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Interpretation der Psi-Funktion
 
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Neuling88
Gast





Beitrag Neuling88 Verfasst am: 25. Dez 2014 14:44    Titel: Interpretation der Psi-Funktion Antworten mit Zitat

Hallo

Ich bin studierter Biologe, interessiere mich jedoch auch für Physik und bringe mir gerade die Quantenmechanik selbst bei. Ich habe mir dazu ein paar Dinge überlegt und hätte dazu gern Resonanz, ob das so korrekt ist.

Es geht erst einmal um die Frage was das psi in der Schrödingergleichung eigentlich ist.

Meine Gedanken dazu:

die psi-Funktionen für ein Elektron im Kastenpotential sind bspw. Sinusfunktionen. So wie ich es jetzt verstehe, ist das Elektron aber keine solche Welle, sondern die psi-Funktion ist ein Informationsträger, der die maximal mögliche Information über den Zustand enthält. Aus dem psi kann man alles (meistens Erwartungswerte), was das System charakterisiert, berechnen. Das Psi hat somit selber keine Realität, sondern ist lediglich eine beschreibende Größe aus der sich alle realen Informationen des Systems berechnen lassen.

Ich betrachte mal die Beugung von Elektronen an einem Gitter. Gemessen wird die Intensität an einem Schirm. Das Psi, also der Informationsträger, verhält sich wellenartig. Real sind aber nur die Betragsquadrate der Funktion, die direkt mit den Intensitäten verknüpft sind. Man kann jedoch vorübergehend so tun als ob das Elektron eine solche Welle sei. Tatsächlich ist das Elektron aber weder eine Welle noch ein klassisches Teilchen, sondern ein Quantenobjekt, dessen Verhalten durch eine Funktion psi beschrieben werden kann.

Kann man das so sagen? Oder geht das irgendwie besser. Ich mein ich kann mit der Schrödinger-Gleichung prima rechnen ohne mir genauere Gedanken über das psi zu machen, aber das finde ich unbefriedigend.

Vielen Dank schonmal.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18065

Beitrag TomS Verfasst am: 25. Dez 2014 15:40    Titel: Re: Interpretation der Psi-Funktion Antworten mit Zitat

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:
die psi-Funktionen für ein Elektron im Kastenpotential sind bspw. Sinusfunktionen.

genauer: sie sind Lösungen der zeitabhängigen Schrödingergleichung des jeweiligen Systems; in einfachen Fällen modelliert man das System mittels eines unendlich tiefen Potentialtopfs, woraus dann Sinus und Kosinus folgen

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:
... sondern die psi-Funktion ist ein Informationsträger, der die maximal mögliche Information über den Zustand enthält. Aus dem psi kann man alles (meistens Erwartungswerte), was das System charakterisiert, berechnen.

Ich würde das als minimalen Grundkonsens ansehen; es gibt jedoch verschiedene Interpretationen der QM, die der psi-Funktion unterschiedliche "Realität" zuschreiben

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:
Das Psi hat somit selber keine Realität, sondern ist lediglich eine beschreibende Größe aus der sich alle realen Informationen des Systems berechnen lassen.

Der zweite Halbsatz entspricht dem oben gesagten; der erste trifft nur auf bestimmte Interpretationen zu.

Für einen pragmatischen Ansatz, der ohne metaphysische Diskussiin auskommen soll, ist das jedenfalls ein vernünftiger Startpunkt.

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:
Tatsächlich ist das Elektron aber weder eine Welle noch ein klassisches Teilchen, sondern ein Quantenobjekt, dessen Verhalten durch eine Funktion psi beschrieben werden kann.

Ja

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:
Kann man das so sagen?

Ja

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:
Oder geht das irgendwie besser.

Kaum. Rein physikalisch muss es nicht besser gehen.

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:
ich kann mit der Schrödinger-Gleichung prima rechnen ohne mir genauere Gedanken über das psi zu machen, aber das finde ich unbefriedigend.

Das geht vielen so, aber wir haben nichts besseres. Man muss entweder pragmatisch dieses Gefühl ignorieren, oder ihm nachgeben und sich in die Tiefen der Interpretationen der QM, teilweise Metaphysik, Wissenschaftstheorie usw. verlieren

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Neuling88
Gast





Beitrag Neuling88 Verfasst am: 26. Dez 2014 01:13    Titel: Re: Interpretation der Psi-Funktion Antworten mit Zitat

Hallo TomS

Danke für die schöne Antwort.

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich würde das als minimalen Grundkonsens ansehen; es gibt jedoch verschiedene Interpretationen der QM, die der psi-Funktion unterschiedliche "Realität" zuschreiben

Also mein Anliegen ist es eine möglichst minimalistische Interpretation der psi-Funktion zu haben. Innerhalb der Physik ist es doch nicht notwendig, dass die psi-Funktion eine Realität hat oder?

Zitat:

Der zweite Halbsatz entspricht dem oben gesagten; der erste trifft nur auf bestimmte Interpretationen zu.

Auf welcher Interpretation trifft es zu?


Ich hoffe ich mache nicht zu viele Sprachfehler. Deutsch ist nicht meine Muttersprache. Ich lerne es aber schon 15 Jahre und habe in Deutschland studiert, habe es jetzt aber seit fast einem Jahr nicht mehr benutzt, aber bin jetzt wieder in Deutschland.
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8582

Beitrag jh8979 Verfasst am: 26. Dez 2014 08:54    Titel: Re: Interpretation der Psi-Funktion Antworten mit Zitat

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:

Ich hoffe ich mache nicht zu viele Sprachfehler. Deutsch ist nicht meine Muttersprache. Ich lerne es aber schon 15 Jahre und habe in Deutschland studiert, habe es jetzt aber seit fast einem Jahr nicht mehr benutzt, aber bin jetzt wieder in Deutschland.

Thumbs up!
1. Ich kenn Muttersprachler, die können das nicht so gut.
2. Ich wäre nicht darauf gekommen, dass es nicht Deine Muttersprache ist.
smile
Neuling88
Gast





Beitrag Neuling88 Verfasst am: 26. Dez 2014 12:42    Titel: Re: Interpretation der Psi-Funktion Antworten mit Zitat

jh8979 hat Folgendes geschrieben:
Neuling88 hat Folgendes geschrieben:

Ich hoffe ich mache nicht zu viele Sprachfehler. Deutsch ist nicht meine Muttersprache. Ich lerne es aber schon 15 Jahre und habe in Deutschland studiert, habe es jetzt aber seit fast einem Jahr nicht mehr benutzt, aber bin jetzt wieder in Deutschland.

Thumbs up!
1. Ich kenn Muttersprachler, die können das nicht so gut.
2. Ich wäre nicht darauf gekommen, dass es nicht Deine Muttersprache ist.
smile

Danke, aber im Forum täuscht es etwas. Denn ich habe einen erkennbaren Akzent und ich korrigiere den Text hier ein paar Mal bevor ich ihn absende. Ich schlage häufig die Geschlechter der Nomen nach, weil das kann ich bis heute nicht und ist einfach nur unlogisch.
Also in real würdest du es schon erkennen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18065

Beitrag TomS Verfasst am: 26. Dez 2014 14:38    Titel: Re: Interpretation der Psi-Funktion Antworten mit Zitat

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:
Hallo TomS

Danke für die schöne Antwort.

Gerne.

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:
Hallo
TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich würde das als minimalen Grundkonsens ansehen; es gibt jedoch verschiedene Interpretationen der QM, die der psi-Funktion unterschiedliche "Realität" zuschreiben

Also mein Anliegen ist es eine möglichst minimalistische Interpretation der psi-Funktion zu haben. Innerhalb der Physik ist es doch nicht notwendig, dass die psi-Funktion eine Realität hat oder?

Nein, es ist nicht notwendig. Du kannst Physik betreiben, ohne die Psi-Funktion philosophisch zu interpretieren. Sie liefert dir die beobachtbaren Eigenschaften des Systems.

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:
Zitat:

Der zweite Halbsatz entspricht dem oben gesagten; der erste trifft nur auf bestimmte Interpretationen zu.

Auf welcher Interpretation trifft es zu?

Für eine Gesamtübersicht siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Interpretationen_der_Quantenmechanik

Interpretationen, die der Psi-Funktion keine reale Bedeutung zuschreiben sind insbs.:
- einige Varianten der Kopenhagener Interpretation
- die Ensemble-Interpretationen
- Informationsbasierte Interpretationsansätze
- der Quanten-Bayesianismus

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Neuling88
Gast





Beitrag Neuling88 Verfasst am: 27. Dez 2014 01:02    Titel: Antworten mit Zitat

Danke Tom

Ich habe noch weitere Fragen und ich weiß nicht ob ich besser dazu weitere Themen eröffnen sollte. Ich versuch es zunächst einmal hier.

In einer relativistischen Verallgemeinerung kommt man zur Dirac-Gleichung deren Lösung Viererspinoren sind. Gilt in dieser relativistischen Verallgemeinerung alles so wie in der "normalen" QM? Also jeder Observable kann ein Operator zugeordnet werden. Die Eigenwerte sind die Messwerte, es gibt Erwartungswerte usw.
Ist das alles unverändert?
Kann ich dann für die Mittelwertberechnung der Energie den Dirac-Hamiltonian nehmen und das ist dann einfach sowas?

mit und als Viererspinoren

Wenn ich jetzt die normale Energie eines Elektrons mit Spin +1/2 haben wollte nehme ich einfach für die erste Komponente des Spinors die entsprechende Wellenfunktion und die anderen drei sind null?


Jetzt hat man in der Elementarteilchenphysik für jedes Lepton Dirac-Felder. Genügen dann Neutrinos auch der Dirac-Gleichung? Kann ich mit der Dirac-Gleichung Neutrinos beschreiben? Bekomme ich alle Informationen aus den Spinoren?

Welcher Gleichung genügen Bosonenfelder?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18065

Beitrag TomS Verfasst am: 27. Dez 2014 09:03    Titel: Antworten mit Zitat

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:
In einer relativistischen Verallgemeinerung kommt man zur Dirac-Gleichung deren Lösung Viererspinoren sind. Gilt in dieser relativistischen Verallgemeinerung alles so wie in der "normalen" QM? Also jeder Observable kann ein Operator zugeordnet werden. Die Eigenwerte sind die Messwerte, es gibt Erwartungswerte usw ... kann ich dann für die Mittelwertberechnung der Energie den Dirac-Hamiltonian nehmen

Ja - ich hoffe jedenfalls, ich übersehe nichts.
- Wellenfunktionen sind Viererspinoren
- Observablen sind selbstadjungierte Operatoren
- mögliche Messwerte sind die Eigenwerte
- Erwartungswerte ...
- es gilt eine Schrödingergleichung für die Zeitentwicklung

Allerdings gibt es einige mathematische Probleme mir der Dirac-Gleichung. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass die rel. QM durch eine rel. QFT ersetzt werden muss, z.B. die QED.

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:
... und das ist dann einfach sowas?


Ja, wobei das jetzt kein Erwartungswert ist sondern ein Matrixelement von H zwischen Zuständen phi und psi

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:
mit und als Viererspinoren

Ich denke, das ist ein Missverständnis.

phi und psi sind Quantenzustände in einem abstrakten Hilbertraum; die Wellenfunktion erhältst du durch Projektion auf Ortseigenzustände, d.h.



(das gilt so auch in der nicht-rel. QM)

Das psi(x) ist die Wellenfunktion, in der rel. QM dann ein Viererspinor.

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich jetzt die normale Energie eines Elektrons mit Spin +1/2 haben wollte nehme ich einfach für die erste Komponente des Spinors die entsprechende Wellenfunktion und die anderen drei sind null?

So einfach ist das nicht. Die Dirac-Gleichung lautet





Durch Umformen erhält man die Schrödinger-Form





Energieeigenzustände zum Hamiltonoperator H erhält man wie üblich durch Lösung der stationären Schrödingergleichung. Dabei werden i.A. mehrere Komponenten im Spinor beitragen!

Eine recht ausführliche Rechnung findest du hier: http://en.wikipedia.org/wiki/Dirac_spinor

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 27. Dez 2014 11:41, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18065

Beitrag TomS Verfasst am: 27. Dez 2014 10:10    Titel: Antworten mit Zitat

Neuling88 hat Folgendes geschrieben:
Genügen dann Neutrinos auch der Dirac-Gleichung? Kann ich mit der Dirac-Gleichung Neutrinos beschreiben? Bekomme ich alle Informationen aus den Spinoren?

Streng genommen sind alle Fermionen zunächst masselos und genügen der Weyl-Gleichung. Die Masse erhalten sie durch einen Kopplungsterm an das Higgsfeld; der Masseterm verhält sich dann so wie der aus der Dirac-Gleichung. Das gilt für alle Fermionen mit Ausnahme der Neutrinos.

Für Neutrinos ist der Mechanismus der Masseerzeugung noch nicht ganz klar. Eigtl. sollten sie zunächst ebenfalls Weyl-Spinoren sein, die dann durch die Masseerzeugung zu Dirac-Spinoren werden. Es wird jedoch spekuliert, dass sie jeweils ihr eigenes Antiteilchen sein könnten; in diesem Fall würde es sich um Majorana-Spinoren handeln. M.W.n. ist dies inzwischen jedoch experimentell nahezu ausgeschlossen.

Zitat:
Welcher Gleichung genügen Bosonenfelder?

Das kommt auf den Spin an. Hier eine Übersicht:
S = 0: Klein-Gordon-Gl. sowie Erweiterungen
S = 1/2: Weyl-, Majorana-, Dirac-Gl. sowie deren Erweiterungen
S = 1: Maxwell- für abelsche, Yang-Mills-Gl. für nicht-abelsche Eichfelder
S = 3/2: Rarita-Schwinger-Gl. (hypothetisch im Rahmen der Supersymmetrie)
S = 2: Einsteinsche Feldgleichung für das Gravitationsfeld oder verwandte Gleichung (hypothetisch: Graviton)

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