auch relevant.

Und über deinen ersten Punkt bin ich mir auch nicht sicher. Gibt es wirklich Physiker, die behaupten eine Messung sei eine fundamental andere Art von physikalischem Prozeß? Ich habe zumindest diesen Standpunkt noch nie in einer Weise ausformuliert gesehen, die über das bloße Postulat eines Kollaps hinausgeht. Das erscheint mir aber aus den bereits genannten Gründen eine unhaltbare Position zu sein.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18083

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Nov 2021 16:05    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
@Kelvin1995 - in der häufig diskutierten orthodoxen Interpretation spielt die Sichtweise von index_razor keine Rolle;

Das sehe ich anders. Man kann die Gegenbeispiele zum Kollapspostulat natürlich ignorieren. Aber lösen kann man sie innerhalb der orthodoxen Interpretation nicht. Damit bleiben sie dort auch relevant.

Aus der Außensicht ist das natürlich relevant, davon musst du mich nicht überzeugen. Aber nicht aus der Innensicht der orthodoxen Kollapsinterpretation, die den Kollaps lediglich postuliert sowie die gesamte Messung nicht als Gegenstand der Quantenmechanik betrachtet und ausblendet, ist dies alles irrelevant (und wir beide sind uns einig, dass sie damit falsch liegen)

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Und über deinen ersten Punkt bin ich mir auch nicht sicher. Gibt es wirklich Physiker, die behaupten eine Messung sei eine fundamental andere Art von physikalischem Prozeß?

Ich habe die "Kopenhagener" immer so verstanden, dass man ihrer Meinung nach den Messprozess eben gerade nicht quantenmechanisch verstehen und beschreiben kann.

Ob er sich damit dem Wesen nach von anderen Prozessen fundamental unterscheidet, oder nur dem Verständnis nach, sei mal dahingestellt.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das erscheint mir aber aus den bereits genannten Gründen eine unhaltbare Position zu sein.

Natürlich.

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Kelvin1995
Gast





Beitrag Kelvin1995 Verfasst am: 19. Nov 2021 16:32    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich habe die "Kopenhagener" immer so verstanden, dass man ihrer Meinung nach den Messprozess eben gerade nicht quantenmechanisch verstehen und beschreiben kann.

Das empfinde ich als unlogisch.
Ein Messgerät ist aus Materie aufgebaut, die ebenfalls der Quantenmechanik unterliegt. Außerdem sollte die klassische Welt aus der Quantenmechanik in bestimmten Grenzfällen hervorgehen. Demnach muss der Messprozess als Interaktion zwischen Messgerät und System, quantenmechanisch beschreibbar sein.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 19. Nov 2021 16:48    Titel: Antworten mit Zitat

Ich lehne mich mal aus dem Fenster und nenne die Haltung Bohrs "agnostisch"; er lehnt die Idee, den Messprozess quantenmechanisch verstehen zu wollen, offensichtlich ab; eine Wesensverschiedenheit sehe ich nirgendwo, da Bohr es ja gerade vermeidet, dies überhaupt zu diskutieren:


It is decisive to recognize that, however far the phenomena transcend
the scope of classical physical explanation, the account of all evidence
must be expressed in classical terms.

We have here to do with a typical example of how the complementary
phenomena appear under mutually exclusive experimental arrangements ...
and [we] are just faced with the impossibility, in the analysis of quantum
effects, of drawing any sharp separation between an independent
behaviour of atomic objects and their interaction with the measuring
instruments which serve to define the conditions under which the
phenomena occur.

The measurement we get when we measure something is not a property of the thing measured.


Ignoramus et ignorabimus

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index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 19. Nov 2021 16:53    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
@Kelvin1995 - in der häufig diskutierten orthodoxen Interpretation spielt die Sichtweise von index_razor keine Rolle;

Das sehe ich anders. Man kann die Gegenbeispiele zum Kollapspostulat natürlich ignorieren. Aber lösen kann man sie innerhalb der orthodoxen Interpretation nicht. Damit bleiben sie dort auch relevant.

Aus der Außensicht ist das natürlich relevant, davon musst du mich nicht überzeugen. Aber nicht aus der Innensicht der orthodoxen Kollapsinterpretation, die den Kollaps lediglich postuliert sowie die gesamte Messung nicht als Gegenstand der Quantenmechanik betrachtet und ausblendet, ist dies alles irrelevant


Aber genau das sehe ich anders. Kritik am Kollapspostulat spielt für jeden eine Rolle, der dieses Postulat anwendet. Sie wird nicht dadurch irrelevant, daß jemand beschließt, dieses Postulat nicht mehr zu hinterfragen und die Kritik zu ignorieren. Wer das tut verabschiedet sich damit einfach aus der Diskussion und es ist vielmehr seine Meinung, die fortan irrelevant ist. Jedenfalls bringt es niemandem etwas so zu tun, als sei das Verständnis der Quantenmechanik noch dasselbe wie vor 100 Jahren.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Und über deinen ersten Punkt bin ich mir auch nicht sicher. Gibt es wirklich Physiker, die behaupten eine Messung sei eine fundamental andere Art von physikalischem Prozeß?

Ich habe die "Kopenhagener" immer so verstanden, dass man ihrer Meinung nach den Messprozess eben gerade nicht quantenmechanisch verstehen und beschreiben kann.

Ob er sich damit dem Wesen nach von anderen Prozessen fundamental unterscheidet, oder nur dem Verständnis nach, sei mal dahingestellt.


Das mag ja mal so gewesen sein. Inzwischen gibt es umfangreiche Literatur über die quantenmechanische Modellierung des Meßprozesses, die ziemlich unabhängig von subtilen Interpretationsfragen ist. Allein diese Tatsache widerlegt schon, daß dies unmöglich ist. Aber ich bin mir auch nicht sicher ob ich überhaupt weiß wer "die Kopenhagener" eigentlich sind. Selbst bei von Neumann gibt es eine elementare physikalische Beschreibung des Meßprozesses. Lediglich die "subjektive Apperzeption" des Beobachters, was auch immer das genau sein sein soll, sieht er als unzugänglich für eine physikalische Beschreibung an. Ich kann allerdings nicht erkennen, daß dies irgendeine Relevanz hat. Im Gegenteil, an erster Stelle in seiner Diskussion des Meßprozesses steht das "Prinzip vom psychophysikalischen Parallelismus, daß es möglich sein muß, den in Wahrheit außerphysikalischen Vorgang der subjektiven Apperzeption so zu beschreiben, als ob er in der physikalischen Welt stattfände." (Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik, S.223) Manchmal habe ich den Eindruck, die Kopenhagener Interpretation ist nur eine Sammlung von Mythen, die von niemandem wirklich konsequent vertreten wurde.


Zuletzt bearbeitet von index_razor am 19. Nov 2021 19:44, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 19. Nov 2021 16:58    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich habe die "Kopenhagener" immer so verstanden, dass man ihrer Meinung nach den Messprozess eben gerade nicht quantenmechanisch verstehen und beschreiben kann.

Das empfinde ich als unlogisch.
Ein Messgerät ist aus Materie aufgebaut, die ebenfalls der Quantenmechanik unterliegt. Außerdem sollte die klassische Welt aus der Quantenmechanik in bestimmten Grenzfällen hervorgehen. Demnach muss der Messprozess als Interaktion zwischen Messgerät und System, quantenmechanisch beschreibbar sein.

Das ist nicht unlogisch, jedoch eine extrem unbefriedigende Haltung. Wie gesagt ... ich habe die "Kopenhagener" immer so verstanden, dass man ihrer Meinung nach den Messprozess eben gerade nicht quantenmechanisch verstehen und beschreiben kann.

Sie negieren die Möglichkeit des Verständnisse, sie behaupten nicht die "Wesensverschiedenheit".

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TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 19. Nov 2021 17:05    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Aber genau das sehe ich anders.

Anders als wer?

Ich sehe es genauso wie du.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
[Die Kritik am Kollapspostulat] wird nicht dadurch irrelevant, daß jemand beschließt, dieses Postulat nicht mehr zu hinterfragen und die Kritik zu ignorieren. Wer das tut verabschiedet sich damit einfach aus der Diskussion und es ist vielmehr seine Meinung, die fortan irrelevant ist.

Richtig.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Jedenfalls bringt es niemandem etwas so zu tun, als sei das Verständnis der Quantenmechanik noch dasselbe wie vor 100 Jahren.

Richtig.

Nur leider zeigen viele Fragen, dass sich das noch nicht überall herumgesprochen hat.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das mag ja mal so gewesen sein. Inzwischen gibt es umfangreiche Literatur über die quantenmechanische Modellierung des Meßprozesses, die ziemlich unabhängig von subtilen Interpretationsfragen ist. Allein diese Tatsache widerlegt schon, daß dies unmöglich ist.

Richtig.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Manchmal habe ich den Eindruck, die Kopenhagener Interpretation ist nur eine Sammlung von Mythen, die von niemandem wirklich konsequent vertreten wurde.

Richtig, diese Ansicht findet man häufig.

Es gibt nicht "die eine" Kopenhagener Interpretation, sondern eine Sammlung von in sich und untereinander nicht wirklich konsistenten oder zumindest unklaren Ansichten.

Aber ich denke, wir können das abschließen, denn wie du richtig sagst, ist das letztlich überholt.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 19. Nov 2021 17:10    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Aber genau das sehe ich anders.

Anders als wer?

Ich sehe es genauso wie du.


Du hast behauptet aus der Innensicht der Kopenhagener Interpretation sei die genannte Kritik am Kollapspostulat irrelevant. Das sehe ich anders als du.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 19. Nov 2021 17:18    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Du hast behauptet aus der Innensicht der Kopenhagener Interpretation sei die genannte Kritik am Kollapspostulat irrelevant. Das sehe ich anders als du.

Dann verstehst du nicht, was ich damit meine.

Aus Sicht eines Atheisten ist zum Beispiel die Frage der Theodizee [also aus der Innensicht des Atheismus] auch völlig irrelevant.

Wenn du einen gläubigen Christen danach fragst, wird er wohl zustimmen, dass die Frage der Theodizee durchaus relevant ist. Und er wird ebenfalls zustimmen, dass die selbe Frage aus Sicht eines Atheisten eben irrelevant ist. Man kann letzterem ja nicht vorschreiben, was er für relevant zu halten hat.

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index_razor



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Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 19. Nov 2021 17:29    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Du hast behauptet aus der Innensicht der Kopenhagener Interpretation sei die genannte Kritik am Kollapspostulat irrelevant. Das sehe ich anders als du.

Dann verstehst du nicht, was ich damit meine.

Aus Sicht eines Atheisten ist zum Beispiel die Frage der Theodizee auch völlig irrelevant.

Wenn du einen gläubigen Christen danach fragst, wird er wohl zustimmen, dass die Frage der Theodizee durchaus relevant ist. Und er wird ebenfalls zustimmen, dass die selbe Frage aus Sicht eines Atheisten eben irrelevant ist. Man kann letzterem ja nicht vorschreiben, was er für relevant zu halten hat.


Diese Analogie ist auch genau verkehrtherum. Ein Atheist kann das Konzept eines allmächtigen, gütigen Gottes durchaus mit dem Verweis auf das Theodizeeproblem kritisieren. Genauso kann ich das Kollapspostulat kritisieren, indem ich auf Gegenbeispiele verweise. Ein Anhänger diese Postulats (oder ein Christ) kann diese Kritik ignorieren, dadurch wird sie aber nicht irrelevant. (Theologen haben ja genau aus dem Grund viele Lösungen für das Theodizeeproblem vorgeschlagen, gerade weil es aus ihrer theologischen Innnensicht relevant ist.) Kritik am Kollapspostulat ist relvant für jeden, der diese Postulat anwendet oder als unverzichtbaren Teil der Quantenmechanik ausgibt.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 19. Nov 2021 17:42    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Diese Analogie ist auch genau verkehrtherum.

Nein, sie ist richtigherum.

Ein Bekannter von mir - getauft und später aus der Kirche ausgetreten - hat mir auf die Frage nach dem "Warum" erklärt, dass für ihn, der er nicht an Gott glaubt, deswegen weil er nicht an Gott glaubt, Fragen nach der Theodizee, der Vergebung aller Sünden durch Gott usw. irrelevant sind. Und weil sie für ihn irrelevant sind, ist er konsequenterweise aus der Kirche ausgetreten. Er hielt auch eine Diskussion über meine Sicht der Dinge für ihn für irrelevant, er wollte mir insbs. nicht erklären, dass meine Sichtweise inkonsistent o.ä. sei - sie sei einfach für ihn irrelevant.

Nochmal: wenn jemand zu der Ansicht kommt, in seinem hermetischen Weltbild sei eine Frage X irrelevant, dann ist sie für ihn irrelevant. Du könntest ihn höchstens dann von der Relevanz überzeugen, wenn du ihn dazu überredest, eine andere Position einzunehmen und sein eigene Weltbild auf Basis einer anderen Sichtweise zu kritisieren; aber warum sollte er das tun?

Zurück zum Thema: Wenn du eine rein empirische Sichtweise einnimmst und sämtliche der für dich relevanten Fragestellungen beantworten kannst, dann gibt es keinen Grund, diese Sichtweise aufzugeben; und so wie ich das sehe, haben einige Physiker über einige Jahrzehnte eben die Kritik am Kollapspostulat - auch an nicht-ontischen Interpretationen - als irrelevant abgelehnt.

Ich denke zum Beispiel, dass Zeilinger das heute noch so sieht.

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Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 19. Nov 2021 17:49    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Diese Analogie ist auch genau verkehrtherum.

Nein, sie ist richtigherum.


Was ist denn das "Kollapspostulat" für den Atheisten und was ist die Kritik daran?

Zitat:

Nochmal: wnen jemand zu der Ansicht kommt, in seinem hermetischen Weltbild sei eine Frage X irrelevant, dann ist sie für ihn irrelevant.


Nicht dein hypothetischer Kopenhagener ist zu der Überzeugung gekommen die Kritik sei irrelevant. Du hast behauptet sie sei für die Kopenhagener irrelevant. Das ist sie aber nicht.

Zitat:

Du kannst ihn höchstens dann von der Relevanz überzeugen, wenn du ihn dazu überredest, eine andere Position einzunehmen und sein eigene Weltbild auf Basis einer anderen Sichtweise zu kritisieren.


Nein, ich muß ihn nur davon überzeugen, daß die Kritik zutreffend ist. Die Relevanz ergibt sich damit automatisch. Außer es ist deinem Kopenhagener egal, ob seine Postulate wahr oder falsch sind. In dem Fall ist seine Meinung aber irrelevant, nicht meine Kritik daran.

P.S.:
Zitat:
Zurück zum Thema: Wenn du eine rein empirische Sichtweise einnimmst und sämtliche der für dich relevanten Fragestellungen beantworten kannst, dann gibt es keinen Grund, diese Sichtweise aufzugeben;


Das kann das Kollapspostulat aber nicht. Wie du dich vielleicht erinnerst, besteht die Kritik zum Teil darin, daß es falsche empirische Vorhersagen liefert. (siehe Nebelkammerspuren)

Zitat:

und so wie ich das sehe, haben einige Physiker über einige Jahrzehnte eben die Kritik am Kollapspostulat - auch an nicht-ontischen Interpretationen - als irrelevant abgelehnt.


Davon ist mir übrigens nichts bekannt. Mein Eindruck ist, daß 1) die Kritik weitgehend unbekannt ist und 2) die Notwendigkeit eines Kollaps als offensichtlich angesehen wird. Der Grund besteht in der irrigen Annahme ohne diese Postulat würde man falsche bedingte Wahrscheinlichkeiten für wiederholte Messungen erhalten. Das ist im Prinzip auch von Neumanns Motivation für dieses Postulat.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 19. Nov 2021 18:58    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wie du dich vielleicht erinnerst, besteht die Kritik zum Teil darin, daß es falsche empirische Vorhersagen liefert. (siehe Nebelkammerspuren)

Warum wirfst du mir etwas vor? Ich bin es nicht, der das Kollapspostulat verteidigt.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Mein Eindruck ist, daß … die Notwendigkeit eines Kollaps als offensichtlich angesehen wird. Der Grund besteht in der irrigen Annahme ohne diese Postulat würde man falsche bedingte Wahrscheinlichkeiten für wiederholte Messungen erhalten. Das ist im Prinzip auch von Neumanns Motivation für dieses Postulat.

Es ist doch egal, aus welchen irrigen Überlegungen man zu der Ansicht gelangt, das Kollapspostulat sei offensichtlich bzw. eine Kritik daran sei irrelevant oder verfehlt. Tatsache ist, dass es sich teilweise so verhält. Wie gesagt, lies mal was Zeilinger dazu sagt.

Ich weiß auch nicht, ob der Atheist bzgl. der Nichtexistenz Gottes irrt. Aber ich weiß aber, dass sobald er von der Nichtexistenz überzeugt ist, alle daraus folgenden Fragestellungen für ihn irrelevant erscheinen.

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Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 19. Nov 2021 19:08    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wie du dich vielleicht erinnerst, besteht die Kritik zum Teil darin, daß es falsche empirische Vorhersagen liefert. (siehe Nebelkammerspuren)

Warum wirfst du mir etwas vor? Ich bin es nicht, der das Kollapspostulat verteidigt.


Ich werfe dir nichts vor. Du hast geschrieben

Zitat:
Wenn du eine rein empirische Sichtweise einnimmst und sämtliche der für dich relevanten Fragestellungen beantworten kannst, dann gibt es keinen Grund, diese Sichtweise aufzugeben;


Es gibt aber durchaus empirische Gründe das Kollapspostulat aufzugeben. Mehr wollte ich an dieser Stelle nicht sagen.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Mein Eindruck ist, daß … die Notwendigkeit eines Kollaps als offensichtlich angesehen wird. Der Grund besteht in der irrigen Annahme ohne diese Postulat würde man falsche bedingte Wahrscheinlichkeiten für wiederholte Messungen erhalten. Das ist im Prinzip auch von Neumanns Motivation für dieses Postulat.

Es ist doch egal, aus welchen irrigen Überlegungen man zu der Ansicht gelangt, das Kollapspostulat sei offensichtlich bzw. eine Kritik daran sei irrelevant oder verfehlt.


Ich denke nicht, daß die Meinung vorherrscht, Kritik am Kollapspostulat sei irrelevant oder verfehlt. Ich glaube die Kritik ist unbekannt. Man kann keine Kritik für irrelevant oder verfehlt halten, wenn man sie nicht kennt. Die Überzeugung, das Postulat sei notwendig, kann aber dazu führen, daß es nicht mehr hinterfragt wird, was wiederum erklären würde, warum die Kritik unbekannt ist.


Zitat:

Ich weiß auch nicht, ob der Atheist bzgl. der Nichtexistenz Gottes irrt. Aber ich weiß aber, dass sobald er von der Nichtexistenz überzeugt ist, alle daraus folgenden Fragestellungen für ihn irrelevant erscheinen.


Für einen Atheisten sind Argumente für die Existenz Gottes nicht irrelevant, es sei denn ihm ist egal ob seine Überzeugungen wahr sind oder falsch. Für einen Vertreter der Kopenhagener Interpretation sind Argumente gegen das Kollapspostulat nicht irrelevant, es sei denn ihm ist egal ob seine Postulate wahr oder falsch sind.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 19. Nov 2021 20:48    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Für einen Vertreter der Kopenhagener Interpretation sind Argumente gegen das Kollapspostulat nicht irrelevant, es sei denn ihm ist egal ob seine Postulate wahr oder falsch sind.

Das ist deine Sichtweise, und ich teile sie.

Offenbar war und ist es noch heute - zumindest teilweise - aus Sicht vieler Physiker aber immer noch so, dass das Kollapspostulat nicht hinterfragt wird. Es geht dabei wohl sehr häufig um Unwissenheit, wie du richtig schreibst. Aber nochmal, es geht mir nicht darum, warum diese Haltung existiert, es geht mir darum, dass die existieren.

Wäre mal interessant, unter Masterstudenten eine Umfrage dazu zu machen. Ich würde davon ausgehen, dass weit über 50% irgendwelche Versionen des Kollapspostulat zitieren, so wie „F=ma.“ Es wird nicht hinterfragt.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
index_razor



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Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 19. Nov 2021 21:21    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Für einen Vertreter der Kopenhagener Interpretation sind Argumente gegen das Kollapspostulat nicht irrelevant, es sei denn ihm ist egal ob seine Postulate wahr oder falsch sind.

Das ist deine Sichtweise, und ich teile sie.


Nein, du hast behauptet die Kritik sei für die "Kopenhagener" irrelevant. Der Ansicht bin ich nicht. Ich gehe nämlich davon aus, daß ihnen der Wahrheitsgehalt ihrer Postulate nicht egal ist.

Zitat:

Offenbar war und ist es noch heute - zumindest teilweise - aus Sicht vieler Physiker aber immer noch so, dass das Kollapspostulat nicht hinterfragt wird.


Sage ich doch. Das heißt aber nicht, daß die Kritik daran für sie irrelevant ist, sondern daß ihnen nicht bewußt ist, daß es überhaupt etwas zu kritisieren gibt.

Zitat:

Es geht dabei wohl sehr häufig um Unwissenheit, wie du richtig schreibst. Aber nochmal, es geht mir nicht darum, warum diese Haltung existiert, es geht mir darum, dass die existieren.


Mir geht es nur um die Feststellung, daß auch für Vertreter dieser Haltung Kritik am Kollapspostulat nicht irrelevant ist, wie du behauptet hast.

Zitat:

Wäre mal interessant, unter Masterstudenten eine Umfrage dazu zu machen. Ich würde davon ausgehen, dass weit über 50% irgendwelche Versionen des Kollapspostulat zitieren, so wie „F=ma.“ Es wird nicht hinterfragt.


Interessanter als zu hören was sie schon aus der Vorlesung wissen, ist für mich die Frage, wie sie auf die Kritik daran reagieren, die sie womöglich noch nicht kennen.
Kelvin1995
Gast





Beitrag Kelvin1995 Verfasst am: 19. Nov 2021 23:34    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Kritik am Kollapspostulat ist relvant für jeden, der diese Postulat anwendet oder als unverzichtbaren Teil der Quantenmechanik ausgibt.


Mal ne Zwischenfrage.
Welche Postulate würdet ihr denn verwenden, um darauf die Quantenmechanik aufzubauen?
Soweit ich weiß, ist das Kollapspostulat ziemlicher Standard in der Lehrbuchliteratur, auch wenn die Kopenhagener Deutung eher selten Erwähnung findet.
Oder versteht ihr hier unter dem Kollapspostulat etwas anderes als dass bei einer Messung der Zustand auf einen Eigenzustand des entsprechenden Hermiteschen Operators projiziert wird und man dabei den entsprechenden Eigenwert misst?
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 20. Nov 2021 01:31    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das heißt aber nicht, daß die Kritik daran für sie irrelevant ist, sondern daß ihnen nicht bewußt ist, daß es überhaupt etwas zu kritisieren gibt.

Das ist natürlich eine andere Lesart. Die Unterschiede würde man nur im Gespräch herausfinden.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Interessanter als zu hören was sie schon aus der Vorlesung wissen, ist für mich die Frage, wie sie auf die Kritik daran reagieren, die sie womöglich noch nicht kennen.

Auch ein guter Punkt.

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TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 20. Nov 2021 01:35    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Welche Postulate würdet ihr denn verwenden, um darauf die Quantenmechanik aufzubauen?
Soweit ich weiß, ist das Kollapspostulat ziemlicher Standard in der Lehrbuchliteratur …

Letzteres ist richtig. Problematisch ist aber nicht diese spezielle Interpretation - es gibt eh keine allgemein akzeptierte - sondern dass in Lehrbüchern kaum auf Kritikpunkte und Alternativen eingegangen wird.

Die einfachste Alternative ist wahrscheinlich die Ensemble-Interpretation, die auf dieses Postulat schlicht verzichtet.

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index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 20. Nov 2021 09:17    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Kritik am Kollapspostulat ist relvant für jeden, der diese Postulat anwendet oder als unverzichtbaren Teil der Quantenmechanik ausgibt.


Mal ne Zwischenfrage.
Welche Postulate würdet ihr denn verwenden, um darauf die Quantenmechanik aufzubauen?
Soweit ich weiß, ist das Kollapspostulat ziemlicher Standard in der Lehrbuchliteratur, auch wenn die Kopenhagener Deutung eher selten Erwähnung findet.


Ich denke das Kollapspostulat kann man einfach ersatzlos streichen. Es ist manchmal falsch und immer redundant. Ansonsten würde ich auf alles verzichten, was den Begriff "Messung" oder "Meßwert" verwendet. (Das schließt die Bornsche Regel ein, die stattdessen unter geeigneten Bedingungen abgeleitet werden sollte, die ihren Gültigkeitsbereich klar machen.) Bleiben kann die Aussage, daß der Zustand ein nichtnegativer, hermitescher Operator auf einem Hilbertraum mit ist, der der Bewegungsgleichung folgt. (EDIT: zumindest für abgeschlossene Systeme.) Um damit physikalisch etwas anfangen zu können benötigt man aber noch eine Algebra von Observablen, die man z.B. als Generatoren von Symmetrietransformationen erhält, z.B. die üblichen Observablen wie Impuls, Drehimpuls, Energie als Generatoren der Galilei- oder Lorentzgruppe.

Das wichtigste an "Postulaten" ist aber, daß sie nicht von übermäßig idealisierten Situationen ausgehen und von da aus unzulässig verallgemeinern. Das ist bei allen Postulaten der Fall, die sich auf Messungen beziehen. Abgesehen davon ist eigentlich egal welche man wählt.


Zitat:

Oder versteht ihr hier unter dem Kollapspostulat etwas anderes als dass bei einer Messung der Zustand auf einen Eigenzustand des entsprechenden Hermiteschen Operators projiziert wird und man dabei den entsprechenden Eigenwert misst?


Genau das verstehe ich unter Kollapspostulat.
cn



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Beitrag cn Verfasst am: 29. Nov 2021 06:55    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

Zitat:
... Das schließt die Bornsche Regel ein, die stattdessen unter geeigneten Bedingungen abgeleitet werden sollte, die ihren Gültigkeitsbereich klar machen...

Könntest du ein Beispiel geben? Ich habe ein paar Beweise gesehen, bin aber immer nicht überzeugt.
index_razor



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Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 02. Dez 2021 12:58    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

cn hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
... Das schließt die Bornsche Regel ein, die stattdessen unter geeigneten Bedingungen abgeleitet werden sollte, die ihren Gültigkeitsbereich klar machen...

Könntest du ein Beispiel geben? Ich habe ein paar Beweise gesehen, bin aber immer nicht überzeugt.


Ein einfaches Beispiel wird hier diskutiert: https://arxiv.org/abs/1904.12721 , Abschnitt 3.4.
Qubit



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Beiträge: 829

Beitrag Qubit Verfasst am: 02. Dez 2021 15:35    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
cn hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
... Das schließt die Bornsche Regel ein, die stattdessen unter geeigneten Bedingungen abgeleitet werden sollte, die ihren Gültigkeitsbereich klar machen...

Könntest du ein Beispiel geben? Ich habe ein paar Beweise gesehen, bin aber immer nicht überzeugt.


Ein einfaches Beispiel wird hier diskutiert: https://arxiv.org/abs/1904.12721 , Abschnitt 3.4.


Mal eine Frage zur "thermalen Interpretation" (mit der du offenbar liebäugelst)..

Wöre im Gedankenmodell eines "Quantenwürfels" der Erwartungswert der Augenzahl E(A)=3.5 nach der thermalen Interpretation ein "realer" Zustand des Quantenwürfels?
index_razor



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Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 02. Dez 2021 18:11    Titel: Re: Messungen bei Stern-Gerlach Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:

Wöre im Gedankenmodell eines "Quantenwürfels" der Erwartungswert der Augenzahl E(A)=3.5 nach der thermalen Interpretation ein "realer" Zustand des Quantenwürfels?


Ich nehme an unter einem "Quantenwürfel" verstehst du nicht das quantenmechanische Modell eines echten Würfels, z.B. in Form eines starren Körpers mit Zustand plus Zwangsbedingungen, sondern ein viel simpleres System mit



und einer Observable



Laut thermischer Interpretation ist der reale Wert von A im Zustand . Und natürlich gibt es viele Zustände, in denen dieser Wert 3.5 ist, z.B.



Über reale Würfel sagt das natürlich nicht viel aus. Ich betone das, weil du eine ähnliche Frage schon mal gestellt hast, ohne diesen Unterschied ausdrücklich zur Kenntnis zu nehmen.
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