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Frage zur Wahrheitsdefinition nach Tarski
 
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dcba
Gast





Beitrag dcba Verfasst am: 21. März 2020 17:19    Titel: Frage zur Wahrheitsdefinition nach Tarski Antworten mit Zitat

Hallo zusammen,

habe nochmal eine philosophische Frage (hoffe die Kategorie sonstiges ist dafür i.O.).

Und zwar wurde in dem Thema "Physik und Philosophie" der Wahrheitsbegriff von Tarski kurz angerissen.

Dort wurde geschrieben:
Zitat:
Also zunächst mal spreche ich ja nicht von "wahr" im empirischen Sinne, sondern in dem alltäglichen Sinne, nach dem der Satz "Das Gras ist grün." äquivalent ist zu "Der Satz 'Das Gras ist grün' ist wahr.", der von Tarski präzisiert wurde und von dem Popper behauptet, daß man ihn entweder akzeptiert oder nicht verstanden hat. Jedenfalls hat dies nichts damit zu tun, ob ich Gras beobachten kann.


Nun zu meinem Problem. Leider verstehe ich nicht wirklich, wie dass gemeint sein soll. Wenn ich Gras nicht beobachten kann, weiß ich doch auch nicht, welche Farbe es hat? Also kann ich doch gar nicht sagen, dass die Aussage wahr ist?
Habe schon versucht, mir die Artikel auf Wikipedia dazu durchzulesen, aber leider verstehe ich dadurch nicht wirklich mehr dazu. Dort heißt es meistens, dass auch bei Tarski dann von Wahrheit die rede ist, wenn die Aussage mit der entsprechenden Tatsache in der Welt übereinstimmt.

Hier im Forum führte mich dabei die Suchfunktion auf noch ein weiteres Thema, indem dies behandelt wurde. Dort wurde geschrieben:
Zitat:

Popper bezieht sich auf den Wahrheitsbegriff von Tarski, der auch in Logik und Mathematik verwendet wird. Ich sehe keinen Grund (und ich glaube Popper auch nicht), diesen Begriff nicht universell auf beliebige Aussagen, egal ob aus natürlichen oder formalen Sprachen, und ihre Interpretationen anzuwenden. Das schließt alle Gebiete wie Wissenschaft, Philosophie, Mathematik und Religion gleichermaßen mit ein.

Dieser Wahrheitsbegriff ist "absolut" in dem Sinne, daß eine Aussage (oder genauer gesagt eine Interpretation einer Aussage) entweder wahr oder falsch ist. Es gibt keine "Ansichtsachen". Er ist "relativ" in dem Sinne, daß dieselbe (formale) Aussage eben verschiedene Interpretationen haben kann. (Z.B. ist wahr für Zahlen, aber falsch für Matrizen, etc.)


Hier wundert es mich, dass es heißt, dass der Wahrheitsbegriff absolut ist und es keine Ansichtssachen gibt. Erwähnt wurde auch, man könnte diesen Begriff auf Philosophie (oder aber auch Religion) beziehen. Hier können wir aber doch gar nicht wissen, ob eine Aussage wahr oder falsch ist (fehlende Falsifizierbarkeit).
Vielleicht habe ich den Wahrheitsbegriff von Tarski auch völlig missverstanden. Kann mich jemand "aufklären"?
Vielen Dank!
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 21. März 2020 17:47    Titel: Antworten mit Zitat

Du verwechselst die Fragen

1) Was ist eine adäquate Verwendung des Prädikats "'...' ist wahr"? und
2) Woher wissen wir, ob eine Aussage '...' wahr ist.

Ich habe schon einige Diskussionen zu dem Thema geführt, und diese Verwechslung scheint fast immer die Ursache für die Behauptung zu sein, der Begriff "Wahrheit" hätte in der Naturwissenschaft keinen Platz.

Sicherlich erlangen wir unser Wissen über die Wahrheit von Aussagen in der Naturwissenschaft teilweise durch Beobachtung. Aber "P ist wahr" ist keine Behauptung über unser Wissen. Es ist eine Behauptung über die Aussage P, nichts weiter. (Korrekterweise müßte man sagen "über die Interpretation der Aussage P", aber ich gehe von einer fixen Interpretation der Symbole in P aus.)

Daß der so definierte Wahrheitsbegriff nichts mit Beobachtungen zu tun hat, sieht man schon daran, daß er auf formalisierte Aussage über mathematische Strukturen angewendet werden kann. Über deren Wahrheit wissen wir aber auch nichts aus Beobachtungen.

Zitat:

Habe schon versucht, mir die Artikel auf Wikipedia dazu durchzulesen, aber leider verstehe ich dadurch nicht wirklich mehr dazu. Dort heißt es meistens, dass auch bei Tarski dann von Wahrheit die rede ist, wenn die Aussage mit der entsprechenden Tatsache in der Welt übereinstimmt.


Genau, wenn sie mit den Tatsachen übereinstimmt, dann ist sie wahr. Oder anders formuliert

"P ist wahr", genau dann wenn es eine Tatsache ist, daß P.

Das bedeutet formal nichts anderes, als daß

"P ist wahr" äquivalent ist zu P.

Das hat absolut nichts mit der Beobachtung der Tatsachen zu tun. Das entspricht auch der alltäglichen Bedeutung des Begriffes. Ob X ein Verbrechen beging oder nicht, kann man vor Gericht auch klären, wenn niemand das Verbrechen beobachtet hat und dies auch nicht mehr möglich ist, weil es schon in der Vergangenheit liegt. Wenn alles gut läuft, dann lautet das Urteil "X ist schuldig", genau dann wenn es den Tatsachen entspricht, daß X schuldig ist, aber nicht unbedingt nur dann, wenn das Verbrechen von X beobachtet wurde.
Qubit



Anmeldungsdatum: 17.10.2019
Beiträge: 829

Beitrag Qubit Verfasst am: 21. März 2020 20:57    Titel: Re: Frage zur Wahrheitsdefinition nach Tarski Antworten mit Zitat

Ohne irgendetwas über den Wahrheitsbegriff von Tarski behaupten zu wollen, verstehe ich es folgendermaßen..

dcba hat Folgendes geschrieben:

Nun zu meinem Problem. Leider verstehe ich nicht wirklich, wie dass gemeint sein soll. Wenn ich Gras nicht beobachten kann, weiß ich doch auch nicht, welche Farbe es hat? Also kann ich doch gar nicht sagen, dass die Aussage wahr ist?
Habe schon versucht, mir die Artikel auf Wikipedia dazu durchzulesen, aber leider verstehe ich dadurch nicht wirklich mehr dazu. Dort heißt es meistens, dass auch bei Tarski dann von Wahrheit die rede ist, wenn die Aussage mit der entsprechenden Tatsache in der Welt übereinstimmt.


Es gebe neben dem "Objektbereich" ja eine semantische Beschreibungsebene, in der man (abstrakte) Eigenschaften und Zusammenhänge der Objekte formuliert. Dies sei auch ein Abbild der beschriebenen Realität in Form eben formalisierter Beschreibungen.
"Wahrheit" bedarf dagegen offenbar einer strengeren logischen Begründung, eines formalisierten Kalküls, in dem über Objekte der Beschreibung (Semantik, nicht Erfahrungsbereich) geurteilt wird. Diese Ebene wiederum ist eine "Metaebene" der semantischen Ebene mir strenger formaler Begründung.
Der Zusammenhang der "Wahrheit" zwischen diesen Ebenen ist damit auch "nur" ein korrespondierender, kein identischer.


dcba hat Folgendes geschrieben:

Hier wundert es mich, dass es heißt, dass der Wahrheitsbegriff absolut ist und es keine Ansichtssachen gibt. Erwähnt wurde auch, man könnte diesen Begriff auf Philosophie (oder aber auch Religion) beziehen. Hier können wir aber doch gar nicht wissen, ob eine Aussage wahr oder falsch ist (fehlende Falsifizierbarkeit).
Vielleicht habe ich den Wahrheitsbegriff von Tarski auch völlig missverstanden. Kann mich jemand "aufklären"?
Vielen Dank!


Im Prinzip ist dies eine Erweiterung in der obigen Methode von Begründungen auf alle "Objektbereiche", auch solchen, die sich nicht auf die unmittelbaren Erfahrungsbereiche beziehen. "Absolut" ist dann aber immer nur die "Wahrheit" auf Metaebene, und das uneingeschränkt. Eine Korrespondenz kann hier aber wohl "wahr" sein oder aber auch "nicht wahr".
dcba
Gast





Beitrag dcba Verfasst am: 23. März 2020 08:38    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

Zitat:

Du verwechselst die Fragen

1) Was ist eine adäquate Verwendung des Prädikats "'...' ist wahr"? und
2) Woher wissen wir, ob eine Aussage '...' wahr ist.


Ich habe vermutlich 1) und 2) "durchmischt".

Gehe ich nun richtig in der Annahme, dass Tarski seine Definition auf 1) zutrifft?


[/quote]"P ist wahr", genau dann wenn es eine Tatsache ist, daß P
Zitat:


Dass heißt also erstmal nur, die Aussage P ist dann wahr, wenn sie vorliegt?

Hier hat es bei mir leider noch nicht ganz "klick" im Kopf gemacht.

Bzw wie ist hier die Verknüpfung zu 2) ?

Hier können wir doch eigentlich nur über die wissenschaftlichen Methoden herausfinden, was zutrifft und was nicht. In der Mathematik werden ja die entsprechenden Sätze aus den Axiomen abgeleitet, die man als wahr annimmt.

Und bei philosophischen Themen? Da muss doch im Bezug zu 2) jeder selbst entscheiden, was er als wahr oder falsch vorraussetzt? Dies ist hier doch schon eine Ansichtssache.
dcba
Gast





Beitrag dcba Verfasst am: 23. März 2020 08:40    Titel: Antworten mit Zitat

Hier ist mir ein Schreibfehler unterlaufen, der letzte Abschnitt soll kein Zitat sein. Tut mir Leid!
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 23. März 2020 13:19    Titel: Antworten mit Zitat

dcba hat Folgendes geschrieben:

Zitat:

Du verwechselst die Fragen

1) Was ist eine adäquate Verwendung des Prädikats "'...' ist wahr"? und
2) Woher wissen wir, ob eine Aussage '...' wahr ist.


Ich habe vermutlich 1) und 2) "durchmischt".

Gehe ich nun richtig in der Annahme, dass Tarski seine Definition auf 1) zutrifft?


Ja, es geht nur um die Beantwortung von 1).

Zitat:

Zitat:
"P ist wahr", genau dann wenn es eine Tatsache ist, daß P


Dass heißt also erstmal nur, die Aussage P ist dann wahr, wenn sie vorliegt?


Eher wenn das vorliegt, was sie behauptet.

Zitat:

Bzw wie ist hier die Verknüpfung zu 2) ?

Hier können wir doch eigentlich nur über die wissenschaftlichen Methoden herausfinden, was zutrifft und was nicht.


Es geht ja eben nicht darum, was wir herausfinden können. Es gibt viele Wahrheiten, die niemand von uns je herausfinden wird.

Zitat:

In der Mathematik werden ja die entsprechenden Sätze aus den Axiomen abgeleitet, die man als wahr annimmt.


Das glauben viele, aber das ist nicht so. Es gibt sogar ein bekanntes Theorem von Gödel, nach dem es kein Axiomensystem der Arithmetik geben kann, aus dem sich alle wahren Aussagen über die natürlichen Zahlen beweisen lassen.

Beweisbarkeit ist eine rein syntaktische Relation zwischen Sätzen, d.h. man muß dabei nur die Form der Sätze berücksichtigen. Der Wahrheitsbegriff erfordert hingegen die Betrachtung von Modellen, auf die sich diese Sätze beziehen sollen, z.B. die natürlichen Zahlen. (Deswegen heißt er "semantisch".) Beide Eigenschaften, Beweisbarkeit und Wahrheit, sind unabhängig voneinander. Bekanntermaßen kann man sogar falsche Aussagen beweisen, wenn man ein widersprüchliches Axiomensystem verwendet.

Zitat:

Und bei philosophischen Themen? Da muss doch im Bezug zu 2) jeder selbst entscheiden, was er als wahr oder falsch vorraussetzt? Dies ist hier doch schon eine Ansichtssache.


Du kannst natürlich entscheiden was du voraussetzt. Unglücklicherweise wird eine Voraussetzung nicht automatisch wahr, nur weil du dich für sie entschieden hast.
dcba
Gast





Beitrag dcba Verfasst am: 23. März 2020 15:54    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Eher wenn das vorliegt, was sie behauptet.


Aber nochmal zu dem Beispiel: "Das Gras ist grün" ist wahr, wenn es der Fall ist, dass das Gras grün ist. Um hier von wahr reden zu können, muss ich doch definitiv wissen, dass es grün ist?!? Oder verstehe ich da immer noch etwas falsch?

Zitat:
Du kannst natürlich entscheiden was du voraussetzt. Unglücklicherweise wird eine Voraussetzung nicht automatisch wahr, nur weil du dich für sie entschieden hast.


Das ist klar. Da wir aber in der Philosophie und ähnlichen Bereichen nicht empirisch vorgehen und falsifizieren können, bleibt uns ja nichts anderes übrig, als Annahmen zu treffen.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 23. März 2020 16:24    Titel: Antworten mit Zitat

dcba hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Eher wenn das vorliegt, was sie behauptet.


Aber nochmal zu dem Beispiel: "Das Gras ist grün" ist wahr, wenn es der Fall ist, dass das Gras grün ist. Um hier von wahr reden zu können, muss ich doch definitiv wissen, dass es grün ist?!?


Das mußt du definitiv nicht wissen. Vielleicht hilft ein weniger triviales Beispiel. Es gilt nämlich auch: "P != NP" ist wahr, genau dann wenn es ein "leicht" zu verifizierendes, aber nicht "leicht" zu lösendes Problem gibt (mit präziser Definition von "leicht" etc.).

Aber obwohl ich es vermute, weiß ich nicht definitiv, ob P != NP.

Zitat:

Oder verstehe ich da immer noch etwas falsch?


Ja, ich glaube du hast noch nicht verstanden, daß es nur darum geht zu erklären was "'...' ist wahr." bedeutet, nicht darum, wie wir Wahrheit erkennen können.

Zitat:

Zitat:
Du kannst natürlich entscheiden was du voraussetzt. Unglücklicherweise wird eine Voraussetzung nicht automatisch wahr, nur weil du dich für sie entschieden hast.


Das ist klar. Da wir aber in der Philosophie und ähnlichen Bereichen nicht empirisch vorgehen und falsifizieren können, bleibt uns ja nichts anderes übrig, als Annahmen zu treffen.


Und warum hältst du das für relevant?

Wenn ich mich recht erinnere ging es in der Diskussion, aus der du ursprünglich zitiert hast, ja gerade darum, daß Falsifizierbarkeit nichts mit Wahrheit (im Sinne von Tarski) zu tun hat.
dcba
Gast





Beitrag dcba Verfasst am: 24. März 2020 11:48    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Und warum hältst du das für relevant?

Wenn ich mich recht erinnere ging es in der Diskussion, aus der du ursprünglich zitiert hast, ja gerade darum, daß Falsifizierbarkeit nichts mit Wahrheit (im Sinne von Tarski) zu tun hat.


Ich denke, ich lasse mich zu sehr von den alltäglichen Begriffen "wahr" und "falsch" leiten.
In einem Thema hier im Forum wurde dies ja auch auf die verschiedenen Sichtweisen der Physik bezogen, sodass ich hier verwirrt war/vielleicht noch etwas bin. Dort ging es, soweit ich mich erinnere, um die Existenz von nicht beobachtbaren physikalischen Entitäten; hier kann man objektiv ja weder Existenz noch Nichtexistenz feststellen. Bzw. im alltagssprachlichen Rahmen sagen, dass die Existenz solcher phy. Entitäten wahr (im Sinne von: trifft auf die Realität zu) oder falsch (im Sinne von: trifft nicht auf die Realität zu) ist.

Da sich der Tarski seine Verwendung von wahr und falsch ja anscheinend fundamental von der alltäglichen Verwendung dieser Begriffe unterscheidet, habe ich wohl einiges durcheinander geworfen.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 24. März 2020 13:15    Titel: Antworten mit Zitat

Welche fundamentalen Unterschiede zu den Alltagsbegriffen siehst du denn? Ich glaube nämlich, daß dies dein eigentlicher Irrtum ist.

Es gibt natürlich die bekannten technischen Schwierigkeiten das Wahrheitsprädikat allgemein für die Umgangssprache zu definieren. Aber deren Lösung für formale Sprachen scheint mir genau die umgangssprachliche Bedeutung dieses Begriffs abbilden zu wollen und ist auch m.E. vollkommen vereinbar mit dieser.

Wie ich oben bereits sagte, glaube ich jedenfalls nicht, daß die alltägliche Verwendung irgendeine Möglichkeit der Beobachtung voraussetzt.
dcba
Gast





Beitrag dcba Verfasst am: 24. März 2020 14:45    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo index,

umgangssprachlich verbinde ich mit dem Begriff wahr=zutreffend, in der Realität eindeutig zutreffend (ohne den Realitätsbegriff jetzt wieder zu diskutieren). Deshalb auch die ganze Zeit meine Unsicherheit, ob wir in bei Themen verwenden können, wo wir diese Tatsachen und Umstände nie wissen werden.

Und das scheine ich mit Tarski seiner Definition vermischt zu haben.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 24. März 2020 15:20    Titel: Antworten mit Zitat

dcba hat Folgendes geschrieben:
Hallo index,

umgangssprachlich verbinde ich mit dem Begriff wahr=zutreffend, in der Realität eindeutig zutreffend (ohne den Realitätsbegriff jetzt wieder zu diskutieren).


Und ich dachte wir wären uns schon einig, daß genau dies auch Tarskis Begriff ist.

Nochmal langsam. Wenn wir umgangssprachlich über einen konkreten Satz, z.B. "Es schneit.", behaupten "'Es schneit' ist wahr", dann meinen wir damit, daß es den Tatsachen entspricht, daß es schneit.

Nun stellt sich Tarski die Frage, wie wir ein allgemeines Prädikat "... ist wahr" definieren können, welches für beliebige Sätze einer Sprache genau diese soeben benutzte Bedeutung abbildet. Als erstes stellen wir fest, daß das für beliebige Sätze der Umgangssprache nicht möglich ist, weil es immer Fälle gibt, in denen dann Unsinn rauskommt oder Widersprüche auftreten. Es ist aber möglich dies für formale Sprachen durchzuführen, die im Prinzip für wissenschaftliche Diskurse ausreichen, insbesondere für die in der Mathematik gebräuchlichen Sprachen. Damit haben wir m.E. auch in der gesamten Naturwissenschaft keine Probleme damit von "Wahrheit" zu sprechen.

Zitat:

Deshalb auch die ganze Zeit meine Unsicherheit, ob wir in bei Themen verwenden können, wo wir diese Tatsachen und Umstände nie wissen werden.


Ich verstehe beim besten Willen nicht, woher diese Unsicherheit kommt.

Gerade hast du selbst definiert "wahr=zutreffend, in der Realität eindeutig zutreffend". Wo steht da irgendwas von "Wissen"?

Jeder Mensch mit Alltagsverstand, der die Aussagen versteht, wird zustimmen, daß entweder "P != NP" wahr ist oder "P = NP". Auch falls niemand je mit Sicherheit wissen wird, welche der beiden Aussagen den Tatsachen entspricht. Eine davon muß ihnen entsprechen.

(Selbst wenn er ihre Bedeutung im Detail nicht versteht, sondern lediglich, daß die eine Aussage das Gegenteil der anderen behauptet, wird er zustimmen.)

Zitat:

Und das scheine ich mit Tarski seiner Definition vermischt zu haben.


Ich glaube eher, du verstehst den Zusammenhang zwischen Tarskis Definition und der Alltagsbedeutung noch nicht richtig.
dcba
Gast





Beitrag dcba Verfasst am: 24. März 2020 15:54    Titel: Antworten mit Zitat

Ich glaube ich bin ein hoffnungsloser Fall, bin kurz davor es aufzugeben....


Zitat:

Nochmal langsam. Wenn wir umgangssprachlich über einen konkreten Satz, z.B. "Es schneit.", behaupten "'Es schneit' ist wahr", dann meinen wir damit, daß es den Tatsachen entspricht, daß es schneit.

Nun stellt sich Tarski die Frage, wie wir ein allgemeines Prädikat "... ist wahr" definieren können, welches für beliebige Sätze einer Sprache genau diese soeben benutzte Bedeutung abbildet. Als erstes stellen wir fest, daß das für beliebige Sätze der Umgangssprache nicht möglich ist, weil es immer Fälle gibt, in denen dann Unsinn rauskommt oder Widersprüche auftreten. Es ist aber möglich dies für formale Sprachen durchzuführen, die im Prinzip für wissenschaftliche Diskurse ausreichen, insbesondere für die in der Mathematik gebräuchlichen Sprachen. Damit haben wir m.E. auch in der gesamten Naturwissenschaft keine Probleme damit von "Wahrheit" zu sprechen.



Geht es somit bei dem Beispiel "Es schneit" nur darum, dass der Satz insofern wahr ist, da er ohne Widersprüche ist und es ein sinnvoller Satz ist?
Denn wenn ich doch ansonsten wissen will, ob die Aussage "Es schneit." wahr (=zutreffend auf die Realität) ist, müsste ich aus dem Fenster schauen und beobachten.


Zitat:
Jeder Mensch mit Alltagsverstand, der die Aussagen versteht, wird zustimmen, daß entweder "P != NP" wahr ist oder "P = NP". Auch falls niemand je mit Sicherheit wissen wird, welche der beiden Aussagen den Tatsachen entspricht. Eine davon muß ihnen entsprechen.

(Selbst wenn er ihre Bedeutung im Detail nicht versteht, sondern lediglich, daß die eine Aussage das Gegenteil der anderen behauptet, wird er zustimmen.)


Naja, hier ist es mir auch klar, dass eine von beiden Aussagen falsch sein muss, nur welche, weiß niemand...

Zitat:
Gerade hast du selbst definiert "wahr=zutreffend, in der Realität eindeutig zutreffend". Wo steht da irgendwas von "Wissen"?


Wie kann ich etwas als wahr annehmen, wenn ich nicht weiß, ob es überhaupt in der Realität zutrifft? Ich glaube, dass trifft mein Problem am Verständnis des Sachverhalts !
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 24. März 2020 17:20    Titel: Antworten mit Zitat

dcba hat Folgendes geschrieben:
Ich glaube ich bin ein hoffnungsloser Fall, bin kurz davor es aufzugeben....


Ich glaube wir kommen der Sache schon näher.

Du kannst ja auch mal versuchen Tarskis Artikel "Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen" zu lesen. Im ersten Abschnitt geht es genau um den Wahrheitsbegriff in der Umgangssprache.

Zitat:

Zitat:

Nochmal langsam. Wenn wir umgangssprachlich über einen konkreten Satz, z.B. "Es schneit.", behaupten "'Es schneit' ist wahr", dann meinen wir damit, daß es den Tatsachen entspricht, daß es schneit.

Nun stellt sich Tarski die Frage, wie wir ein allgemeines Prädikat "... ist wahr" definieren können, welches für beliebige Sätze einer Sprache genau diese soeben benutzte Bedeutung abbildet. Als erstes stellen wir fest, daß das für beliebige Sätze der Umgangssprache nicht möglich ist, weil es immer Fälle gibt, in denen dann Unsinn rauskommt oder Widersprüche auftreten. Es ist aber möglich dies für formale Sprachen durchzuführen, die im Prinzip für wissenschaftliche Diskurse ausreichen, insbesondere für die in der Mathematik gebräuchlichen Sprachen. Damit haben wir m.E. auch in der gesamten Naturwissenschaft keine Probleme damit von "Wahrheit" zu sprechen.



Geht es somit bei dem Beispiel "Es schneit" nur darum, dass der Satz insofern wahr ist, da er ohne Widersprüche ist und es ein sinnvoller Satz ist?
Denn wenn ich doch ansonsten wissen will, ob die Aussage "Es schneit." wahr (=zutreffend auf die Realität) ist, müsste ich aus dem Fenster schauen und beobachten.


Genau hier liegt dein Denkfehler. Es geht Tarski nur darum zu klären, wann der metasprachliche Satz "'Es schneit.' ist wahr" sinnvoll ist und welche Bedeutung er hat. Es geht keineswegs darum zu entscheiden, ob dieser Satz selbst wahr ist. Deshalb muß ich auch nicht definitiv wissen, ob der objektsprachliche Satz "Es schneit" wahr ist. Es reicht zu wissen, wie man ihn korrekt in die Metasprache übersetzt, also insbesondere daß er selbst sinnvoll ist.

Zitat:

Zitat:
Jeder Mensch mit Alltagsverstand, der die Aussagen versteht, wird zustimmen, daß entweder "P != NP" wahr ist oder "P = NP". Auch falls niemand je mit Sicherheit wissen wird, welche der beiden Aussagen den Tatsachen entspricht. Eine davon muß ihnen entsprechen.

(Selbst wenn er ihre Bedeutung im Detail nicht versteht, sondern lediglich, daß die eine Aussage das Gegenteil der anderen behauptet, wird er zustimmen.)


Naja, hier ist es mir auch klar, dass eine von beiden Aussagen falsch sein muss, nur welche, weiß niemand...


Eine der Aussagen ist also wahr, aber über keine weißt du es definitiv. Folglich mußt du nicht definitiv wissen ob eine Aussage wahr ist, um sinnvoll behaupten zu können, daß sie wahr ist. (Du kannst dir, so wie bei vielen sinnvollen Aussagen, lediglich nicht sicher sein, ob sie wahr ist.)

Zitat:

Zitat:
Gerade hast du selbst definiert "wahr=zutreffend, in der Realität eindeutig zutreffend". Wo steht da irgendwas von "Wissen"?


Wie kann ich etwas als wahr annehmen, wenn ich nicht weiß, ob es überhaupt in der Realität zutrifft? Ich glaube, dass trifft mein Problem am Verständnis des Sachverhalts !


Es geht nicht darum irgendwas als wahr anzunehmen. Es geht darum was das Prädikat "... ist wahr" bedeutet, d.h. wie es korrekt und sinnvoll verwendet wird. Diese Verwendung besteht in der Konstruktion von Sätzen der Form "'P' ist wahr". Wann ist diese Verwendung korrekt? Das ist genau, was Tarskis Kriterium für eine allgemeine Klasse von Sprachen klären will.

Falls z.B. jemand behauptet "'P' ist wahr, genau dann wenn nicht P", dann hat er offenbar die Alltagssemantik von "wahr" nicht ganz verstanden. Da können wir uns ziemlich sicher sein, auch ohne definitiv zu wissen ob P wahr oder falsch ist.
dcba
Gast





Beitrag dcba Verfasst am: 24. März 2020 17:43    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen Dank index,

ich habe es durch Deinen letzten Beitrag glaube ich verstanden. Will mal darüber schlafen.
dcba
Gast





Beitrag dcba Verfasst am: 26. März 2020 09:32    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo index,

will hier noch eine Frage anhängen, wenn dass in Ordnung ist.

Und zwar habe ich mich nochmal zum Axiombegriff belesen.

Auf Wikipedia steht dazu: "Innerhalb einer formalisierbaren Theorie ist eine These ein Satz, der bewiesen werden soll.[3] Ein Axiom ist ein Satz, der nicht in der Theorie bewiesen werden soll, sondern beweislos vorausgesetzt wird. Wenn die gewählten Axiome der Theorie logisch unabhängig sind, so kann keines von ihnen aus den anderen hergeleitet werden. Im Rahmen eines formalen Kalküls sind die Axiome dieses Kalküls immer ableitbar. Dabei handelt es sich im formalen oder syntaktischen Sinne um einen Beweis; semantisch betrachtet handelt es sich um einen Zirkelschluss. Ansonsten gilt: „Geht eine Ableitung von den Axiomen eines Kalküls bzw. von wahren Aussagen aus, so spricht man von einem Beweis.[4]“

Was ich hier leider nicht so ganz dabei verstehe: inwiefern sind Axiome in einem Kalkül immer ableitbar? Ich dachte Axiome sind quasi die "Grundannahmen"? Denn wenn ich das richtig interpretiere (und Wiki stimmt), dann würde sich ein Axiom ja immer selbst beweisen!?! Das klingt doch aber sehr zirkulär, und ich dachte zirkuläre Beweisführungen wären Fehlschlüsse?
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 26. März 2020 09:56    Titel: Antworten mit Zitat

dcba hat Folgendes geschrieben:

will hier noch eine Frage anhängen, wenn dass in Ordnung ist.


Klar, ist das in Ordnung. Dafür ist das Forum da.

Zitat:

Was ich hier leider nicht so ganz dabei verstehe: inwiefern sind Axiome in einem Kalkül immer ableitbar? Ich dachte Axiome sind quasi die "Grundannahmen"? Denn wenn ich das richtig interpretiere (und Wiki stimmt), dann würde sich ein Axiom ja immer selbst beweisen!?! Das klingt doch aber sehr zirkulär, und ich dachte zirkuläre Beweisführungen wären Fehlschlüsse?


Ein zirkulärer Beweis ist kein Fehlschluß. Er zeigt lediglich die Äquivalenz zweier (oder mehrerer) Aussagen. Diese Methode wird in der Mathematik dauernd angewendet. Äquivalenz von A und B ist dabei ein semantischer Begriff und bedeutet, daß A wahr ist genau dann wenn B wahr ist. Immer wenn dies der Fall ist hätte man gern einen formalen Beweis von A auf B und umgekehrt. Natürlich ist nach dieser Definition auch jede Aussage A sich selbst äquivalent. Also ist es natürlich, daß es auch einen formalen Beweis von A auf A geben muß. Es gibt also keinen Grund Zirkelschlüsse zu vermeiden. Das einzige was man vermeiden möchte, ist ein formaler Beweis von einer wahren auf eine falsche Aussage.

Diese Überlegungen führen im Rahmen der Logik erster Stufe auf den Vollständigkeitssatz von Gödel.
dcba
Gast





Beitrag dcba Verfasst am: 26. März 2020 10:18    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Ein zirkulärer Beweis ist kein Fehlschluß. Er zeigt lediglich die Äquivalenz zweier (oder mehrerer) Aussagen. Diese Methode wird in der Mathematik dauernd angewendet. Äquivalenz von A und B ist dabei ein semantischer Begriff und bedeutet, daß A wahr ist genau dann wenn B wahr ist. Immer wenn dies der Fall ist hätte man gern einen formalen Beweis von A auf B und umgekehrt. Natürlich ist nach dieser Definition auch jede Aussage A sich selbst äquivalent. Also ist es natürlich, daß es auch einen formalen Beweis von A auf A geben muß. Es gibt also keinen Grund Zirkelschlüsse zu vermeiden. Das einzige was man vermeiden möchte, ist ein formaler Beweis von einer wahren auf eine falsche Aussage.


Ok, aber warum werden dann bei Diskussionen (über welche Themen auch immer) Zirkelschlüsse so gefürchtet? Im Netz und auch bei Wikipedia tauchen diese unter den Beweisfehlern bzw. Fehlschlüssen auf. Das verstehe ich dann nicht so ganz.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 26. März 2020 10:58    Titel: Antworten mit Zitat

dcba hat Folgendes geschrieben:

Ok, aber warum werden dann bei Diskussionen (über welche Themen auch immer) Zirkelschlüsse so gefürchtet? Im Netz und auch bei Wikipedia tauchen diese unter den Beweisfehlern bzw. Fehlschlüssen auf. Das verstehe ich dann nicht so ganz.


Weil in diesen Diskussionen die Wahrheit der Behauptungen strittig ist und demonstriert werden soll. Kein Beteiligter bestreitet normalerweise aber, daß A äquivalent zu A ist. Insofern ist auch der Zirkelschluß von A auf A recht uninformativ. Formal korrekt ist er trotzdem und sollte deshalb m.E. nicht als Fehlschluß gelten.
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