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Wahrheit und Wirklichkeit
 
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Science
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Beitrag Science Verfasst am: 26. Feb 2013 11:46    Titel: Wahrheit und Wirklichkeit Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Kann man überhaupt über die "wahre" Wirklichkeit etwas aussagen?
Wissen wir überhaupt, wie Atome und Elementarteilchen wirklich "aussehen"?
Sind alle naturwissenschaftlichen Theorien im Endeffekt nur falsche Abbildungen der Wirklichkeit?

Meine Ideen:
Einige Theorien (darunter die Relativitätstheorie und Quantenmechanik) können doch gar nicht falsch sein, sonst hätten wir doch heute keine Errungenschaften und Technologien, die als Grundlage diese Theorien haben.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18083

Beitrag TomS Verfasst am: 26. Feb 2013 13:00    Titel: Antworten mit Zitat

Viele Physiker sind heute der Meinung, dass die Physik bzw. eine physikalische Theorie nur mathematische Modelle der Wirklichkeit umfasst, die bestimmte (experimentell prüfbare) Aspekte beschreiben. Damit sagt die Physik nichts über die Wirklichkeit aus (weder was sie ist, noch wie sie ist), sondern sie beschreibt nur mathematische Methoden, wie man Phänomene beschreiben kann. Das wäre ein rein positivistischer Standpunkt, der es ablehnt, überhaupt über Wirklichkedit zu reden, da diese sozusagen nicht wissenschaftlich greifbar ist.

Allerdings gewinnt man, wenn man sich länger mit theoretischer Physik beschäftigt, den Eindruck, dass diese Modelle doch etwas mehr sind als nur Rezepte zur Berechnung von Phänomenen,sondern dass sie einen Teil einer unterlagerten, jedoch nicht direkt zugänglichen Wirklichkeit repräsentieren. Warum sollte ein mathematischesa Modell, das heute und hier perfekt funktioniert, auch morgen in der Andromedagalaxie funktionieren, wenn es nicht mehr ist als nur ein menschengemachtes Rechenrezept? Dies wäre ein ebenfalls weit verbreiteteter, eher platonistischer Standpunkt.

Fakt ist, dass man diese Fragen nicht im Rahmen der Physik, sondern der Metaphysik, also der Philosophie diskutiert. Als Startpunkt schlage ich dabei immer Platons Höhlengleichnis vor.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Science
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Beitrag Science Verfasst am: 26. Feb 2013 15:51    Titel: Antworten mit Zitat

Das ist ein wirklich interessantes Thema.
Viele Menschen denken, dass die Wissenschaft wirklich alles erklären kann (auch die Wirklichkeit). Mich überrascht es, dass sie das nicht tut.
Stephen Hawking sagt in seinem Buch "Der große Entwurf", dass die Philosophie tot sei. Aber das ist dann ja wohl nicht so.

Eine interessante Frage ist: Sehen Atome und Elementarteilchen wirklich so aus, wie sie immer dargestellt werden? Was bedeutet überhaupt in diesem Zusammenhang "sehen". Meint man damit nur, dass Teilchen gemessen werden?
Ein Quark hat ja noch niemand wirklich gesehen. Man hat es nur mit Hilfe von Streuexperimenten nachgewiesen. Wie also muss man sich z.B. Quarks vorstellen. Wohl nicht als Kügelchen, oder?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18083

Beitrag TomS Verfasst am: 26. Feb 2013 22:11    Titel: Antworten mit Zitat

Science hat Folgendes geschrieben:
Das ist ein wirklich interessantes Thema.
Viele Menschen denken, dass die Wissenschaft wirklich alles erklären kann (auch die Wirklichkeit). Mich überrascht es, dass sie das nicht tut.

Eine Stärke der objektivierbaren Wissenschaft ist, dass sich selbst Kriteren auferlegt, um ihre Grenzen zu bestimmen. Jede gute Theorie macht Vorhersagen, die experimentell überprüfbar und insbs. falsifizierbar sind. Insofern muss Wissenschaft nicht alles erklären, sie muss nur innerhalb eines bestimmten Gültigkeitsbereiches zutreffen.

Science hat Folgendes geschrieben:
Stephen Hawking sagt in seinem Buch "Der große Entwurf", dass die Philosophie tot sei. Aber das ist dann ja wohl nicht so.

Ich maße mir nicht an, Hawking auf physikalischer Ebene zu kritisieren, aber seine Aussagen zu philosophischen Themen sind teilweise haarsträubend. Zum einen redet er gerne immer das Ende von irgendwas herbei, z.B. der Philosophie. Dann behauptet er gerne, er wäre ein Positivist. Liest man seine Bücher, so verstößt er zu 99% gegen deren Sprachgebrauch. Und last but not least würde er natürlich mit diesem Statement alleine keine Bücher verkaufen. Es gibt kaum einen Autor von dem ich dir bzgl. naturphilosophischer Themen mehr abraten würde. Platon, Popper, Weitzsäcker, teilw. Heisenberg ja. Hawking und Feynman definitiv nein!

Science hat Folgendes geschrieben:
Eine interessante Frage ist: Sehen Atome und Elementarteilchen wirklich so aus, wie sie immer dargestellt werden?

Ich weiß nicht, welche Vorstellung du gerade hast. Jede Darstellung ist nur ein extrem vereinfachtes Modell. Man kann sie nicht direkt sehen.

Science hat Folgendes geschrieben:
Ein Quark hat ja noch niemand wirklich gesehen. Man hat es nur mit Hilfe von Streuexperimenten nachgewiesen. Wie also muss man sich z.B. Quarks vorstellen. Wohl nicht als Kügelchen, oder?

Am besten stellt man sich zunächst gar nichts vor!

Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass sich Laien und angehende Physiker zu lange an anschauliche Bilder klammern und die Problematik der Darstellung mit der physikalischen Problemstellung verwechseln.

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Gast





Beitrag ## Verfasst am: 26. Feb 2013 23:52    Titel: Re: Wahrheit und Wirklichkeit Antworten mit Zitat

Science hat Folgendes geschrieben:
Meine Frage:
Kann man überhaupt über die "wahre" Wirklichkeit etwas aussagen?
Wissen wir überhaupt, wie Atome und Elementarteilchen wirklich "aussehen"?
Sind alle naturwissenschaftlichen Theorien im Endeffekt nur falsche Abbildungen der Wirklichkeit?

Meine Ideen:
Einige Theorien (darunter die Relativitätstheorie und Quantenmechanik) können doch gar nicht falsch sein, sonst hätten wir doch heute keine Errungenschaften und Technologien, die als Grundlage diese Theorien haben.


vgl. Eimerversuch für konst. Winkelgeschwindigkeit => der Raum muss real sein

Zur möglichen Wahrheit:

1693 Leibniz: Differentialrechnung in Quotientenschreibweise, lebendige Kraft (Wellenenergie) W = mc², Monaden (punktförmige Materie) als wahre Bestandteile der Atome, anregbare Materiezustände, ... .

Später folgten Fehldeutungen: Aether müsse mitgeführt werden, Teilchen müssten ausgedehnte Modelle sein, Elektronen würden nur strahlen und nicht empfangen (Bohr)... .
Science
Gast





Beitrag Science Verfasst am: 27. Feb 2013 07:52    Titel: Antworten mit Zitat

Frage an TomS: Welches Bild (Vorstellung) haben Sie denn von Atomen, Elementarteilchen und Quarks?

Wichtig ist doch, dass man eben weiß, dass ein Proton z.B. 1 Elementarladung trägt, das Neutron aber neutral ist. Und das Quarks eben die fundamentalen Bestandteile der Nukleonen sind. Es ist wichtig, die physikalischen Größen der Atome, Nukleonen etc. zu kennen.

Aber irgendwie muss man sich doch ein Atom vorstellen. Immerhin gibt doch z.B. der Rutherfordsche Streuversuch darüber auskunft. Oder wie sollte man diesen Versuch interpretieren?

Und was ist mit den tief-inelastischen Streuversuchen (Stickwort Quarks)?
TomS
Moderator


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Beiträge: 18083

Beitrag TomS Verfasst am: 27. Feb 2013 09:49    Titel: Antworten mit Zitat

Letzteres ist ein gutes Stichwort.

Das naive Bild dreier Quarks im Nukleon ist eigentlich völlig falsch. Es ist tatsächlich so, dass das Nukleon algebraische Eigenschaften hat, wie man sie aus drei Quarks ableiten kann (Ladung, Spin, Isospin), dass aber seine dynamische Eigenschaften (Masse, Formfaktoren, Strukturfunktionen) ein wesentlich komplexeres Modell benötigen. Erst im Rahmen dieses Modells kann man versuchen zu verstehen, warum das Bild der der drei Quarks für ganz bestimmte, eingeschränkte Fragestellungen funktioniert (und dieses Vstehen ist bis heute nicht vollständig gelungen).

Ich vermeide es eigentlich, mir zu viel vorzustellen, da dies immer mit einer Limitierung verbunden ist. Ich weiß, wie ich das Proton im Kontext von DIS mittels Strukturfunktionen beschreiben kann, aber eine bildhafte Vorstellung davon ist schwierig oder gar irreführend. Auch die Interpretation der Graphen der Strukturfunktionen erfordert ein Verständnis des mathematischen Formalismus.

Am besten versucht man evtl., auf Basis von Pfadintegralen und Gittereichtheorie ein "Bild" von Nukleonen zu gewinnen. Die Gittereichtheorie trägt am wenigsten zusätzlichen Ballast mit sich herum und kommt ohne zu viele Näherungen (irreführende Interpretationen auf Basis von teilw. nicht anwendbaren Feynmandiagrammen) aus. Man kann so zwar nicht den gesamten tiefinelastischen Streuprozess, jedoch inzwischen sehr präzise die o.g. Eigenschaften eines isolierten Nukleons (und weiterer Hadronen) berechnen.

Wäre das in Ansatzpunkt?

PS. das funktioniert nicht nur für die QCD sondern auch für die QED; allerdings muss man sich von Bohrschen Bahnen, Orbitalen, Feynmandiagrammen usw. verabschieden.

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Science
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Beitrag Science Verfasst am: 27. Feb 2013 11:07    Titel: Antworten mit Zitat

Sie haben recht.
Ich werde mir auch diese naive Vorstellung von Atomen etc. abgewöhnen müssen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18083

Beitrag TomS Verfasst am: 27. Feb 2013 23:37    Titel: Antworten mit Zitat

Und wie sieht's bei dir mit Kenntnissen in der Quantenmechanik aus? Die Gittereichtheorie ist da konzeptionell gar nicht so schwer zu verstehen. Die detaillierten Rechnungen sind natürlich extrem aufwändig und nur auf dem Computer durchführbar, aber die benötigt man nicht, um eine Idee bzgl. eines "Bildes" der QFT zu entwickeln.
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Science
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Beitrag Science Verfasst am: 28. Feb 2013 07:41    Titel: Antworten mit Zitat

Physik interessiert mich schon lange. Aber ich bin jetzt kein Experte auf dem Gebiet.
Ich denke, Physik verstehe ich eher populärwissenschaftlich.
Aber ich wäre dankbar, wenn Sie mich etwas über Quantenmechanik aufklären würden, damit ich mir eine besseres Bild machen kann.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18083

Beitrag TomS Verfasst am: 28. Feb 2013 22:01    Titel: Antworten mit Zitat

Schwierig, bzw. sehr langwierig im Forum. Wie steht's mit einem gutem Taschenbuch und Diskussion / Fragen?
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Science
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Beitrag Science Verfasst am: 03. März 2013 17:32    Titel: Antworten mit Zitat

Gibt es vielleicht ein Gedankenexperiment oder ein "wirkliches" Experiment oder ein physikalisches Gesetz, das einem die Grundlagen der Quantenmechanik (Atommodell, Atomvorstellung) erläutert?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18083

Beitrag TomS Verfasst am: 03. März 2013 17:45    Titel: Antworten mit Zitat

Schau dir mal das Doppelspaltexperiment an

http://www.weltderphysik.de/gebiete/theorie/quanteneffekte/grundlagen/

Ich denke, wenn man die Merkwürdigkeiten dieses Experiments verstanden hat, dann kennt man auch die meisten Merkwürdigkeiten der Quantenmechanik.

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Yildirim
Gast





Beitrag Yildirim Verfasst am: 05. März 2013 01:16    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich vermeide es eigentlich, mir zu viel vorzustellen, da dies immer mit einer Limitierung verbunden ist.


Wenn ich einen Hamiltonian formuliere, stelle ich mir zumindest vorübergehend die Teilchen - wie die Elektronen - als lokalisierte Punktteilchen vor.
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