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Licht - Frage zum Realitätsbegriff
 
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markoOoooO



Anmeldungsdatum: 14.08.2020
Beiträge: 1

Beitrag markoOoooO Verfasst am: 14. Aug 2020 01:08    Titel: Licht - Frage zum Realitätsbegriff Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Hallo!

Warum entspricht die Lösung der Maxwellgleichungen (ebene Wellen, bzw. genauer gesagt: Superposition von ebenen Wellen) dem Licht in der Realität?
Also wie funktioniert das in der Physik, dass man aus einem Objekt in der Theorie schließt, das es ein bestimmtes Objekt in der Realität ist?

Vielen Dank im Voraus!




Meine Ideen:
Keine Idee
ML



Anmeldungsdatum: 17.04.2013
Beiträge: 3390

Beitrag ML Verfasst am: 14. Aug 2020 01:52    Titel: Re: Licht Antworten mit Zitat

markoOoooO hat Folgendes geschrieben:

Warum entspricht die Lösung der Maxwellgleichungen (ebene Wellen, bzw. genauer gesagt: Superposition von ebenen Wellen) dem Licht in der Realität?
Also wie funktioniert das in der Physik, dass man aus einem Objekt in der Theorie schließt, das es ein bestimmtes Objekt in der Realität ist?


Im Prinzip dadurch, dass Vorhersagen, die aus der Theorie logisch folgern, auch in der Messung erscheinen und auch viele Details richtig abgebildet werden.
Fred der Physiker



Anmeldungsdatum: 17.01.2017
Beiträge: 21

Beitrag Fred der Physiker Verfasst am: 14. Aug 2020 01:56    Titel: Antworten mit Zitat

Super Vielen Dank!!!

Liebe Grüße!!

Willkommen im Physikerboard!

Du bist hier zweimal angemeldet, markoOoooO wird daher demnächst gelöscht.

Viele Grüße
Steffen
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 14. Aug 2020 10:16    Titel: Re: Licht Antworten mit Zitat

markoOoooO hat Folgendes geschrieben:
Warum entspricht die Lösung der Maxwellgleichungen (ebene Wellen, bzw. genauer gesagt: Superposition von ebenen Wellen) dem Licht in der Realität?
Also wie funktioniert das in der Physik, dass man aus einem Objekt in der Theorie schließt, das es ein bestimmtes Objekt in der Realität ist?

Das schwierige an deiner Frage ist, dass der Begriff Realität kein physikalischer Begriff ist.

1) Der Minimalkonsens unter Physikern dürfte wohl sein, dass Realität das enthält, was man im Experiment direkt beobachtet, d.h. Messwerte, speziell Interferenzmuster, allgemein beobachtbare Phänomene. Ich denke, die Philosophen würden dieses Realitätsverständnis im weitesten Sinne dem Empirismus oder Positivismus zuordnen.

Viele Naturwissenschaftler gehen (implizit) einen Schritt weiter in Richtung des kritischen Realismus: diesem zufolge existiert eine vom menschlichen Denken unabhängige Realität, die für den Menschen jedoch - zumindest in Teilen - erkennbar ist. Physiker gehen oft (implizit) davon aus, dass ihre Theorien diese unabhängige Realität in einer gewissen Näherung beschreiben.

2) Interferenzmuster können nur mittels eines Wellenmodells erklärt werden, und dieses liefert die Maxwellsche Theorie, aus der sämtliche Phänomene des klassischen Elektromagnetismus in Übereinstimmung mit den experimentellen Überprüfungen folgen. D.h. jedoch, die Maxwellsche Theorie beschreibt nicht direkt und ausschließlich das Phänomen der Interferenz, sondern insbs. elektromagnetische Felder, die ihrerseits jedoch sicher nicht direkt phänomenologisch gegeben sind: noch niemand hat je ein elektromagnetisches Feld direkt gesehen. Wenn nun diese elektromagnetische Felder Bestandteil einer Realität sind, dann sicher nicht der in (1) rein phänomenologisch gegebenen Realität, sondern eher einer im Sinne des kritischen Realismus unabhängig von uns und unserer Wahrnehmung gegeben Realität. Dass nun aber gerade elektromagnetische Felder Bestandteil dieser Realität sind, ist nie empirisch überprüfbar, lediglich die phänomenologischen Schlussfolgerungen wie z.B. Interferenzmuster.

D.h. die Annahme, dass elektromagnetische Felder und deren Superpositionen real sind, erfordert philosophische Prämissen, nämlich
A) die Position des kritischen Realismus oder Vergleichbares sowie
B) darauf aufbauend die Annahme einer Entsprechung zwischen den Entitäten der rein mathematischen Theorie und den Entitäten der unabhängig von uns gegebenen Realität - zumindest in einer gewissen Näherung.

Philosophisch steht der kritische Rationalismus in der Nachfolge Platons, zur näherungsweise möglichen Erkenntnis der abhängig gegebenen Realität siehe insbs. Platons Höhlengleichnis.

Physiker sind leider häufig unpräzise in ihrer Sprache (wenn sie präzise sein wollen, nutzen sie die Mathematik). Deswegen unterscheiden sie selten zwischen
B.1) den elektromagnetischen Feldern im mathematischen Sinne als Bestandteil der Maxwellschen Theorie sowie
A) den als real angenommenen elektromagnetischen Feldern im ontologischen Sinne als Bestandteil einer unabhängigen Realität im Sinne des kritischen Rationalismus.
Die Unterscheidung ist jedoch wesentlich. Und Physiker befassen sich selten mit der Natur einer Beziehung B.2) zwischen (B.1) und (A).

Ich finde es spannend, dass du bzgl. der klassischen Physik fragst. Viele Physiker haben kein oder lediglich ein sehr rudimentäres Verständnis der philosophischen Fragestellungen sowie einen sehr naiven oder inkonsistenten Realitätsbegriff. Das wird spätestens bei der Beschäftigung mit der Quantenmechanik deutlich, ist aber bereits bzgl. der klassischen Physik der Fall. Entsprechend krude sind leider viele Überlegungen, die man dann zur Quantenmechanik findet, teilweise auch in ansonsten hervorragend Lehrbüchern.

Ich hoffe, dir etwas geholfen zu haben.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
gast56577
Gast





Beitrag gast56577 Verfasst am: 14. Aug 2020 16:16    Titel: Re: Licht Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Viele Physiker haben kein oder lediglich ein sehr rudimentäres Verständnis der philosophischen Fragestellungen sowie einen sehr naiven oder inkonsistenten Realitätsbegriff. Das wird spätestens bei der Beschäftigung mit der Quantenmechanik deutlich, ist aber bereits bzgl. der klassischen Physik der Fall. Entsprechend krude sind leider viele Überlegungen, die man dann zur Quantenmechanik findet, teilweise auch in ansonsten hervorragend Lehrbüchern.




Hallo TomS,

kannst du darauf noch etwas eingehen? Du hast ja als Physiker viel erfahrung, was für Beispiele kannst du für "naive Realitätbegriffe" unter Physikern geben? Ich habe nämlich den selben Eindruck und stelle etwa unter Physikstudenten eine große Langeweile oder sogar Ablehnung fest, was Philosophie angeht (diese sei etwa "unnötig").



Grüße
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 14. Aug 2020 16:44    Titel: Antworten mit Zitat

Während der Entwicklung der Quantenmechanik haben sich maßgebliche Physiker ernsthaft mit philosophischen Fragen befasst, z.B. Heisenberg, Weizsäcker, Einstein, ...

Heisenberg schreibt, dass die “neue Quantenmechanik” von etablierten Physikern u.a. wegen diverser logischer Brüche bzgl. ihrer Interpretation abgelehnt wurde. Er schreibt auch, dass er die pragmatische Sichtweise insbs. in den USA - es funktioniert, alles weitere ist egal - als Befreiung empfunden hat. Dafür hat sich der Begriff “shut up and calculate!” etabliert, der - wohl fälschlicherweise - Feynman zugeschrieben wird.

Feynman wiederum stellt recht ausführlich dar, wie ablehnend er der Philosophie gegenübersteht - wohl aufgrund einiger Erfahrungen in einem Seminar, an dem er bereits Professor teilgenommen hat.

Zu Bohr siehe meine Signatur.

Einige Stereotype findest du in der “Big Bang Theory“. Sheldons habe ich an der Uni mehrere kennengelernt ;-)

Teilweise wird eine positivistische Haltung vertreten, ohne diese zu Ende zu denken. David Deutsch weist auf diverse inkonsistente oder gar absurde Positionen hin.

Gegenbeispiele sind selten. Hervorzuheben sind sicher Wallace et al., die sich als Philosophen mit exzellentem Verständnis der Physik der Quantenmechanik und insbs. der Many-Worlds-Hypothese annehmen - sowohl pro als auch kontra; die Literatur ist jedoch extrem schwierig. Ein empfehlenswertes Buch ist “Philosophie der Physik” von Esfeld (Herausgeber).

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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5041

Beitrag DrStupid Verfasst am: 14. Aug 2020 16:44    Titel: Re: Licht Antworten mit Zitat

gast56577 hat Folgendes geschrieben:
Ich habe nämlich den selben Eindruck und stelle etwa unter Physikstudenten eine große Langeweile oder sogar Ablehnung fest, was Philosophie angeht (diese sei etwa "unnötig").


Ich würde es weniger drastisch formulieren. Ich habe den Eindruck, dass Naturwissenschaftler (nicht nur Physiker) zwar anerkennen, dass die Philosophie entscheidende Beiträge zur Naturwissenschaft (insbesondere zur naturwissenschaftlichen Methodik) geleistet hat, aber sie gehen davon aus, dass das Thema erledigt und aus dieser Richtung nichts Neues mehr zu erwarten ist. Für das Kerngeschäft der Naturwissenschaft, nämlich die Beschreibung dessen, was unabhängig und reproduzierbar beobachtet wird, ist das meistens auch ausreichend. Deshalb stellt das Desinteresse an Philosophie für Naturwissenschaftler in ihrem jeweiligen Fachgebiet üblicherweise kein Problem dar. Damit haben sie auch keine Veranlassung ihre Meinung zu ändern.
Fred der Physiker



Anmeldungsdatum: 17.01.2017
Beiträge: 21

Beitrag Fred der Physiker Verfasst am: 14. Aug 2020 17:39    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen Dank für die so ausführliche Antwort TomS!
Klingt echt interessant, aber auch wirklich kompliziert das Thema mit dem Realismus! Ich werde mal schauen, darüber mehr zu lesen!
Aber wenn man die Realität so versteht, wie der Minimalkonsens über Realität bei Physikern, so wie in 1) bei dir geschildert (Empirismus/Positivismus), ist das, was mir ML geantwortet hat so richtig?

ML:"Im Prinzip dadurch, dass Vorhersagen, die aus der Theorie logisch folgern, auch in der Messung erscheinen und auch viele Details richtig abgebildet werden"

Also nochmal zusammengefasst, wenn ich Eigenschaften eines Objektes in meiner THEORIE (z.B.: Geschwindigkeit des Objekts=Lichtgeschwindigkeit oder Transversalität der Wellen...) finde, dann versuche ich durch Messungen ein entsprechendes Objekt im Experiment zu finden. Wenn alle Eigenschaften die in der Theorie von meinem "künstlichen-Objekt" gefunden wurden, auch im Experiment EINES Objektes, welches man untersucht gefunden wurden, kann man sagen, dass das Objekt aus der Theorie, dem aus dem Experiment, welches man untersucht, entspricht?


Habe ich das so richtig verstanden?




Liebe Grüße
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 14. Aug 2020 17:39    Titel: Antworten mit Zitat

Im Allgemeinen stimme ich DrStupid zu, an zwei Stellen habe ich schon Bedenken.

Es gibt hervorragende Physiker, die nach Universitätsabschluss kaum präzise Vorstellungen von den konzeptionellen Problemen der Quantenmechanik haben.

Wohin das fast schon dogmatische Desinteresse an kritischer Reflexion des eigenen Fachgebietes führt, kann man im Kontext der Stringtheorie und verwandter Disziplinen „bewundern“.

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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 14. Aug 2020 17:52    Titel: Antworten mit Zitat

Fred der Physiker hat Folgendes geschrieben:
... wenn ich Eigenschaften eines Objektes in meiner THEORIE (z.B.: Geschwindigkeit des Objekts=Lichtgeschwindigkeit oder Transversalität der Wellen...) finde, dann versuche ich durch Messungen ein entsprechendes Objekt im Experiment zu finden. Wenn alle Eigenschaften die in der Theorie von meinem "künstlichen-Objekt" gefunden wurden, auch im Experiment EINES Objektes, welches man untersucht gefunden wurden, kann man sagen, dass das Objekt aus der Theorie, dem aus dem Experiment, welches man untersucht, entspricht?

Mit dem Fettdruck habe ich so meine Probleme.

Die Eigenschaften eines theoretischen Objektes und des Objektes im Experiment entsprechen sich nur zu geringen Teilen. Z.B. hat reales Licht eine Farbe, eine el.-mag. Welle in den Maxwellgleichungen dagegen nicht. Umgekehrt weist das el.-mag. 4er-Potential eine sogenannte lokale Eichinvarianz auf, die im Experiment prinzipiell unbeobachtbar ist (das ist eine Vorhersage aus dieser Eichinvarianz).

Nicht alle Objekte einer Theorie haben überhaupt reale Entsprechungen, oder keine eindeutigen realen Entsprechungen. Z.B. kann man die QCD mit transversalen Gluonen = zwei Polarisationen beschreiben, oder mit vier plus zwei sogenannte „Geistfeldern“.

Die Entsprechungen sind also weniger direkt und nicht ein-eindeutig.

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Brillant



Anmeldungsdatum: 12.02.2013
Beiträge: 1973
Wohnort: Hessen

Beitrag Brillant Verfasst am: 14. Aug 2020 17:56    Titel: Antworten mit Zitat

Fred der Physiker hat Folgendes geschrieben:
Also nochmal zusammengefasst, wenn ich Eigenschaften eines Objektes in meiner THEORIE (z.B.: Geschwindigkeit des Objekts=Lichtgeschwindigkeit oder Transversalität der Wellen...) finde, dann versuche ich durch Messungen ein entsprechendes Objekt im Experiment zu finden. Wenn alle Eigenschaften die in der Theorie von meinem "künstlichen-Objekt" gefunden wurden, auch im Experiment EINES Objektes, welches man untersucht gefunden wurden, kann man sagen, dass das Objekt aus der Theorie, dem aus dem Experiment, welches man untersucht, entspricht?
Wie war doch noch mal die Definition von „Wissenschaft“?

Experimente müssen wiederholbar / nachprüfbar sein. Wenn eine einzige Übereinstimmung ausreicht, könnte jeder Experimentator behaupten, seine Theorie sei bewiesen.
Fred der Physiker



Anmeldungsdatum: 17.01.2017
Beiträge: 21

Beitrag Fred der Physiker Verfasst am: 14. Aug 2020 18:06    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen Dank TomS!
Aber wie kann man sich dann darüber einig sein, dass das Licht, welches ich aus meiner Lampe beobachte, genau dem Objekt entspricht, welches mir in der Theorie (Superposition von ebenen Wellen) rauf und runter erzählt wird?
Reicht es dann aus, dann nur ein paar Eigenschaften übereinstimmen, wie beispielsweise die Vorhersage der Geschwindigkeit (Lichtgeschwindigkeit)?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 14. Aug 2020 20:25    Titel: Antworten mit Zitat

Die Physik befasst sich kaum damit, inwiefern sich mathematische, hypothetisch real existierende sowie phänomenologisch Entitäten entsprechen. Wie gesagt, das ist eine eher metaphysische Fragestellung.

Die Physik befasst sich zunächst damit, dass wir zu theoretischen Modellen gelangen, die beobachtbare Phänomene experimentell überprüfbar und im Rahmen des Gültigkeitsbereiches eines Modells sowie im Bereich der Messgenauigkeit zutreffend vorhersagen können; zutreffend bedeutet dabei verifiziert und nicht falsifiziert, d.h. dass Experimente, die auf die Falsifikation angelegt sind, die Vorhersagen bestätigen.

Wenn letzteres der Fall ist, halten wir ein Modell oder eine ganze Theorie für zutreffend. In diesem Sinne ist z.B. die QCD als Ganzes - im Rahmen ihres Gültigkeitsbereiches unterhalb einer GUT- oder Planck-Skala - zutreffend.

In wie weit einzelne theoretischen Konstrukte der QCD tatsächlich Entitäten der Realität entsprechen ist eine offene Frage. Die meisten Physiker haben dazu m.E. wenig beizutragen, weil sie entweder zu naiv an die Sache herangehen, oder diese Frage als „unphysikalisch“ den Philosophen vor die Füße werfen. Die naive Vorgehensweise aus der klassischen Mechanik funktioniert jedenfalls nicht.

Ich würde sagen, heute könnte man evtl. dahingehend weitgehend Konsens erzielen, dass Feldoperatoren sowie Hilbertraumzustände jeweils modulo lokaler Eichsymmetrie bzw. - was im wesentlichen das selbe ist - die Struktur eines Faserbündel, realisiert in Form einer geeigneten Operatoralgebra auf einem Hilbertraum den „ontologischen Kern“ einer Quantenfeldtheorie ausmacht.

~~~~~

Heisenberg erklärte Einstein in einem privaten Gespräch, dass es ihm vernünftig erscheine, nur Grössen in die Theorie aufzunehmen, die beobachtet werden können. Darauf Einstein: „Aber Sie glauben doch nicht im Ernst, dass man in eine physikalische Theorie nur beobachtbare Grössen aufnehmen kann?
Heisenberg entgegnete „ich dachte, dass gerade Sie diesen Gedanken zur Grundlage Ihrer Relativitätstheorie gemacht hätten?“ Worauf Einstein meinte: „... Vom prinzipiellen Standpunkt aus ist es ganz falsch, eine Theorie nur auf beobachtbare Größen gründen zu wollen. Denn es ist ja in Wirklichkeit genau umgekehrt. Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann.

Auch die beiden sind offenbar nicht zum Punkt gekommen.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 14. Aug 2020 20:46, insgesamt einmal bearbeitet
Fred der Physiker



Anmeldungsdatum: 17.01.2017
Beiträge: 21

Beitrag Fred der Physiker Verfasst am: 14. Aug 2020 20:46    Titel: Antworten mit Zitat

Danke TomS! Aber meinst du es ist ok, wenn ich mir das einfach gesehen so vorstelle, das die Superposition von ebenen Wellen, dem Licht, welches aus meiner Glühbirne kommt entspricht, aufgrunddessen, das ein paar Eigenschaften übereinstimmen? Also eine ganz einfache, wenn auch vll nicht ganz korrekt ausgeführte philosophische Definition, die noch seine Lücken hat?
Das wäre dann meine "philosophische Meinung" zu dem Thema, was ja auch vielleicht ok ist?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 14. Aug 2020 20:50    Titel: Antworten mit Zitat

Fred der Physiker hat Folgendes geschrieben:
... wenn ich mir das einfach gesehen so vorstelle, das die Superposition von ebenen Wellen, dem Licht, welches aus meiner Glühbirne kommt entspricht, aufgrunddessen, das ein paar Eigenschaften übereinstimmen?

... dass die Superposition von ebenen Wellen dem Licht aus meiner Glühbirne entspricht, da ersteres die wesentlichen Eigenschaften des Phänomens „Licht“ im o.g. Sinne der experimentellen Überprüfbarkeit zutreffend beschreibt.

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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 14. Aug 2020 20:56    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Die Eigenschaften eines theoretischen Objektes und des Objektes im Experiment entsprechen sich nur zu geringen Teilen. Z.B. hat reales Licht eine Farbe, eine el.-mag. Welle in den Maxwellgleichungen dagegen nicht.


Reales Licht hat auch keine Farbe. Der Farbeindruck entsteht erst beim Sehen in Abhängigkeit der Reaktion der drei verschiedenen Zapfenarten auf den Lichtreiz und und unter Beteiligung des visuellen Kortex. Die für die Farbwahrnehmung verantwortliche objektive Eigenschaft des Lichts ist die spektrale Verteilung, mit deren Beschreibung die Maxwellgleichungen keine besonderen Probleme haben.

Ich denke es gibt keine bekannte Eigenschaft von realem Licht, die nicht durch die Maxwellgleichungen oder die Quantenelektrodynamik beschrieben wird.
Fred der Physiker



Anmeldungsdatum: 17.01.2017
Beiträge: 21

Beitrag Fred der Physiker Verfasst am: 14. Aug 2020 20:58    Titel: Antworten mit Zitat

Mit wesentlichen Eigenschaften meinst du bspw. die Eigenschaften wie die Lichtgeschwindigkeit oder die Transversalität?
Diese Eigenschaften findet man dann auch experimentell bei dem Licht der Glühbirne?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 14. Aug 2020 21:10    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Reales Licht hat auch keine Farbe. Der Farbeindruck entsteht erst beim Sehen in Abhängigkeit der Reaktion der drei verschiedenen Zapfenarten auf den Lichtreiz und und unter Beteiligung des visuellen Kortex.

Richtig. Hatte ich bei der Diskussion weggelassen, ist aber wichtig.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die für die Farbwahrnehmung verantwortliche objektive Eigenschaft des Lichts ist die spektrale Verteilung, mit deren Beschreibung die Maxwellgleichungen keine besonderen Probleme haben.

Auch richtig. Nur ist diese spektrale Verteilung eben nicht mit unserer Sinneswahrnehmung identisch.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich denke es gibt keine bekannte Eigenschaft von realem Licht, die nicht durch die Maxwellgleichungen oder die Quantenelektrodynamik beschrieben wird.

Sicher auch richtig. Ich habe jedoch den Eindruck, Fred möchte auf eine Art Identität der verschiedenen Begriffsebenen hinaus, und das ist m.E. nicht sinnvoll.



Jedoch



wobei ich mit letzterem eine grobe, strukturelle Entsprechung andeuten möchte.

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Fred der Physiker



Anmeldungsdatum: 17.01.2017
Beiträge: 21

Beitrag Fred der Physiker Verfasst am: 14. Aug 2020 21:17    Titel: Antworten mit Zitat

Ok, super, Vielen Dank TomS!
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 14. Aug 2020 21:25    Titel: Antworten mit Zitat

Fred der Physiker hat Folgendes geschrieben:
Mit wesentlichen Eigenschaften meinst du bspw. die Eigenschaften wie die Lichtgeschwindigkeit oder die Transversalität?
Diese Eigenschaften findet man dann auch experimentell bei dem Licht der Glühbirne?

Ja.

Wobei, wie gesagt, Transversalität jeweils etwas anderes besagt:

A) Mathematisch:



B) In einer hypothetischen, von uns unabhängigen Realität:

„?! Wobei diese Realität - in gewisser, nicht wirklich verstandener Weise und aus uns unbekannten Gründen - zutreffen durch (A) beschrieben wird.“

C) Phänomenologisch:

„Wenn wir vor eine brennender Glühlampe zwei Polarisationsfilter stellen, wobei die Orientierung des zweiten ggü. der des ersten um 90° rotiert ist, nehmen wir hinter dem zweiten kein Licht mehr war.“

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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 15. Aug 2020 09:31    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die für die Farbwahrnehmung verantwortliche objektive Eigenschaft des Lichts ist die spektrale Verteilung, mit deren Beschreibung die Maxwellgleichungen keine besonderen Probleme haben.

Auch richtig. Nur ist diese spektrale Verteilung eben nicht mit unserer Sinneswahrnehmung identisch.


Von "identisch mit unserer Sinneswahrnehmung" hat glaube ich niemand gesprochen. Das Phänomen Farbe beweist jedoch nicht, daß "die Eigenschaften eines theoretischen Objektes und des Objektes im Experiment sich nur zu geringen Teilen entsprechen" (wenn sich "das Objekt im Experiment" hier auf Licht bezieht).

Farbe ist eine Konsequenz aus Wechselwirkung zwischen Licht und Sinnesorganen sowie komplizierten physiologischen Prozessen. Es ist keine Eigenschaft von Licht in Isolation. Und aus diesem Grund benötigt sie auch keine Entsprechung in der theoretischen Beschreibung von Licht in Isolation. Ich bezweifle aber nicht, daß es eine umfassende Theorie der Farbwahrnehmung gibt, in der die spektrale Verteilung des Lichts eine Rolle spielt und in welcher es Beschreibungen der physiologischen Prozesse gibt, aus denen sich wiederum eine theoretische Entsprechung der "mentalen Eindrücke von Farbe" ableiten lassen.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich denke es gibt keine bekannte Eigenschaft von realem Licht, die nicht durch die Maxwellgleichungen oder die Quantenelektrodynamik beschrieben wird.

Sicher auch richtig. Ich habe jedoch den Eindruck, Fred möchte auf eine Art Identität der verschiedenen Begriffsebenen hinaus, und das ist m.E. nicht sinnvoll.



Jedoch



wobei ich mit letzterem eine grobe, strukturelle Entsprechung andeuten möchte.


Ich glaube er hat oben auch nur von "Entsprechungen" geredet, so wie du jetzt hier. Das hast du ihm allerdings angekreidet.

Ich denke du machst es insgesamt ein bißchen zu kompliziert. Wir haben die Phänomene, d.h. unsere Sinneseindrücke, und die realen Dinge, die sie verursachen. Für letztere haben wir normalerweise relative einfache theoretische Beschreibungen, wie z.B. die Maxwellgleigungen. Diese Beschreibungen sind zutreffend nur in dem Sinne, das wir alle realen Eigenschaften, die als Ursachen für unsere Phänomene eine Rolle spielen, in der Theorie korrekt miteinander in Beziehung gesetzt haben. (In diesem Sinne finde ich die Beschreibung von Fred dem Physiker gar nicht so verkehrt.)

Um dies zu testen müssen wir also auf unsere Phänomene zurückgreifen, d.h. Fragen stellen wie "Welche Farbe hat das Licht am Ort x?" An dieser Stelle wird die exakte theoretische Beschreibung schwierig, aber nicht unmöglich. Und zum Testen unserer Theorie über die Dinge benötigen wir sie auch nicht unbedingt. Dafür brauchen wir nur recht grobe Hypothesen, z.B. "Wenn ich die spektrale Verteilung derart ändere, dann ändert sich die Farbe soundso." (Diese können natürlich bei Bedarf verfeinert oder korrigiert werden, falls es relevante Erkenntnisse aus der Theorie der Farbwahrnehmung gibt.)
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 15. Aug 2020 09:42    Titel: Antworten mit Zitat

Es ging mir drum, dass die Frage ...
Zitat:
wie funktioniert das in der Physik, dass man aus einem Objekt in der Theorie schließt, das es ein bestimmtes Objekt in der Realität ist?

... im Rahmen der Physik alleine nicht beantwortet werden kann.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Ich habe jedoch den Eindruck, Fred möchte auf eine Art Identität der verschiedenen Begriffsebenen hinaus, und das ist m.E. nicht sinnvoll.



Jedoch



wobei ich mit letzterem eine grobe, strukturelle Entsprechung andeuten möchte.

Ich glaube er hat oben auch nur von "Entsprechungen" geredet, so wie du jetzt hier. Das hast du ihm allerdings angekreidet.

Ich wollte das nicht „ankreiden“, lediglich deutlich klarstellen.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich denke du machst es insgesamt ein bißchen zu kompliziert. Wir haben die Phänomene, d.h. unsere Sinneseindrücke, und die realen Dinge, die sie verursachen. Für letztere haben wir normalerweise relative einfache theoretische Beschreibungen, wie z.B. die Maxwellgleigungen. Diese Beschreibungen sind zutreffend nur in dem Sinne, das wir alle realen Eigenschaften, die als Ursachen für unsere Phänomene eine Rolle spielen, in der Theorie korrekt miteinander in Beziehung gesetzt haben. (In diesem Sinne finde ich die Beschreibung von Fred dem Physiker gar nicht so verkehrt.)

Ja, falsch ist das sicher nicht.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Um dies zu testen müssen wir also auf unsere Phänomene zurückgreifen, d.h. Fragen stellen wie "Welche Farbe hat das Licht am Ort x?" An dieser Stelle wird die exakte theoretische Beschreibung schwierig. Aber zum Testen unserer Theorie über die Dinge benötigen wir sie auch nicht unbedingt. Dafür brauchen wir nur recht grobe Hypothesen, z.B. "Wenn ich die spektrale Verteilung derart ändere, dann ändert sich die Farbe soundso."

Richtig.

Das sagt etwas über die Beziehung zwischen mathematischen Entitäten und Phänomenen aus, jedoch nichts über Entitäten einer hypothetischen, unabhängigen „Realität“, die z.B. der kritische Realismus als gegeben annimmt, der Positivismus / Empirismus jedoch als irrelevant ablehnt bzw. ignoriert.

Physik im engeren Sinn funktioniert - auch wenn das nicht meiner Auffassung entspricht - völlig unabhängig von dieser zusätzlichen philosophischen Ebene einer unabhängig von Phänomenen gegebenen Realität. Der Begriff „elektromagnetisches Feld“ ist dann ein rein sprachliches Konstrukt, dessen wir uns bedienen, um einen Bezug zwischen mathematischen Entitäten und Phänomenen zu formulieren. Ich wollte einfach darauf aufmerksam machen, dass es durchaus Physiker und Philosophen gibt, die diese Auffassung vertreten.

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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 16. Aug 2020 09:11    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Um dies zu testen müssen wir also auf unsere Phänomene zurückgreifen, d.h. Fragen stellen wie "Welche Farbe hat das Licht am Ort x?" An dieser Stelle wird die exakte theoretische Beschreibung schwierig. Aber zum Testen unserer Theorie über die Dinge benötigen wir sie auch nicht unbedingt. Dafür brauchen wir nur recht grobe Hypothesen, z.B. "Wenn ich die spektrale Verteilung derart ändere, dann ändert sich die Farbe soundso."

Richtig.

Das sagt etwas über die Beziehung zwischen mathematischen Entitäten und Phänomenen aus, jedoch nichts über Entitäten einer hypothetischen, unabhängigen „Realität“, die z.B. der kritische Realismus als gegeben annimmt, der Positivismus / Empirismus jedoch als irrelevant ablehnt bzw. ignoriert.


Ich glaube du interpretierst meine Aussage falsch. Ich sage nichts über die Beziehung zwischen mathematischen Entitäten und Phänomenen. ("Spektrale Verteilung" meinte ich als Bezeichnung für eine objektive Eigenschaft des EM-Feldes.) Im übrigen wird der Positivismus wohl auch die Existenz der mathematischen Entitäten leugnen. Ansonsten bestünde die Realität eben aus diesen mathematischen Entitäten und es existierte kein Unterschied zwischen beiden Positionen, außer einem semantischen. Damit bleibt nichts mehr übrig außer Phänomenen.

Nach meiner Ansicht sind es die Maxwellgleichungen, die etwas über die objektive Realität aussagen. Gäbe es keine objektive Realität, wären Maxwellgleichungen (und jede andere Theorie) lediglich sinnlose Zeichenketten. Denn die Symbole "E" und "B" beziehen sich sicher nicht auf Sinneswahrnehmungen, sondern auf Felder in der Raumzeit, also Objekte. Wenn es keine Objekte gibt, beziehen sie sich auf nichts. Es können also nicht die Maxwellgleichungen und der Positivismus/Empirismus gleichzeitig sinnvoll und wahr sein. Und wenn ich mich entscheiden müßte, dann natürlich für die Maxwellgleichungen.

Zitat:

Physik im engeren Sinn funktioniert - auch wenn das nicht meiner Auffassung entspricht - völlig unabhängig von dieser zusätzlichen philosophischen Ebene einer unabhängig von Phänomenen gegebenen Realität.


Zur Physik gehört für mich auch die Formulierung neuer Theorien, nicht nur die Interpretation bekannter Theorien. Ich bezweifle das dies ohne Annahme einer objektiven Realität möglich wäre -- nicht aus logischen, aber aus pragmatischen Gründen. Es sei denn du ziehst eine völlig unnatürliche Grenze und zählst z.B. makroskopische Körper, wie Steine, Stühle, andere Wissenschaftler und andere alltägliche Dinge, willkürlich zu den "Phänomenen", obwohl es sich klar um Abstraktionen von reinen Sinnesdaten und damit um hypothetische Objekte handelt, die entweder in der Realität existieren oder nirgendwo. Ohne Annahme solcher externer Dinge wäre nicht mal alltägliches Handeln möglich, geschweige denn wissenschaftliche Kommunikation oder die Formulierung neuer Theorien. Nur die Annahme relativ abstrakter Objekte als Ursachen für unsere Sinnesdaten ermöglicht Hypothesen, die hinreichend einfach sind, daß wir sie verstehen können. Solche Hypothesen systematisieren unsere Wahrnehmungen und sind deshalb absolut notwendig um unsere Handlungen auf Basis einiger weniger sinnvoller Erwartungen zu planen, anstatt, von bloßen Sinnesdaten überfordert, dauernd verblüfft und verwirrt durch die Gegend zu stolpern.

Zitat:

Der Begriff „elektromagnetisches Feld“ ist dann ein rein sprachliches Konstrukt, dessen wir uns bedienen, um einen Bezug zwischen mathematischen Entitäten und Phänomenen zu formulieren.


Mit dem "sprachlichen Konstrukt" sind wir uns wohl einig. Aber wo kommen denn plötzlich die "mathematischen Entitäten" her? Mathematische Entitäten sind sicher von "den Phänomenen unabhängig", wie du es gerade formuliert hast. Ohne objektive Realität gibt es sie also nicht und die Maxwellgleichungen bleiben sinnlos. Mehr als das sprachliche Konstrukt hat man nicht. Und es stellt lediglich eine Beziehung zwischen sich selbst und anderen sprachlichen Konstrukten her, die sich direkt auf Beobachtungen beziehen.

Zitat:

Ich wollte einfach darauf aufmerksam machen, dass es durchaus Physiker und Philosophen gibt, die diese Auffassung vertreten.


Gut, ich behaupte nicht, mich eingehend mit all diesen Auffassungen auseinandergesetzt zu haben. Vielleicht entgehen mir auch viele Subtilitäten. Ich kann mir z.B. gut vorstellen, daß jemand behauptet, es gäbe kein elektromagnetisches Feld oder es gäbe dies nicht oder das nicht. Aber es würde mir äußerst schwer fallen, jemanden ernst zu nehmen, der behauptet, es gäbe gar nichts (außer bestenfalls seine eigenen Sinneswahrnehmungen).
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 16. Aug 2020 10:02    Titel: Antworten mit Zitat

Ich vertrete nicht den Positivmus, ich versuche nur darzustellen, was ich verstanden habe. Nach meinem Verständnis wird eben die Ansicht vertreten, die Annahme einer „jenseits der messbaren Phänomene“ unabhängig von uns existierenden Realität sei zumindest irrelevant, da eben nicht objektivierbar und beobachtbar.

Ich halte diese Ansicht auch für verfehlt.

Man vergleiche die positivistische Ansicht, die Maxwellschen Gleichungen würden die Berechnung von Phänomene erlauben, jedoch keine weiteren objektiven Aussagen oder Erklärungen liefern, mit einem komplizierten, von diversen festen, unerklärlichen Parametern abhängigen Computerprogramm, das das bzgl. der messbaren Phänomene das selbe leistet. Ein ernsthafter Positivist sollte auch mit letzterem zufrieden sein - und das halte ich schlichtweg für absurd.

Ich denke, dass es durchaus „ernsthafte“ Positivisten gibt, dass jedoch die überwiegende Mehrzahl der Physiker, die eine derartige Sichtweise für sich reklamieren, nie wirklich ernsthaft darüber nachgedacht haben. Viele lehnen eine Beschäftigung mit Philosophie einfach grundsätzlich ab. Das ist zumindest meine Erfahrung, wenn man die Position kritisch hinterfragt.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 16. Aug 2020 13:20    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich vertrete nicht den Positivmus, ich versuche nur darzustellen, was ich verstanden habe.


Das weiß ich natürlich. Aber eine bloße Darstellung ohne kritische Auseinandersetzung finde ich unzureichend. Deswegen wollte ich klarstellen, warum ich denke, daß aus dieser Position die Unmöglichkeit von Wissenschaft folgt. Eine positivistische Haltung wollte ich dir nicht unterstellen. Ich will nur vermeiden, daß zwei Positionen gleichgewichtet nebeneinander stehen, von denen die eine viel weniger plausibel ist, als die andere.

Zitat:

Nach meinem Verständnis wird eben die Ansicht vertreten, die Annahme einer „jenseits der messbaren Phänomene“ unabhängig von uns existierenden Realität sei zumindest irrelevant, da eben nicht objektivierbar und beobachtbar.


Ganz so habe ich das übrigens nicht in Erinnerung. Ich dachte beim Positivismus handelt es sich in erster Linie um die Position, die nur Aussagen als sinnvoll akzeptiert, wenn sie sich empirisch begründen lassen.

Soweit ich weiß wurden durchaus ernsthafte Versuche unternommen, die Theorien der Naturwissenschaft auf genau diese Art zu begründen. Ich denke dabei gerade an Carnaps "Der logische Aufbau der Welt". Das kenne ich zwar nur aus zweiter Hand (Kritik von Popper und anderen). Aber diese Beschreibung hier liest sich auch nicht so, als würde Carnap die Existenz der objektiven Realität leugnen. Im Gegenteil steht da:

"[T]he Aufbau suggests that epistemology, based on modern symbolic logic, is concerned with the logical analysis of scientific propositions, while science itself, based on experience, is the only source of knowledge of the external world, i.e. the world outside the realm of human perception. "
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 16. Aug 2020 14:35    Titel: Antworten mit Zitat

Dieser Text scheint tatsächlich etwas anderes zu sagen.

Ich kenne jedoch durchaus Aussagen von Physikern, die sich einerseits als Positivisten bezeichnen, andererseits jedoch den Formalismus ausschließlich zur Berechnung beobachtbarer Gegebenheiten herangezogen wissen wollen.

Von wann ist der Text von Carnap? 1928? Die extremeren Positionen vieler Physiker sind ja erst in der Folge der Entwicklung der Quantenmechanik entstanden, und nach meinem Verständnis stärker im angelsächsischen Sprachraum.

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Beitrag TomS Verfasst am: 16. Aug 2020 14:46    Titel: Antworten mit Zitat

Beispiele - S. Hawking:

Most people believe that there is an objective reality out there and that our senses and our science directly convey information about the material world. Classical science is based on the belief that an external world exists whose properties are definitive and independent of the observer who perceives them. In philosophy, that belief is called realism.

Those who remember Timothy Leary and the 1960s, however, know of another possibility: one’s concept of reality can depend on the mind of the perceiver. That viewpoint, with various subtle differences, goes by names such as antirealism, instrumentalism or idealism. According to those doctrines, the world we know is constructed by the human mind employing sensory data as its raw material and is shaped by the interpretive structure of our brains. …

Instead we adopt a view that we call model-dependent realism: the idea that a physical theory or world picture is a model (generally of a mathematical nature) and a set of rules that connect the elements of the model to observations. According to model-dependent realism, it is pointless to ask whether a model is real, only where it agrees with observation.


https://www.millennialstar.org/stephen-hawkings-defense-of-positivism/
(S. Hawking; Scientific American, October 2010)


Any sound scientific theory, whether of time or of any other concept, should in my opinion be based on the most workable philosophy of science: the positivist approach put forward by Karl Popper and others. According to this way of thinking, a scientific theory is a mathematical model that describes and codifies the observations we make. A good theory will describe a large range of phenomena on the basis of a few simple postulates and will make definite predictions that can be tested. ... If one takes the positivist position, as I do, one cannot say what time actually is. All one can do is describe what has been found to be a very good mathematical model for time and say what predictions it makes.

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Positivism
(S. Hawking; The Universe in a Nutshell, October 2010)

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Beitrag index_razor Verfasst am: 16. Aug 2020 20:11    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Von wann ist der Text von Carnap? 1928?


Ja, von 1928.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Beispiele - S. Hawking:

Most people believe that there is an objective reality out there and that our senses and our science directly convey information about the material world. Classical science is based on the belief that an external world exists whose properties are definitive and independent of the observer who perceives them. In philosophy, that belief is called realism.

Those who remember Timothy Leary and the 1960s, however, know of another possibility: one’s concept of reality can depend on the mind of the perceiver. That viewpoint, with various subtle differences, goes by names such as antirealism, instrumentalism or idealism. According to those doctrines, the world we know is constructed by the human mind employing sensory data as its raw material and is shaped by the interpretive structure of our brains. …

Instead we adopt a view that we call model-dependent realism: the idea that a physical theory or world picture is a model (generally of a mathematical nature) and a set of rules that connect the elements of the model to observations. According to model-dependent realism, it is pointless to ask whether a model is real, only where it agrees with observation.


https://www.millennialstar.org/stephen-hawkings-defense-of-positivism/
(S. Hawking; Scientific American, October 2010)


Verstehst du den Unterschied zwischen Antirealismus (Position 2) und "modellabhängigem Realismus" (Position 3)? Ich nicht.

Gäbe es keine objektive Realität, landen wir mit Position 3 vermutlich eher bei einer Spezialform des Antirealismus nach Hawkings eigener Definition, wobei die "Konstruktion des menschlichen Geistes" in diesem Fall wohl ein mathematisches Modell ist. Das scheint also nicht gemeint zu sein. ("Instead we adopt...")

Oder behauptet Hawking es gäbe zwar eine Realität, aber sie ist irrelevant für die Naturwissenschaft? Dann wäre ausgerechnet der "physische" Teil der objektiven Realität ein Fall für Ockhams Razor, während mathematische Modelle munter weiterleben dürfen, deren Elemente wir ja mit den Beobachtungen verbinden müssen. Äußerst bizarr.

Wie dem auch sei, mein Punkt ist, daß man sowas nicht kritiklos stehen lassen (nicht mal mit der Qualitätsmarke "Positivismus" versehen) sollte, insbesondere wenn es von Hawking, dem Held der Sheldons, kommt.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 16. Aug 2020 21:45    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Äußerst bizarr.

Ich halte vieles von Hawking, was nicht mathematisch ausgeführt ist, teilweise für auslassenswert ... und das hier ist auch noch sowas wie Philosophie ...

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wie dem auch sei, mein Punkt ist, daß man sowas nicht kritiklos stehen lassen (nicht mal mit der Qualitätsmarke "Positivismus" versehen) sollte, insbesondere wenn es von Hawking, dem Held der Sheldons, kommt.

Sheldon ist mit Amy zusammen. Wie wir wissen, ging‘s seither mit seiner Physik und dem Unterhaltungswert der Serie bergab ...

Ernsthaft: ich habe außer A brief history of time und einigen Papers nichts von Hawking gelesen, ich weiß jedoch, dass er sich immer wieder zum Positivismus geäußert hat - wobei ich diese Ausführungen, die ich exemplarisch gegoogelt habe, für wenig erhellend halte. Ich interpretiere (3) so, dass alles so funktioniert, wie wenn das mathematische Modell die unabhängige Realität tatsächlich repräsentieren würde, man jedoch genau dies nicht in letzter Konsequenz fordert. Das passt zu seinem Sprachgebrauch, der oft der eines Realisten ist.

Klingt ein bisschen schizophren, ist es m.E. auch. Letztlich ist es eine Position von vielen, die nie wirklich konsequent durchgehalten werden. Du hast einige Gründe genannt.

Für mich ist essentiell, dass die Mathematik einer Theorie - nach positivistischer Lesart - weder die Realität repräsentiert, noch die Phänomene; zumindest tut sie letzteres sicher nicht mehr seit der Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik. Die einzigen Element mit Bezug zur epistemischen Realität wären - verkürzt: „Eigenwert = Messwert“, „Kollaps“, „Bornsche Regel“. Alles andere - Hilbertraum, Hamiltonian, S-Matrix, weitere Observablen ... - wäre ein rein geistiges Konstrukt, weder mit Bezug zur Realität noch zum Phänomen; letzteres wird sicher nicht durch die Mathematik der kopenhagener Quantenmechanik beschrieben (jedenfalls enthält die keine Spuren in Blasenkammern), sondern durch Umgangssprache.

Damit halte ich die Position des Positivismus für ungefähr so überzeugend wie wenn ein Sportreporter mir erklären würde, dass hier kein reales Fußballspiel stattfindet, sondern lediglich eine Implementierung der Ziehung der Elferwette (Toto).

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