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Tensordefinition Physik vs Mathematik
 
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Kratos319



Anmeldungsdatum: 10.03.2020
Beiträge: 18

Beitrag Kratos319 Verfasst am: 17. Dez 2020 09:33    Titel: Tensordefinition Physik vs Mathematik Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Hallo allerseits,
ich habe mich in den letzten Wochen vermehrt mit der Natur von Tensoren beschäftigt und bin dabei auf eine Vielzahl von Ausdrücken gestoßen, die ich unglücklicherweise nicht unter einen Hut bringen kann...
1. Also in einigen Physik-Lehrbüchern werden Tensoren über ihr Transformationsverhalten definiert, die für physikalische Theorien nützliche Eigenschaft sei also, dass sie sich immer gerade so im Bezug auf ihre Basis transformieren, dass mit ihnen getätigte Aussagen basisunabhängig sind. Nach dieser Definition müssten aber doch meines Erachtens als Tensor zu bezeichnende Objekte von der Betrachteten Gruppe abhängen, die für die Transformation verwendet wird. Sprich ein Tensor unter orthogonalen Transformationen ist nicht notwendigerweise ein Tensor unter Lorentztransformation.

2. Dazu im Widerspruch steht die Einführung sogenannter objektiver Tensoren (z.B. in "Kontinuumsmechanik" von Altenbach), die oben genanntes Transformationsverhalten aufweisen. Das lässt die Frage danach offen, was dann einen nicht objektiven Tensor ausmacht.

3. In der Mathematik sind Tensoren basisunabhängige Objekte (die natürlich trotzdem bezüglich einer Basis ausgedrückt werden können), die aus einem Tensorproduktraum stammen, so zumindest mein Verständnis. Ein solcher Produktraum kann einfach aus einem Vektorraum und seinem Dualraum gebildet werden. Das geht in die Richtung von 1. allerdings wird hier mit keinem Wort eine Gruppe erwähnt, demzufolge müsste diese Definition eine größere Anzahl von Objekten erhalten als 1..

Meine Ideen:
Ich habe keine Ahnung, wie diese Definitionen in Einklang zu bringen sind, hoffentlich kann man mir hier weiterhelfen !! Big Laugh
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 17. Dez 2020 10:07    Titel: Re: Tensordefinition Physik vs Mathematik Antworten mit Zitat

Kratos319 hat Folgendes geschrieben:
Meine Frage:
Hallo allerseits,
ich habe mich in den letzten Wochen vermehrt mit der Natur von Tensoren beschäftigt und bin dabei auf eine Vielzahl von Ausdrücken gestoßen, die ich unglücklicherweise nicht unter einen Hut bringen kann...
1. Also in einigen Physik-Lehrbüchern werden Tensoren über ihr Transformationsverhalten definiert, die für physikalische Theorien nützliche Eigenschaft sei also, dass sie sich immer gerade so im Bezug auf ihre Basis transformieren, dass mit ihnen getätigte Aussagen basisunabhängig sind. Nach dieser Definition müssten aber doch meines Erachtens als Tensor zu bezeichnende Objekte von der Betrachteten Gruppe abhängen, die für die Transformation verwendet wird. Sprich ein Tensor unter orthogonalen Transformationen ist nicht notwendigerweise ein Tensor unter Lorentztransformation.


Ja, das ist auch so. Aber zu einem Minkwoskiraum (Vektorraum mit innerem Produkt mit Signatur (+---)) gehören ja auch andere Tensorprodukte als zu einem euklidischen Raum (Signatur (+++)). Also ist die Situation gemäß der Mathematikerdefinition doch nicht wesentlich anders.

Zitat:

2. Dazu im Widerspruch steht die Einführung sogenannter objektiver Tensoren (z.B. in "Kontinuumsmechanik" von Altenbach), die oben genanntes Transformationsverhalten aufweisen. Das lässt die Frage danach offen, was dann einen nicht objektiven Tensor ausmacht.


Von einem "objektiven Tensor" habe ich noch nie etwas gehört. Was soll das sein?

Zitat:

3. In der Mathematik sind Tensoren basisunabhängige Objekte (die natürlich trotzdem bezüglich einer Basis ausgedrückt werden können), die aus einem Tensorproduktraum stammen, so zumindest mein Verständnis. Ein solcher Produktraum kann einfach aus einem Vektorraum und seinem Dualraum gebildet werden. Das geht in die Richtung von 1. allerdings wird hier mit keinem Wort eine Gruppe erwähnt, demzufolge müsste diese Definition eine größere Anzahl von Objekten erhalten als 1..


Zu jedem Vektorraum gehört die Gruppe der invertierbaren linearen Abbildungen. Diese vermittelt die Basistransformationen, unter denen sich Tensorkomponenten in der bekannten Weise transformieren. Damit steht auch die Physikerdefinition im Einklang mit der Mathematikerdefinition.

Der Unterschied beider Definitionen liegt m.E. weniger in der zugrundeliegenden Mathematik, als in der Motivation für die Einführung des Tensorbegriffs. Physiker verwenden Tensoren besonders deshalb, um die Symmetrieeigenschaften von Gleichungen auszudrücken. Sie verwenden ja auch nicht einfach irgendwelche Vektorräume, sondern solche, auf denen Darstellungen bestimmter Gruppen als Symmetrietransformationen wirken. Diese Darstellungen vererben sich einfach auf die gebildeten Tensorräume. Also ist es natürlich diese Transformationseigenschaften in den Vordergrund zu stellen.

In der Allgemeinen Relativitätstheorie ist es mit den Symmetrien der Grundgleichungen hingegen nicht so weit her. Deshalb definieren Physiker dort auch das Transformationsgesetz allgemeiner



Hierbei sind einfach die Differentiale irgendwelcher Koordinatentransformationen, also aus , nicht Elemente irgendwelcher spezieller Gruppen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Dez 2020 12:19    Titel: Re: Tensordefinition Physik vs Mathematik Antworten mit Zitat

Kratos319 hat Folgendes geschrieben:
Nach dieser Definition müssten aber doch meines Erachtens als Tensor zu bezeichnende Objekte von der betrachteten Gruppe abhängen, die für die Transformation verwendet wird. Sprich ein Tensor unter orthogonalen Transformationen ist nicht notwendigerweise ein Tensor unter Lorentztransformation.

Stimmt.

Z.B. ist das Objekt



- der Feldstärketensor der QCD - ein (0,2) Tensor bzgl. der SO(3,1) Lorentzgruppe (Indizes mu, nu) jedoch ein Vektor bzgl. der adjungierten Darstellung der SU(3) Color (Index a). Und die elektrische Feldstärke aus dem elektromagnetischen Feldstärketensor ist lediglich ein 3-Vektor bzgl. SO(3) Untergruppe der Rotationen.

Und schon wieder der verwirrende Sprachgebrauch der Physiker: eine indexfreie Notation wirst du selten finden, d.h. aber nicht, dass die Physiker einen anderen oder falschen Begriff von „Tensor“ haben, lediglich einen unsauberen bzw. verkürzten Sprachgebrauch, der meist nicht zwischen „Tensor“ und „Komponenten eines Tensors“ unterscheidet.

Ich präzisere: das Objekt



bezeichnet die Komponenten des Feldstärketensor der QCD bzgl. beliebiger Basen.

Kratos319 hat Folgendes geschrieben:
In der Mathematik sind Tensoren basisunabhängige Objekte (die natürlich trotzdem bezüglich einer Basis ausgedrückt werden können), die aus einem Tensorproduktraum stammen, so zumindest mein Verständnis. Ein solcher Produktraum kann einfach aus einem Vektorraum und seinem Dualraum gebildet werden. Das geht in die Richtung von 1. allerdings wird hier mit keinem Wort eine Gruppe erwähnt

Die Physiker rechnen zumeist mit einer konkreten Basis, da dieser oft eine bestimmte Bedeutung zukommt, z.B. dem Ruhesystem eines Beobachters. Man kann natürlich basisfrei arbeiten, aber bei einer konkreten Berechnung wirst du eine physikalisch ausgezeichnete Basis definieren. Generell findest du fast nie basisfreie Rechnungen - wenn, dann zumeist in der Allgemeinen Relativitätstheorie.

Bsp.

Wenn du den Viererimpuls p eines Photons sowie die Vierergeschwindigkeit u eines beliebigen Beobachters betrachtest, dann kannst du



definieren. Das ist gerade die Energie, die der Beobachter (mit u) dem Photon (mit p) zuschreibt. Diese Energie ist offensichtlich ein Skalar (!) d.h. invariant unter Lorentztransformation. D.h. alle anderen Beobachter bzw. Benutzer verschiedener Koordinatensysteme stimmen darin überein, dass dieser Beobachter (mit u) diese Energie misst.

Im Ruhesystem dieses Beobachters gilt speziell



d.h.



(für diagonale Metrik).

Die Physiker bezeichnen oft p° selbst als „Energie des Photons im Ruhesystem des Beobachters“, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass dies mathematisch unsauber ist, da p° selbst sicher kein Skalar ist, und der Zusammenhang erst durch geeignete Projektion auf u in einem speziellen Fall folgt. D.h. du liest oft „die Energie transformiert sich wie die Nullkomponente eines Vierervektors“.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 17. Dez 2020 13:52    Titel: Re: Tensordefinition Physik vs Mathematik Antworten mit Zitat

Ich stimme deiner Darstellung zum Großteil zu, bis auf eine Kleinigkeit in diesem Beispiel (die auch einen Bezug zu unserer anderen Diskussion hat und mir deshalb wichtig erscheint):

TomS hat Folgendes geschrieben:

Bsp.

Wenn du den Viererimpuls p eines Photons sowie die Vierergeschwindigkeit u eines beliebigen Beobachters betrachtest, dann kannst du



definieren. Das ist gerade die Energie, die der Beobachter (mit u) dem Photon (mit p) zuschreibt. Diese Energie ist offensichtlich ein Skalar (!) d.h. invariant unter Lorentztransformation. D.h. alle anderen Beobachter bzw. Benutzer verschiedener Koordinatensysteme stimmen darin überein, dass dieser Beobachter (mit u) diese Energie misst.

Im Ruhesystem dieses Beobachters gilt speziell



d.h.



(für diagonale Metrik).

Die Physiker bezeichnen oft p° selbst als „Energie des Photons im Ruhesystem des Beobachters“, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass dies mathematisch unsauber ist, da p° selbst sicher kein Skalar ist, und der Zusammenhang erst durch geeignete Projektion auf u in einem speziellen Fall folgt.


Die Zahl ist identisch mit also nach deiner ersten Definition gilt



Darin ist kein mathematisch relevanter Unterschied zum ersten Fall vorhanden. Es ist lediglich ein anderer Vektor beteiligt: , statt (oder vielleicht sogar derselbe Vektor unter anderem Namen). Wie kann das eine ein Skalar sein, das andere aber nicht?

Der Unterschied liegt hier lediglich in einer willkürlichen Festlegung, wie die definierte Zahl zu transformieren hat. Du verwendest



im ersten Fall und folgerst, daß es sich um einen "Skalar" handelt. Im zweiten Fall verwendest du



und schließt, daß es kein Skalar ist. Tatsächlich ist diese Unterscheidung rein willkürlich. Es gibt keinen wesentlichen Unterschied zwischen beiden Fällen. Und es liegt auch keine mathematische Unsauberkeit in der Bezeichnung von als "Energie im Ruhesystem des Beobachters [mit Vierergeschwindigkeit ]").
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Dez 2020 14:35    Titel: Re: Tensordefinition Physik vs Mathematik Antworten mit Zitat

Das ist nicht der Punkt. Physikalisch ist das nicht willkürlich sondern maßgeblich.


1) Die Transformation der Observablen bzw. des Skalars E lautet - bei dir richtigerweise



d.h. sie ist unabhängig von der Wahl der Basis.


2) Im zweiten Fall definiere ich



als Komponente bzgl. dieser ausgezeichneten Basis mit diesem e°. p° ist also abhängig von dieser Basis.

Wenn ich die Nullkomponente bzgl. einer anderen (rotierten) Basis ausrechne, dann erhalte ich richtigerweise




Um den physikalischen Unterschied zu erklären, muss ich jedoch die Unterscheidung zwischen E und p° einführen und konsequent durchhalten. Bei (1) spreche ich von E, bei (2) von p°.

Tatsächlich handelt es sich bei den beiden Transformationen um zwei völlig verschiedene Dinge - und das ist physikalisch nicht willkürlich!

Bei (1) berechne ich die Energie eines Photons, gemessen in einem speziellen durch u definierten Bezugsystem. Die Transformation besagt, dass ich die selbe physikalische Größe in beliebigen Koordinatensystemen berechnen kann, und dass ich jeweils das selbe Ergebnis erhalte; E ist eine Invariante bzgl. der Transformation in (1).

Bei (2) berechne ich zunächst die Nullkomponente eines Vierervektors; diese kann ich assoziieren mit der Energie eines Photons, gemessen in einem speziellen durch u definierten Bezugsystem. Die Transformation besagt jedoch, dass ich nun eine andere physikalische Größe berechne und damit ein anderes Ergebnis erhalte (wenn ich die Energie bzgl. eines anderen Bezugsystem jedoch nach wie vor im selben Koordinatensystem berechne; ich transformiere ja den ersten Vektor e° bzw. u, muss dies jedoch gerade nicht als Basistransformation auffassen; physikalisch ist das äquivalent zur Beobachtung eines anderen Photons durch den ursprünglichen Beobachter)


(1) ist eine physikalisch irrelevante Koordinatensformation, (2) dagegen eine physikalisch relevante Änderung des Bezugsystems. (1) entspricht trivialerweise einer Symmetrie, (2) nicht.

Dass „Koordinatenssystem“ und „Bezugsystems“ oft synonym verwendet werden, ist eine Nachlässigkeit, denn somit wird der Unterschied zwischen (1) und (2) begrifflich verschleiert.

Die Gleichung



definiert einen Skalar, die Gleichung



definiert einen anderen Skalar; Skalar zu verstehen als „Skalar bzgl. (1)“.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 17. Dez 2020 15:16, insgesamt 2-mal bearbeitet
Kratos319



Anmeldungsdatum: 10.03.2020
Beiträge: 18

Beitrag Kratos319 Verfasst am: 17. Dez 2020 15:08    Titel: Antworten mit Zitat

Also erstmal Danke für eure ausführlichen Antworten!
Wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist es letztlich die Gruppe der invertierbaren linearen Abbildungen auf einem Vektorraum die das gewünschte Transformationsverhalten der Tensoren bewirkt, und da der Tensorproduktraum vom zugrundeliegenden Vektorraum abhängt liegt da der Zusammenang zwischen mathematischer und physikalischer Definition. Soweit richtig?
Und wenn Physiker dann fragen, ob eine gewisse Größe ein Tensor ist, also z.B. ob elektrische Ladung ein Lorentzskalar ist oder ob das Levi-Civita-Symbol ein Tensor ist, ist das dann einfach nur die Frage danach, ob die betrachtete Größe im aktuellen Vektorraum (z.B. dem Minkowskiraum) darstellbar ist? Denn dann müsste sie ja automatisch dieselben Eigenschaften unter der Gruppe linearer Abbildung aufweisen wie andere Objekte dieses Raumes...

Nun kommt, so entnehme ich es euren Ausführungen, der Teilmenge der Gruppe invertierbarer linearer Abbildungen, die Symmetrieeigentschaften haben, eine besondere Rolle zugute. Z.b. ist die LT für den Minkowskiraum isometrisch. D.h. dass alle Tensoren dieses Raumes dann derselben Symmetrie unterliegen, ok soweit klar. Dann verwirrt mich nur der Begriff des "objektiven Tensors". Ich habe einen Ausschnitt aus dem Lehrbuch angehängt, wo ich auf den Begriff gestoßen bin. Auf mich wirkt es so, als würde zunächst das allgemeine Transformationsverhalten für Tensoren des euklidischen Raumes unter orthogonalen Transformationen definiert. Im Anschluss findet der Autor aber Objekte, die Tensoren sind, aber eben doch nicht oben genannte Symmetriegutscheine erfüllen. Auf der anderen Seite sind sie aber meines Erachtens auf jeden Fall Objekte des R3...
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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 17. Dez 2020 15:14    Titel: Re: Tensordefinition Physik vs Mathematik Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Das ist nicht der Punkt.

1) Die Transformation des Skalars E lautet - bei dir richtigerweise



d.h. sie ist unabhängig von der Wahl der Basis.

2) Im zweiten Fall definiere ich



als Komponente bzgl. dieser ausgezeichneten Basis mit diesem e°. p° ist also abhängig von dieser Basis.

Wenn ich die Nullkomponente bzgl. einer anderen (rotierten) Basis ausrechne, dann erhalte ich richtigerweise




Etwas anderes habe ich auch nicht geschrieben. Es besteht lediglich kein mathematischer Unterschied zwsichen der Definition von und .

Zitat:

Und deswegen ist „p° als Nullkomponente eines Vierervektors bzgl. einer bestimmten Basis“ eben kein Skalar, sondern die Nullkomponente eines Vierervektors bzgl. einer bestimmten Basis. Um das physikalisch zu erklären, muss ich jedoch die Unterscheidung zwischen E und p° einführen und konsequent durchhalten.


Du kannst gern einen physikalischen Unterschied zwischen und definieren. Dieser beruht ausschließlich auf dem physikalischen Unterschied der beiden Vektoren und . Beides sind einfach Elemente desselben Vektorraums und beide können Elemente einer Basis dieses Vektorraums sein. Deshalb ist der Unterschied zwischen und nicht mathematisch relevant. (Auch wenn er physikalisch relevant sein kann.)

Im anderen Thread haben wir gerade darüber diskutiert ob für die kovariante Ableitung anderer Regeln gelten, wenn sie auf "skalare" Funktionen angewendet werden, als wenn man sie auf nichtskalare Funktionen anwendet. Diese Vorstellung beruht auf derselben falschen Vorstellung, das es hier einen wohldefinierten mathematischen Unterschied gäbe.

Zitat:

Tatsächlich handelt es sich bei den beiden Transformationen auch um zwei völlig verschiedene Dinge - und das ist physikalisch nicht willkürlich!


Natürlich sind die beiden Transformation unterschiedlich, sogar mathematisch. Der Unterschied zwischen skalaren Zahlen und nichtskalaren Zahlen existiert aber nicht. Es handelt sich um dieselben Zahlen, die man mal dem einen, mal dem anderen Transformationsgesetz unterzieht.

Zitat:

Bei (1) berechne ich die Energie eines Photons, gemessen in einem speziellen durch u definierten Bezugsystem. [...]

Bei (2) berechne ich zunächst die Nullkomponente eines Vierervektors;[...]


Was mathematisch genau dasselbe ist wie (1). Beides sind Skalarprodukte von p mit einem zeitartigen Vektor. Die Definition der Zahl ist deshalb in beiden Fällen absolut identisch. Es handelt sich physikalisch bei (1) und (2) jeweils um die "Energie eines Photons, gemessen in einem speziellen durch u oder definierten Bezugssystem" oder anders formuliert um die "Komponente des Vierervektors p in Richtung von u oder ." Mal betonst du die eine Lesart, mal die andere. Aber sie sind mathematisch vollkommen identisch.

Beide Fälle unterscheiden sich nur in der Fragestellung die ich im Hinblick auf die definierte Zahl untersuchen möchte: (1) Welche Energie mißt ein Beobachter u an p. (2) Wie hängt die gemessene Energie von u ab. Für die zweite Fragestellung untersuche ich das Transformationsgesetz . Aber das ist genau dieselbe Definition der Energie wie im ersten Fall. Der Unterschied dieser Fragestellung ist natürlich sowohl mathematisch als auch physikalisch relevant.

Ich entschuldige mich, falls das alles trivial erscheint. Aber deine Bemerkungen über den angeblichen Unterschied zwischen skalaren Funktionen und Tensorkomponenten im Hinblick auf die kovariante Ableitung ließen mich vermuten, daß hier evtl. Klärungsbedarf besteht.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Dez 2020 15:27    Titel: Antworten mit Zitat

Nee, passt schon, zumindest in diesem Thread sind wir uns völlig einig ;-)

Mir war nur wichtig, dass die Mathematik eben nicht entscheiden kann, was mit (e,p) physikalisch gemeint ist, noch dazu, wo der Unterschied bei der Transformation (2) sichtbar wird, die der Mathematiker evtl. nie betrachten würde, weil dabei - trivialerweise - keine Symmetrietransformation vorliegt.

Die Überlegung und Rechnung im anderen Thread hebe ich mir für heute Abend auf.

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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17900

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Dez 2020 15:35    Titel: Antworten mit Zitat

Kratos319 hat Folgendes geschrieben:
Nun kommt, so entnehme ich es euren Ausführungen, der Teilmenge der Gruppe invertierbarer linearer Abbildungen, die Symmetrieeigentschaften haben, eine besondere Rolle zugute. Z.b. ist die LT für den Minkowskiraum isometrisch. D.h. dass alle Tensoren dieses Raumes dann derselben Symmetrie unterliegen, ok soweit klar.

Mathematisch ok, soweit noch keine Physik ;-)

Kratos319 hat Folgendes geschrieben:
Dann verwirrt mich nur der Begriff des "objektiven Tensors".

Mich auch.

Was bei (6.2) steht sind ja letztlich nur Transformationsregeln. Warum dafür der Begriff der „objektiven Größen“ eingeführt wird, ist mir nicht klar.

Was ist denn das für ein Buch? Wo und wie führt der Autor den Begriff der „objektiven Größen“ ein?

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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 17. Dez 2020 16:26    Titel: Antworten mit Zitat

Kratos319 hat Folgendes geschrieben:
Also erstmal Danke für eure ausführlichen Antworten!
Wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist es letztlich die Gruppe der invertierbaren linearen Abbildungen auf einem Vektorraum die das gewünschte Transformationsverhalten der Tensoren bewirkt, und da der Tensorproduktraum vom zugrundeliegenden Vektorraum abhängt liegt da der Zusammenang zwischen mathematischer und physikalischer Definition. Soweit richtig?


Ja im Prinzip schon. Denn die Menge der invertierbaren linearen Abbildungen des Vektorraums auf sich selbst definiert im Prinzip alle möglichen Basiswechsel und damit alle möglichen Transformationen der Tensorkomponenten.

Zitat:

Und wenn Physiker dann fragen, ob eine gewisse Größe ein Tensor ist, also z.B. ob elektrische Ladung ein Lorentzskalar ist oder ob das Levi-Civita-Symbol ein Tensor ist, ist das dann einfach nur die Frage danach, ob die betrachtete Größe im aktuellen Vektorraum (z.B. dem Minkowskiraum) darstellbar ist?


Die Frage ob eine Größe ein Skalar oder Vektor oder irgendwas anderes ist, ist entweder trivial oder unmöglich zu beantworten. Man muß schlicht und einfach angeben, welche Darstellung der Gruppe auf dem Raum wirkt, aus dem die Größe stammt. Wenn man dies weiß, dann ist die Antwort trivial: Die triviale Darstellung definiert Skalare, die sog. "definierende" Darstellung definiert Vektoren. Die kogrediente Darstellung definiert Kovektoren und Produkte von den letzten beiden definieren Tensoren. Wenn man nicht angibt, von welcher Darstellung man redet, ist die Frage unmöglich zu beantworten.

Vor einem halben Jahr hatten wir übrigens eine interessante Diskussion darüber, ob die Ladung



ein Lorentzskalar ist. Das ist gar nicht so trivial. Ändert sich das Volumen V mit dem Beobachter oder geht es um die Invarianz der Ladung in einem festen Volumen? Muß man immer über den ganzen Raum integrieren? Hängt es davon ab, ob die Ladung erhalten bleibt?


Zitat:

Dann verwirrt mich nur der Begriff des "objektiven Tensors". Ich habe einen Ausschnitt aus dem Lehrbuch angehängt, wo ich auf den Begriff gestoßen bin.


Ich denke der Autor versucht hier keine mathematische Definition. Ein "objektiver" Tensor ist einfach ein Tensor. "Subjektive Tensoren" gibt es nicht.

Interessant finde ich den zitierten Abschnitt trotzdem. Der Autor kommt zu dem Schluß, daß F kein "objektiver Tensor" ist. Oberflächlich scheint F allerdings exakt das Transformationsgesetz eines "objektiven Vektors" gemäß (6.2) zu erfüllen. (bzw. vermutlich einer Menge von 3 objektiven Vektoren?)

Vielleicht fehlt mir hier einfach der Kontext. Aber mir scheint als ob der Autor ungewollt demonstriert, daß es doch nicht so einfach ist, die "Objektivität" der betrachteten Größen aus dem Transformationsgesetz abzuleiten, wie er behauptet. Die Frage welches "Transformationsgesetz gilt für die Größe X"? ist im allgemeinen einfach schlecht definiert. Wenn ich X einführe muß ich doch mindestens so präzise sein, daß erkennbar ist, ob es sich um irgendeinen Tensor handelt oder nicht. Wenn ich dies nicht tue, weiß ich einfach nicht genug über X um seine Eigenschaften unter einem Wechsel des Bezugssystems abzuleiten.
Kratos319



Anmeldungsdatum: 10.03.2020
Beiträge: 18

Beitrag Kratos319 Verfasst am: 17. Dez 2020 16:37    Titel: Antworten mit Zitat

Das Buch heißt "Kontinuumsmechanik" und ist von Holm Altenbach, erschienen im Springer Verlag. Eingeführt wurde der Begriff für Objekte, die benutzt werden können, um Sachverhalte zu formulieren, die für alle Beobachter gleich sind. Ich versuch es mal einige wenige prägnante Ausschnitte anzufügen. Grundsätzlich geht es darum, Konstitutivgleichungen für Materialen aufzustellen, die für alle Beobachter forminvariant sind. Wir sind da im Bereich der Materialtheorie.


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Kratos319



Anmeldungsdatum: 10.03.2020
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Beitrag Kratos319 Verfasst am: 17. Dez 2020 16:38    Titel: Antworten mit Zitat

weiter gehts


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Kratos319



Anmeldungsdatum: 10.03.2020
Beiträge: 18

Beitrag Kratos319 Verfasst am: 17. Dez 2020 16:40    Titel: Antworten mit Zitat

Danach gehts mit dem weiter was ich oben schon geschickt habe


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Kratos319



Anmeldungsdatum: 10.03.2020
Beiträge: 18

Beitrag Kratos319 Verfasst am: 17. Dez 2020 16:43    Titel: Antworten mit Zitat

@ index razor deine Antwort hatte ich noch nicht gesehen, da könntest du recht haben...
Über deine Erläuterung muss ich erstmal etwas sinnieren, da melde ich mich vielleicht morgen nochmal zu Big Laugh
Kratos319



Anmeldungsdatum: 10.03.2020
Beiträge: 18

Beitrag Kratos319 Verfasst am: 18. Dez 2020 09:28    Titel: Antworten mit Zitat

Also ich bin zu dem Schluss gekommen, der Bezeichnung "objektiver Tensor" nicht zu viel Bedeutung beizumessen, dann stimmt mein Weltbild wieder xD
Ich danke euch beiden sehr!!!
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