RegistrierenRegistrieren   LoginLogin   FAQFAQ    SuchenSuchen   
Welche Folgerungen ergeben sich eigentl. aus den Quantenvors
 
Neue Frage »
Antworten »
    Foren-Übersicht -> Quantenphysik
Autor Nachricht
joly



Anmeldungsdatum: 14.05.2016
Beiträge: 1

Beitrag joly Verfasst am: 14. Mai 2016 22:17    Titel: Welche Folgerungen ergeben sich eigentl. aus den Quantenvors Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Wie sah das Weltbild denn zuvor aus? Aus physikalischer Sicht gesehen.
Allgemein wie sich das Weltbild verändert hat, ist so das einzige was ich im Internet zu lesen finde.

Meine Ideen:
...
MI



Anmeldungsdatum: 03.11.2004
Beiträge: 828
Wohnort: München

Beitrag MI Verfasst am: 21. Mai 2016 22:22    Titel: Antworten mit Zitat

Naja, wie sieht die klassische Mechanik aus? Also wie sieht die Newtonsche Mechanik aus + spezielle Relativitätstheorie? Das ist das alte Weltbild.

Die wahrscheinlich größte Änderung ist die, dass ein Objekt nicht unbedingt Eigenschaften "hat" wie zum Beispiel einen Ort und eine Geschwindigkeit, sondern dass diese Dinge intrinsisch probabilistisch sind. Und diese "Unschärfe" hat nichts damit zu tun, dass wir nicht genug wissen, sondern dass man das ganze fundamental nicht wissen kann.
Upside down Quark



Anmeldungsdatum: 13.04.2016
Beiträge: 66

Beitrag Upside down Quark Verfasst am: 22. Mai 2016 00:15    Titel: Antworten mit Zitat

Um Missverständnisse zu vermeiden: Das "Weltbild" ist exakt gleich geblieben (was auch immer es ist..). QM hat nichts mit unserer direkten Umwelt zu tun (außer das wir damit unseren Kindern tolle neue Spielzeige bauen können - ändert das "Weltbild" aber auch nicht). Es gab/gibt viele Versuche daraus philosophische Konsequenzen zu ziehen (Niles Bohr ist wohl als erster daran gescheitert), sind aber m.M.n. alle ziemlich inkonsistent und sehr weit hergeholt. Also, Qm und deine (makroskopische) Welt sind zwei verschiedene Dinge (gleiches gut für RT).

(Bzgl. Philosophie der Qm; es gibt tatsächlich eine interessante Abhändlung der Logik im Sinne von Aristoteles und im Sinne der Qm - vielleicht finde ich die ja wieder - aber ist auch nur theoretische Spielerei).
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Mai 2016 08:49    Titel: Antworten mit Zitat

Upside down Quark hat Folgendes geschrieben:
Das "Weltbild" ist exakt gleich geblieben (was auch immer es ist..) ... Es gab/gibt viele Versuche daraus philosophische Konsequenzen zu ziehen (Niles Bohr ist wohl als erster daran gescheitert), sind aber m.M.n. alle ziemlich inkonsistent und sehr weit hergeholt.

Das sehe ich völlig anders.

Aus der QM folgt explizit - sowohl theoretisch als auch experimentell - dass einige alltäglichen Ansichten explizit nicht mehr zulässig bzw. falsch sind:
  • man kann Quantenobjekten keine definierten Orte zuschreiben (Doppelspalt)
  • der Alltagsbegriff 'unteilbar' ist für Quantenobjekten so nicht zutreffend (Doppelspalt)
  • in einem Ensemble von Quantenobjekten ist es nicht zulässig, einem einzelnen Objekt eine 'Individualität' zuzuschreiben (Verschränkung)
  • es ist i.A. nicht zulässig, Quantenobjekten definierte und lokalisierte Eigenschaften zuzuschreiben (Verschränkung, Bellsches Theorem)
  • daraus folgt, dass bereits die pure Annahme, solche definierten und lokalisierten Eigenschaften lägen grundsätzlich vor, wären jedoch verborgen und würden erst im Kontext einer Messung offenbar, explizit unzulässig ist
  • es ist nicht zulässig, Quantenobjekten unabhängig vom Kontext einer konkreten Messung definierte Eigenschaften zuzuschreiben (Kochen-Specker-Theorem)
  • daraus folgt, dass eine Liste von "ja-nein-Aussagen" bzgl. Eigenschaften eines Quantensystems unverträglich mit der klassischen Logik sein kann und daher letztere i.A. nicht anwendbar ist

Man beachte, dass ich hier keine Aussagen über die Quantenmechanik treffe, wie es sich konkret verhält, was sie bedeutet, wie bestimmte Aussagen zu interpretieren sind usw. Insbs. verwende ich keine irgendwie geartete Wahrscheinlichkeitsinterpretation. Meine Aussagen besagen lediglich, welche (implizit vernünftigen) Annahmen, die zu unserem klassischen Weltbild passen bzw. diesem entstammen, im Rahmen der Quantenmechanik nachweislich falsch sind, d.h. experimentell ausgeschlossen werden können.
Upside down Quark



Anmeldungsdatum: 13.04.2016
Beiträge: 66

Beitrag Upside down Quark Verfasst am: 22. Mai 2016 10:19    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
welche (...)Annahmen, die zu unserem klassischen Weltbild passen bzw. diesem entstammen, im Rahmen der Quantenmechanik nachweislich falsch sind

Trennst Du hier nicht auch die klassischen Gesetzmäßigkeiten und die der Qm?
Meine Aussage war lediglich, dass diverse Phänomene der Planck-Größenordnung (->Deine Aufzählung) nicht ohne weiteres auf unsere makroskopische Welt übertragen werden können. Dabei machst Du für mich exakt den Fehler vor dem ich warnte: Du suchst nach Divergenzen in der Qm und implizierst sie dann auf das "Weltbild". Sollten wir aber die Qm nicht erst dann zu Rate ziehen, wenn unser klassisches Verständnis nicht ausreicht? Ist es sinnvoll die Theorie von Logik, Positivismus, Empirie und noch viel weitreichenderen Aspekten (erneuter Verweis auf Bohr, welcher meinte, die menschliche Willensfreiheit durch die Entdeckungen der Qm belegen zu können) in Frage zu stellen, weil diese irgendwo in der Natur (außerhalb unserer Reichweite) widerlegt werden können?
+ Das ist keine rhetorische Frage; es ist Bestimmung und Aufgabe der Wissenschaft ein universelles Verständnis (oder "Weltbild") zu schaffen, jedoch war meine Erfahrung mit theoretischen, philosophischen Konsequenzen bzgl. der Aussagen der Qm bisher sehr eintönig ungenügend. Dennoch halte ich das Gebiet unangefochten für die Königsklasse - wir scheiterten nicht aus Prinzip an ihr, sondern aus mangelnder Fähigkeit.

TomS hat Folgendes geschrieben:
...dass einige alltäglichen Ansichten explizit nicht mehr zulässig bzw. falsch sind

Nein, nicht überzeugend - da müsstest Du bitte mehr Argumente anführen. Alle deine Aussagen bzgl. der Quantenphysik sind völlig korrekt, aber sie stellen keine Verbindung zu einen Weltbild unserer Größenordnung dar. Vielmehr gehören diesen zu einem eigenen, abgegrenzten Weltbild.
Außerdem ist in meinen Augen bereits die Verbindung dieser Größenordnungen eine Interpretation.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Mai 2016 11:29    Titel: Antworten mit Zitat

Upside down Quark hat Folgendes geschrieben:
Trennst Du hier nicht auch die klassischen Gesetzmäßigkeiten und die der Qm?

Ja.

Jedoch nur deswegen, weil es sich aus der Fragestellung sowie aus der historischen Entwicklung (philosophisch und physikalisch) ergibt.

Upside down Quark hat Folgendes geschrieben:
Meine Aussage war lediglich, dass diverse Phänomene der Planck-Größenordnung nicht ohne weiteres auf unsere makroskopische Welt übertragen werden können.

Es ist gerade umgekehrt.

Unsere Sichtweise, geprägt durch die makroskopische Welt, ist nicht auf die Quantenwelt übertragbar. Umgekehrt gilt dies nicht, denn wir verstehen inzwischen sehr genau, wie die makroskopische Welt als klassischer Grenzfall aus der Quantenwelt resultiert, d.h. wir verstehen z.B. wie lokalisierte und definierte Eigenschaften "entstehen".

Upside down Quark hat Folgendes geschrieben:
Sollten wir aber die Qm nicht erst dann zu Rate ziehen, wenn unser klassisches Verständnis nicht ausreicht?

Das kann nicht funktionieren, da die Quantenmechanik nach heutigem Verständnis einen universellen methodischen Rahmen darstellt.

Deiner Argumentation zufolge müsste es einen Bruch zwischen dem klassischem Verständnis der makroskopischen Welt einerseits und der Quantenmechanik angewandt auf die mikroskopische Welt andererseits geben; das ist jedoch nach allem, was wir heute wissen, nicht zwingend der Fall. Umgekehrt gelingt es uns qualitativ und quantitativ (Dekohärenz (*)) immer besser, gerade den Übergang zwischen beiden "Welten" auf Basis der Quantenmechanik zu verstehen.

Upside down Quark hat Folgendes geschrieben:
Ist es sinnvoll die Theorie von Logik, Positivismus, Empirie in Frage zu stellen, weil diese irgendwo in der Natur widerlegt werden können?

All dies sind ja nur unterschiedliche philosophische Haltungen, die von der Quantenmechanik nicht widerlegteerden.

Die Quantenmechanik zwingt uns weder zu einer Haltung des Positivismus, noch widerspricht sie diesem. Sie fordert lediglich gewisse Spielarten und Regeln, und sie verbietet (**) ganz bestimmte uns vertraute Denkmuster - in jeder beliebigen philosophischen Schule.

Eine Ausnahme stellt die Logik dar, jedoch nicht die Logik in unserem Nachdenken über die Quantenmechanik, sondern die Anwendung der Logik innerhalb der Quantenmechanik bei der kontextfreien Zuschreibung von Eigenschaften zu Quantenobjekten (was dem Empirismus keine Probleme bereitet, dem Platonismus jedoch gewisse Restriktionen auferlegt).

Upside down Quark hat Folgendes geschrieben:
(erneuter Verweis auf Bohr, welcher meinte, die menschliche Willensfreiheit durch die Entdeckungen der Qm belegen zu können)

Bei Bohr steckte dies alles noch in den Kindeschuhen; wir haben ihn weit hinter uns gelassen und sind zu wesentlich differenzierteren Interpretationen gelangt. Diese mögen sich in vielen Aspekten widersprechen, sie stimmen jedoch sicher in den von mir o.g. Punkten überein.

Upside down Quark hat Folgendes geschrieben:
(außerhalb unserer Reichweite)

Wieso außerhalb?

Wesentliche Aspekte sind explizit experimentell überprüfbar (Aspect, Zeilinger, Haroche und Wineland, ...)

Upside down Quark hat Folgendes geschrieben:
Alle deine Aussagen bzgl. der Quantenphysik sind völlig korrekt, aber sie stellen keine Verbindung zu einen Weltbild unserer Größenordnung dar. Vielmehr gehören diesen zu einem eigenen, abgegrenzten Weltbild.

s.o.: der Anspruch der Quantenmechanik ist gerade, einen universellen formalen Rahmen aufzustellen, in dem die klassische Physik enthalten ist bzw. aus dem sie als Grenzfall hervorgeht. Da uns dies physikalisch und quantitativ / experimentell überprüfbar gelingt, sollten wir auch eine entsprechende Interpretation bzw. Philosophie / ein geeignetes Weltbild entwickeln (anstatt beide Welten als unverbunden und rätselhaft nebeneinander bestehend anzusehen)

Upside down Quark hat Folgendes geschrieben:
Außerdem ist in meinen Augen bereits die Verbindung dieser Größenordnungen eine Interpretation.

Nein, es handelt sichum eine zwingende empirische Notwendigkeit, und sie gelingt ja zunehmend besser.
Upside down Quark



Anmeldungsdatum: 13.04.2016
Beiträge: 66

Beitrag Upside down Quark Verfasst am: 22. Mai 2016 13:42    Titel: Antworten mit Zitat

Okay, ich denke ich habe Deine Position soweit verstanden; ich schreibe dazu weiter unten.
Zunächst will ich meine Auffassung präziser erläutern und weiter ausbauen; also:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Upside down Quark hat Folgendes geschrieben:
Sollten wir aber die Qm nicht erst dann zu Rate ziehen, wenn unser klassisches Verständnis nicht ausreicht?

...
Deiner Argumentation zufolge müsste es einen Bruch zwischen dem klassischem Verständnis der makroskopischen Welt einerseits und der Quantenmechanik angewandt auf die mikroskopische Welt andererseits geben;

Meine Argumentation bezog sich nicht auf das physikalische Verständnis (ohne Zweifel besteht ein mathematischer Übergang von Mikro- in Makrokosmos!), sondern ausschließlich auf die Übertragung der Attribute der mikroskopischen Größenordnung. Gewissermaßen will ich auch meine letzte Formulierung (dass beide als getrennte Weltbilder zu betrachten sind) zurücknehmen; vielmehr fordere ich, dass die Übergang dieser Weltbilder auch auf philosophischer Ebene den selben Indikatoren unterliegt, wie auf physikalischer. Weshalb sollte die Dekohärenz nicht auch hier gelten?


TomS hat Folgendes geschrieben:
Upside down Quark hat Folgendes geschrieben:
Meine Aussage war lediglich, dass diverse Phänomene der Planck-Größenordnung nicht ohne weiteres auf unsere makroskopische Welt übertragen werden können.


Es ist gerade umgekehrt.

Unsere Sichtweise, geprägt durch die makroskopische Welt, ist nicht auf die Quantenwelt übertragbar.

Ja, unsere Umwelt ist (weitgehend) nur ein Spezialfall eines quantenmechanischen Systems. Und aus der Betrachtung eines Spezialfalles ist die fundamentale Physik nicht ableitbar - ohne Frage (darauf wollte ich auch nie hinaus).
Führen wir diese Betrachtung weiter fort, lässt sich sagen, dass die Zustände unserer Größenordnung dafür sorgen, dass die Gesetzte der Qm. annulliert werden bzw. dermaßen reduziert werden, dass ihre Existenz keine Auswirkung für uns hat. Und das ist der Punkt: Wird aus einem Element der Qm eine philosophische Interpretation (besser: eine Notwendigkeit) geschlussfolgert, dann ist diese m.A.n. auch mit diesem Element verknüpft. Wird dieses Element folglich annulliert oder drastisch reduziert folgt das gleiche für die angeführten Konsequenzen!

TomS hat Folgendes geschrieben:
Upside down Quark hat Folgendes geschrieben:

(außerhalb unserer Reichweite)

Wieso außerhalb?

Wesentliche Aspekte sind explizit experimentell überprüfbar (Aspect, Zeilinger, Haroche und Wineland, ...)

Auch hier beziehe ich mich nicht auf die physikalischen Möglichkeiten, sondern auf unsere direkte Umwelt (habe ich aber missverständlich ausgedrückt.). -s.o.

Ich hoffe, ich konnte meine Ansicht etwas klarer darstellen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Mai 2016 17:46    Titel: Antworten mit Zitat

Upside down Quark hat Folgendes geschrieben:
Meine Argumentation bezog sich nicht auf das physikalische Verständnis sondern ausschließlich auf die Übertragung der Attribute der mikroskopischen Größenordnung. Gewissermaßen will ich auch meine letzte Formulierung (dass beide als getrennte Weltbilder zu betrachten sind) zurücknehmen; vielmehr fordere ich, dass die Übergang dieser Weltbilder auch auf philosophischer Ebene den selben Indikatoren unterliegt, wie auf physikalischer. Weshalb sollte die Dekohärenz nicht auch hier gelten?

Ich verstehe dich leider immer weniger. Inwiefern soll Dekohärenz als (experimentell überprüfbarer) physikalischer Prozess in irgendeiner Weise auf philosophischer Ebene gelten? Auch Osmose, Rayleigh-Streuung und Keplerbahnen gelten nicht für die Philosophie. Sie sind lediglich Gegenstand physikalischer Betrachtungen und ggf. naturphilosophischer Überlegungen.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Upside down Quark



Anmeldungsdatum: 13.04.2016
Beiträge: 66

Beitrag Upside down Quark Verfasst am: 22. Mai 2016 18:37    Titel: Antworten mit Zitat

Joa, schon klar, aber gelten diverse Resultate der Philosophie bzgl der Qm. auch nur dann, wenn die Qm. in gleicher Form gilt. Sind wir uns da einig?
Also: Wenn nun aber (gewiss innerhalb des Rahmens der Qm.) die einzelnen Phänomene nicht in der makroskopischen Welt auftreten - wie kann ich dann behaupten, dass die philosophischen Konsequenzen dieser Phänomene gelten?
Betrachten wir das Spiel doch unter dem Ursache-Wirkungs-Prinzip, wobei die Wirkung die philosophische Konsequenz ist und die Ursache das physikalische Ereignis ist.
Meine Behauptung: Wenn das physikalische Ereignis in der makroskopischen Welt zu vernachlässigen ist (sprich die Ursache wegfällt), dann muss auch die (philosophische) Konsequenz wegfallen - so will es die Logik.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Mai 2016 21:17    Titel: Antworten mit Zitat

Du versuchst die Diskussion bzgl. QM und Philosiphie immer dergestalt zu verengen, dass wenn makroskopisch keine Quanteneffekte sichtbar sind, dass dann auch die philosophischen Konsequenzen aus der QM makroskopisch irrelevant wären.

Das ist m.E. ein Fehlschluss. Die makroskopische Unsichtbarkeit von Quanteneffekten darf nicht gleichgesetzt werden mit deren nicht-Existenz.

Das Unsichtbarwerden von Quanteneffekten auf makroskopischen Skalen ist selbst eine Konsequenz aus der QM; die dafür verantwortliche Dekohärenz ist selbst ein Quanteneffekt, der ausschließlich auf Basis der QM selbst erklärt werden kann (weiteres Beispiel: die Eigenschaften einer klassischen Flüssigkeit wie Wasser sind nur quantenmechanisch berechenbar).

Daher ist es notwendig, die philosophische Interpretation der QM auf die Dekohärenz und die makroskopische Welt zu erweitern statt sie einzuschränken.
Upside down Quark



Anmeldungsdatum: 13.04.2016
Beiträge: 66

Beitrag Upside down Quark Verfasst am: 22. Mai 2016 22:43    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Du versuchst die Diskussion bzgl. QM und Philosiphie immer dergestalt zu verengen, dass wenn makroskopisch keine Quanteneffekte sichtbar sind, dass dann auch die philosophischen Konsequenzen aus der QM makroskopisch irrelevant wären.

Es ist nicht meine Absicht die Diskussion zu verengen, sonder im Sinne der Logik konsequent zu bleiben (ob mir das gelingt ist eine andere Frage).
Wichtig ist aber zunächst, dass ich den Eindruck habe, meine Position wurde von Dir i.A. verstanden. Sollte dies auch umgekehrt der Fall sein, steht m.E. nun gegenüber
(a) Physikalische Effekte und philosophische Konsequenz stehen in einem direkt-proportionalen Verhältnis; kann ein Quanteneffekt vernachlässigt werden, kann auch die daraus resultierende Philosophie vernachlässigt werden.
-und-
(b) Da die Quantenmechanik fundamental zur Erklärung jeglicher Sachverhalte notwendig oder zumindest zulässig ist, müssen ihre philosophische Konsequenzen gleichermaßen betrachtet werden. Es darf keine Divergenz auf Basis der Größenordnung geben.

Sollte ich einen wesentlichen Aspekt nicht berücksichtigt haben, bitte ich um Ergänzung; ohne Klarheit sind weitere Überlegungen sinnfrei.

Weiter scheint mir Deine Argumentation weitgehend plausibel, nur eine Frage bleibt für mich bestehen: Wenn
TomS hat Folgendes geschrieben:
Das Unsichtbarwerden von Quanteneffekten auf makroskopischen Skalen ist selbst eine Konsequenz aus der QM;[...]
, warum gilt der "Quanteneffekt des Unsichbarwerdens" nicht auch für die Philosophie?
Ich sehe ein, dass Philosophie und Physik an dieser Stelle gleich zu behandeln naiv wäre, doch fand ich bisher kein Argument, welches verständlich zeigt, dass das Prinzip der Qm. in der Philosophie besteht, während es in der Physik auf's Unsichtbare reduziert wird (jedenfalls die Teile, die zu der Philosophie führten).

Da ich das Gefühl habe, dass wir wieder dabei sind uns im Kreis zu drehen, will ich eine andere Frage vorwegschicken: Wie sehen die philosophischen Konsequenzen der Qm. deines Erachtens nach aus?
Gewiss kann man diesbezüglich meterlange Abhandlungen schreiben, doch geht es mir nicht um eine Rechtfertigung, sondern um eine grobe Skizze einer "Qm-konformen" Philosophie. Z.B. führtest du bereits an, dass z.T. ein Widerspruch zum Platonismus besteht - ich denke es wäre hilfreich, wenn du zb diesen Punkt weiter verständlich machen würdest :-)
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Mai 2016 07:35    Titel: Antworten mit Zitat

Upside down Quark hat Folgendes geschrieben:
Wie sehen die philosophischen Konsequenzen der Qm. deines Erachtens nach aus?

...

Z.B. führtest du bereits an, dass z.T. ein Widerspruch zum Platonismus besteht

Nun, einige Konsequenzen habe ich oben in meiner Liste bereits aufgezählt. Diese "negativen Konsequenzen" stellen letztlich Einschränkungen dar, wie die Natur nicht ist bzw. wie ich sie nicht interpretieren darf.

Wenn ich eine empiristische Grundhaltung einnehme, bzw. wenn ich die QM lediglich als Instrument zur Berechnung von möglichen Messergebnissen sowie deren statistischen Häufigkeiten benutze (z.B. Ensemble-Interpretation der QM), dann resultiert sicher kein Konflikt aus dieser Interpretation. Die Probleme bzw. Kritikpunkte, die sich daraus ergeben, sind nicht spezifisch für die QM sondern letztlich universell gültig: die Frage "wieso funktioniert gerade dieser hochspezifische mathematische Apparat? muss ungelöst bleiben.

Wenn ich versuche, diese Frage durch eine realistische Position zu lösen, d.h. wenn ich eine Ontologie postuliere, in der sowohl eine "Realität" einen Platz hat, und die eine zumindest strukturelle Beziehung zwischen "der Realität" und dem mathematischen Apparat der QM enthält, dann muss ich sehr vorsichtig sein, welchen mathematischen Objekten ich welche Realität zuschreibe. Insbs. kann ich nicht naiv von "Dingen" reden und diesen "Dingen" ihre "Eigenschaften" wie Zettel ankleben; aber dieses Problem kann man m.E. lösen. Auch im Falle des Realismus sind die wesentlichen Kritikpunkte nicht spezifisch für die Quantenmechanik.

Ich denke nicht, dass die QM und der Platonismus in einem grundsätzlichen Widerspruch stehen, sondern lediglich, dass die Konsequenzen unangenehm oder bizarr sein können: eine platonistische Haltung führt m.E. zwangsläufig zur Viele-Welten-Interpretation.

Umgekehrt denke ich nicht, dass eine empiristische oder positivistische Position diese Probleme wirklich löst; sie verweigert sich lediglich konsequent der o.g. Fragestellung. Wenn in der empirischen Realität eben gerade nur eine Realität gegeben ist, wieso muss ich dann ein quantenmechanisches Ensemble zugrundelegen, das physikalisch nicht realisiert ist, um eine Wahrscheinlichkeit zu berechnen?

Letztlich sind die philosophischen Konsequenzen der QM heute zum einen die vorliegenden Interpretationen der QM, die lose mit bestimmten philosophischen Grundhaltungen korrespondieren, sowie die daraus resultierenden Fragestellungen an diese Grundhaltungen.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Upside down Quark



Anmeldungsdatum: 13.04.2016
Beiträge: 66

Beitrag Upside down Quark Verfasst am: 23. Mai 2016 14:03    Titel: Antworten mit Zitat

Ja, das scheint mir einleuchtend zu sein, dennoch bin ich der Auffassung, dass die Konsequenzen der Anwendung des quantenmechanischen Modells für die Philosophie weitreichender wären.
Betrachten wir beispielshalber die Erkenntnistheorie und Ontologie im Sinne der kant'schen Philosophie. Verkürzt kategerosiert Kant die Dinge in 3 Ebenen: Das Erscheinungsbild, der Gegenstand (oder Objekt) und dem Ding an sich. Dabei ist die Verbindung dieser Bezeichnungen entscheidend: Gewissermaßen ist das "Objekt" das präziseste Erscheinungsbild, welches wir vom Ding an sich erfahren können.
Hier die Problematik: Diese Theorie zerfällt komplett beim Einbezug der Qm. Auf diese Problematik hat schon Heisenberg zu Beginn der Qm. hingewiesen. Quantenteilchen sind keine Objekte im kant'schen Verständnis, denn solche sind in seiner Philosophie immer mit dem Ding an sich verknüpft, aber eine derartige a priori Existenz ist in der Qm. verboten. Ein Sachverhalt kann nicht vollständig erfasst werden - auch nicht in der Theorie ohne subjektive Einschränkung.
Impliziert man also die Axiome der Qm. in das Philosophie-Modell wird dieses ziemlich brüchig. Tatsächlich haben die kant'schen Schulen im Zuge der Qm. die Erkenntnislehre dahingehend zu erweitern versucht, dass Quantenobjekten eine neue Kategorie außerhalb des Schemas zugesprochen wird, die zentrale Stellung des a prioris kann dabei aber nicht beibehalten werden - was problematisch für die darauf aufbauende Philosophie ist.
Auch gab es einen weiteren Ansatz den Widerspruch der Theorien zu entfernen. Die Kerngedanke war, dass alle Begriffe der Sprache nur eine Folge der Erfahrung sind, und dass Erfahrung nie universell gelten kann (ganz im Sinne von Kant), sondern nur in begrenzten Anwendungsbereichen. Die allgemeine Gültigkeit der Begriffe "Ding", "Objekt der Wahrnehmung", "Zeitpunkt" ... konnten in experimentellen Situationen widerlegt werden - folglich besteht das Problem nicht in dem Sachverhalt (der so gar nicht einbezogen wird), sondern bei dem Versuch Phänomene der Quantenmechanik in die Sprache der klassischen Mechanik zu transferieren.
Sprechen wir also von einen Objekt im Sinne der Qm. gelten nicht automatisch dessen Eigenschaften für ein (gleichnamiges) Objekt im Sinne des Makrokosmos!
Deshalb behaupte ich auch, dass das Weltbild nicht aus Sicht der Qm. definiert werden kann.

Anders ist es zB beim Platonismus oder auch dem logischen Empirismus/Positivismus, da diese sich explizit auf abstrakte, mathematische Modelle beziehen und somit (gewissermaßen) die gleiche Sprache wie die Qm. sprechen.
IN diesem Fall sehe ich ein, dass die Qm. mit einbezogen werden sollte.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 24. Mai 2016 07:02    Titel: Antworten mit Zitat

Die Diskussion um Kant und die QM habe ich bei Heisenberg gelesen und so nie ganz nachvollziehen können. Evtl. verstehe ich Kant zu wenig.

Generell ist es problematisch, ohne detailliertes wissenschaftliches Verständnis eine Ontologie oder Epistemologie zu entwickeln, an die sich die Natur dann bitte zu halten hat. Das muss doch immer im konkreten Diskurs entstehen. Ob Kant da jetzt der geeignete Ausgangspunkt ist müssen andere entscheiden.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 24. Mai 2016 09:23    Titel: Antworten mit Zitat

Eine Anmerkung zu meiner Sichtweise: ich neige einer platonistischen Haltung zu, d.h. ich gehe zunächst von einer Beobachter-unabhängigen, "externen Realität" aus. Außerdem gehe ich davon aus, dass diese in gewissen Aspekten, Strukturen und Relationen "erkennbar" ist. Meiner Meinung nach ist diese "Erkennung" im Rahmen der Mathematik gegegen (d.h. nicht im Rahmen von Umgangssprache).

Demzufolge gehe ich davon aus, dass die "Realität" durch den Quantenzustand eines Systems repräsentiert wird. Dieser kodiert einen vollständigen Satz von "Eigenschaften", wobei "Eigenschaft" hier keinesfalls im klassischen Sinn verstanden werden darf.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Telefonmann



Anmeldungsdatum: 05.10.2011
Beiträge: 196

Beitrag Telefonmann Verfasst am: 24. Mai 2016 23:56    Titel: Antworten mit Zitat

Aus dem Wikipedia-Artikel über Hans-Peter Dürr:

Zitat:
Im Grunde gibt es Materie gar nicht. Jedenfalls nicht im geläufigen Sinne. Es gibt nur ein Beziehungsgefüge, ständigen Wandel, Lebendigkeit. Wir tun uns schwer, uns dies vorzustellen. Primär existiert nur Zusammenhang, das Verbindende ohne materielle Grundlage. Wir könnten es auch Geist nennen. Etwas, was wir nur spontan erleben und nicht greifen können. Materie und Energie treten erst sekundär in Erscheinung – gewissermaßen als geronnener, erstarrter Geist. Nach Albert Einstein ist Materie nur eine verdünnte Form der Energie. Ihr Untergrund jedoch ist nicht eine noch verfeinerte Energie, sondern etwas ganz Andersartiges, eben Lebendigkeit. Wir können sie etwa mit der Software in einem Computer vergleichen.

Ich hoffe die Forenfestplatte verträgt so viel Poesie? Ich denke aber, der Text sollte es wert sein, ohne Zusatzklick lesbar zu sein.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 25. Mai 2016 01:03    Titel: Antworten mit Zitat

Ich halte wenig von derartiger Poesie.

Man kann sich der Quantenmechanik also auf drei Weisen nähern:
- theoretisch / mathematisch
- praktisch / experimentell
- sprachlich / poetisch

Die letzte Variante ist m.E. ungefähr so gut geeignet wie die Verwendung der Begrifflichkeiten des American Football zur Charakterisierung einer Mozartoper oder wie die Pfadintegralquantisierung zur Veranschaulichung des Scheiß-Gekickes des 1. FCN.

Oder verstehen wir verschränkte Zustände besser, wenn wir sie als geronnenen Geist bezeichnen? Bzgl. der Bedeutung von Geist sind wir uns ja alle einig und können uns mehr vorstellen ...

Colorless green ideas sleep furiously.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Neue Frage »
Antworten »
    Foren-Übersicht -> Quantenphysik